Interview mit Corey Beaulieu von TRIVIUM

 

 

Corey, euer letztes Album “Shogun” ist jetzt etwa drei Jahre alt und meiner Meinung nach ein echtes Meisterwerk. Auch nach der ganzen Zeit fällt mir spontan nichts ein, das ich ändern würde. Wie sieht es diesbezüglich bei euch aus, siehst du heute Schwachstellen an dem Album, die damals vielleicht noch nicht ersichtlich waren?

 

Natürlich lernt man das Material unglaublich gut kennen, wir waren ja auch lange mit dem Album unterwegs, haben die Songs unzählige Male live gespielt und dadurch auch noch besser kennen gelernt. Was das Anhören der Scheibe angeht, fällt mir da spontan nichts ein. Uns ist aber beim Spielen aufgefallen, dass vereinzelte Sachen dann doch sehr technisch, und vielleicht auch zu lang geraten sind. Diese Musik auf die Bühne zu bringen, machte nicht ganz so viel Spaß wie manch andere Songs, die wir bis dato geschrieben hatten, weil wir uns einfach unglaublich zusammenreißen mussten, um gewisse Passagen auch wirklich fehlerfrei umsetzen zu können. Das Album war dennoch ungemein wichtig, weil es uns technisch gefordert, aber auch gefördert und unsere Möglichkeiten erweitert hat. Ich denke man kann sagen, dass es ein vollkommen anderes Album ist als zum Beispiel „The Crusade“, trotzdem war jede Scheibe für sich genommen wichtig und hat uns ins Hier und Jetzt gebracht.

 

Nun ist „In Waves“ auf jeden Fall ein Schlüsselalbum für euch, denn ihr habt nicht nur ein neues Line-Up mit Neu-Drummer Nick Augusto, sondern ihr müsst auch beweisen, dass ihr das Niveau von „Shogun“ halten könnt. Oder sogar toppen.

 

Das stimmt, aber die einzige Vorgabe, die wir uns gesetzt haben war, dass der Song im Vordergrund stehen soll. Es sollte nicht darum gehen wie schnell etwas gespielt werden kann oder wie viele Riffs man in einer einzigen Nummer unterbringen kann - das Songwriting sollte ganz klar an erster Stelle stehen. Wir wollten Songs mit möglichst guten Hooklines erschaffen, die sich gleichzeitig auch durch Energie und einen weiten, offenen Sound auszeichnen. Greifbar, nachvollziehbar und eingängig sind ein paar wichtige Eigenschaften, jedoch ohne Härte einzubüßen oder komplett auf verrückte Riffs zu verzichten. Alles sollte aus einem plausiblen Grund da sein und dem Song dienen. Deshalb haben wir den reinen Selbstzweck komplett außen vor gelassen und teilweise so simpel und direkt komponiert wie noch nie.

 

Wie kam es überhaupt zur Neubesetzung am Schlagzeug? Travis Smith verließ  die Band ja recht abrupt und was danach zu lesen war ließ sich unschwer so deuten, als dass die Chemie zwischen ihm und euch anderen nicht mehr die allerbeste war.

 

Die Dinge liefen schon länger nicht mehr so gut und es war eigentlich überfällig, diesen Schnitt zu machen. Es war auch nicht mehr das perfekte Arbeitsumfeld und manches erschien uns zu gezwungen, sodass es uns nicht gerade vorwärts gebracht hätte in dieser Situation ein neues Album zu schreiben – wenn es überhaupt noch dazu gekommen wäre… Irgendwie kam es uns so vor, als wäre ein Verfallsdatum überschritten, auch wenn das jetzt sicherlich blöd klingt. Trotzdem war es für alle Beteiligten nötig und sicher auch heilsam, sonst wären Trivium vielleicht an einem neuen Album zerbrochen. So haben wir jetzt in Nick den perfekten Schlagzeuger für uns gefunden, der toll zu uns passt, unsere Vision teilt und der natürlich dazu in der Lage ist, umzusetzen, was wir uns vorstellen.

 

Und der auch im Alltag gut zu euch passt, immerhin hockt ihr zwangsläufig oft und lang genug aufeinander.

 

Genau, und wir kannten ihn auch schon seit einiger Zeit. Damals ist er für uns als Drum-Techniker für eine Tour eingesprungen, obwohl er kein Profi für den Job war. Paolo (Gregoletto, Bassist – MR) ist mit ihm aufgewachsen und die beiden kennen sich gut, außerdem wussten wir, dass er Schlagzeuger ist und somit zumindest etwas davon verstand ein Kit aufzubauen, hehe. Travis hatte immer ein riesiges Drumkit dabei, das aufzubauen auch für einen erfahrenen Profi-Roadie kein Zuckerschlecken gewesen wäre. Nick hat sich aber gut geschlagen, alle kamen toll mit ihm aus, weil er ein entspannter und cooler Typ ist und wir hatten einfach Spaß zusammen. Alles lief sehr freundschaftlich und relaxt ab, es herrschte eine überaus positive Stimmung, was auf Tour zweifellos immens wichtig ist. Als wir dann noch herausfanden, dass er ein großartiger Schlagzeuger ist, lag es auf der Hand es mit ihm zu versuchen. Es zeichnete sich schnell ab wie gut wir zueinander passen und wie tight wir klingen können. Darum sind wir jetzt auch in einer sehr komfortablen Situation und dürfen hier sitzen, um über ein Album zu sprechen, von dem wir absolut begeistert sind. Was nicht heißen soll, dass wir es übers Knie gebrochen hätten und ihn blindlings zu unserem neuen Drummer erklärt haben. Vielmehr hat er eine Bewährungschance erhalten und wir haben erst mal eine Zeit lang ausgelotet ob und wie alles läuft, bevor wir von jetzt auf gleich jemanden fest in die Band genommen haben. Er musste sich also erst seine Sporen verdienen, bevor es unser Angebot zum Einstieg als festes Bandmitglied gab.

 

Da kam euch doch sicherlich die Anfrage sehr gelegen, einen Song zum Soundtrack für das Spiel „Gods of War“ beizusteuern, oder? Ihr konntet Nick sozusagen ausprobieren und hättet euch im Fall der Fälle anschließend auch noch einmal neu orientieren können.

 

Das war sicherlich kein Nachteil. Wir arbeiteten bereits an der Nummer, als wir von Travis erfuhren, dass er für einige Zeit nicht auf Tour gehen möchte. Dennoch mussten wir dieses Lied abliefern, aber er machte uns klar, dass er im Moment keine neue Musik schreiben wollen würde. Wir brauchten also so oder so einen Schlagzeuger für die Aufnahmen und so kam Nick ins Spiel, der uns ohnehin schon auf Tour aushalf. Leider hatten wir in der Kürze der Zeit nicht die Gelegenheit lange an seinem Beitrag zu feilen und zu experimentieren, aber er hat einen tollen Job gemacht und das Ergebnis kann sich denke ich hören lassen. Für „In Waves“ konnten wir ihn dann stärker einbinden, er konnte seinen Stil besser zum Ausdruck bringen und wir konnten uns allgemein mehr aufeinander einstellen. Der ganze Prozess war komplett neu für ihn, aber er ist an der Aufgabe gewachsen und dabei auch viel sicherer geworden. Immerhin hatte er nicht wie wir anderen schon vier professionelle Albumaufnahmen hinter sich.

 

Ich weiß, dass Musiker es im Grunde hassen über ihre Albumtitel zu sprechen oder sie im schlimmsten Fall noch erklären zu müssen. Aber lass mich dir mal meinen Interpretationsvorschlag vortragen: „In Waves“ erweckt für mich den Eindruck ständig in Bewegung, im Fluss zu sein. Es wechselt ständig von sehr eingängigen, hymnischen Momenten zu heftigen In-die-Fresse-Passagen – es kommt sozusagen „in Wellen“ auf den Hörer zu.

 

Das klingt gut muss ich sagen, hehe. Als wir an den Texten feilten, das Art-Konzept entstand und wir den Albumtitel festlegten, wollten wir nicht zu viel von unserer persönlichen Sichtweise einbringen oder zu genau beschreiben was wir uns hiermit oder damit gedacht haben. Alles sollte so unvoreingenommen wie möglich sein, damit jeder, der die Scheibe hört und das Booklet durchblättert sich ein eigenes Bild machen kann. Dein Ansatz gefällt mir zum Beispiel sehr gut, aber wir haben auch noch ein paar andere Ideen gehört und die sind alle auf ihre Weise interessant. Ein falsch oder richtig gibt es nämlich nicht, weil jeder seine eigene Sichtweise und einen anderen Blickwinkel hat.

 

Ihr habt dieses mal auch viel Wert auf ein optisches Gesamtkonzept gelegt, welches dem Vernehmen nach recht aufwändig gestaltet wurde. Wird sich alles, was mit dem Album zu tun hat, diesem Konzept unterordnen, also vom Artwork bis zu den Videos?

 

Ja, wir wollen alles zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Das ist der Unterschied zu den anderen Alben wie etwa „Ascendancy“, wo die Musik das Eine, und das Artwork das Andere war und beides im Grunde nicht direkt etwas miteinander zu tun hatte. Wir haben auch keine besonders aufregenden Videos abgeliefert bisher und auch der Look unserer Band war mehr oder weniger wie im Alltag, wir trugen immer einfach unsere normalen Sachen. Dieses Mal wollten wir aber das große Gesamtpaket mit einer Killer-Scheibe an vorderster Front, aber eben mit einem stimmigen Drumherum. Quasi die volle Breitseite, vom Artwork bis hin zu den Clips, die diese Optik und den Vibe aufgreifen sollen. Wir wollten „In Waves“ neben der akustischen auch eine visuelle Ebene geben und die Leute auch auf diese Weise ansprechen und ihre Neugier wecken.

 

Wovon habt ihr euch bei der Suche nach dem richtigen Konzept inspirieren lassen?

 

Natürlich vor allem von den verschiedenen Formen der visuellen Kunst, beispielsweise von Independent- und Horrorfilmen, die häufig relativ abstrakt gehalten sind. Der Ansatz, den David Lynch verfolgt, hat uns immer sehr imponiert: Er erklärt niemals seine Filme oder was er mit dieser oder jener Szene sagen will, er regt die Leute also zum Denken an und lässt seine Werke völlig offen für Interpretationen. Für Trivium wollten wir eine neue Richtung einschlagen, was uns denke ich mit der Hilfe einiger befreundeter Künstler aus unserer Heimat Orlando auch recht gut gelungen ist. Diese Typen kommen überhaupt nicht aus dem Metal und haben rein gar nicht mit Musik wie unserer zu tun, aber sie verstehen dafür umso mehr von Fotografie und sind darüber hinaus wahnsinnig kreativ. Aufgrund der Tatsache, dass sie nicht aus der Szene kommen, haben sie einen sehr unverbrauchten Blick und ein völlig anderes Flair mitgebracht, als es ein klassischer Metal-Artworker getan hätte. Wir wollten aus diesem eng geschnürten Korsett heraus und unser eigenes Ding machen – nichts sollte so aussehen wie bei 99% der anderen Metalbands. Wir wollten aus der Norm ausbrechen und unseren eigenen Weg finden.

 

Das war doch sicherlich nicht ganz so leicht zu stemmen für euch, immerhin habt ihr auch Monate mit den Demos, der Vorproduktion, den Aufnahmen und dem Mix der Scheibe zugebracht. Da habt ihr diese ganzen Dinge drum herum noch quasi nebenbei meistern müssen?

 

Ja, es war ein ziemlich umfangreiches Multitasking. Vor allem Matt (Heafy, Sänger und Gitarrist – MR) hat viel mit den Jungs zusammen gesessen und über diesen Dingen gebrütet. Zum Glück kommen sie bei uns aus der Gegend, sodass man nicht per Mail oder Chat kommunizieren musste, sondern sich richtig treffen und zusammen setzen konnte, um einfach ein bisschen mit den verschiedenen Ideen zu jonglieren. Vom Brainstorming, über die Entwürfe und deren Weiterentwicklung, bis zum fertigen Art-Konzept haben wir über ein Jahr gebraucht. Gleiches gilt für das Album und die Songs, die wir immer mal wieder haben ruhen lassen, um ihnen die nötige Zeit zu geben, um zu reifen. Es war großartig für die Band sich diese Zeit einfach nehmen zu können, für die Feinheiten, den einen oder anderen neuen Ansatz und natürlich die ganzen bereits aufgezählten Dinge neben der Musik.

 

Nach der ganzen Zeit hast du doch sicherlich erst einmal die Nase voll von „In Waves“, oder? Zumindest geht es wohl vielen Musikerkollegen so, die immer wieder verlauten lassen, dass sie nach einer Albumproduktion erst einmal Abstand zu dem Teil brauchen, weil sie es einfach leid sind und nicht mehr hören können, hehe.

 

Von wegen, ich höre es mir immer noch sehr oft an! Wir haben einen Longplayer geschaffen, den wir sowohl vom Songwriting als auch von der Produktion her lieben. Das ist der für uns ultimative Sound für Trivium, den wir schon lange im Kopf hatten. Klar klangen auch die Alben davor gut, aber so zufrieden waren wir noch nie. Unser Produzent Colin Richardson war von Anfang an dabei und hat uns bei allem unterstützt, was den Grundstein für den in unseren Ohren perfekten Sound gelegt hat. Bei uns ist es nach wie vor so, dass wir Sachen schreiben, die wir selbst gerne hören wollen. Wir sind ja auch vor allem Fans und wenn wir wie jetzt unser eigenes Album anhören können, weil es uns gefällt und Spaß macht und nicht weil es halt unsere Band ist, dann haben wir denke ich alles richtig gemacht. Dass ich mir die Songs nach wie vor gern anhöre liegt außerdem daran, dass es eine gute Vorbereitung dafür ist, wenn wir die Songs später live spielen.

                                                     

Werfen wir doch direkt noch einen etwas genaueren Blick auf deine aktuelle Playlist: Was hörst du dir neben „In Waves“ gegenwärtig am liebsten oder häufigsten an?

 

Also die neue von In Flames („Sounds of a Playground fading“ – MR) läuft bei mir sehr oft, ich habe sie bekommen, kurz bevor wir zu unserem großen Promo-Trip für unser Album aufgebrochen sind. Mittlerweile gefällt sie mir richtig gut, obwohl ich am Anfang eher skeptisch war, da sie schon irgendwie anders klingt. Jetzt habe ich sie aber ziemlich in mich aufgesogen und habe viel Freude an dem Teil. In den letzten Monaten haben es mir schon länger Volbeat angetan, die wirklich rauf und runter laufen bei mir. Den Namen kannte ich natürlich schon länger, weil man vor allem in Europa immer viel von den Jungs gehört hat und alle von ihnen geschwärmt haben. Bloß ich kannte keine ihrer Songs bewusst. Irgendwann habe ich einen Song vom aktuellen Album gehört und dachte bei mir „Wow, so klingen die also? Das ist ja richtig geil!“. Daraufhin habe ich mir direkt alle Alben zugelegt und die sind schnell auf Dauerrotation gegangen, haha. Aus der härteren Metalecke haben mir die neuen Alben von Accept und Exodus sehr gut gefallen. Eigentlich bin ich ja recht wechselhaft mit solchen Sachen, je nach dem in was für einer Stimmung ich gerade bin, so variiert dann auch mein Geschmack. Aber Volbeat lassen mich schon länger nicht mehr los.

 

Da geht es vielen Landsleuten von dir ähnlich, besonders seit ihren Shows mit Metallica werden die Burschen auch in Übersee immer populärer.

 

Das stimmt, obwohl ich den Namen wie gesagt schon seit Jahren kenne, weil ich sie oft auf den Postern der Festivals gesehen habe, bei denen wir auch am Start waren - nur habe ich sie nie spielen sehen. Ich weiß aber noch genau wie unser Bassist Paolo vor 2 Jahren beim Metaltown Festival in Schweden plötzlich hinter mir stand und meinte „Ey, ich war gerade bei Volbeat und das war einfach großartig! They rule!“. Rückblickend muss ich sagen: Er hatte damals wohl recht, haha. Bei mir hat’s wie du jetzt weißt etwas länger gedauert, bis diese Tatsache auch bei mir angekommen ist, nämlich bis ich das Video zu „Heaven nor Hell“ vom aktuellen Album gesehen habe. Es ist cool, dass jetzt auch die Staaten langsam auf den Geschmack kommen und die Radiostationen anfangen ihre Songs zu spielen, so auch bei uns in Orlando. Es tut gut dort mal etwas anderes zu hören als den üblichen, ewig gleichen US-Radiorock. Endlich haben meine Landsleute auch mal etwas für sich entdeckt, das wirklich gut ist, hehe. Mir gefällt besonders die Vielseitigkeit in ihrem Sound, man hört deutlich, dass sie die verschiedensten Einflüsse verarbeiten. Damit kann ich mich gut identifizieren, denn uns geht es bei Trivium genauso. Auch wir lieben einerseits deftige Härte und andererseits tolle Melodien und eingängige Refrains. Es scheint als wäre bei Volbeat nichts verboten oder außerhalb der Reichweite. Zu viele Musiker trauen sich genau das nicht und machen lieber ein Nebenprojekt auf, um ihre verschiedenen Vorlieben zu verarbeiten. Einem wird schnell klar, warum diese Band hier bei euch so populär ist: Weil sie einfach saugut ist und abgesehen davon den Erfolg schlicht verdient hat. Ich würde wahnsinnig gern mal mit ihnen touren, auch wenn wir vom Stil her vielleicht nicht hundertprozentig zusammen passen. Trotzdem wäre es sicher ein großer Spaß, denn ich glaube wir liegen ziemlich auf einer Wellenlänge. Falls sie uns also kennen: Ruft uns an! Haha!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Web: www.trivium.org