Interview mit Luci van Org von ÜEBERMUTTER

 

 

Zuerst möchte ich einfach die Frage stellen, die ich bisher immer zu hören bekam, wenn ich jemandem von Üebermutter erzählt habe: „Meinen die das ernst?“  oder anders gefragt, wie viel Ernsthaftigkeit und wie viel Ironie steckt hinter dem Konzept von Üebermutter?

 

Gibt es tatsächlich Menschen, die das fragen? Bei Zeilen wie „Diene, diene der Gebärmaschine“? Oder bei Aktionen wie der „Peinigung des Unheilands“? Wow, die haben aber ne hohe Schmerzgrenze! Aber bei allem Spaß an der Form - die Thematik von Üebermutter ist mir ernst. Mein Ziel ist es, dabei mitzuhelfen, unnötige Grenzen in den Hirnen der Menschen einzureißen. Deshalb sind Üebermutter ein absolut klares Statement gegen jede Form von Bigotterie und gegen absolut jede Form von Ideologie- und wer´s nicht glaubt, soll mal auf die Texte hören.

 

Den Ausschlag für die Gründung von Üebermutter gab ein Editorial in „Die Zeit“ in dem geschrieben stand, dass die Emanzipation den Frauen nicht nur Vorteile gebracht hat. Kannst du bitte erklären, was dir daran so sauer aufstieß, dass du sozusagen mit einer eigenen Band darauf antworten musstest?

 

Natürlich stößt es mir sauer auf, wenn jemand behauptet, es sei für mich und die Hälfte aller Deutschen nicht nur von Vorteil, mein Leben selbst bestimmen zu dürfen! Außerdem war dieses Editorial ja nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Fakt ist: Alle schwafeln davon, dass Frauen heutzutage beides wollen - Karriere und Kinder. Und wenn’s dann so weit ist, bleibt die Frau doch mit den Kindern zu Hause oder arbeitet höchstens halbtags. Wo ich hinsehe, im Freundes- und Bekanntenkreis, ist das so. Und wenn ne Frau ihr Kind in 'ne Kita gibt, dürfen katholische Schlammhirne und selbsternannte Moralwächterinnen sie noch medien-omnipräsent als Rabenmütter beschimpfen. Es ist leider wirklich so, wenn ein Kind kommt, werden die Karten neu gemischt. Und sowohl Mütter als auch Väter kriegen die Arschkarte. Frauen werden zum Muttertier und Väter zum Versorger degradiert, weil die völlig veralteten gesellschaftlichen Strukturen noch immer kaum etwas anderes zulassen. Wann werden denn irgendwo mal Väter gefragt, wie sie ihren Beruf mit ihren Vaterpflichten vereinbaren? All das hat mich wütend gemacht. Und es ist nun mal eine Eigenheit von Musikern, dass sie Emotionen in Musik verpacken.

 

 

Zu den Gründungsmitgliedern von Üebermutter gehören auch Gitarrist Michael Brettner und Autor Michael Kernbach. Für was braucht es einen Autor um eine Band zu gründen bzw. was für eine Aufgabe erfüllt Michael Kernbach bei Üebermutter?

 

Der Satiriker Michael Kernbach ist mein mir mehr als seelenverwandter Co-Songschreiber. Er ist ja auch nicht nur Autor, sondern auch ein hervorragender Musiker (schon geehrt mit einem „Best Live-Act“- MTV-Award). Mir tat es einfach unheimlich gut, nach zwei völlig im Alleingang geschriebenen und produzierten Alben von „Das Haus von Luci“, sich mal Unterstützung und anderen Input zu holen. An "Unheil" haben jede Menge genialer Menschen mitgewirkt. Zum Beispiel auch der als „Deutschlands Chef- Atheist“ bekannte Dr. Michael Schmidt Salomon, mit dem ich unser wunderbares Weihnachtslied „Brenne“ und die „Gebärmaschine“ komponiert habe. Ein herrlicher Spaß!

 

Mit dem ersten Track „Mädchen Teil Zwo“ schlägst du eine Brücke zu deiner eigenen musikalischen Vergangenheit, zu deinem kommerziell größten Erfolg dem Song „Mädchen“ aus dem Jahre 1994. Wo genau besteht für dich der Zusammenhang zwischen „Mädchen“ und „Mädchen Teil Zwo“, oder wieso hast du dich gerade für diesen Songtitel entschieden?

 

"Mädchen TeilZwo" handelt von sexuellem Missbrauch und ist der persönlichste Song auf dem Album. So persönlich, dass ich auf jeden Fall wollte, dass die Leute aufhorchen. Und das ist mir gelungen, in dem ich das „Mädchen“ zitiert habe. Nach keinem Stück werde ich häufiger gefragt...

 

Das Titelbild von „Unheil!“ zeigt durchaus ein sehr kriegerisches Motiv, es ist unter anderem auch eine Anlehnung an das bekannte Foto der Hissung der ersten Flagge auf Iwo Jima vorhanden, während du wiederum über einen Mann triumphierend zu sehen bist. Willst du damit den Kampf der Geschlechter thematisieren, den Sieg der Frau über den Mann oder wieso hast du dich gerade für dieses Cover-Motiv entschieden?

 

Üebermutter benutzen Versatzstücke aller Ideologien. Eben, weil es für mich nichts Fieseres gibt, als jemanden zu benutzen und Ideologien nichts anderes Verdient haben. Auf dem Iwo Jima- Motiv werden, wie beim Hissen jeder Siegesfahne, Leid und Tod auf perverseste Weise glorifiziert. Das schrie geradezu danach, durch das Üebermutter- Cover ad absurdum zu geführt zu werden.

 

Musikalisch ist Üebermutter unüberhörbar von der Musik von Bands wie Rammstein inspiriert, wobei ich mich in diesem Zusammenhang frage wieso du dich gerade für diese musikalische Ausdrucksform entschieden hast? Hat es was damit zu tun, dass Rammstein sowohl textlich als auch im ganzen Auftreten ein sehr maskulines Weltbild zelebrieren und du so zusagen mit Üebermutter einen weiblichen Gegenpol dazu bilden willst, das Konzept von Rammstein damit vielleicht sogar ad absurdum führen möchtest? Oder ist es eher so, dass du dir damit vielleicht eine größere kommerzielle Vermarktbarkeit versprichst, was in meinen Augen auch nicht verwerflich wäre?

 

Kommerzielle Vermarktbarkeit - das wäre toll! Leider werden schon Rammstein kaum im Radio gespielt. Nein, wenn es mir auf den Kommerz angekommen wäre, hätte ich wohl in wesentlich seichtere Gewässer vordringen müssen. Nein. Der Sound von Üebermutter passt einfach zu meiner momentanen Wut - und ist wesentlich organischer entstanden, als viele es vermuten. Schon mit meiner letzten Band „Das Haus von Luci“ habe ich 2004 auf dem WGT und auf Bikertreffen gespielt, und meine musikalische Sozialisation in den 80ern fand ohnehin mit „düstereren“ Bands wie The Cure, den Dead Kennedys oder den Sisters of Mercy statt. Selbst Lucilectric waren wesentlich weniger „Platik-Pop, als das „Mädchen“ vermuten ließ. Mein Bandpartner Ralf kam schließlich aus dem Umfeld der „Einstürzenden Neubauten“, unser Keyboarder Ash aus dem von Nick Cave. Selbst die B-Seite des Mädchens war ein ziemlich derbes Rockstück. Aber hören wollten die Leute eben nur die Singles. Das „Mädchen“ und „Ey Süßer“. Und die fielen aus dem Gesamteindruck eher raus. Dass wir damals eigentlich gar nicht in die Schublade passten, in die man uns gesteckt hat, war wohl mit ein Grund, weshalb es so schnell vorbei war mit dem Erfolg von Lucilectric.

 

Bleiben wir kurz noch beim Thema Rammstein, die ja bekanntlich sehr stark mit dem „Deutsch-Sein“ kokettieren und auch sehr plakativ damit arbeiten. Das Konzept von Üebermutter ist ebenfalls gespickt mit solchen plakativen Ideen, wobei sich in diesem Zusammenhang die Frage stellt, wie plakativ und provokativ muss man / darf man sein, um den Hörer mit seiner Botschaft zu erreichen? Stand nie eine vielleicht subtilere Herangehensweise zur Diskussion?

 

Wie heißt es so schön, Dezenz ist Schwäche. Ich will, dass die Leute aufhorchen - um dann entweder begeistert zu sein, oder abgestoßen. Das gelingt nicht mit Subtilität.

 

Der Videoclip zu „Heim und Herd“ ist auch nicht gerade von schlechten Eltern, da wir darin miterleben können wie ein Mann um sein bestes Teil gebracht wird, wobei dafür ein Buch benutzt wird, das wiederum ganz klar „Das Eva Prinzip“ von Eva Herman darstellt. Wieso wird gerade dieses Buch für die „Kastration“ eines Mannes verwendet?

 

Kastration? Das ist doch nur ein harmloses Wustgericht auf Sauerkraut, was da am Ende gezeigt wird... oder etwa nicht? In jedem Fall glaube ich, dass die hierzulande immer mehr erstarkende Bigotterie und Rückwärtsgewandtheit schließlich zu einem bitterbösen Gegeneinander der Geschlechter führen wird, und das kleine Low Budget Video war eben ein erster Vorgeschmack auf dieses Gegeneinander. Zur Veröffentlichung von UNHEIL gibt es jetzt übrigens auch noch ein sehr hübsches, neues „Heim und Herd“- Video, in dem des Heiligen Vaters Morgenlatte und jede Menge fröhliches Martern zu sehen sind... wen’ s interessiert, einfach www.uebermutter.com anklicken.

 

Hast du eigentlich keine Angst, dass du mit solchen Ideen wie z.B. im „Heim und Herd“ Videoclip Ärger mit der Zensur bzw. Staatsmacht bekommen könntest oder lässt dich so was eher kalt?

 

Nicht wirklich. Ich bin ein großer Fan des Grundgesetzes. Ich kenne meine Rechte!

 

In Sachen kreativer und augenzwinkernder Ideen lässt du dich definitiv nicht lumpen, so findet auf der Üebermutter Homepage im Moment z.B. die Peinigung des UnHeilands statt, der gekommen ist, um für die Sünden der „Männchenheit“ zu büßen und wo die Homepage-Besucher interaktiv mitbestimmen können, wie der arme Kerl zu leiden hat. Wie kommt man auf solche Ideen bzw. was kann man als nächstes an Ideen von Üebermutter erwarten?

 

Ziel ist natürlich die Weltherrschaft. Bis dahin gibt es aber noch viele Zwischenstufen. In jedem Fall hoffe ich, dass wir es schaffen, unseren Penispanzer auf die Straße zu bringen, um mit ihm katholische Weihestätten mit Kondomen zu beschießen. Am liebsten natürlich das Geburtshaus seiner Heiligkeit Benedetto in Marktl am Inn.

 

In naher Zukunft werdet ihr sicherlich auch live zu sehen sein. In diesem Zusammenhang kommt für mich die interessante Frage auf, was kann man von einer Üebermutter Live-Show erwarten? Oder seht ihr euch in erster Linie eher als Studio-Band / Projekt?

 

Nein, Üebermutter ist kein Studioprojekt, sondern tatsächlich eine richtig amtliche Live-Band. Und der lebende Gegenbeweis für das alberne Vorurteil, dass Frauen nicht moshen und rocken könnten! Und wer´s nicht glaubt, soll vorbeikommen und sich in Demut üben! Schicke Uniformen und Marterfreuden für jung und alt gibt’s gratis dazu.

 

Nando Rohner – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.uebermutter.com