Interview mit Juha Raivio von SWALLOW THE SUN

 

 

 

Ihr habt euch fast das komplette Jahr 2011 zurückgezogen, um an “Emerald Forest and the Blackbird” zu arbeiten. Warum war es euch so wichtig, sich einzig und ausschließlich auf die neue Scheibe zu konzentrieren und zu diesem Zweck auch auf Konzerte zu verzichten?

 

Mit „New Moon“ haben wir unheimlich viel getourt. Am Ende waren es fast 150 Konzerte in 27 Ländern. Wir haben also Monate aufeinander gehockt. Darum haben wir uns entschlossen, im Jahr darauf überhaupt keine Shows zu spielen und wirklich einzig das Album voran zu treiben. Eigentlich habe ich fast das komplette Album direkt im Anschluss an die „New Moon“-Tour geschrieben, quasi unmittelbar nachdem wir nach Hause kamen. Das war bereits Anfang 2011. Somit hätte wir theoretisch auch deutlich schneller wieder ins Studio gehen können. Allerdings brauchten wir nach den Kräfte zehrenden letzten Jahren auch  mal eine Pause, die wir uns dann einfach gegönnt haben.

 

Man kann den Eindruck gewinnen, dass ihr mehr in die Extreme gegangen seid mit eurer Musik. Einige Stücke sind wirklich sehr melodisch und melancholisch, wie etwa „Silent Towers“ und „This Cut is the deepest“. „April 14th“ ist hingegen bedrückend und sehr doomig, während „Hate, lead the Way“ unüberhörbar an der Schwelle zum Black Metal kratzt. Ich kann mich irren, aber es kommt mir außerdem so vor, dass ihr innerhalb der Songs zumeist keine großen Schlenker macht, sondern jeweils einer bestimmten Richtung treu bleibt.

 

Das kann man so sehen, wobei ich mir keine Aufgabenliste oder Vorgaben gemacht habe was die neuen Stücke betrifft. Ich schreibe einfach das, was mir gerade in den Sinn kommt. Und wenn das eine Kombination von Pop und Black Metal innerhalb eines einzelnen Songs gewesen wäre und es hätte sich richtig angefühlt, dann hätte ich auch das zugelassen. Von Song zu Song gibt es teilweise riesige Unterschiede, aber dennoch fühlt es sich für mich so an, als ob alles zusammen passt, als wäre es sozusagen alles aus dem selben Holz geschnitzt. Du hörst von der ersten Note an, dass du es mit Swallow the Sun zu tun hast. Falls es also überhaupt ein Ziel oder eine Vorgabe gibt, was ich unterbewusst beim Schreiben neuer Musik erreichen will, dann ist es genau dieser Effekt.

 

Anette Olzon von Nightwish ist auf „Cathedral Walls“ zu hören. Bei diesem Gastauftritt klingt sie hörbar anders als bei ihrer Hauptband. Man fühlt sich sogar an die helle, engelsgleiche Stimme von Liv Kristine (Leaves’ Eyes – MR) erinnert. Habt ihr Anette eine Vorgabe oder zumindest eine grobe Richtung gegeben wie sie den Song umsetzen soll, oder habt ihr das komplett ihrem Bauchgefühl überlassen?

 

Ich bin ehrlich gesagt vollkommen zufällig auf ihrer MySpace-Seite gelandet und habe dort eine Solonummer von ihr gehört, die „Invincible“ heißt. Die Schönheit der Stimme und der Musik hat mich dabei regelrecht umgehauen. Ich habe sogar Parallelen bezüglich der Stimmung und der Melodien gehört, die zu dem Zeitpunkt bereits für den Chorus von „Cathedral Walls“ existierten. Da wusste ich augenblicklich, dass wir sie unbedingt für den Song gewinnen müssen! Anette ist wirklich sehr nett und eine überaus professionelle Sängerin. Und was sie abgeliefert hat, klingt einfach fantastisch. Es war genau das, was der Song gebraucht hat. Mit einem Augenzwinkern habe ich zu ihr gesagt, sie solle einfach wie ein Engel singen – das hat sie zu meiner Begeisterung dann auch tatsächlich gemacht.

 

Erneut habt ihr euch ein sehr individuelles, heraus stechendes Artwork zaubern lassen. Glaubst du, solche Artworks helfen euch auch als Band etwas mehr aufzufallen in einer Szene, die am liebsten schwarze Cover sieht, am besten noch erweitert um Blut, Gedärme oder Typen in düsteren Outfits? Schon „New Moon“ hatte nicht gerade ein konservatives Frontcover.

 

Wir sind ja sowieso schon Außenseiter in weiten Teilen der Metalszene. Egal ob jetzt Death, Doom oder Gothic: Die Leute scheinen bisweilen echt ein Problem mit uns zu haben oder besser gesagt damit, ob sie uns jetzt lieben oder hassen sollen. Ich kann das sogar durchaus verstehen, denn unsere Musik zu schlucken kann schwierig sein für jemanden, der es nur gewohnt ist, seinen Szenestandard vorgesetzt zu bekommen. Andererseits bin ich sehr froh, dass immer mehr Metalheads und auch andere Musikliebhaber heutzutage ihren Musikgeschmack verbreitern. Es gibt schließlich noch ein Leben außerhalb der Welt aus rabenschwarzen Albumcovern, umgedrehten Kreuzen und Totenschädeln. Überhaupt sollte es doch hauptsächlich um eine möglichst dichte Atmosphäre bei der Musik gehen, nicht darum welchem Stil etwas zuzuordnen ist.

 

Es ist offensichtlich, dass ihr diesmal vermehrt auch auf Akustikgitarren gesetzt habt. Wie wichtig war das für die von dir angesprochene Atmosphäre des Albums? Meiner Meinung nach sorgen sie für einen sehr warmen Klang und lassen manche Momente sogar regelrecht zerbrechlich erscheinen. Die großen Katatonia haben bei ihrem letzten Album „Night is the new Day“ einen ähnlichen Schritt gewagt, und das Ergebnis ist großartig geworden und eröffnet eine ganz neue Perspektive auf die Musik. Wenn du mich fragst, ist es bei „Emerald Forest and the Blackbird“ genauso.

 

Danke für das Kompliment. Wir haben zum ersten mal überhaupt mit akustischen Gitarren gearbeitet, und ich finde auch, dass es wunderbar funktioniert hat. Es gibt der Musik in der Tat eine neue Tiefe, und es war auch unser Wunsch, dass die Platte diesmal wärmer klingt. Wobei es da auch Ausnahmen gibt. Manches muss nämlich einfach kalt und dunkel klingen. Akustikgitarren haben dem Album definitiv etwas Neues hinzugefügt, und sie funktionieren super an den Stellen, die weniger nach Metal klingen sollen und wo sich auch das Schlagzeug hörbar zurücknimmt.  „Emerald Forest and the Blackbird“ sollte noch mehr atmen können, dabei aber immer noch groß und weit klingen – wie eine Art vertonte Kathedrale sozusagen. Ich finde das Album klingt warm, kalt und weit zur gleichen Zeit, aber auf eine richtige und gewollte Art und Weise. Darum sind wir auch sehr glücklich mit dem finalen Resultat.

 

Du sagtest, ihr könnt es eigentlich keiner Szene so richtig recht machen. Wie stellst du dir denn dann den typischen Swallow the Sun-Hörer vor?

 

Es ist auf jeden Fall jemand, der schon vor langer Zeit eingeschlafen ist. Allerspätestens seit er angefangen hat meine Antworten hier zu lesen, haha!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.swallowthesun.net