Interview mit dem GRAF von UNHEILIG

sounds2move: Ist es Zufall oder Absicht, dass das neue Album„Moderne Zeiten“ genau gleich betitelt ist wie e in Film von und mit Charles Chaplin aus dem Jahre 1936?

Der Graf: Ich würde sagen, dass ein wenig Absicht schon dabei war, als es um den Titel des neuen Albums ging. Einige Bilder des Chaplin Films, würden sich schon reibungslos in die Musik einbinden lassen, da es in diesem Film ebenfalls darum geht, se in en Platz in einer sich immer mehr verändernden Welt zu finden und seine Träume und Wünsche zu erfüllen. Aus der heutigen Sicht, werden die 30er Jahre vor Beginn des Krieges gern als Goldene Zeit betitelt aufgrund des damaligen Wirtschaftswachstums. Somit sehe ich schon eine gezielte Verbindung zwischen Album und Film.

sounds2move: Ist Charles Chaplin für dich ein Visionär, der in seinen Vorstellungen sein er Zeit voraus war?

G: Er hat bestimmte Dinge, die in der damaligen Zeit für viele tabu waren, offen in seinen Filmen verarbeitet und angesprochen. Das sehe ich als sehr mutig und visionär an und ich mag daher seine Filme sehr, da der Zuschauer sich in den verschiedenen Rollen wieder finden kann und die Filme oft ein Spiegelbild für den Zuschauer sind.

sounds2move: Das Covermotiv von „Moderne Zeiten“ zeigt eine Uhr, deren Zeiger auf 5 vor 12 stehen. Was soll diese Zeigerstellung im Bezug auf das Album Symbolisieren?

G: Die Aussage des Covers ist, „es ist 5 vor 12, fang endlich an zu denken und mach was aus deinem Leben, bevor es zu spät ist.“ Die Zeit drückt für mich die Vergänglichkeit aus und den Moment, den wir selbst nutzen sollen.

 

sounds2move: Lass uns Mal über das Einleitende Intro „Das Uhrwerk“ sprechen. In diesem wird ein ziemlich düsteres Bild unserer Gesellschaft aufgezeigt und vor allem die Aussage dass der Mensch von Angst angetrieben wird, ist heutzutage von aktueller Natur. Vor allem wenn man bedenkt dass die Angst vor Terroranschlägen, vor anderen Religionen bishin zu der Angst vor den eigenen Mitmenschen, fast allerorts anzutreffen ist. Wie ist deine Meinung zu dieser Situation der latenten Angst?

G: Im ersten Moment, wenn man das Intro hört, glaubt man an eine düstere Zukunftsvision, die mit der heutigen Zeit wenig zu tun hat, da jeder im Grunde seine eigene rosarote Brille aufhat durch die vieles immer ziemlich glatt aussieht. Wenn man sich allerdings näher mit der Einleitung von Moderne Zeiten beschäftigt, sieht man immer mehr Parallelen, die in unser heutiges Gesellschaftsbild passen. Das fängt bei der Angst an, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und endet bei der Angst, vor Terroranschlägen, bis hin zu dem Verlust seiner freien Meinungsäußerung. Diese Themen sind immer aktuell und werden es bleiben. Daher ist Moderne Zeiten für mich eines der Alben, welches immer aktuell sein wird, da es um Stärken, Schwächen und Ängste, sowie Träume eines jeden Menschen geht.

sounds2move: Ist es auch nicht diese Angst die viele Menschen dazu bringt, die Augen vor dem aktuellen Weltgeschehen zu verschließen und sich lieber in die heile Welt der Medien zu flüchten. Sich dort Schauspieler, Models, „Deutschland sucht den Superstar“ Eintagsfliegen und Marktgerechte Popsternchen als Vorbild zu nehmen, und damit durchaus auch eine konstante Verdummung in Kauf zu nehmen, nur um der Realität zu entfliehen?

G: Verdummung würde ich das nicht nennen, eher die Angst selbst die Dinge anzupacken und nicht den einfachen vorgekauten Weg zu nehmen. Das ist in meinen Augen eine Modeerscheinung, die du auf alles beziehen kannst. Die Leute verkaufen lieber ihre Würde oder erkaufen sich ihre Wünsche, ohne den Hintern hochzukriegen, um ihre Ziele selber zu verfolgen. Wenn man heutzutage abnehmen will, rennt man lieber zum Fettabsaugen, ohne einen Gedanken daran zu verlieren, ob man das nicht mit ein wenig Selbstdisziplin auf die Reihe kriegt, nur um der Angst des Versagens zu entfliehen und die Schuld auf jemand anderen schieben zu können. Diese Handhabung des gesamten Umfeldes, findet sich auch in diesen Sendungen und im Weltgeschehen wieder.

 

sounds2move: Am Schluss des Intros wird durchaus der Eindruck erweckt, dass jene Probleme die vorherrschen ein Problem „unserer“ Zeit bzw. der „Modernen Zeit“ ist. War früher also alles besser?

G: Nein , die Probleme gab und gibt es immer ebenso wie das zurecht in den im Unfeld ein es jeden Menschen. Der Unterschied ist lediglich, dass man aus Vergangenem lernen kann, da es schon passiert ist und vielleicht eine Hilfe darstellt, wenn man nicht mehr weiter weiß. Man redet im Grunde nur über die Vergangenheit, weil diese aus der heutigen Sicht planbarer aussieht und da wir alle lieber einen sicheren Weg gehen möchten, wo uns keine bösen Überraschungen erwarten, verblasst diese auch damals vorhandene Unsicherheit aus heutiger Sicht immer mehr. Wie ein schlechter Urlaub, über den man sich damals aufgeregt hat. Wenn man im Nachhinein daran zurückdenkt, sieht man fast nur noch das schöne Wetter.

sounds2move: Viele de in er Lieder wie z.B. „Helden“ kreisen um das Thema des Individuums, dass der Mensch sich selber treu sein sollte. Solche Songs werden vom Publikum auch durchaus begeistert aufgenommen, wobei aber auffällt dass viele der Hörer genau das Gegenteil leben. Sie passen sich einer Musikszene an, übernehmen deren Kleiderkodex, die Grundeinstellung usw. und verlieren somit ihr eigenes „Ich“ und grenzen auch andere aus. Wie kommt es dass viele sich zwar nach Individualität sehnen, aber Widersprüchlicherweise jene nicht leben?

G: In einer gewissen Weise, sehnen sich viele immer nach einem richtigen Weg und haben nicht gelernt sich als eigenes Individuum zu sehen. Die alleinige Entscheidung durch gewinnen und verlieren ihre eigenen Erfahrungen zu machen, um sich selbst zu finden, bleibt meistens auf der Strecke. Im Grunde stehen viele im Dunkeln und suchen irgendeinen Weg und halten sich daher an jemanden der verspricht den richtigen Weg zu kennen, obwohl dieser ebenso keine Ahnung hat. Derjenige hat lediglich eine Richtung für sich gewählt und diejenigen, die ihm folgen, gehen solange mit, bis sie sich irgendwann selbst für eine Richtung entscheiden können.

sounds2move: Ist es überhaupt noch möglich sich sein eigenes Se in zu bewahren, in dieser Zeit in der man allerorts verschiedensten Einflüssen und Beeinflussungen ausgesetzt ist?

G: Wenn man die Dinge tut, die einem gut tun, sodass man selbst glücklich ist, hat man doch im Grunde seinen Weg gefunden.

 

sounds2move: Wie muss man sich den Kreativen Entstehungsprozess für einen typischen Unheilig Song vorstellen. Handelt es sich dabei um konzentriertes Arbeiten in den vertrauten vier Wänden, oder sind es eher spontane Eingebungen, erlebte Situationen aus denen ein Song entsteht?

G: Ein wenig von allem, denke ich. Das Arbeiten in meinen eigenen vier Wänden, gibt mir überhaupt erst die Möglichkeit schnell Ideen festzuhalten und zu verwirklichen. Die Unabhängigkeit ist mir sehr wertvoll und ich habe lange dafür gekämpft und diese lass ich mir nie mehr nehmen. Das Arbeiten mit anderen Musikern oder gerade anderen Produzenten wäre in meinen Augen nichts anderes als der eigenen Verantwortung sich selbst gegenüber wieder zu entfliehen. Gerade was andere Produzenten angeht, habe ich schon meine eigenen Erfahrungen gemacht und mache deswegen alles lieber selbst.

sounds2move: So mancher deiner Songtexte ist von sehr persönlicher Natur. Brauchst du so was um das Erlebte zu verarbeiten oder ist das einfach ein Stilmittel, um auf eine glaubhafte Art Emotionen zu vermitteln?

G: Musik ist für mich wie ein Gespräch mit einer anderen Person. Wenn man über bestimmte Dinge mit jemanden redet, sieht man alles nachher irgendwie klarer und geordneter. Ebenso geht es mir mit Musik. Dadurch erklärt sich beim Schreiben eines Songs einfach alles von allein e. Aufgesetzte Emotion ist immer durchschaubar und unehrlich. Der Zuhörer würde das sofort merken. Daher kommt so etwas für mich nicht in Frage.

sounds2move: Gibt es ein persönliches Thema über das du nie e in en Song verfassen würdest?

G: Über me in Privatleben.

 

sounds2move: Vergleicht man das 2003 Album „Das 2. Gebot“ mit dem Nachfolger „Zelluloid“, so kann man ein deutliche Weiterentwicklung in allen belangen feststellen. Anders jedoch verhält es sich wenn man „Zelluloid“ nun mit „Moderne Zeiten“ vergleicht, da zwischen beiden Alben nur eine minimale Weiterentwicklung auszumachen ist. Hast du deinen Perfekten Sound gefunden, oder wieso sind beide Alben musikalisch doch so ähnlich geraten?

G: Mein Ziel war es immer einen eigenen Sound zu finden. Wenn man die ersten Töne hört, sollte schnell feststehen, welche Band oder welcher Musiker das ist. Hörst du die ersten Takte von Phil Collins, Rammstein , David Bowie oder Depeche Mode, kannst du das sofort am Sound erkennen. Das ist bei fast allen Alben ab einem bestimmten Moment so. Das ist ebenso mein Ziel. Ich denke, dem bin ich schon recht nahe. Perfekt, so wie bei den oben genannten ist es allerdings noch nicht.

sounds2move: Findet man auf „Moderne Zeiten“ nur neue Songs vor, oder sind auch welche darunter die schon während der Arbeitsphase zu „Zelluloid“ entstanden sin d?

G: Alle Songs sind zu Moderne Zeiten entstanden. Ich nehme nie altes Material für ein neues Album.

sounds2move: Schreibst du für ein Album immer so viele Songs wie es braucht, oder entstehen immer mehr als nötig?

G: Wenn ich ein Album schreibe, setzte ich mir immer 20 Songs als Ziel. 16 für das Album und 4 für die darauf folgende EP, auf der auch der gewählte Albumsong der Fans ist. Ein Album mit weniger Songs, halte ich bei den heutigen CD Preisen für unakzeptabel.

sounds2move: Alle deine Alben hast du entweder komplett oder größtenteils alleine Produziert. Hast du diese Arbeitsweise gewählt um deine künstlerische Freiheit zu gewährleisten bzw. würde es dich nicht reizen Mal unter vollkommen Fremder Produktion zu Arbeiten?

G: Phosphor wurde komplett von einem anderen Produzenten produziert und das 2te Gebot noch zur Hälfte. Meine Erfahrungen in dieser Hinsicht waren nicht gerade rosig. Das Ende vom Lied ist meistens, dass jemand alles von dir übernimmt, es nur neu abmischt und dann seinen Namen darunter setzt oder es verschraubt, weil er dann denkt die Musik könnte sich besser verkaufen. Diese Arbeitsweise deckt sich in keiner Weise mit meiner Auffassung von Musik und Kreativität. Sollte es einen Produzenten geben, der nicht so arbeitet, bin ich offen für alles.

sounds2move: Wie schon auch bei der „Freiheit“ EP, können nun auch wieder die Fans bestimmen welcher Albumsong für die nächste EP ausgekoppelt werden soll. Ist das deine Art sich bei den Fans zu bedanken? Indem du ihnen diese Entscheidung überlässt?

G: Die Fans sind mir genauso wichtig wie die Musik selbst. Ich habe ihnen jedes Weiterkommen in den letzten Jahren zu verdanken. Das Auswählen eines Songs, gibt mir die Möglichkeit die unheilige Musik gemeinsam mit den Fans zu gestalten, da ich mittlerweile nicht nur Musik für mich mache sondern ebenso für die Fans . Daher halte ich eine solche Abstimmung für sehr wichtig und eine gute Sache.

sounds2move: Unabhängig von der Fanauswahl, welchen Song würdest du denn gerne für die EP auskoppeln und wieso?

G: Grundsätzlich habe ich schon meine Lieblingslieder, die allerdings immer wieder von Zeit zu Zeit wechseln. Bisher hat sich mein Lieblingssong immer mit der Entscheidung der Fans gedeckt und im Moment sieht das auf der Homepage nicht anders aus. Das zeigt mit, dass ich mit allen Songs auf dem richtigen Weg bin und sich mein Musikgeschmack immer noch mit dem der Fans deckt.

sounds2move: Was kann man von der EP sonst noch erwarten? Wird es wieder Bonustracks oder Remixes geben und was kannst du uns schon darüber sagen?

G: Ich kann im Moment schon verraten, dass es wieder Remixe und Bonustracks geben wird. Wie genau es letztendlich nun aussieht, ist im Moment noch unklar und ich möchte hier nichts versprechen, was noch nicht zu 100% feststeht.

 

sounds2move: Oft wird im Bezug auf einzelner deiner  Songs, der Vergleich mit Rammstein herbeigezogen. Ödet dich solch ein Vergleich an bzw. kannst du diesen überhaupt nachvollziehen?

G: Meine Musik ist Definitiv auch von Rammstein beeinflusst worden. Ich sehe das als Kompliment, da ich Rammstein sehr mag. Wenn man Musik beschreiben will, muss man immer vergleiche zu bekanntem ziehen, um Musik erklären zu können. Mittlerweile, werden neben Rammstein auch Bands wie Oomph ,Wolfsheim oder ähnliches genannt, worüber ich mich sehr freue.

sounds2move: Was hältst du im Allgemeinen von Rammstein und ihrem schaffen?

G: Rammstein haben es in mein en Augen geschafft, ihren eigenen Sound und Stil zu finden. Sie haben viele Musiker in ihrer Kreativität beeinflusst und ich halte sie für die heutige Musiklandschaft für sehr wichtig. Alle Lieder decken sich allerdings nicht mit meinem Musikgeschmack, ebenso manche Inhalte der Songs. Was aber auch kein Beinbruch ist, da Musikgeschmäcker immer verschieden sind und das ist auch gut so.

sounds2move: Auf deinem Debütwerk „Phosphor“ waren auch noch Lieder mit Englischen Texten vertreten. Wieso die Hinwendung zu nur deutschen Texten? Vor allem wenn man bedenkt das mit englisch gesungenen Liedern ein durchaus größerer Markt erschlossen werden könnte.

G: Wenn ich Musik mache, verarbeite ich meine Gedanken und Gefühle. Ich denke da doch eher Deutsch und nicht Englisch. Am Anfang war Grant Stevens noch mit dabei. Englisch ist seine Muttersprache und kann daher sehr gut Englische Texte schreiben, die auch einen Sinn ergeben und sich nicht nur schön anhören. Da ich mittlerweile alles allein mache, mache ich Musik in der Sprache, mit der ich am besten meine Gedanken rüberbringen kann. Sollte ich noch ein mal Englische Songs machen, würde ich es nur tun, wenn jemand dabei ist, der nicht nur Englisch gelernt hat, sondern es auch denkt, da sonst wie bei vielen anderen Bands nur peinliche Texte rauskommen würden.

 

sounds2move: Wäre es denkbar dass es Mal ein Unheilig Song geben wird bei dem du im Duett mit einer Sängerin oder einem Sänger singst?

G: Das ist eins von einigen Zielen. Allerdings bin ich ziemlich wählerisch, gerade was der weibliche Gesang angeht .Wirklich gute Sängerinnen, die das gewisse etwas haben, gibt es für mich nicht wirklich viele. Der Bekanntheitsgrad spielt für mich da überhaupt keine Rolle, lediglich, ob mich eine Stimme berührt oder nicht. Bei einem Duett mit einem anderen Sänger, gibt es im Grunde viele.

sounds2move: Und wenn ja welcher Künstler würdest du dir für solch ein Duett wünschen?

G: Wenn ich die freie Auswahl hatte, würde ich mich für David Bowie entscheiden.

sounds2move: Atrocity werden in diesem Jahr die Fortsetzung zu ihrem Erfolgsalbum „Werk 80“ herausbringen und abermals Coverversion der Hits aus den 80er Jahren zum besten geben. Wäre es für dich reizvoll ein Album nur mit Coverversion aufzunehmen?

G: Solch einen Gedanken, habe ich schon gehabt, da die 80 er mich extrem beeinflusst haben. Bisher fehlte einfach nur die letztendliche Entscheidung dazu. Ob ich das irgendwann einmal machen werde oder nicht , kann ich nicht sagen.

sounds2move: Welche Errungenschaft unserer modernen Zeit gefällt dir am Besten?

G: Das Fliegen

sounds2move: Und auf welche könntest du gut und gerne Verzichten?

G: Auf die Atombombe

sounds2move: Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft. Wo siehst du dich in 10 Jahren?

G: Die Vergangenheit hat mir gezeigt, dass man die Zukunft nie genau planen kann. Wenn ich in 10 Jahren immer noch Musik machen kann, gesund bin und die Fans sich begeistern lassen, hab ich keine Angst vor der Zukunft.

Interview: Nando Rohner, Ausarbeitung: Markus Rutten - www.sounds2move.de

Homepage: www.unheilig.com