Interview mit Josh Rand von STONE SOUR

 

 

Während sich der Sommer hierzulande eine kleine Auszeit nimmt, kann man sich in Orlando / Florida klischeegerecht über den Mangel an strahlendem Sonnenschein nicht beklagen. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass Josh Rand, Gitarrist der amerikanischen Hardrocker STONE SOUR, auch bei überraschenden Interviews nicht die gute Laune verliert. „Danke, dass du anrufst, auch wenn ich bis vor 2 Minuten nichts davon wusste. Muss wohl in dem Wirrwarr der letzten Tage ein bisschen untergegangen sein“, entschuldigt sich Josh, der gerade sein Mittagessen beendet hat und nun satt, aber auch auskunftsfreudig ist. Das erwähnte kleine Chaos bezieht sich auf die wenige Tage vor unserem Telefonat gestartete „Family Values“ Tour, die in diesem Jahr von Korn-Frontmann Jonathan Davis wiederbelebt wurde und mit der auch STONE SOUR gerade quer durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten rollen. „Ihr habt in Europa diese ganzen wunderbaren Festivals wie das Download Festival, Graspop oder Rock am Ring. So etwas gibt es in den USA überhaupt nicht“, eröffnet Josh seinen kleinen Exkurs in die Welt der „Family Values“ Tour. „Solche Touren sind so etwas wie ein kleiner Ersatz dafür. Das ist zum Beispiel auch bei der „Warped Tour“ der Fall. Bei euch treffen sich viele große und coole Bands auf den Festivals und die Leute feiern für einige Tage gemeinsam eine Party. Bei uns tun sich die Bands zusammen und reisen ihrerseits zu den Leuten. Allerdings haben wir dann auch einen gewaltigen Tourtross und alles spielt sich an nur einem Tag und in Venues mit ca. 15.000 – 18.000 Plätzen ab. Nach einiger Zeit weißt du morgens gar nicht mehr in welcher Stadt du eigentlich gerade aufgewacht bist“, beendet der Gitarrist lachend seine unaufgeforderte Ausführung.

 

Natürlich geht es an diesem Abend vor allem um das neue und zweite Album der Band, das auf den Namen „Come what(ever) may“ hört. Josh: „Der Name entstand, als wir im Studio an den Songs gearbeitet haben und selbst noch nicht genau wussten in welche Richtung es für uns genau gehen würde. Es soll in erster Linie ein Statement dafür sein, wo wir in dem Moment standen. Im Sinne von ‚Hier sind wir zum jetzigen Zeitpunkt und wir machen genau das Album, das wir wollen – komme was wolle’.“ Auf besagtem Longplayer hat die Band 12 Songs verewigt und damit noch 4 weitere fertige Tracks auf der hohen Kannte, die ebenfalls im Rahmen des Aufnahmeprozesse entstanden sind. Unter den Tisch fallen wird davon garantiert nichts, wie Josh erläutert: „Wir überlegen gerade, ob es vielleicht eine Limited Edition geben wird. Da wird es dann auf jeden Fall noch ein paar Zusätze geben. Die Sachen werden aber definitiv alle irgendwo auftauchen. Vielleicht machen wir aus einem Track auch einen exklusiven Download. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass wir etwas zu einem Film- oder Spielesampler beitragen werden und auch in Japan muss man ja immer irgendwas Exklusives dazu packen. Möglichkeiten gibt es also zu genüge und ich vermute mal, dass innerhalb der nächsten 6 Monate alles verarbeitet wird“. Beim Wort „Special Edition“ wird der geneigte Fan natürlich hellhörig und auch der Interviewer fährt die Antennen aus und bohrt nach weiteren Details. „Ich denke schon, dass es eine zweite Edition geben wird. Wir haben auch noch andere coole Sachen, die sich anbieten würden. Es gibt ein paar sehr nette Akustikversionen und auch sonst gibt es einige Überraschungen, über die wir gerade diskutieren. Wenn es eine limitierte Auflage gibt, dann wird es da einiges zu holen geben“, weiht uns der Rocker in weitere Details ein. Darüber hinaus wird es aber keine Restverwertung geben. Alle Demos, die vor den Aufnahmen zu „Come what(ever) may“ entstanden sind und nicht aufgenommen wurden (die Band sprach damals von etwa 30 Rohfassungen), werden auch zukünftig in der Schublade verbleiben. Die Fans werden es überleben, denn das zweite Album der Truppe aus Iowa gleicht einem Quantensprung in Sachen Songwriting und Variabilität. War schon das selbstbetitelte Debüt „Stone Sour“ eine gute bis sehr gute Hardrock-Scheibe, so gehört „Come what(ever) may“ zu denjenigen Veröffentlichungen, bei denen man guten Gewissens die alte Phrase „All Killer, No Filler“ noch einmal strapazieren kann. Fast schon erschreckend souverän hat das Quintett ein Album erschaffen, das „für jede erdenkliche Stimmung, in der du dich befinden magst, den richtigen Song parat hat“. Auch der umgängliche Josh zeigt sich diesbezüglich selbstbewusst: „Das kann ich nur bestätigen. Ich bin der Meinung, dass wir als Band mehr zusammengewachsen sind und sich die einzelnen Mitglieder dieses Mal mehr geöffnet haben – zumindest ist das bei mir selbst der Fall. Klar schrieben auch wir mal gute und mal schlechte Songs, aber wir ergänzen uns so gut, dass wir später genug Auswahl haben. In welche Schublade man das dann am Ende steckt oder stecken kann, spielt für uns keine Rolle, so lange wir einfach wir selbst sein können“. Auch die kleinen Stänkereien selbsternannter Besserwisser, mit denen man als „harte“ Band leben muss, wenn man mal einen softeren Song schreibt, kann STONE SOUR dabei nicht aus der Bahn werfen. Man befindet sich diesbezüglich in einer recht komfortablen Situation, die man sich mit dem ersten Album allerdings hart erarbeiten musste. Auch Josh kennt natürlich die gängigen Sprüche: „Ein guter Song ist einfach ein guter Song, egal ob er hart oder zart ist. Natürlich gibt es diese Spezialisten, die dann meinen ‚Ihr seid doch eine Heavy Band, wie könnt ihr nur solche Songs schreiben’. Aber zum Glück sind wir da mittlerweile weitestgehend akzeptiert und können auch mal eine langsame Nummer machen, ohne dass uns jeder gleich als Pussies beschimpft“, nimmt es der glatzköpfige Ami grinsend mit Humor.

 

An Abwechslung mangelt es dem Album definitiv nicht. Aggressiv-metallischen Nackbrechern wie „Reborn“ stehen gefühlvolle, radiotaugliche Rocker wie etwa „Through Glass“ gegenüber. Eine Tatsache, die bei STONE SOUR alles andere als einen Widerspruch darstellt. „Dieses Album ist einfach ein Abbild dessen, wo wir als Band gerade stehen. Wenn ein meiner Meinung nach wirklich guter Song wie „Through Glass“ nun mal aus unserer Feder stammt, warum sollten wir ihn dann nicht auch auf das Album packen? Wegen der Leute, die uns nur als harte Band sehen wollen? Das interessiert uns einen Scheiß und wir machen uns über solche Sachen keine Gedanken!“, zeigt sich der sympathische Musiker kämpferisch. In diesem Zusammenhang erklärt sich auch der Albumtitel „Come what(ever) may“ quasi von allein. Komme was wolle – aus Sicht der Band, die musikalisch Ausflüge in alle erdenklichen Richtungen macht ebenso, wie für die Fans, die sich auf nahezu alles gefasst machen müssen. Unabhängig vom musikalischen Rahmen ist es auch ein Teil des Anspruches von STONE SOUR, dass ihre Fans hier und da auch mal ihren Verstand einsetzen. Wie etwas bei erwähntem „Through Glass“, das von einer oberflächlichen Scheinwelt erzählt und das auch im Videoclip deutlich dargestellt wird. Josh: „Die Texte schreibt bei uns bekanntlich Corey, er kann dir sagen was genau er ausdrücken wollte. Aber ich denke wir können die Leute ruhig auch mal zum Nachdenken anregen. Dabei kannst du natürlich etwas völlig anderes empfinden oder aus den Worten herauslesen, als ich es zum Beispiel tue. Und das ist auch das großartige an Musik. Es gibt so viele Faktoren, die das beeinflussen, was du am Ende für dich persönlich hörst. Uns ist wichtig, dass die Leute sich unsere Sachen selbst anhören und sich dann eine eigene Meinung bilden“. Auch ein mehr als passendes Beispiel hat der Mann, der die meisten Solos bei STONE SOUR spielt, sofort bei der Hand: „Nimm zum Beispiel ‚30/30-150’. Fast jeder fragt uns, was es mit dem Titel auf sich hat aber wir verraten es nicht. Und weißt du warum? Benutz’ deine Vorstellungskraft und sieh was am Ende dabei herauskommt. Das ist es, was wir wollen“. Das Geheimnis des letzten Stückes auf dem Album, das auf den für Europäer mehr als sonderbaren Namen „Zzyzx Rd“ hört, lüftete Rand jedoch umgehend: „Das kann ich dir verraten. Es gibt wirklich eine Straße, die „Zzyzx Road“ heißt. Diese Straße führt direkt von Las Vegas nach Hollywood. Eigentlich war dieser Quatsch nur der Arbeitstitel, den wir benutzt haben, während das Stück in der Rohphase noch keinen Text hatte. Irgendwie ist es dann dabei geblieben“.

 

Innerhalb der Band ist hingegen nicht alles geblieben, wie es war. Drummer Joel Ekman musste die Band aus familiären Gründen verlassen und so wurde während den Aufnahmen zu „Come what(ever) may“ ein Ersatzmann ins Boot geholt. Der neue Stockartist ist dabei alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, denn Roy Mayorga trommelte bereits für Sepultura und Soulfly. Wie die Wahl gerade auf den kleinen Punk gefallen ist, kann Josh dabei kurz und knapp erläutern: „Wir haben erst mal nur jemanden gesucht, der die Platte mit uns fertig stellt. Anschließend mussten wir uns natürlich Gedanken machen und da lag es nah, dass Roy bei uns bleibt. Schon allein, weil er die Songs von den Aufnahmen her kannte“. Mit dem neuen Album läuft es für die Band bisher ausgezeichnet. Gleich in der ersten Woche konnte man in den USA die Top 10 knacken und auf #4 einsteigen und auch hierzulande hat man mit Platz #18 alle Erwartungen übertroffen. Damit stehen die Chancen nicht schlecht, dass STONE SOUR das Verkaufsniveau ihres Debüts mindestens halten können, von welchem allein in den Staaten bis heute 500.000 Einheiten über den Ladentisch gegangen sind. Ebenso wie der Erfolg scheint der Band allerdings auch immer noch der ewige Status des Slipknot-Sideprojects anzuhängen. Und obwohl die Band, allen voran Corey Taylor, schon hunderte Male unterstrichen hat, dass STONE SOUR ein vollwertige Band sind, hat das Quintett noch immer diesen Ruf an den Hacken. Für den Autor dieser Zeilen genauso wenig nachvollziehbar, wie für Josh: „Einige Leute scheinen die Fakten einfach nicht wahrzunehmen. Ein Projekt veröffentlicht zumeinst nur ein einziges Album und löst sich danach wieder auf. Wir hingegen sind mit „Stone Sour“ weit über ein Jahr durch die Welt getourt. Das würde kein Projekt tun, die meisten davon treten gar überhaupt nicht live auf. Abgesehen davon hatten wir auch mehrere Singles in den Charts und das Album hat sich ebenfalls gut verkauft, worauf wir alle sehr stolz sind. Und jetzt haben wir das 2. Album draußen und werden wieder genauso lang damit unterwegs sein. Langsam sollte auch beim Letzten der Groschen fallen“, kann der Sechssaiter auch diese Aussage mit einem Lächeln beenden, bevor er hinzufügt: „Abgesehen davon wurden wir schon mehrere Jahre vor Slipknot gegründet. Das scheint auch immer noch nicht jeder zu wissen“. Damit könnte Rand nicht unrecht haben, denn als STONE SOUR 1992 das Licht der Welt erblickten, dachte noch keiner daran, dass 3 Jahre später 9 maskierte Psychopathen aus Iowa für gewaltigen Wirbel sorgen würden. Und auch wenn die Vermutung nahe liegt, dass STONE SOUR einen gewissen Einfluss auf das vielseitige jüngste Werk der Madenzüchter hatten (speziell im Bezug auf Coreys Gesang), so zeigt Josh sich auch bei diesem Gesprächspunkt von seiner diplomatischen Seite: „So etwas sollte man lieber die Slipknot-Jungs fragen. Ich weiß nur, dass wir noch immer genau das tun, was wir wollen und was wir für richtig halten. Darauf kommt es an“. Dass am Bild, das die Band von sich und ihrer Musik hat, etwas richtig sein muss, beweisen die jüngsten Verkaufserfolge und nicht zuletzt die bereits absolvierten Festivalauftritte. Somit stehen die Vorzeichen gut, dass STONE SOUR auf ihrer anstehenden Headlinertour durch Europa, die Josh trotz noch immer andauernder Planung bereits grob für Oktober / November ankündigt, so oder so einen wahren Triumphzug erleben werden. Komme was wolle.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Homepage: www.stonesour.com