Interview mit Ronny Thorsen von TRAIL OF TEARS

Christian Stiewe: Ronny, warum habt ihr euer neues Werk „Existenia“ genannt? Verbirgt sich ein tiefgründigeres Konzept dahinter? Und wenn ja: Wie ergänzt das Artwork dieses Konzept?

Ronny: Wir haben einen kurzen und prägnanten Ausdruck gesucht, der die Essenz der Lyrik und die Atmosphäre der Musik optimal einfängt. Wir sprechen hier nicht über ein Konzeptalbum im klassischen Sinne, jedoch finden sich, wie auf unseren vorherigen Veröffentlichungen, bestimmte Themen, die in mehreren Songs auftreten. Viele unserer Texte befassen sich mit verschiedenen Aspekten unserer Existenz, Gegensätze, denen jeder von uns im täglichen Leben begegnet. Das Cover ist einfach gehalten, aber dennoch sehr prägnant, das zentrale Symbol stellt eine Träne dar, welche eine Verbindung zu unserem Bandnamen herstellt. Die intensiven Farben repräsentieren die Leidenschaft und Dramen in deinem Leben oder deiner Existenz.

CS: „Existenia“ wirkt auf mich wie eine ausgewogene Mischung eurer letzten beiden Alben, zum einen „A New Dimension Of Might“ und zum anderen „Free Fall Into Fear“. Ich habe den Eindruck, dass ihr die extremeren metallischen Strukturen von „A Free Fall Into Fear“ mit den atmosphärischeren Teilen von „A New Dimension Of Might“ kombiniert habt. War dies so eine natürliche Entwicklung oder wolltet ihr bewusst in diese Richtung tendieren?

Da stimme ich dir zu, ich höre ebenfalls Einflüsse unserer letzten beiden Alben heraus.  Darüber hinaus haben wir neue Einflüsse in unsere Musik mit einfließen lassen: Wir waren uns schon zu Beginn des Songwritings im Klaren darüber, dass wir einen mächtigeren Sound haben möchten und konzentrierten uns darauf, unsere eigenen Identität zu manifestieren und darüber hinaus das Einheitsgefühl zu nutzen, welches zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden war. Ich finde, das Resultat klingt wie eine großartige Mischung „alter“ und „neuer“ Trail Of Tears und ich bin davon überzeugt, dass wir es geschafft haben, verschiedene Elemente unserer musikalischen Karriere zu einer musikalischen Einheit zu formen. Wir nehmen einerseits Bezug auf unsere Vergangenheit und dennoch sind die neuen Songs stark genug um als eigenständiges Werk durch zu gehen. Die neuen Songs sind zweifellos melodisch und symphonisch, darauf haben wir uns zu Beginn verständigt. Darüber hinaus hatten wir die Chance sowohl mit Emanuelle Zoldan als auch mit Bernt Moen zu arbeiten. So konnten wir uns weiter entwickeln.

 

CS: Wie habt ihr eure Songs geschrieben und wer hatte den größten Einfluss auf „Existentia“? Glaubst du, dass sich eure musikalischen Einflüsse seit dem letzten Werk verändert haben?

Die meisten Lieder basieren auf verschiedene Ideen, welche entweder zu Hause entstanden sind und dort aufgenommen wurden oder aber in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern erschaffen wurden. Über die Jahre haben wir passendes Equipment angeschafft, welches uns die Arbeit sehr erleichtert. Wenn also jemand Ideen für einen Song aufgenommen hat, werden diese von jedem Mitglied angehört, Verbesserungsvorschläge gemacht und am Ende basteln wir in unserem Proberaum alles zu einer Einheit zusammen. So läuft es meistens bei uns, aber dies ist natürlich nicht immer so und schon gar nicht eine Voraussetzung für das Schreiben von Songs. Jeder darf seine Ideen äußern und mit einbringen, einige machen dies mehr als andere, aber im Grunde ist „Existentia“ ein klassisches Bandalbum. Nachdem die Songs fertig komponiert waren, habe ich die Texte geschrieben und die meisten der Vocal-Arrangements kreiert. So war es einfacher für mich herauszubekommen, was ein Song für Arrangements hinsichtlich der Vocals benötigt. Ich würde nicht sagen, dass sich unsere musikalischen Einflüsse verändert haben, wir hören von Pop bis zum extremen Metal sehr vieles. Es ist sehr wichtig, nicht in Genregrenzen zu denken, wenn man Songs schreibt. So lange es passt, wird die Musik hinterher immer irgendwie nach Trail Of Tears klingen. Wenn du aber alles „überanalysierst“, wirst du irgendwann wahnsinnig. Am wichtigsten waren uns dieses Mal Melodien und symphonische Einflüsse.

 

CS: Auf „Free Fall Into Fear“ habt ihr den Einsatz von weiblichem Gesang radikal reduziert bzw. gänzlich gestrichen und durch klaren, männlichen Gesang ersetzt, der von Kjetil Nordhus eingesungen wurde. Die neuen Lieder beinhalten nun wieder eine ganze Menge weiblicher Gesangslinien. Warum habt ihr euch dazu entschieden, diese Änderung mehr oder minder zu revidieren? Was war der Grund hierfür?

Bei „Free Fall Into Fear“ haben wir unsere Sängerin kurz vor den Aufnahmen verloren und beschlossen daraufhin nur noch mit mir und Kjetil als Sänger weiter zu arbeiten. Du weißt, Kjetil hat bereits auf „Profundemonium“ und „A New Dimension Of Might“ gesungen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt kein Bandmitglied war. Er war also kein Fremder mehr für uns und so haben wir ihn für Catherine an Bord geholt. Wir dachten damals und sind uns heute noch sicher, dass das Material auf „Free Fall Into Fear“ sehr gut ohne Female Vocals funktioniert und deshalb haben wir sie einfach weggelassen. Man kann darüber diskutieren, ob dies so richtig war und ich verstehe es, dass dieser Schritt für manche Fans sehr hart war. Wir haben allerdings auch zahlreiche neue Fans hinzu gewonnen, das muss man dabei auch berücksichtigen. Wie auch immer, wir hatten mehrere Gründe wieder mit einer Frauenstimme zu arbeiten. Als erstes ist das Material so melodisch und atmosphärisch, dass es uns einfach notwendig erschien, im Bereich der Vocals flexibel zu sein, damit sich dieser Bereich mit der Variation der Musik ergänzen kann. Ursprünglich wollten wir gar nicht mit Female Vocals arbeiten, sondern stattdessen mit Chören. Diese Pläne haben wir aber schnell wieder beerdigt, als wir bemerkt haben, dass es für die Songs nicht gut sein würde, diese Elemente in so großem Stil zu integrieren. Die Songs würden so nicht mehr auf den Punkt kommen und weniger direkt klingen. Als ich Emanuelle´s Stimme gehört habe, habe ich mich glatt in selbige verliebt und gewusst genau, dass dies das fehlende Element für unsere Lieder war.

Markus Rutten: Wie schon mehrfach erwähnt wurden die weiblichen Gesänge von der französischen Sängerin Emanuelle Zodgan eingesungen. Wie habt ihr euch kennen gelernt? Sie hat bekanntlich bereits auf der „Sirenian Shores“ EP von Sirenia gesungen, welche ebenfalls im SoundSuite Studios in Marseille produziert und aufgenommen wurde. Der Produzent hieß damals wie bei eurem neuen Werk Terje Refsnes. War er es, der euch zusammengebracht hat?

Richtig, Terje hat den Kontakt hergestellt. Zu diesem Zeitpunkt war alles fertig und nur Terje und ich waren noch im Studio. Ich wollte eine Sängerin für einige Parts und er schlug sofort Emmanuelle vor. Als ich ihre Stimme dann das erste Mal gehört habe, brauchte es auch nicht mehr viel, um mich zu überzeugen… und als Resultat des Ganzen singt sie auf 7 von 10 Liedern, haha. Es war eine schöne Erfahrung mit ihr zu arbeiten, denn sie ist wirklich nett und äußerst professionell. Sie hat all ihre Parts an nur einem Abend eingesungen, was ich sehr beeindruckend finde, denn bis zum den Aufnahmen kannte sie unsere Lieder noch überhaupt nicht.

 


Das aktuell einzige verbliebene Bandmitglied von Trail of Tears: Sänger und Bandgründer Ronny Thorsen

MR: Nachdem die anderen Jungs Trail Of Tears verlassen haben, musst du dir nun deine Band komplett neu aufbauen. Hältst du es für möglich, zukünftig wieder mit einer Sängerin an deiner Seite als fester Bestandteil der Band zu arbeiten? Wäre sogar Emanuelle eine Option hierfür? Ihre facettenreiche Stimme kann zweifellos die Qualität jeder Band verbessern. Ich finde es beeindruckend, wie sie jeden musikalischen Stil beherrscht, ob nun Operngesang oder Pop. Also nichts wie ans Telefon und Nägel mit Köpfen gemacht, haha.

Aktuell gibt es zig verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten und ich werde die Band sicherlich nicht ohne neue Sängerin weiterführen. Ich habe einige Überraschungen parat, werde jedoch keine Namen nennen, bevor alles in trockenen Tüchern ist. Emanuelle ist kein Teil dieser Pläne, ich würde es aber sehr toll finden, ein weiteres Mal mit ihr zusammen zu arbeiten und hoffentlich werde ich diese Chance bekommen. Es ist zu schade, dass sie in Frankreich wohnt, ansonsten hätte ich sofort versucht, sie für die Band zu gewinnen, haha.

MR: Einer der offiziellen Gründe, warum die ehemaligen Bandmitglieder Trail Of Tears verlassen haben, war das „Desaster“ der Mexico Tour Ende letzten Jahres. Möchtest du uns eine kurze Zusammenfassung über die Ereignisse schildern? Was lief falsch? In deinem offiziellen Statement nennst du z.B. die schlechte Organisation und erwähntest einen nicht unwesentlichen finanziellen Verlust.

 

Die Konzerte an sich liefen meistens sehr gut, aber darüber hinaus ging alles schief. Der Organisator der Tour hat in jederlei Hinsicht seiner Kompetenzen versagt, besonders hinsichtlich der Band. Wenn man sich schon beim Kennenlernen bei den grundlegendsten Dingen nicht versteht, frustriert dies sehr schnell und überschattet all die Freude die du hast, wenn du jede Nacht auf der Bühne stehst. Ich denke man kann sagen, dass jeder ziemlich frustriert war. Die Fahrer wurden ebenso wie die Techniker und die anderen Kollegen ignoriert, die Hotels und Reisen waren mies, die Fahrpläne konnten von denen nur selten umgesetzt werden. Einer der wichtigen Punkte war, dass einige der lokalen Promoter nichts zu sagen hatten, und der Hauptorganisator die Rolle der lokalen Promoter übernahm, obwohl er in den betroffenen Städten überhaupt keinen Einfluss hatte. Dies alles resultierte in einer spärlichen Promotion, mit der Folge dass einige Gigs schlechter besucht waren als erwartet und dies wieder rum führte zu einem finanziellen Verlust. Dabei hat er doch gewusst, dass viele der lokalen Promoter einflusslos waren, daraufhin hätten wir die Tour halt gecancelt, aber wir wurden erst informiert, als wir im Land waren. Sie hatten bereits die Flugtickets bezahlt und sie hätten das Geld nicht mehr zurück bekommen, wenn wir abgebrochen hätten, und so blieben wir ruhig und hofften auf die Chance, dass sich all diese Probleme irgendwie von selbst lösen, was allerdings, wie wir alle nun wissen, leider nicht der Fall war.

MR: Die anderen Jungs gaben anschließend eure Trennung auf der offiziellen Trail Of Tears Homepage bekannt – ohne dein Einverständnis. Daraufhin musstest du entschieden auf diese Situation reagieren und hast das Statement korrigiert. Weißt du noch, was dein erster Gedanke war, als du realisiert hast, dass jemand anders versuchte, DEINE Band aufzulösen?

Ronny: Ich war gelinde gesagt überrascht und schockiert. Zum einen wurde ich nicht einmal informiert, dass die ein Statement online gestellt hatten, zum anderen haben sie es nicht geschafft, Napalm Records und Metallysee, dem Organisator der „X-Mas Tour“ zu informieren. Und man muss nun wahrlich kein Genie sein, um zu verstehen, dass die Betroffenen ziemlich angepisst waren. Ein Label, welches Tausende von Euros und zähllose Stunden Arbeit in ein neues Album investiert, und darüber hinaus ein Organisator, der seinen Headliner eine Woche vor Tourbeginn verliert, und dann noch all diese Infos von Menschen erhalten, die das Statement zufällig gelesen haben, dass die Band zerbrochen ist, all dem hätte ich so niemals zugestimmt. Es spielen ebenfalls vertragliche Dinge eine Rolle, niemand darf eine Band auseinander brechen lassen, einfach nur, weil sie nicht weiter machen wollen. Deren Mangel an Einsicht und Professionalität haben mich überrascht und sehr zornig gemacht, das lässt sich einfach nicht verneinen. Anstatt meinen geplanten Urlaub in Mexico zu genießen, musste ich nun deren eigensinnig ausgelöstes Durcheinander beseitigen und den Fans und Menschen aller Welt erklären, was wirklich passiert ist.

MR: Ist es nicht irgendwie sarkastisch, dass du ein Album namens „Existentia“ veröffentlichst, und dir im gleichen Augenblick sehr viele grundlegende Gedanken über die zukünftige Existenz deiner Band machen musst? Mein Eindruck ist, dass der Titel eng mit den Texten des Albums verknüpft ist, die verschiedene Dinge der Existenz beschreiben. Aber du weißt wie ich das meine, es klingt nun schon ziemlich seltsam…

Nun, das Album ist eine Sache und die anderen Geschehnisse eine ganz andere. Da ich die Texte geschrieben und den Albumtitel gewählt habe, erscheint es mir nicht wirklich ironisch, aber andererseits gab es bisher nicht ein einziges Interview, bei dem dieser Sachverhalten nicht angesprochen wurde, haha. Wie ich schon erwähnt habe, die Texte beschäftigen sich mit verschiedenen Sichtweisen und Aspekten der Existenz und die Dinge, die so nun eingetreten sind, betrifft nun einen Teil meiner Existenz und deshalb bin ich mir sicher, dass der Albumtitel mehr denn je zum Album passt.

MR: Hat sich eigentlich etwas an eurem Plattenvertrag geändert, seitdem nur noch du Trail Of Tears bist? Oder wirst du in Zukunft weiterhin mit Napalm Records zusammen arbeiten? Ich glaube, dass aufgrund der Geschehnisse in Mexico und den Turbulenzen danach auch bei Napalm eine Menge Unruhe ausgebrochen ist.

 

Ich werde keine vertraglichen Details der Öffentlichkeit preisgeben, ich glaube ich muss nicht erklären, warum. Was ich sagen kann, ist, dass „Existentia“ das letzte Album für den aktuellen Deal mit Napalm Records ist und möglicherweise werde ich einen neuen Vertrag unterschreiben, möglicherweise aber auch nicht, über diese Dinge haben wir noch nicht gesprochen. Napalm hat mich nichts desto trotz in dieser Situation perfekt unterstützt, denn sie wussten, dass es nicht mein Fehler war und dass ich mir eine solche Situation sicherlich nicht gewünscht habe….

CS: Anderes Thema: Hast du bereits neue Bandmitglieder in Aussicht? Und was sind deine Pläne für die Zukunft? Ich bin mir sicher, dass die Karriere von Trail Of Tears weitergehen wird, aber in welcher Form? Was ist wichtiger für dich bei der Wahl deiner zukünftigen Mitstreiter: Musikalische Fähigkeiten oder Persönlichkeit? Oder doch die viel zitierte gesunde Mischung aus beidem?

Ronny: Viele Dinge werden gerade besprochen und ich habe mit diversen Leuten Kontakt aufgenommen. Ich habe bereits 2 Zusagen, aber ich werde keinen Namen nennen, solange nicht alles geklärt und in trockenen Tüchern ist. Ich würde sagen, da warten einige Überraschungen. Wir haben diverse Zusagen für Festivals im Sommer, und was ich dir sagen kann, ist, dass das neue Line Up dann stehen wird – wenn nicht schon früher. Bei den neuen Musikern wünsche ich mir eine Mischung aus Persönlichkeit und handwerklichen Fähigkeiten. Es ist wertlos, wenn du der beste Gitarrist und zugleich das größte Arschloch der Welt bist, hehe. Beide Aspekte – Persönlichkeit und Fertigkeiten - müssen stimmen.

 

MR: Lass uns diesen zeitlichen Faden weiterspinnen. Wenn es nach dir geht: Wann werden wir Trail Of Tears wieder auf der Bühne sehen?

Die Ideallösung wäre natürlich, wenn das Line-Up jetzt bereits stehen würde, aber es ist mir wichtiger, einen kühlen Kopf zu bewahren und mir die notwendige Zeit zu nehmen um alles zum Laufen zu bekommen. Wir werden allerdings im Sommer bereit sein, soviel steht fest!

MR: Letzte Frage: Was macht „Existenia“ aus deiner Sicht zu einem speziellen und starken Album?

Puh, diese Frage kann ich gar nicht so einfach beantworten… Da laufen einige Dinge zusammen, die dem Album eine spezielle Bedeutung zukommen lassen. Der wichtigste Punkt ist, denke ich, dass wir ein Album geschrieben haben, das besser ist als wir es uns selbst erhofft haben. Das Songwriting, die Produktion, die ganze Performance sind das Beste, das wir aktuell zu bieten haben, Menschen haben sicherlich verschiedene Geschmäcker und bevorzugen eventuell eines unserer Vorgängeralben, aber „Existentia“ ist zweifellos unser professionellstes Album. Ich bin mir sicher, dass wir ein besonderes Album komponiert haben, bei dem Vergleiche mit anderen Bands sinnlos werden. Die Art und Weise, wie wir unsere verschiedenen Elementen und Stilistiken vereint haben, resultieren in einem Trail Of Tears Album, das sich von allen Bands unterscheidet, mit denen uns die Menschen gern vergleichen.

Interview: Christian Stiewe & Markus Rutten - www.sounds2move.de

Link: www.trailoftears.no

Kommentare: "Existentia" von TRAIL OF TEARS

Ein Schritt zurück kann auch manchmal ein Schritt in die richtige Richtung sein. Im Falle von Trail of Tears bedeutet dies nach dem „Free Fall Into Fear“-Desaster einerseits die Rückkehr des weiblichen Gesangs, andererseits dass man härtetechnisch mindestens zwei Gänge zurück geschaltet hat. Den Songs auf „Existentia“ hat dies auf jeden Fall gut getan, sind sie doch sehr abwechslungsreich und mit jeder Menge liebevoller Details versehen. Dass die neue Scheibe für mich trotzdem nicht an „Disclosure In Red“ oder „A New Dimension Of Might“ heran reicht, liegt ganz eindeutig am Gesang. Kjetil Nordhus´ Stimme, mit der ich persönlich gar nichts anfangen kann, ist in den meisten Songs immer noch sehr präsent. Und Emmanuelle Zoldan, die bei Sirenia und Turisas schon bewiesen hat, dass sie eine gute Sängerin ist, übt sich auf „Existentia“ leider mehr im Sprechen als im Singen. Dort wo sie mit ihrem Können richtig auftrumpfen darf („Empty Room“, „Poisonous Tongues“) liegen für mich – neben dem wirklich gelungenen Opener „Deceptive Mirrors“ - dann auch die Highlights des Albums. Da muss den Herren aber eine mächtige Laus über die Leber gelaufen sein. Oder hat man schlichtweg voreilig die Notbremse gezogen? Wie dem auch sei, im Moment ist ausschließlich Sänger Ronny Thorsen Trail of Tears und er tut gut daran sich seinen ehemaligen Mitstreitern nicht anzuschließen und seine Band nicht zu Grabe zu tragen. Warum? Ganz einfach: Mit „Existentia“ haben die Norweger nicht nur ein überraschend packendes Ass aus dem Ärmel gezogen, sondern auch bereits jetzt im noch jungen Jahr die Gothic Metal Messlatte unerwartet hoch gelegt. Angesichts der eingängigen und zugleich druckvollen neuen Songs werden es einige mutmaßliche Referenzkünstler, die im Laufe des Jahres noch nachlegen werden, schwer haben. Wer (außer Tristania) sollte diese positive Überraschung noch in den Schatten stellen? Ich prophezeie einigen der neuen ehemaligen Trail of Tears Musiker jedenfalls schon jetzt einen Besuch bei ihrem Chiropraktiker. Den werden die Herren nämlich brauchen, wenn sie versucht haben sich vor Wut über ihr eigene Überstürztheit in den Hintern zu beißen. Eines sind Trail of Tears auf alle Fälle, nämlich inkonsequent. Haben sie sich im Zuge ihres 2005er Album "Free Fall into Fear" noch großmäulig vom ach so klischeebeladenen Frauengesang verabschiedet, so führen sie diesen nun auf "Existentia" zumindest teilweise wieder ein. Nichtsdestotrotz ist auch der neuste Streich der norwegischen Band eine durchwegs gelungene Angelegenheit, die vor allem die Hasser des "Free Fall into Fear" Albums wieder versöhnlich stimmen wird. Doch ich persönlich gehöre leider zu denen, die "Free Fall into Fear" sehr mochten, da sich die Band mit diesem Album extrem eigenständig präsentiert hat. Und genau diese Eigenständigkeit vermisse ich auf "Existentia", da die Band im Grunde nur die gewohnte und schon oft gehörte Gothic Metal Kost auffährt. Somit ist aus meiner Sicht das neue Album ein Schritt zurück, was sich vor allem auch darin äußert, dass der Klargesang von Kjetil Nordhus viel zu kurz kommt bzw. in gewissen Liedern zur unbedeutenden Fußnote verkommt. Summa summarum ergibt das ein Album, dass mich ein wenig enttäuscht zurücklässt aber dennoch den alteingesessenen Fans gefallen wird.