Interview mit Max Cavalera von SOULFLY

Er klingt noch etwas müde, der Mann am anderen Ende der Leitung, als der Autor dieser Zeilen an einem sommerlichen Montagnachmittag durchklingelt. Ein Trugschluss, denn Max Cavalera, der charismatische Soulfly-Frontmann, erweist sich während des Interviews als aufmerksamer Zuhörer und augeschlafener und sympathischer Gesprächspartner. Natürlich steht „Conquer“, das neue Album des Brasilianers ganz oben auf der Agenda, dessen martialischer Titel Spielraum für verschiedenste Interpretationen bietet.

 

Tatendrang im Doppelpack

„Das Album hat für mich eine starke Aussage und erinnert mich an frühere Alben, denen ich nach wie vor gern kurze, kräftige Titel gebe; etwa ‚Point Blank’ bei Nailbomb oder ‚Arise’ bei Sepultura. Diesmal habe ich mich für ‚Conquer’ entschieden, was zusammen mit dem Artwork und der Musik immer noch vieles offen lässt“, holt Max aus. Dem Zuhörer vorkauen was genau gemeint ist, darauf hat der Musiker keine Lust. Er überlässt es lieber dem Individuum zu entscheiden, ob man nun den Metal, einen Feind oder seine Angst bezwingt. Dass „Conquer“ letztlich doch ziemlich dicht auf die Veröffentlichung von „Inflikted“, dem Debüt von Cavalera Conspiracy folgt, war nicht etwa die Entscheidung des Labels, sondern ausdrücklicher Wunsch des Künstlers, der sich auf gute Erfahrungen in dieser Hinsicht seiner Zeit mit dem Sepultura Klassiker „Chaos A.D.“ und seinem Side-project Nailbomb beruft. „Ich wollte die Sachen einfach am laufen halten und hielt es für eine gute Idee mit dem einen Album das andere in gewisser Weise inspirieren zu können. Ich habe das gleiche Feuer in mir gefühlt wie es auch damals der Fall war und ich war mir sicher dazu in der Lage zu sein, fast zeitgleich zwei vollständige Alben zu schreiben. 15 Jahre sind vergangen seit ich dies zum letzten Mal getan habe und jetzt dürfte es auch erst wieder in weiteren 15 Jahren soweit sein“, spricht’s und schickt ein ebenso heiseres wie liebenswertes Lachen durch den Hörer.

 

Kreativitäts-Ping-Pong

Um noch einmal genauer auf den Einfluss der beiden Platten untereinander einzugehen, erläutert der Sänger einige Fakten: „Die Inspiration zwischen meinen beiden letzten Soulfly Alben und dem Album mit Iggor beruht auf Gegenseitigkeit. Er sagte mir zum Beispiel, dass ‚Dark Ages’ für ihn ein wichtiges Album war, als wir zusammen an ‚Infilikted“ gearbeitet haben. Genau genommen ist ‚Dark Ages’ sogar insgesamt sein Lieblingsalbum von Soulfly. Aber ich denke es gibt auch einen großen Unterschied zwischen ‚Dark Ages’ und ‚Conquer’, der ebenfalls auf gegenseitiger Beeinflussung beruht – und das sind die Drums. Joey (Nunez, Soulfly Drummer, Red.) spielt auf dem neuen Album noch einmal auf einem höheren Niveau als zuvor, was unbestritten an Iggors Einfluss liegt“. Seinen Bruder gleich ganz dazu holen mag der Brasilianer währenddessen aber nicht, denn es sollte dennoch weiterhin eine Abgrenzung zwischen Cavalera Conspiracy und Soulfly geben, wie Max anmerkt. „Ich habe Iggor aber bereits gefragt, ob er in der Zukunft nicht vielleicht irgendwann einmal als Gastdrummer einen Song mit Soulfly machen möchte. Das würde auch die Identitäten der beiden Bands nicht verwässern und ich glaube den Fans würde das sicher auch gefallen. Die Bands bleiben aber definitiv getrennt!“.

 

Auf den Pfaden von Marilyn Manson segeln

Zum Release ist „Conquer“ auch als Limited Edition erhältlich und wird dann unter anderem mit „Sailing on“ (im Original von Bad Brains) drei Bonustracks enthalten, darunter auch „The Beautiful People“, eine Coverversion von Marilyn Manson. Selbige ist immerhin schon drei Jahre alt und war ursprünglich Soulflys Beitrag zu einem Coveralbum, welches dem englischen Rock Magazin Karrang beilag. Ein großer Fan des US-Rockers ist Mr. Cavalera laut eigener Aussage nicht, aber nach gutem Zureden durch einen befreundeten russischen Musiker und die Tatsache, dass Max zumindest den besagten Song mag, war die Sache geritzt. „Es gab eine große Liste mit Songs, darunter oft Kopiertes von Metallica und Black Sabbath. Aber als ich Marilyn Manson las, sah ich sofort die Herausforderung, die für Soulfly dahinter steckte und hatte mich sofort entschieden“. Klar ist allerdings, dass man diese Interpretation nicht zwangsläufig braucht, was auch die freundliche Quasselstrippe am anderen Ende der Leitung bestätigt: „Die Fans wollen natürlich richtige Soulfly Songs, darum gab es keine Debatte dass die Nummer nur eine B-Seite wird“, weiß Max zu berichten. Mit „My Path“ sieht es eigentlich anders aus, denn der Frontmann lässt wissen, dass viele Leute diesen Song von Beginn an sehr mochten, während der Maestro himself etwas skeptisch war. „Ich hatte das Gefühl, dass die Nummer im Vergleich zum restlichen Material auf dem normalen Album nicht unbedingt nötig gewesen wäre und habe sie deshalb nur auf die andere Edition gepackt. Die Fans können jetzt selbst entscheiden wie gut das Stück ist und ob sie es haben wollen bzw. brauchen. Der besagten Edition wird übrigens auch eine DVD beiliegen, die in Polen aufgezeichnet wurde. Ich sehe das vor allem als Geste an unsere Anhänger, die seit jeher sehr loyal zu Soulfly gestanden haben“.

 

Inquisition... Wer?

Nicht nur die Anhänger standen Soulfly über die Jahre treu zur Seite, sondern auch Musikerkollegen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Und so haben es auch diesmal wieder zwei Gäste auf das Album geschafft, die allerdings wie gewohnt nicht zu aufgeblasenen Sensationen hochstilisiert werden, sondern mehr im Verborgenen als nettes Add-on auf „Conquer“ versteckt sind. Im aktuellen Fall lauten die Namen der Gäste David Vincent (Morbid Angel) und Dave Peters (Throwdown). Max: „Solche Zusammenarbeiten sind wichtig um dem egoistischen Theater mancher Bands und Musiker untereinander entgegen zu wirken, die immer böser, schneller und fieser als alle andern sein wollen und generell mit niemandem außer sich selbst arbeiten. Ich hingegen bin schon seit den 80ern und 90ern Fan solcher Zusammenkünfte und liebe es einfach mit den unterschiedlichsten Leuten Musik zu machen, anstatt mich immer nur mit ihnen zu messen – egal ob es sich nun um Slayer, Sean Lennon (einer von Beatles-Frontmann John Lennons Söhnen, Red.) oder aktuell Morbid Angel handelt“. Währendessen hat sich der 39-jährige bis heute sein Fan-sein erhalten, wonach er auch immer wieder versucht seine Lieblinge für Soulfly zu gewinnen und seinen eigenen Wurzeln Tribut zu zollen. „Die Idee mit David hatte ich schon vor über 10 Jahren und ursprünglich war es mein Traum eine Nummer mit ihm und Chuck (Schuldiner, 2001 an Krebs verstorbener Gitarrist – Red.) von Death auf die Beine zu stellen, aber der ist leider mittlerweile von uns gegangen“, seufzt der ansonsten putzmuntere Max. Dessen Stimmung sich sofort wieder aufhellt, wenn man ihn auf sein eigenes Gastspiel bei den Teufelscellisten von Apocalyptica anspricht, für die er gemeinsam mit Bullet for my Valentine-Sänger Matt Tuck den Song „Repressed“ eingesungen hat. Wobei „gemeinsam“ vielleicht das falsche Wort ist, da die beiden Sänger zu Max bedauern nicht direkt miteinander arbeiten konnten, sondern ihre Parts aus terminlichen Gründen in unterschiedlichen Studios einsangen. Für Eicca Toppinen und seine Jungs ist der Soulfly-Frontmann ungeachtet dessen voll des Lobes: „Ich liebe den Song und Apocalyptica sind eine tolle und originelle Band. In diesem Jahr hatte ich bereits die Chance sie mir auf ein paar Festival ansehen zu können, und wenn es eines Tages mit Matt, mir und den Jungs passt, dann werden wir das Stück sicher auch live auf die Bühne bringen“, stellt der Frontmann in Aussicht. Die Initiative ging damals übrigens von den Finnen aus, die bekanntlich große Sepultura Fans sind und die der Band und Max durch ihre Huldigung sogar indirekt einen großen Gefallen getan haben, wie dieser schmunzelnd feststellt: „Die Jungs haben als Anhänger meiner Musik ja schon früh in ihrer Karriere ‚Refuse/Resist’ und ‚Inquisition Symphony’ gecovert, einen Song, von dem viele ansonsten wohl kaum wüssten, dass er überhaupt existiert“, lacht Max.

 

Bier ist Metal!

Festivals sind eines dieser Themen, bei denen man an Max Cavalera nur schwer vorbei kommt. Denn eigentlich sind Soulfly, und jüngst zusätzlich Cavalera Conspiracy, quasi in jedem Jahr auf den Open Air Bühnen zu Hause. Ebenso wie das Quartett zudem kontinuierlich die Club-Front beackert. Trotzdem schüttelt Max sogleich mehrere Anekdoten rund um seine Shows aus dem Ärmel. „Die besten Festival-Shows sind immer diejenigen, wo die Fans wenn du auf die Bühne gehst noch leise und ausgelaugt sind und bei denen du dann nach dem Ende der ersten ein oder zwei Songs ein totales Chaos vor dir hast und es keine Rolle mehr spielt ob es nun Tag oder Nacht, früh oder spät ist! Das ist ein wahrer Triumph für mich, denn das ist die schwierigste Disziplin. Bei Headlinershows hast du es einfach, denn diese Leute sind nur dort um dich zu sehen“. Auch erinnert sich der erklärte Bob Marley Fan durchaus an einzelne Konzerte ganz besonders, darunter auch die unlängst bestrittene Show auf dem With Full Force in Deutschland, inklusiver einer 10.000 Mann starken Wall of Death, die Camouflage-Maxe nach wie vor ungläubig grinsend mit „das großartigste was ich wohl je in dieser Richtung gesehen habe“, Revue passieren lässt. Überhaupt, so wird weiterhin berichtet, zählt Deutschland zu den absoluten Lieblingskonzertländern des Mannes aus Belo Horizonte, was, das hört man an der ehrlichen Stimme des Sängers, nicht als Standardansage, sondern von Herzen gemeint ist. Ebenso wie das direkte Nachbohren seitens des Autors nach einem Land, in dem erfahrungsgemäß wenig geht und in dem Soulfly einen eher schweren Stand haben. Wie aus der Pistole geschossen: „Holland!“. Und warum? „Die rauchen zu viel Pot!“, lacht Max und fügt fröhlich kichernd an: „Sie sollten damit aufhören und lieber mehr Bier trinken. Bier ist besser für Metal. Pot ist nur gut für Reggae“.

 

Anecken statt Einheitsbrei

Wo seine Kollegen gern zu der „Unser neues Album ist mein Liebling unter all unseren Veröffentlichungen“-Floskel greifen, ist Max Cavalera im Bezug auf den bisherigen Output von Soulfly eher analytisch aufgestellt und bekennt sich klar dazu, dass „Prophecy“ nach wie vor sein absoluter Liebling im eigenen Backkatalog ist. Allerdings weiß der Weltenbummler auch sein aktuelles Scheibchen genau einzuschätzen. „Das neue Album ist ein weiterer großer Schritt in die Extreme meiner Band. Es ist heavier, schneller, brutaler und mehr in Richtung Extreme Metal ausgerichtet. Somit ist es für mich eine guter Weiterführung von ‚Dark Ages’“, fachsimpelt es durch den Hörer. Und wo er gerade so im Fluss ist, reduziert der Brasilianer seinen eigenen Sound sogleich bis auf die Knochen und präsentiert sich dabei so ehrlich, wie wohl nur wenige andere Musiker bezüglich des eigenen Schaffens wären. „Ich verwende gern diese ethnischen Sounds, ebenso wie unsere etwas ‚verstörten’ Intros und Outros wie ich es nenne. Das sind Dinge, die sicher nicht jeder mag und gut findet, aber jeder wird mir Recht geben, dass genau das Soulfly in der Metal-Szene einmalig macht. Wenn du diese Sachen herausnehmen würdest und nur noch die verbleibenden Elemente betrachten würdest, dann würden Soulfly nur wie eine von vielen Bands in der grauen Masse klingen“.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Link: www.soulflyweb.com