Interview mit TARJA TURUNEN

 

 

Nach dem Ende der Ära Tarja Turunen bei den Shootingstars Nightwish wurde in allen Medien viel geschrieben und spekuliert. Etwas zu viel wie der Autor dieser Zeilen findet, der besagtes Thema im Verlauf eines knapp halbstündigen Interviews mit Tarja zu ihrem neuen Soloalbum „My Winter Storm“ nur am Rand streift. Kurz vor der Verabschiedung wird auch die Künstlerin selbst dies honorieren, wenn sie mit einem ehrlichen Lachen anmerkt: „Es ist jetzt schon fast 7 Uhr und ich glaube du warst der einzige Interviewpartner heute, bei dem sich nicht zwei Drittel der Fragen um meine Vergangenheit bei Nightwish gedreht haben“. Natürlich sind solche Worte Balsam auf der Seele eines jeden aktiven Musikfans, doch auch die Finnin selbst hatte einen großen Anteil an einem rundum gelungenen Plausch. Denn Tarja ist Feuer und Flamme für ihr neues Album, macht stets einen sympathischen und unbekümmerten Eindruck und ist sich auch nicht zu schade einmal im Eifer des Gefechts vom eigentlichen Thema abzukommen und über dies und das zu philosophieren. Die größte Erkenntnis bzw. Frage nachdem sich die Sängerin in ihren wohlverdienten Feierabend verabschiedet hat: DAS soll eine mitunter schwierige Diva sein? Darauf kann man nur heftig mit dem Kopf schütteln.

 

 

Die Filmliebhaberin

 

Ein deutliches Merkmal verrät die ambitionierte Sängerin hinter der redegewandten Plaudertasche allerdings, nämlich die Tatsache, dass Frau Turunen recht leise spricht, um ihre ausgebildete Stimme zu schonen. Doch auch von diesem guten Vorsatz verabschiedet sie sich von Zeit zu Zeit, etwa wenn ihr fröhliches Lachen durch den Telefonhörer hallt. Wenige Wochen vor dem Interview wurde in der Nähe von Berlin das Video zur ersten Single „I walk Alone“ gefilmt, ein Clip den sie augenzwinkernd als „netten kleinen Film, der ein bisschen was von ‚Alice im Wunderland’ hat“ bezeichnet. Dabei dreht sich das Filmchen grob umrissen um zwei Kinder im Wald, die getrennt werden und allerlei fantastischen Gestalten begegnen, sich zwischenzeitlich fast zu Tode fürchten und die am Ende wieder zueinander finden. Passend dazu präsentiert sich „I walk Alone“ als ein Stück Musik, das mit seiner spieluhrartigen Melodie und einigen klassischen Instrumenten deutlich an eine stimmungsvolle Filmmusik angelehnt ist. Dieser Effekt ist durchaus gewollt, denn Tarja Turunen ist bekanntermaßen eine große Liebhaberin von geschmackvoller und packender Filmmusik. „Ich hab mir Gedanken gemacht, wie ich denn bloß eine solche Atmosphäre auch auf mein Album übertragen kann. Also habe ich meine kleine Bibliothek mit Soundtracks durchgestöbert und bin dabei interessanterweise immer über dieselben Namen gestolpert, so zum Beispiel Hans Zimmer. Mit ihm wollte ich für mein Leben gern zusammenarbeiten, selbst wenn ich mir keine Hoffnungen gemacht habe“. Aber unverhofft kommt oft, wie die Sopranistin weiter ausführt: „Mit meinem A&R habe ich dann in einem Gespräch beiläufig über diese Sache gesprochen und er hat für mich doch tatsächlich ein Treffen mit Hans und einigen anderen bekannten Komponisten organisiert. Irgendwie hat er es geschafft, einige von ihnen zusammen zu trommeln. Ich habe sie dann besucht und hatte ehrlich gesagt sogar ein bisschen Angst vor dem Treffen. Immerhin stand ich vor einer Tür, hinter der sich einige der Menschen befinden, die ich für ihr Schaffen einfach liebe. Als ich in den Raum kam wurde ich zu meiner Verwunderung sehr herzlich begrüßt und bekam sofort alle Hände zum Gruß entgegengestreckt. Dass diese Zusammenarbeit wirklich zu Stande gekommen ist, stellt für mich eine großartige Erfahrung und zugleich eine Ehre dar. Das sind diese Momente, an die du dich dein Leben lang erinnern wirst“.


 

Die poetische Einzelgängerin

 

Nachdem das neue Album ihrer ehemaligen Band ein Stück mit dem recht deutlichen Titel „Bye Bye Beautiful“ beinhaltet, könnte man die erste Single „I walk alone“ als indirekte Antwort darauf auslegen. Doch dies ist nur eine, wenn auch sehr weit verbreitete Interpretation des Titels. „Auf diese Art und Weise wird es natürlich von den meisten erst einmal ausgelegt. Aber für mich hat der Titel eher eine poetische Bedeutung. Ich mache jetzt einfach etwas neues, das mir am Herzen liegt, aber das ich auf mich allein gestellt in die eigenen Hände nehmen muss. Ich veröffentliche jetzt mein erstes eigenes Album und will den Leuten zeigen, wohin meine musikalische Zukunft führen wird". Der Albumtitel dieses Debüts wurde übrigens dem Text der ersten Single „I walk alone“ entliehen, in dem es heißt „My Winter Storm is holding me awake, never gone“. Und eben diese Textzeile war der Künstlerin schon in einem frühen Stadium der Arbeiten an ihrem Album derart positiv aufgefallen, dass sie sich schon für den Titel entschieden hatte, bevor sie überhaupt im Studio eine einzige Note aufgenommen hatte. „Ich war wirklich beeindruckt, welches starke Bild diese Zeilen in meinem Kopf entstehen lassen konnten. All die Menschen, die mich umgeben, wozu ich vor allem auch die Fans zähle – einfach alle, die zu mir halten und mich unterstützen. Sie alle sind mein Wintersturm, denn sie halten mich in gewisser Weise am Leben. Wegen all diesen Menschen bin ich hier, ihnen verdanke ich alles und für sie soll dieses Album auch sein“, lässt Tarja erneut ihrer poetischen Seite freien Lauf. Die Wehemenz in ihrer Stimme unterstreicht dabei, dass die Frau damit keine leeren Phrasen geklopft hat, sondern ihr Herz hat sprechen lassen.

 

 

Die Wählerische

 

Die erste Single war gleichzeitig übrigens auch einer der ersten Songs überhaupt, die Frau Turunen ins Haus flatterten. Denn viele Komponisten boten der charismatischen Finnin ihre Werke feil, sehr viele sogar. Die Plattenfirma hatte unzählige Autoren angefragt und sie aufgefordert, Stücke für Tarja zu schicken, außerdem wandten sich diverse unabhängige Komponisten an die dunkelhaarige Sängerin. „Ich habe hunderte von fertigen Songs und Demos erhalten“, stöhnt sie heute. „Und alle habe ich mir mehrfach angehört, um dann ein paar davon für mein Album auszuwählen und mich mit deren Urhebern zu treffen. ‚I walk alone’ war nur einer davon“. Besagtes Treffen fand dann im sonnigen Ibiza statt. Ibiza? Richtig gelesen, auch wenn es auf den ersten Blick etwas kurios klingt ein Album mit dem Titel „My Winter Storm“ ausgerechnet in einer warmen, sommerlichen Urlaubsumgebung aufzunehmen. Die Frage nach diesem Sachverhalt trifft die fröhliche Finnin hörbar unerwartet, die amüsiert auflacht und deren ohnehin schon positive Stimmungskurve nun noch weiter nach oben zu zeigen scheint. Tarja geht direkt ins Detail: „Nach dem ersten Treffen haben wir uns zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal dort getroffen und uns für einige Zeit ein kleines Haus mit fantastischer Aussicht gemietet. Dort saß ich mit dem Sound-Engineer und dem Produzenten gemeinsam in einer Art Wohnküche, wo ich meine Gesangspassagen eingesungen habe. Das Wetter war wunderbar und das mediterrane Klima dort ist sehr gut für die Stimme, das habe ich schon vor einigen Jahren herausgefunden“. Ferner hebt die Frau mit der 3-Oktaven-Stimme die komfortable, entspannte Arbeitsweise auf der Ferieninsel hervor, die ihrer Meinung nach großen Anteil am guten Ergebnis der Gesangsaufnahmen (die weitere Produktion ging in Finnland und Los Angeles über die Bühne) hatte.


 

Die ambitionierte Songschreiberin

 

Wer jetzt der Meinung ist, dass Frau Turunen sich die Songs nur vorlegen lies, um selbige dann nach Vorgabe zum Besten zu geben, der irrt sich. Denn schon beim ersten Meeting mit Komponisten und Musikern beteiligte sich die Finnin an der Überarbeitung der Songs. „Wir haben hier und da etwas an den Melodien verändert, die Gesangslinien angepasst oder ganze Passagen umarrangiert“, stellt Tarja klar. Unterm Strich findet sich die Sopranistin jetzt in 9 von 14 Stücken in den Songwriting-Credits wieder, hat davon mit Hilfe der Komponisten allein 6 komplett neue Stücke in nur einer Woche geschrieben und in Form von „Oasis“ sogar einen kompletten Alleingang auf ihrem Solodebüt platziert. Ferner hat sich Tarja natürlich auch bezüglich der Texte eingebracht, „schließlich ist es mein Album und es soll mich und meine Persönlichkeit widerspiegeln“. Natürlich wird die Protagonistin als Solokünstlerin noch mehr im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, als sie es zu Nightwish-Tagen ohnehin schon tat. Gleichermaßen steigt auch die Verantwortung, da sie ihren Charakterkopf hin halten muss, wenn es Kritik hageln sollte. „Klar ist das eine große Verantwortung“, kommentiert Tarja mit gespielter Erschöpfung in der Stimme. „Ich trage die Verantwortung für alles, was rund um dieses Album geschieht. Zudem wird meine Stimme das erste sein, worauf die Leute achten werden, wenn sie dieses Album anhören. Andererseits habe ich auch sehr viel Energie in dieses Album gesteckt und ich denke, das wird man würdigen“, weiß Tarja.


 

Die Rockerin

 

Wer bereits die Möglichkeit hatte, Auszüge aus „My Winter Storm“ zu hören, der wird sicher davon überrascht sein, dass sich unerwartet viele prägnante Gitarrenläufe auf dem Album befinden. Zumindest der Autor dieses Interviews hatte primär ein Album erwartet, dass zwischen Klassik und Pop hin und her pendelt. In der Opernsängerin schlummert also doch noch immer auch eine rassige Rockerin? Einmal mehr erklingt Tarjas helles Kichern am anderen Ende der Leitung: „Aber natürlich! Das war jetzt für viele Jahre der Fall, warum sollte sich das ändern?“, wehrt sich Tarja indirekt auch gegen die Vorwürfe der berechnenden Geschäftsfrau ohne Bezug zur harten Musik. „Es ist kein Geheimnis, dass ich klassische Musik liebe. Auf diesem Gebiet habe ich mich ausbilden lassen und ich arbeite auch weiterhin hart an dieser Stilrichtung. Ich möchte damit auch auf keinen Fall aufhören, denn es tut mir wirklich gut und treibt meine Entwicklung als Sängerin konstant voran. Sie ist einfach notwendig für mich“, erzählt Tarja mit sachlicher Begeisterung. „Andererseits bin ich musikalisch aber auch in einer Metal-Band aufgewachsen, die mir völlig andere Aspekte und Perspektiven erschlossen hat, auf die ich anfangs vielleicht nicht immer vorbereitet war. Aber ich habe mir selbst bewiesen, dass mir auch diese Musik unheimlich gut gefallen kann und dass ich jede Menge Spaß damit haben kann. Das war eine unglaubliche und wichtige Erfahrung“, kommt auch die andere Seite der Solokünstlerin zur Analyse. Mit diesem Hintergrundwissen wundert man sich nicht mehr wirklich über die Stimmungswechsel innerhalb des Albums, das von knackigem Rock, über die volle orchestrale Breitseite bis hin zur akustischen Gitarre reicht. Damit hätten Tarja und ihr Album eine offensichtliche Gemeinsamkeit: Beiden würde man mit nur einer einfachen Kategorisierung nicht gerecht werden.


 

Die finnische Seele mit internationalen Ambitionen

 

„Es ist wichtig zu wissen, wo dein Zuhause ist“, seufzt Tarja. Denn mit „Oasis“ hat sie ihrem ersten komplett selbst geschriebenen Song sogleich einen finnischen Text verpasst, nachdem Tarja zuvor bereits ein finnisches Weihnachtsalbum mit dem für Nicht-Finnen kaum aussprechbaren Titel „Henkäys Ikuisuudesta“ veröffentlichte. „Mittlerweile habe ich zwei Orte, die ich ‚Zuhause’ nennen kann, einmal in Finnland und einmal in Argentinien. Dennoch ist die Beziehung zwischen mir und dem finnischen Publikum eine ganz Spezielle, die über Jahre gewachsen ist. Somit könnte man besagtes Weihnachtsalbum auch als kleines Dankeschön an die Menschen in meiner Heimat sehen“, lässt Tarja wissen, die seit knapp 5 Jahren den doppelten Nachnamen Turunen-Cabuli trägt. Gleichermaßen erwähnt sie auch ausdrücklich, wie dankbar sie dafür ist, eine internationale Karriere bestreiten zu dürfen. Schließlich ist Finnland in Sachen Rock- und Metal Bands eine absolute Export-Weltmacht, während es im Bezug auf international erfolgreiche Einzelkünstler sehr düster im melancholischen Land der Tausend Seen ausschaut. Daher war es sicher keine schlechte Idee, erst einmal im eigenen Land die ersten Gehversuche als Solokünstlerin zu machen, um dann gefestigt dem Rest der Welt ins Auge blicken zu können. Etwa den Produzenten und Musikern, mit denen Tarja viel Zeit in Los Angeles verbracht hat, wo das Album zum Zeitpunkt des Interviews noch immer auf seine komplette Fertigstellung wartete. „Viele dieser Leute sind auf mich zugekommen und haben gefragt ‚Wie kommt es, dass du zum einen so eine fröhliche und freundliche Person zu sein scheinst, aber die ganze Musik, die du machst sooo traurig ist? Sind alle Finnen so traurig?’“, kugelt sich Tarja amüsiert. Dabei hat „My Winter Storm“ sogar vereinzelte südamerikanische Elemente zu bieten, etwa die akustischen Gitarrenklänge von Kiko Loureiro, der eigentlich bei den brasilianischen Power Metallern Angra in Lohn und Brot steht. „Ich mag seine brasilianische Art Gitarre zu spielen. Mit Nightwish waren wir mit Angra mehrfach auf Tour, etwa in Japan. An diese Tage habe ich ausschließlich gute Erinnerungen und ich kenne die Jungs von Angra sehr gut. Daher bin ich froh, dass Kiko auf meinem Album dabei ist“. Ein anderer recht bekannter Studiomusiker, der im Gegensatz zu Kiko Ende des Jahres auf live mit von der Partie sein wird, ist der ehemalige Farmer Boys Klampfer Alex Scholpp. Die Finnin erklärt, wie sie auf den Schwaben gestoßen ist: „Ich kannte ihn zuerst gar nicht, bis mein Produzent ihn vorschlug und wir uns wenig später kennen lernten. Er war sehr interessiert an der Sache und ich habe schnell gemerkt, dass es gut funktionieren würde. Ich denke er hat Talent und ist zudem ein netter Kerl, von daher passte er sehr gut“.

 

 

Die Feuertaufe

 

Nach ihren Weihnachtskonzerten zum Jahresende 2005 wird Tarja Turunen nun Ende 2007 erstmals als Solokünstlerin für einige Konzerte durch Europa reisen, auf ihrer wie sie es nennt „Warm Up Tour“, bevor es 2008 dann ausgedehnter auf Clubtour gehen soll. „Ich denke wir brauchen ein paar Konzerte, um zu sehen wie sich alles entwickelt und ob man auch unterwegs gut miteinander auskommt. Immerhin werden jeden Abend sieben oder acht Leute auf der Bühne sein“, lautet der Grundgedanke hinter den ersten Terminen nach der Veröffentlichung von „My Winter Storm“. Außerdem gewährt Tarja bereits einen ersten Eindruck von dem, was die Besucher dieser Shows erwartet: „Die Show wird sehr theatralisch werden und natürlich auf den neuen Songs aufgebaut sein. Ein paar Nightwish-Songs will ich allerdings auch präsentieren, vermutlich hauptsächlich etwas ältere Stücke oder Songs, die man bis dato noch überhaupt nicht live zu hören bekommen hat“, schürt die Sängerin schon einmal die Erwartungen. Die große Rundreise der Diva soll dann im April 2008 ins Rollen kommen, bevor es vielleicht sogar die eine oder andere Festivalshow zu sehen gibt, wenngleich selbige laut Aussage der Künstlerin möglicherweise auch erst in 2009 realisiert werden können.


 

Die Verglichene

 

Dass fast jeder ihr Album mit dem vergleichen wird, was sie zu Tagen ihrer ehemaligen Band ablieferte, darüber ist sich die vor allem optisch wandelbare Künstlerin zu 100% im Klaren. „Darauf bin ich vorbereitet, denn ich weiß, dass es passieren wird. Aber mit irgendwelchen Wettkämpfen oder ‚wer ist der bessere’-Spielen beschäftige ich mich bestimmt nicht und das werden die Jungs sicher auch nicht tun“, ist sich die Frau mit den drei Vornamen sicher. „Der eine oder andere wird sicher geschockt sein, wenn er mein Album hört. Ob im positiven oder im negativen Sinne hängt vermutlich von der jeweiligen Person und ihrem Charakter ab“, neckt die Absolventin der Staatlichen Hochschule für Musik in Karlsruhe. „Die Leute erwarten einfach irgendetwas, nur niemand scheint so recht zu wissen was. Wird es ein Klassik-Album, eine Metal-Platte oder was auch immer. Wir werden abwarten müssen, was passiert. Auf jeden Fall wünsche ich Nightwish alles erdenklich Gute, denn diese unglaublich talentierten Jungs werden wieder ein großartiges Album veröffentlichen, denn das war bisher noch immer der Fall, warum sollte es sich jetzt ändern? Aber ich werde mich auf meine eigene Karriere konzentrieren und weiß sehr wohl, dass diese Vergleiche von außen so schnell nicht enden werden. Ich kann sehr stolz auf meine Vergangenheit mit Nightwish sein, aber Dinge ändern sich – das muss man einfach akzeptieren und nach vorn blicken“, resümiert Tarja.

 

 Markus Rutten - www.sounds2move.de

 

Die gehörten Stücke von „My Winter Storm“:

 

I walk Alone:

Die erste Single von Tarja schleicht sich auf Samtpfoten an, um sich im Refrain episch zu öffnen. Vor allem die stimmungsvolle Spieluhr, die das gesamte Stück unterschwellig begleitet, verleiht dem Song das gewisse Etwas. Trotz cineastischem und zugleich eingängigem Anspruch sind die Gitarren mitunter ziemlich druckvoll. Ein viel versprechender Vorgeschmack.

 

 

Lost Northern Star:

Nach langsamem Beginn geht es mit schleppendem Mittempo weiter. Tarja tummelt sich im Chorus in gemäßigten höheren Sphären ihrer Stimme, präsentiert die Strophen dafür gemäßigter. Musikalisch eher unspektakulär, doch durch die bekannt ausdrucksstarke Stimme der Künstlerin kriegt dieser verlorene Stern die Kurve. Nicht schlecht, aber ausbaufähig.

 

Oasis:
Das Stück, welches von Tarja im Alleingang komponiert wurde. Sehr minimalistischer Beginn mit dezentem Piano und Streicherflächen. Dann kommt eine dominantere Pianomelodie dazu, die aus einem gefühlten Intro einen „richtigen“ Song macht. Tarjas Stimme taucht binnen zwei Minuten nur im Hintergrund als stimmungsvolles Element auf, bevor sie nach dem Durchbrechen der Dreiminutenmarke erstmals ins Rampenlicht tritt und eine finnische Lead-Stimme erklingen lässt. Nach kurzem Intermezzo folgt die Rückkehr zur Backing-Stimme, bis das Stück genauso sanft endet, wie es begann. Ein echter Kontrastpunkt.

 

 

Ciaran’s Well:
Stille herrscht, bevor eine Art Schrei die Ruhe zerreißt. Dominante Riffs und Schlagzeug sind sofort da und sorgen für Dynamik. Tarja gibt sich stimmlich vorerst zurückhaltend, so wie man es mitunter schon bei Nightwish von ihr kannte. Es folgt eine erste minimale Andeutung von den Höhen, welche die Finnen erreichen könnte, wenn sie wollen würde. Und sie will, wie man gegen Ende unüberhörbar erkennt. Denn Frau Turunen will (oder muss?) auch einmal zeigen was sie kann – nämlich ihre Stimme zu 100% unter Kontrolle haben.

 


"My Winter Storm" von Tarja erscheint am 16.11.

The Reign:

Erneut geht es gefühlvoll und balladesk in den Ring. Apropos Ring: Zum Soundtrack von „Der Herr der Ringe“ hätte dieses Stücke wunderbar gepasst. Für den beinharten Mattenschüttler ist dieses Stück garantiert nicht gemacht, aber würde der überhaupt zu einem Album wie diesem greifen? Wohl eher nicht. Selbst dran schuld, denn so geht ihm eine gefühlvolle Schmachtnummer mit dem emotionalen Tiefgang eines „Dead Boy’s Poem“ durch die Lappen – nur leider ohne schmückendes Gitarrensolo.

 

 

Link: www.tarjaturunen.com  / Fotos: Toni Härkönen