Interview mit Otep Shamaya von OTEP

 

 

An eurem neuen Album hat mich positiv überrascht, dass es sich um eine sehr vielfältige, facettenreiche Scheibe handelt. Auf „Smash the Control Machine“ weiß man nie so recht, was einen als nächstes erwartet, wodurch die Spannung konstant hoch bleibt. Ist diese Vielseitigkeit das große Ass in eurem Ärmel?

 

Erst einmal vielen Dank für die netten Worte. Und ja, ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Abwechslungsreichtum ein wichtiger Faktor für die Stärke des Albums ist. Wir schreiben grundsätzlich immer Musik, die uns selbst bewegt und achten dabei nicht auf limitierende Definitionen eines bestimmten Genres. Unsere Muse gibt sozusagen einen Funken vor und wir schüren daraus ein Feuer. Alles Weitere sind die verrückten Wirrungen der Kunst.

 

Ein gutes Beispiel für eure Unvorhersehbarkeit ist „UR A WMN NOW“, eine sehr einfühlsame Ballade und damit das genaue Gegenteil zum sehr schweren und aggressiven Songmaterial wie etwa „Rise Rebel Resist“. Mir persönlich gefällt das Stück, da es ungeachtet seiner Andersartigkeit trotzdem irgendwie auf das Album passt. Was für Reaktionen erwartest du von den Hörern, wenn sie mit diesem sicherlich gewollten Stilbruch konfrontiert werden?

 

„UR A WMN NOW“ gehört zu einer ganzen Familie von Songs, die wir bereits seit unserem Debüt immer wieder vorlegen. Angefangen bei „Emtee“, über „Autopsy Song“ bis zu „Perfectly Flawed“. Dieses erzählende Element steckt in all diesen Songs, sowohl in der Musik als auch in der übermittelten Aussage. Unsere Fans haben seit jeher begeistert auf diese Songs reagiert und uns eine unglaubliche Begeisterung entgegen gebracht. Die Leute stellen immer am ehesten eine Beziehung zu Musik her, wenn sie davon gefühlsmäßig berührt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies auf poetischer, kämpferischer oder politischer Ebene geschieht – sie wollen Musik, die sie anspornt, sie zu etwas animiert.

 

Auf besagtem Song ist auch Emilie Autumn zu hören, die als Gastmusikerin ihr Violinenspiel beigetragen hat. Wie kam diese Kooperation zustande? Immerhin hat sie einen völlig anderen musikalischen Hintergrund, kommt aus einer komplett anderen Richtung und hat auch sonst nur wenig bis nichts mit Otep gemeinsam. Diese Zusammenarbeit kommt sicher für nicht wenige überraschend.

 

Unser großartiger Produzent Ulrich Wild hat die Sache ins Rollen gebracht. Und es hat letztlich einfach alles perfekt gepasst. Emilie ist eine unglaublich talentierte Künstlerin und ich verehre sie zutiefst. Es ist ein Segen für mich, dass ihre Kunst von nun an auf Ewig mit meiner verflochten ist.

 

In textlicher Hinsicht ist die Aussage eures neuen Albums ziemlich offensichtlich. Würdest du sagen, dass Politik, die Flüche unserer modernen Zeit und familiäre Tragödien sozusagen deine Paradethemen sind?

 

In meinen Texten verwende ich oft universell gültige Fiktionen und hoffe, dass die Menschen diese Vorlagen auf die eine oder andere Art auf ihr persönliches Leben reflektieren können. Und ja, es gibt in gewisser Weise auf „Smash the Control Machine“ einen roten Faden mit den Themen, die du genannt hast. Jedoch gibt es immer auch verschiedenen Ebenen und Interpretationsmöglichkeiten in den Songs und Gedichten, die ich schreibe. Allerdings ist „offensichtlich“ kein Ausdruck, den ich jemals mit etwas das wir kreieren in Verbindung bringen würde.

 

Mein persönlicher Favorit auf eurer neuen Scheibe ist der Titeltrack. Wahrscheinlich wegen seiner Kombination aus dem Motorhead-Vibe im Chorus und dem Songtext im Allgemeinen. Um mal genauer auf die besagten Zeilen zu sprechen zu kommen: Würdest du dich selbst als Rebellin im klassischen Sinne bezeichnen, als jemand der repräsentativ für eine breite Masse, die nicht den Arsch dazu in der Hose hat selbst den Mund auf zu machen, das Wort ergreift? Und ist Musik für dich ein Ventil für deine negativen Energien?

 

Erst einmal bin ich der Ansicht, dass jede Form von Kunst eine erlösende, reinigende Wirkung hat. Und unsere Musik erfüllt diesen Zweck sowohl für mich, als auch für andere. Ich glaube außerdem, dass der gesunde Menschenverstand nicht immer auch so gesund ist, wie man es vielleicht meinen würde. Denn so lange die Leute vor den negativen Dingen die Augen verschließen und stumm bleiben, so lange werden die Opportunisten die Oberhand behalten. Die menschliche Grausamkeit kennt nämlich weder Grenzen noch Skrupel. All die großen Persönlichkeiten der Geschichte, die einen Wechsel hin zum Guten schafften, haben nicht bloß rum gesessen und darauf gewartet bis jemand anders ihren Job erledigt, sondern haben die Sache selbst in die Hand genommen. Mich selbst sehe ich als Individualisten mit dem Glauben daran, für das Gute zu kämpfen. Ich hoffe dabei Inspiration für eine ganze Generation von Freidenkern und couragierten Anführern sein zu können.

 

Europa stand schon lange nicht auf eurem Tourplan, aber hast du zufällig gute Nachrichten für eure Anhänger hier bei uns? Im vergangenen Herbst hielten sich hartnäckig Gerüchte, dass ihr für einige Shows herüber kommt. So hat euch zum Beispiel das Metal Female Voices Fest in Belgien für längere Zeit als einen seiner Headliner angekündigt, euch jedoch später wieder aus dem Billing und von den Flyern verschwinden lassen. Wird man Otep in absehbarer Zeit auf europäischen Bühnen zu sehen bekommen?

 

Naja, ich buche keine Tourneen. Damit habe ich leider überhaupt nichts zu tun und kann dir daher auch nicht sagen, ob es da schon konkrete Planungen gibt. Aber ich kann dir sicher sagen, dass ich Europa liebe. Die Menschen, die Geschichte und die ganzen unterschiedlichen Kulturen... Mir wären nichts lieber, als euch allen meine Kunst näher bringen zu können. Jedenfalls hege ich die Hoffnung, dass wir möglichst bald die Gelegenheit dazu bekommen.

 

Verbunden mit deinen Texten und dem Titel „Smash the Control Machine“ halte ich auch das Artwork der neuen CD für gelungen. Es ist durchaus beachtlich, wie viele kleine Details sich in dem Bild verbergen, die Themen wie die Gier nach Geld, das Töten von Tieren oder aber die immer größer werdende Kluft zwischen der armen und der reichen Bevölkerung aufgreifen. Im Inneren wird die schöne heile Welt propagiert, während vor der Tür Krieg und Gewalt regieren. Die Art und Weise, wie unauffällig all diese Aspekte und Aussagen in diesem einen kleinen Bild zusammengefügt werden, ist schon bemerkenswert. Stammt die Idee von dir?

 

Nein, sondern von meinem Manager Jack Ponti. Er fragte mich, ob ich jemals wirklich aufmerksam ein Led Zeppelin Cover angeschaut hätte und gab mir den Rat deren Denkweise als Inspiration für Otep zu nutzen. Und das war eine tolle Idee! Ich begann daraufhin mit Greg Edgerton, dem Guru ihrer Grafikabteilung, an unserer Idee und dem Konzept zu arbeiten. Greg hat unermüdlich an dem Artwork gewerkelt und gefeilt und ihm ist dabei ein echtes Meisterwerk gelungen, wenn du mich fragst. Dieses Bild hätte sogar Escher (ein bekannter holländischer Künstler und Grafiker, MR) vor Neid erblassen lassen, haha.

 

Bleiben wir noch kurz beim Thema Politik. Als politikinteressierte Person würde mich deine Meinung zu eurem mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Präsidenten Barack Obama interessieren. Was hältst du von seinen bisherigen Entscheidungen und wie stark spürst du als Amerikanerin den Aufbruch und die Veränderung, die er seit jeher ins Zentrum seiner Ansprachen stellt?

 

Ich bin enttäuscht, dass Präsident Obama bisher fast schon zu liberal war. Er versucht für mich zu stark eine neutrale Position zwischen den beiden Parteien einzunehmen und es sowohl Demokraten als auch Republikanern recht zu machen. Das Problem an der Sache ist, dass die Republikaner zu gierig und selbstverliebt sind und seine Gnädigkeit nicht akzeptieren oder annehmen. Stattdessen haben sie sich dazu entschieden mit ihrer trügerischen Taktik den Fortschritt zu blockieren und für Stagnation zu sorgen wo sie können, wodurch das Leben der Menschen in unserem Land den Bach runter geht. Ich würde mir wünschen, dass er sich mehr für Gerechtigkeit und Gleichheit einsetzen würde und die Republikaner als die verzogenen und verdorbenen Kinder behandelt, die sie nun mal sind. Er täte gut daran ihren Unfug einfach zu ignorieren.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.myspace.com/otep