Interview mit Ronny Thorsen von TRAIL OF TEARS

 

 

 

Ronny, "Oscillation" wird das letzte Album in der Geschichte von Trail of Tears sein. Schon Wochen vor der Veröffentlichung sind die Probleme und Kämpfe innerhalb der Band bis in die Öffentlichkeit durchgedrungen und arteten letztlich sogar in einer öffentlichen Schlammschlacht auf Facebook und Co. aus, die für Fans und andere Personen außerhalb der Band schnell unübersichtlich wurde. Könntest du für uns noch mal aus deiner Perspektive zusammenfassen, was während der Aufnahmen und womöglich schon zuvor bei euch vorgefallen ist? Gebrodelt hat es da sicher schon etwas länger.

 

Das Arbeitsklima innerhalb der Band war bereits seit einiger Zeit schwierig, denn die Sache wurde ziemlich kompliziert als unsere Sängerin (Cathrine Paulsen - MR) und unser Gitarrist (Björn Naess - MR) etwa ein Jahr vor der Veröffentlichung ein Paar wurden. Die Beiden haben daraufhin ihre eigene kleine Allianz innerhalb der Band gebildet, was zur Folge hatte, dass es plötzlich zwei Camps bei Trail of Tears gab, das der Zwei auf der einen Seite und auf der anderen Ich, unser Bassist Endre Moe und Schlagzeug Cato Jensen. Oben drauf kam noch eine unglaubliche Eifersucht der Beiden, weil ich zumeist derjenige war, der in der Öffentlichkeit die meiste Aufmerksamkeit erhielt. Da ich die Band nicht nur gegründet habe, sondern auch das einzige verbliebene Originalmitglied bin, würde ich das als ziemlich natürlichen Zustand bezeichnen, womit die Zwei trotzdem nicht umgehen konnten. Eine Paarbeziehung innerhalb einer Band ist in meinen Augen ohnehin dazu bestimmt, die komplette Formation in 99 Prozent der Fälle auf kurz oder lang an die Wand zu fahren - trotzdem hat mich überrascht, wie schnell es in unserem Fall ging. Mittlerweile weiß jeder, dass die Sache dann darin gipfelte, dass Cathrine uns alle hinterging und auf eigene Faust auf unserer offiziellen Facebook-Seite ein Statement veröffentlichte, das meinen Ausstieg verkündete. Was natürlich Unsinn ist und den Rest von uns ziemlich geschockt hat. Spätestens da war mir klar, dass Trail of Tears nicht mehr zu retten sind, und wo wir heute stehen, ist ja nun hinlänglich bekannt.


Im Grunde ist es eine Schande, dass die Geschichte von Trail of Tears auf diese Weise zu Ende gehen muss, auch weil ihr aus meiner Sicht über einen bemerkenswerten Backkatatlog verfügt. Man sollte auch bedenken, was nach "Free Fall into Fear" damals passierte, als ihr bereits für tot erklärt und fast schon begraben wart, dann aber ein furioses Comeback mit "Existentia" hingelegt habt. So gesehen sind Trail of Tears bereits einmal von den Toten auferstanden, warum war etwas ähnliches diesmal nicht möglich? Hast du es vielleicht einfach satt immer wieder mit anderen Mitstreitern von neuem beginnen zu müssen? Oder schätzt du die Sache anders ein und siehst vielleicht sogar die Möglichkeit auf eine Zukunft für die Band irgendwo am Horizont?
 

Nun, es ist nicht so, dass ich der Ansicht wäre, dass es unmöglich ist weiterzumachen, genau genommen haben wir sogar in Erwägung gezogen, genau das zu tun und Cathrine und Björn zu ersetzen. Ehrlich gesagt habe ich aber das Gefühl, dass es besser ist, Trail of Tears den Geschichtsbüchern zu überlassen, nachdem wir unseren kleinen Beitrag zur Metalszene geleistet haben. Es wäre kein Problem gewesen, einfach weiter zu machen, denn ich habe von vielen Leute von überall auf der Welt das Angebot bekommen sich der Band anzuschließen, um weitermachen zu können. Letztlich ist bzw. war es aber meine Band und damit auch meine Entscheidung. Wer weiß, vielleicht ergibt sich in ein paar Jahren die Möglichkeit, Trail of Tears zu reaktivieren, aber es muss sich für mich richtig anfühlen, und im Moment verbindet man einfach zu viel Negatives mit dem Bandnamen. Wir hatten wirklich mehr als genug Besetzungswechsel über die Jahre und jetzt den nächsten Umbruch in Angriff zu nehmen, würde der Band und ihrem Vermächtnis wohl mehr schaden als nützen, zumindest ist das aktuell meine Meinung. Indem ich dieses Kapitel jetzt schließe, treffe ich gefühlsmäßig die richtige Entscheidung, zumindest für's erste und gleichzeitig ermöglicht es mir mich erst einmal voll und ganz auf meine neue Band Viper Solfa zu konzentrieren, die mich aktuell in viel positive Aufregung versetzt.
 

Wie du bereits erwähntest bist du das letzte Gründungsmitglied und damit fast 20 Jahre mit Trail of Tears durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Hättest du dir jemals träumen lassen, dass der Bandname, der zu deutsch in etwa "Pfad der Tränen" bedeutet, einmal derart autobiografisches Potential entfalten würde?

 

Ich glaube auf jeden Fall, dass du nie überhaupt so weit voraus blickst, wenn du als Halbstarker eine Band oder etwas vergleichbares ins Leben rufst. Du bist einfach nur total aufgeregt und voller Vorfreude, einfach spielen zu dürfen und vielleicht irgendwann die Gelegenheit zu haben ein Album aufzunehmen. Wenn du Glück hast führt dann eins zu anderen, und eines Tages sitzt du hier wie ich gerade und darfst über dein siebtes Studioalbum sprechen und auf 15 Jahre weltweiter Tourneen zurückblicken.

 

Positiv bleibt für euch auf jeden Fall die Tatsache bestehen, dass ihr trotz aller Intrigen und allem was zwischen euch passiert ist, euch wenigstens noch musikalisch erhobenen Hauptes und mit einem Highlight verabschieden könnt. Ist es dir wenigstens ein Trost, dass mit "Oscillation" ein hochklassiger Longplayer die Geschichte von Trail of Tears abschließt?

 

Ja, ich würde sagen das ist eine treffende Schlussfolgerung. Es liegt auf der Hand, dass es für mich nicht ganz einfach ist mir die Platte anzuhören, wegen der ganzen negativen Dinge, die ich damit in Verbindung bringe. Außerdem gibt es hier und da ein paar Dinge, die ich womöglich anders gemacht hätte, wenn ich die Chance dazu bekommen hätte. Und dennoch findet sich verdammt starkes Material auf der Scheibe, wahrscheinlich ist es darüber hinaus sogar das vielseitigste Album, das wir je abgeliefert haben. Als Ganzes betrachtet ist die Sache vielleicht nicht ganz rund und weist ein paar Unebenheiten auf, aber trotzdem offenbaren die Besten unter den Songs vermutlich das stärkste Material, das wir bis heute geschrieben haben.

 

Speziell bei "Scream out loud" und "Crimson Leads on the Trail of Tears" erreichen deine Grunts regelrecht eine neue Stufe der Brutalität. Bist das alles komplett du in den Aufnahmen, sprich ist das alles natürlich oder musstet ihr Pro Tools zur Hand nehmen, um dieses Ergebnis zu erhalten?

 

Alles was du im Bezug auf meine Stimme auf dem Album zu hören bekommst, ist Natur und echt - so wie es schon immer war. Ich verwende natürlich auch Effekte, so wie es jeder Sänger unabhängig vom jeweiligen Genre tut, wenn er professionelle Aufnahmen macht. Ich habe aber nie irgendwelche Verzerrer oder dergleichen  eingesetzt, um meine Stimme künstlich zu verstärken oder noch extremer klingen zu lassen. Es ist einfach so, dass ich immer viel Zeit und Anstrengung auf die Gesangsproduktion verwende und sehr genau auf Details achte, was natürlich sehr zeitaufwändig ist. Im Endeffekt profitiert man aber auch extrem davon, wenn man bereit ist diese Extrameile bei der Vorbereitung und den Proben zu gehen, was sich positiv auf die gesamte Arbeit auswirkt.

 

Im Text zu "Room 306" scheint es um eine zerbrochene Liebesbeziehung zu gehen, gerade wenn es im Chorus heißt " realize all is lost, realize all is dead, realize all is gone", fühlt man sich aber auch an die aktuelle Situation von Trail of Tears erinnert. Steckt eben dieser Hintergedanke hinter dem Text oder existierten Song und Lyrics bereits bevor klar wurde, dass die Band ihrem Ende entgegen geht?

 

Ich muss sagen, dass das eine interessante Beobachtung ist, und ich sehe auch keinen Grund warum ich vor einer Erklärung zurückschrecken sollte. Besagtes Stück hat seinen Namen erhalten, nachdem unsere Sängerin vor einiger Zeit in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wurde, was im Übrigen einiges erklären dürfte, aber das sei nur am Rand angemerkt. Raum 306 war jedenfalls das Zimmer, das ihr in besagter Einrichtung zugeteilt wurde. Den Chorus schrieb ich kurz nachdem sie eingewiesen wurde und mich die Erkenntnis wie ein Blitzschlag traf: "Das war's, das war der finale Sargnagel". Wie sich herausstellen sollte, war das eine ziemlich richtige Feststellung.

 

Deine Heimat Norwegen ist bekannt für seine sehr einflussreiche Gothic Metal-Szene, speziell in den Neunzigern und um die Milleniumwende herum wurden viele Standards von dortige Bands gesetzt. Heutzutage sind nur noch wenige Veteranen von damals aktiv oder sie haben den "klassischen Pfad" schon vor einiger Zeit verlassen. Man könnte sogar so weit gehen festzustellen, dass Trail of Tears so etwas wie der letzte Dinosaurier waren, der noch die Flagge des klassischen norwegischen Gothic Metal hochgehalten hat. Wie schätzt du die Situation der Szene in Norwegen ein und wie sieht es deiner Meinung nach im Rest der Welt aus?

 

Vielleicht bin ich da nicht der richtige Ansprechpartner, da Trail of Tears für mich nie einer bestimmten Szene angehört haben. Wir selbst haben uns nie in die Gothic Metal-Schublade einsortiert, das haben zumeist andere für uns getan. Dabei soll aber auch gesagt sein, dass ich mich mit diesem Etikett nie unwohl gefühlt habe, denn man muss ja auch sagen, dass wir die entsprechenden Elemente stets in unserer Musik hatten. Für mich persönlich sind Trail of Tears gewissermaßen wie ein widerspestiger Bastard-Bruder für viele der anderen Bands mit denen wir typischerweise verglichen werden, denn wir haben stets etwas abseits gestanden und eine deutlich extremere Alternative dargestellt. Diese Kategorisierung war also immer auch irgendwo ein zweischneidiges Schwert für uns: Den Gothic Metal-Fans waren wir zu hart und zu extrem, wohingegen wir den Extreme Metallern wiederum zu soft waren. So sind wir am Ende wohl zwischen den Stühlen gelandet, aber wenigstens haben wir immer das getan, was für uns richtig erschien und offene Hörer, die nicht alles tot analysieren müssen, haben sicher auch ihre Freude daran gehabt, dass wir einfach bedingungslos ehrlich waren, ohne immer nur zu überlegen wie wir es möglichst jedem recht machen können. Ich schaue mit Stolz auf unsere Geschichte zurück und würde alles noch einmal genauso machen.

 

Eure Website ist trotzdem seit einiger Zeit offline, auch aus den sozialen Netzwerken ist nahezu alles verschwunden oder wie im Falle von Facebook wurden die meisten Beiträge der letzten Zeit entfernt. Eure Präsenz im Netz wurde also ziemlich zurück gefahren, aber warum? Sollte die Geschichte der Band nicht zumindest in Form einer offiziellen Quelle, mit euren Worten und von euch ausgewählten Bildern, verfügbar bleiben?

 

Bezüglich der offiziellen Seite trailoftears.no muss ich sagen, dass diese auf mich registriert ist und ich entschlossen habe sie vom Netz zu nehmen. Das liegt hauptsächlich daran, dass es letztlich keinen Sinn macht, Geld und Zeit in den Unterhalt einer Seite zu investieren, die einer Sache gewidmet ist, die nicht mehr länger existiert. Was die offizielle Facebook-Seite angeht, dafür sind die zwei Personen zuständig, die auch für das Ende der Band verantwortlich sind. Meinen Zugang zur Seite haben sie übrigens komplett blockiert, sodass ich dort keinerlei Updates oder ähnliches mehr posten kann. Gleichzeitig lassen sie es sich aber auch nicht nehmen, trotzdem selbst die Fragen und Anfragen von Fans zu beantworten. Deshalb habe ich auch meine eigene Seite erstellt, um die Leute über alles im Bezug auf Trail of Tears und meine neue Band Viper Solfa auf dem Laufenden zu halten. Wer möchte, kann gern auf www.facebook.com/RonnyThorsenOfficial vorbeischauen und sich informieren, dort beantworte ich auch gern Fragen, also scheut euch nicht mir eine Nachricht zu schicken.

 

Markus Rutten & Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de 

 

 

 

Link (Ronny): www.facebook.com/RonnyThorsenOfficial

 

Link (Cathrine und Björn): www.facebook.com/trailoftearsofficial