Interview mit Corey Beaulieu von TRIVIUM

 

 

 

Als TRIVIUM vor knapp 3 Jahren über Lifeforce Records ihr Debüt „Ember to Inferno“ veröffentlichten, konnte niemand erwarten, dass die Band nur 2 Jahre später mit „Ascandency“ einen Siegeszug durch die Metal-Gazetten der ganzen Welt antreten würde. Diesen Herbst, knapp eineinhalb Jahre danach, liegt die Messlatte für die vier Jungs aus Orlando, Florida ungleich höher. Man wird nicht nur an dem starken Vorgänger gemessen werden, sondern auch die Arbeiten am dritten Streich gestalteten sich schwieriger: „Dieses Mal haben wir das neue Album komplett auf Tour geschrieben. Wir waren soviel unterwegs, dass wir einfach nicht die Zeit hatten um uns in den Proberaum zu stellen und einfach zu jammen und zu schauen, wie sich die Dinge entwickeln würden. Wir haben unabhängig voneinander an Songs gearbeitet und dann unsere Fragmente zusammengetragen. Letztlich hatten wir nur 2 Monate, um das komplette Album aufzunehmen“, erklärt Corey. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Album, so wie es jetzt ist. Aber beim nächsten Mal wollen wir gern wieder etwas mehr Zeit für alles haben und einfach als Band in den Proberaum gehen, Spaß haben und bei Null anfangen und dann einfach Ideen in den Raum werfen - das haben wir beim vorherigen Album auch gemacht“, wünscht sich der Gitarrist für das nächste Album einen großzügigeren zeitlichen Rahmen. Dass die Band ihr Debüt bei einem kleineren Label veröffentlichte, bevor es sie zum Klassenprimus Roadrunner Records zog, sieht Beaulieu als Vorteil an, um Erfahrungen zu sammeln und sich an das Geschäft zu gewöhnen: „Diese Zeit war definitiv ein wichtiger Schritt für uns. Wir konnten viele Eindrücke sammeln und kennenlernen wie alles läuft. Wir hatten die Chance uns einigen Leuten vorzustellen, sowohl natürlich in erster Linie den Fans als auch potentiellen Geschäftspartnern. Mit unserem ersten Album haben wir einen Fuß in die Tür bekommen, was ungemein wichtig für TRIVIUM war“. Damit hat der junge Gitarrist schon einiges gelernt, etwa dass man als Künstler kaum alles allein regeln kann, sondern ein Team braucht, das gewisse Aufgaben übernimmt. „Mit seinen Bandkollegen rumhängen und gute Musik schreiben ist das eine. Dann kommt natürlich noch das Tourleben dazu und viele andere Faktoren. Für eine Band ist es aufreibend genug, sich um die Musik und die Konzerte zu kümmern. Da brauchst du einfach die richtigen Leute, die das Drumherum am laufen halten“, skizziert der Musiker einige Geschäftsmechanismen, die den meisten jungen Bands in ihrem naiven Bild des Musikerdaseins fehlen.

 

 

Ausgebrüllt

 

Dass die musikalische Ausrichtung der neuen Platte sich noch einmal deutlich von „Ascandancy“ unterscheiden würde, war weder geplant, noch hatte es die Band derart deutlich erwartet. Corey: „Wir haben keinen vorgefertigten Plan, wenn wir anfangen Songs zu schreiben. Wir wollten einfach ein weiteres Metalalbum machen und das was du jetzt gehört hast, ist, was daraus geworden ist. Wir haben uns nicht gesagt ‚Jetzt machen wir etwas völlig anderes’, sondern ich glaube, dass wir uns einfach als Band auf natürliche Art und Weise entwickelt haben“. Für eine Überraschung werden auch die neuen Gesangslinie von Sänger Matt Heafy sorgen, der aufgehört hat, seine Texte zu schreien und sich statt dessen auf „The Crusade“ fast gänzlich dem melodischen, druckvollen und klaren Gesang hingibt, wie man ihn von diversen klassischen Thrash Metal Kapellen kennt. Eigentlich wollten TRIVIUM schon früher in diese Richtung gehen, aber die Natur machte ihnen bislang einen Strich durch die Rechnung: „Solchen Gesang wollten wir immer haben, aber das konnten wir bisher nicht, weil Matt noch so jung ist und sein Stimme sich noch entwickelte. Da wir bisher nicht mit solchem Gesang arbeiten konnten, dienten die Screams in gewisser Weise als Ersatz. Diese Sache hat bei unseren bisherigen Songs auch wunderbar funktioniert, keine Frage. Aber das neue Material klingt einfach viel thrashiger und hat vom Gesang her ganz andere Hooks und Melodien. Bisher war meistens allein der Refrain der Hook und jetzt zieht sich das Ganze durch den kompletten Song. Außerdem macht es mehr Spaß sich die Songs anzuhören, weil sie jetzt gesanglich viel mehr bieten als nur das bloße Geschrei“, freut sich Corey über die neuen Möglichkeiten der Band. Außerdem zeigt Beaulieu die Parallelen zu den Haupteinflüssen der Band wie etwa Metallica, Megadeth, Slayer, Testament und Pantera auf, die allesamt ebenfalls nie geschrieen haben. Natürlich schätzt Corey neben den neuen Möglichkeiten auch die sich auftuenden Aufgaben: „Für einen Musiker ist es eine deutlich größere Herausforderung mit dieser Art von Gesang einen guten Song zu schreiben, weil du beim komponieren viel mehr auf das Stimmliche achten musst und dich um Gesangsmelodien und Harmonien kümmern musst. Wenn du nur Screams hast, dann bist du ziemlich schnell mit dem Gesang fertig und sparst dir viel Arbeit. Auf diese für uns neue Art können wir den Songs viel mehr Substanz geben und die Stücke insgesamt griffiger machen“. Dabei darf man natürlich die lyrische Seite nicht außer Acht lassen, denn klarer Gesang bedeutet auch mehr Aufmerksamkeit und ein größeres Augenmerk auf Inhalte. Dieser Tatsache sind sich TRIVIUM durchaus bewusst und sie sehen vor allem die Vorteile dieser neuen Komponente: „Ich liebe harte Musik, aber es gibt einige Bands, bei denen ich den Gesang nicht leiden kann – unter anderem weil ich nicht verstehe, was gesagt wird. Wenn du mich fragst, dann bleibt ein Song viel schneller in Erinnerung, wenn man die Texte versteht. Wir haben vor einigen Tagen unser Video zu „Anthem (We are the Fire)“ gedreht und hatten viele Fans beim Dreh als Statisten dabei. Die konnten diesen Song, den sie vorher noch nie gehört hatten, nach 2-3 Durchläufen fast vollständig mitsingen. Und das nicht nur beim Refrain. Mit klarem Gesang machst du es dem Publikum einfacher sich in deine Musik hineinzufinden und wie schon gesagt macht es die Sachen einfach deutlich griffiger“.

 

Gitarrensolos und andere Handarbeiten

 

Über mangelnden Entfaltungsspielraum kann sich der Gitarrist im Bezug auf „The Crusade“ wahrlich nicht beschweren. Jeder Gitarrist liebt es, Solos zu spielen und davon gibt es auf dem dritten TRIVIUM Album mehr als genug, worüber sich natürlich auch Corey freut: „Normale Riffs zu schreiben macht natürlich auch Spaß und sie sind es, die viele Stücke in erster Linie ausmachen. Aber schöne Solos geben dem Song später das gewisse Etwas und sind sozusagen die süße Glasur auf dem Kuchen. Wir sind auch sehr zufrieden mit den Leadgitarren auf dem Album und dieses Mal haben wir übrigens im Vorfeld gar keine Solos geschrieben, sondern sind einfach ist Studio gegangen und haben spontan zu den fertigen Sachen gejammt und verschiedenen Ideen ausprobiert. Insgesamt gesehen haben wir ein paar Sachen auf dem Album, von denen ich selbst überrascht war, dass wir dazu in der Lage sind etwas Derartiges zu erschaffen“, zeigt sich der 22-jährige begeistert. Durchaus nachvollziehbar angesichts solch hochklassiger Songs wie „Ignition“, „Anthem (We are the Fire)“ oder aber „Tread the Floods“, die allesamt mit griffigen Riffs und schönen Sololäufen ausgestattet sind. Bei der Frage nach seinen Vorbildern an seinem Instrument hat der Nachwuchsflitzefinger umgehend diverse Namen bei der Hand: „Ich liebe die Leads von Gitarristen wie Marty Friedman (von 1990 – 2000 bei Megadeth, davor u.a. bei Vixen, Anm. d. Aut.). Dimebag Darrel war auch großartig oder aber Alex Skolnick von Testament. Bei den 80er Hair-Metal Bands gibt es ebenfalls einige großartige Gitarrist, auch wenn die Songs teilweise schon ziemlich daneben waren. George Lynch von Dokken zum Beispiel ist ein fantastischer Leadgitarrist. Ich habe einfach schon immer eine Schwäche für schnelle und melodische Solos“, zollt Corey seinen alten Helden Tribut. Ein wenig an alte Helden erinnert auch das Albumcover von „The Crusade“, das sofort Assoziationen mit True- und Heavy Metal Institutionen wie Manowar, Hammerfall oder Grave Digger auf den Plan ruft. „Viele Bands nutzen heutzutage diese digitalen Cover, die irgendwie alle gleich aussehen. Ich mag diese Konzepte wie Megadeth oder Iron Maiden sie haben, mit Charakteren wie Eddie, die immer wiederkehren und die man sofort mit der entsprechenden Band in Verbindung bringt. Wir hatten diesen Typen auf dem Cover von „Ascendancy“, für den wir übrigens nicht mal einen Namen haben. Für das neue Cover haben wir ihn wieder übernommen und so wie wir uns als Band entwickelt haben, so haben wir ihn in gewisser Weise auch entwickelt. Er hat jetzt viel mehr Details, genau wie unsere Musik und somit bilden beide Aspekte eine Einheit“, zeigt Corey die Parallelen zur Musik von TRIVIUM auf. Also kann man sich auch zukünftig auf erwähnten Charakter gefasst machen? „Das wird sich zeigen. Erst einmal abwarten in wie fern wir diesen Charakter weiterentwickeln können. Ich finde es sticht ein wenig aus dem heraus, was die meisten Bands heutzutage machen. Vor allem im Bezug auf andere junge Bands, die sich in unserer Szene bewegen. Wir jedenfalls mögen detaillierte Cover mit einer gewissen Symbolik, also primär diese Old-School Optik mit handgezeichneten Bildern“, antwortet Corey.

 

No „Back to Primitive“!

 

Ob die Veränderungen im Stil von TRIVIUM auch zukünftig sehr markant ausfallen werden oder ob die Band auf der Suche nach ihrem persönlichen Sound dem Ziel mit ihrem dritten Album schon relativ nah gekommen ist, das würdigt Beaulieu erneut mit einer ausführlichen Antwort: „Ich denke bisher haben wir mit jedem unserer Alben einen Schritt vorwärts gemacht. Unser erstes Album ‚Ember to Inferno’ war zum Beispiel noch ein typisches Album für eine junge Band, die noch ihren Sound sucht und somit auch gesamt betrachtet ziemlich primitiv. Quasi unser ‚Kill’em All’!“, lacht es mir entgegen. „Mit ‚Ascandency’ haben wir uns dann als Musiker und als Songwriter weiterentwickelt und einen weiteren Schritt gemacht. Und auch jetzt haben wir uns wieder weiter verbessern können und auch wenn die Platte anders klingt als die letzte, so ist es doch immer noch der typische TRIVIUM-Sound. Wir haben von Album zu Album gelernt, unsere Songs interessanter und vielschichtiger zu gestalten. Es gibt natürlich Leute, die immer die gleichen Alben und Songs haben wollen, aber wir sind nicht AC/DC. Die können so etwas natürlich machen, denn sie haben ihren Sound gefunden, aber wir wollen einfach nicht auf der Stelle treten, sondern uns entwickeln. Wenn der Mensch sich nicht vom Affen entwickelt hätte, dann würden wir heute nicht hier sitzen und uns unterhalten. Wir wollen natürlich nicht vom Metal hin zu Pop-Rock wechseln. Man kann sagen, dass „The Crusade“ zwar anders ist, aber es ist immer noch purer Metal. Und egal was wir ändern: Es wird immer heavy und catchy sein. Gute Musik ist einfach gute Musik, egal was wir davor gemacht haben“, beendet der Schwarzhaarige seine Ausführungen. Ausflüge in den Bereich des Extreme bzw. Black Metal, wie ihn etwa Sänger Matt Heafy im Rahmen der Roadrunner All-Star Sessions mit dem Songs „Dawn of a golden Age“ gemacht hat, schließt das laufende Metal-Lexikon hingegen kategorisch aus. „So etwas wird es bei uns sicher nie geben. Matt ist zwar ein großer Fan von skandinavischem Black Metal, aber damit steht er in der Band auch allein da. Klar bringt jeder von uns andere Einflüsse mit in die Musik ein, aber das beschränkt sich dann meist auf so kleine Teile, dass du es quasi überhaupt nicht heraushören kannst. Wir sind keine Band, die Blastbeats oder etwas Ähnliches verwendet – das ist einfach nicht unser Ding und nicht die Art von Musik, die wir machen wollen. Solche Geschichten kann Matt alleine aufziehen“, grinst Corey. Und auch sonst verneint mein Gegenüber einen Einfluss von besagtem „Roadrunner United“ Album auf „The Crusade“: „Dieses Projekt war sicherlich eine schöne Sache für Matt und mich, um mal etwas anderes zu machen. Vor allem Matt konnte unter Beweis stellen, dass er die verschiedensten Arten von Songs schreiben kann und dass er nicht nur auf unsere Art von Metal beschränkt ist. Für mich war das Ganze hauptsächlich eine Spaßsache. Und Matt konnte einfach mal aus dem normalen Rahmen ausbrechen und Songs schreiben, die er den entsprechenden Musikern und Sängern sozusagen auf den Leib schneidern musste. Ich meine wenn du einen Dani Filth am Gesang hast, dann kannst du keine einfache Rocknummer schreiben. Diese ganze Sache war einfach auch in gewisser Weise ein Experiment und hatte nichts mit Trivium oder den Arbeiten an unseren neuen Songs zu tun“, erläutet Corey seine Sicht der Dinge.

 

Ritterschlag für die Realisten

 

„Wir waren total baff, also wir davon hörten. Allein die Tatsache, dass gerade wir gefragt wurden, hat uns total umgehauen“, zeigt sich Corey von der nächsten großen Tour seiner Band begeistert, in deren Rahmen das Quartett niemand geringeren als die Eiserne Jungfrau Iron Maiden höchstpersönlich supporten darf. „Diese Band hatte großen Einfluss auf uns und als ich angefangen habe Gitarre zu spielen, da habe ich versucht ihre Songs nachzuspielen. Das wird sicher großartig, denn wir können dann jeden Abend in riesigen Hallen spielen und Länder bereisen, in denen wir zuvor nur selten oder sogar noch nie gewesen sind. Ich freue mich wirklich sehr drauf, nicht nur weil wir damit die Chance haben, vor unheimlich vielen Leuten spielen zu können, die vielleicht noch nichts von uns gehört haben, sondern auch, weil wir jeden Abend die Shows von Maiden anschauen können“, blitzt deutlich der Fan in Corey durch. Anfang 2007 wollen TRIVIUM dann als Headliner zurück nach Europa kommen und eine knapp zweimonatige Tour spielen, wie Corey außerdem verrät. „Das wird unsere erste komplett eigene Headlinertour durch Europa. Wenn wir zuvor jeden Abend mit Maiden vor 20.000 Leuten gespielt haben, dann heißt das natürlich nicht, dass wir allein vor 10.000 Menschen spielen würden. Es würde keinen Sinn machen riesige Hallen zu mieten, die dann größtenteils leer bleiben. Wir werden uns kleine Hallen suchen, die dann hoffentlich auch gut gefüllt sind, und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt über etwas größere Sachen nachdenken“, gewährt der gepiercte Gitarrist einen Einblick in die Tourplanungen seiner Band.

 

Des eigenen Glückes Schmied

 

Bleibt noch die Frage nach dem Albumtitel, der mit „The Crusade“ ebenfalls an ein klassisches Schwerter-, Drachen- und Lederoverall-Cover erinnert. Doch für die Jungs von TRIVIUM lag ein Titel wie dieser aus ganz anderen Gründen auf der Hand, wie Corey bereitwillig erläutert: „Der Titel unseres Albums ist in erster Linie ein Bandstatement. Wir dachten dabei vor allem an unseren eigenen musikalischen Feldzug, weil wir unheimlich viel getourt sind im letzten Jahr und versucht haben, unsere Musik so vielen Leuten wie möglich zu präsentieren“. So schnell dürfte das Quartett auch zukünftig nicht zur Ruhe kommen. Dafür ist die Nachfrage nach den Herren auch weiterhin einfach zu groß. Für eine so junge Band nicht das Schlechteste, was ihr passieren kann, schließlich soll man ein Eisen schmieden, solange es heiß ist. Wenn „The Crusade“ bei Fans und Fachpresse ähnlich euphorische Resonanzen bekommen wird wie zuvor „Ascandancy“, dann könnten aus TRIVIUM noch richtige Meisterschmiede werden.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Homepage: www.trivium.org