Interview mit Kobi Farhi von ORPHANED LAND

 

 

Mit eurem letzten Album, dem 2004 veröffentlichten “Mabool” habt ihr euch sprichwörtlich in den Metal-Himmel hinaufgespielt und seid dadurch zu einer allerorts hoch wertgeschätzten, man könnte sagen, zu einer Kult-Band avanciert. Habt ihr mit solch einer Entwicklung gerechnet, als ihr “Mabool” auf den Markt gebracht habt?

 

Ja, in gewisser Weise schon. Mit “Mabool” haben wir den Menschen eine Art von Musik präsentiert, die vollkommen neu und anders als alles Bisherige war. Wir waren von Anfang an der festen Überzeugung, mit “Mabool” ein großartiges Album erschaffen zu haben. Ich persönlich war mir darum auch sicher, dass wir mit dem Album erfolgreich sein würden. Egal ob die Leute das Album mögen oder hassen würden, sie würden es auf alle Fälle nicht ignorieren können, dessen war ich mir bewusst.

 

Was für eine Art von Feedback habt ihr damals für “Mabool” in Israel, eurem Heimatland, erhalten?

 

Ein überwältigend gutes. Wir haben sehr viele CDs verkauft, sogar mehr als es Metallica mit ihrem neuen Album gelungen ist. Wir wurden in TV-Shows eingeladen, standen im Interesse der Öffentlichkeit, zierten Titelbilder und gaben Interviews ohne Ende. Vor allem die Tatsache, dass wir auch in den arabischen Ländern viele Fans haben, war damals für die Medien eine große Sache, da es für eine israelische Band eher ungewöhnlich und geradezu bizarr ist, arabische Fans zu haben.

 

Trotz dieses großen Erfolges habt ihr euch für den Nachfolger sehr viel Zeit gelassen, liegen doch ganze sechs Jahre zwischen “Mabool” und “The Never Ending Way Of ORwarriOR”….

 

Wir brauchten die Zeit, denn das Album ist in allen Belangen sehr komplex. Schau dir als Beispiel mal eine normale Metal-Band an. Jene besteht zumeist aus vier oder fünf Personen, die zusammen in ein Studio gehen und dort ein hoffentlich großartiges Album aufnehmen, welches sie dann veröffentlichen. Bei uns ist es jedoch so, dass wir pro Song teilweise mit sechzehn verschiedenen Musikern gearbeitet haben. Die Koordination von solch vielen Musikern braucht einfach seine Zeit, vor allem, da wir uns nicht mit halben Sachen zufrieden geben.

 

Habt ihr seitens des Labels oder der Fans nie Druck verspürt, schneller mit einem Nachfolger aufzuwarten?

 

Oh doch. Das Label, aber auch die Fans haben uns teilweise vermutlich richtig gehasst, dass wir uns soviel Zeit mit “The Never Ending Way Of ORwarriOR” gelassen haben. Ich kann dies auch nachvollziehen, man sollte die Leute normalerweise nicht so lange auf ein neues Album warten lassen. Trotzdem habe ich sowohl das Label, wie auch die Fans immer wieder um Geduld gebeten. Solch eine reichhaltige und komplexe Musik wie wir sie machen, braucht nun mal seine Zeit. Und wir wollen den Leuten, den Fans, nichts weniger als Perfektion geben. Trotzdem wollen wir versuchen, künftig in kürzeren Abständen ein neues Album zu veröffentlichen, ohne dabei jedoch unsere eigenen Ansprüche an unsere Musik zu vernachlässigen. Fest steht, die Fans sollen kein zweites Mal solange auf ein neues Orphaned Land Album warten müssen.

 

Wobei ich denke, die Fans werden euch nun für “ORwarriOR” lieben, handelt es sich dabei doch um euer bestes Album…

 

Ich denke auch, dass wir uns mit “The Never Ending Way Of ORwarriOR” selber übertroffen haben. Als wir damals “Mabool” veröffentlicht haben, da wussten wir nicht, wie wir uns noch steigern könnten. Doch “The Never Ending Way Of ORwarriOR” hat uns gezeigt, dass noch eine Steigerung möglich ist. Wir haben das Gefühl, in allen belangen besser geworden zu sein.
 

Steven Wilson (Porcupine Tree), der bei diesem Album für euch als Produzent tätig war, hat mir vor einer Weile in einem Gespräch erzählt, dass ihr mit Produktion von “Mabool” nicht zufrieden seid?

 

Das stimmt. Nachträglich hatten wir das Gefühl, “Mabool” hätte eine bessere Produktion gebrauchen können. Aus diesem Grund haben wir auch Steven für “The Never Ending Way Of ORwarriOR” geholt, weil wir diesmal ein klareres und differenziertes Klangbild haben wollten. Die Arbeit von Steven ist ein weiterer Grund, wieso wir “The Never Ending Way Of ORwarriOR” für unser bisher bestes Album halten. Die ganze Musik scheint einfach fokussierter zu sein, als es noch auf “Mabool” der Fall war. Steven hat für uns übrigens auch die Keyboards eingespielt, was für uns eine große Ehre ist. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass sich solch ein großartiger Musiker wie Steven, der bereits so viele Bands beeinflusst und inspiriert hat, dazu entschieden hat, mit uns zu arbeiten.

 

“The Never Ending Way Of ORwarriOR” ist nach “Mabool” euer zweites Konzeptalbum. Was ist für euch so das Spezielle daran, ein Konzeptalbum zu machen, dass ihr euch abermals für eines entschieden habt?

 

Ein Konzeptalbum erlaubt es einem, lange Songs aufzunehmen und eine Atmosphäre wie bei einem Filmsoundtrack zu erschaffen. Ebenfalls geht ein Konzeptalbum viel mehr in die Tiefe, es ist viel intensiver und aufgrund des Konzeptes auch durchplanter als ein normales Album. Ich habe nichts gegen Alben, die einfach acht unabhängige Songs beinhalten, aber dies passt irgendwie nicht zu einer Band wie Orphaned Land, da wir nun mal progressiver ausgerichtet sind. Ein Konzeptalbum entspricht viel eher unserem eigenen Verständnis und gibt uns auch die Chance, innerhalb unserer Musik mit verschiedenen Dingen zu experimentieren. Nimm alleine meinen Gesang, ich muss mich darin in keiner Weise einschränken, kann harsch, aber auch klar singen. Ich kann mit epischen Passagen, mit Chören, aber auch mit Death Metal Elementen spielen. Für mich als Sänger ist so etwas das Paradies auf Erden, muss ich mich doch in keiner Art und Weise limitieren.

 

Das Konzept hinter der aktuellen Scheibe beschäftigt sich mit dem Kampf zwischen Licht und Schatten, wobei ich dies als eine Metapher auf die aktuelle Weltsituation verstehe…

 

Dies kann man so stehen lassen. Weißt du, wir stammen aus einem sehr tragischen Land. Israel ist bekannt als das heilige, das versprochene Land, aber in Wirklichkeit ist es ein verlassenes Land. Die Leute haben die grundsätzlichen religiösen Regeln vergessen, wie z.B. Moral und Toleranz. Seit Dekaden bekriegen sich die drei wichtigsten Religionen untereinander und im Namen Gottes werden die schlimmsten Verbrechen begangen und gutgeheißen. Wir, die Band, stehen dem sehr kritisch gegenüber und kritisieren dies auch auf unserem Album. Ich denke wir leben in einer sehr düsteren Zeit, unser Denken und Handeln ist von Düsternis geprägt, und ein Ende ist leider nicht abzusehen. Mit “The Never Ending Way Of ORwarriOR” wollen wir unseren Teil dazu beitragen, dass die Leute endlich verstehen in was für einer Zeit wir leben, und dass all unsere Fragen nur dann beantwortet werden, wenn wir endlich wieder Licht in unser Leben kommen lassen. Nur dann werden wir alle auch erkennen, dass es weit mehr gibt als wir mit bloßen Augen zu sehen im Stande sind. Du siehst, mich und die Band beschäftigt dieses Thema sehr stark, weil wir die ganze Situation auf dieser Welt leid sind. Es muss sich endlich was ändern! Egal ob man Christ, Jude oder Moslem ist, im Grund sind wir doch alle gleich. Wir alle sind Menschen, und wir sollten anfangen uns auch so zu benehmen, anstatt wie blutrünstige und verblendete Idioten aufeinander loszugehen. Selbstverständlich sind wir uns bewusst, dass wir die Welt nicht ändern können, aber wir können mit unserer Musik einen kleinen Teil in dem großen Wandel beitragen.

 

Wie du schon erwähnt hast, setzten sich eure Fans sowohl aus Juden, Christen und Moslems zusammen, was beweist, dass ein friedliches Zusammenleben eigentlich möglich wäre?

 

Genau das meine ich auch. Musik ist eine globale Sprache, die von jedem verstanden werden kann. Musik verbindet Leute miteinander. Unsere Musik funktioniert darum auch Grenzüberschreitend und macht keinen Unterschied zwischen den Religionen. Wir haben tausende von Fans in arabischen Ländern, obwohl ihnen dort tagtäglich beigebracht wird, Israel und sein Volk zu hassen. Alleine diese Tatsache zeigt, wie stark Musik sein kann. Egal ob du in einem freien, oder einem diktatorisch regierten Land lebst, Musik kann dich überall erreichen.

 

Nicht nur in der Musik, sondern auch im Booklet zelebriert ihr dieser Verbindung der verschiedenen Völker. Interessanterweise habt ihr bei der Gestaltung des Booklets auf jeglichen Zuhilfenahme von Photoshop und Co. verzichtet, sondern das ganze Booklet in reiner Handarbeit fertigen lassen.

 

So ist es. Wir sind all die Booklets, die mit Photoshop gemacht werden einfach überdrüssig und wollten mal was anderes versuchen. Ich bin sehr fasziniert von der Kunst der handgemachten Kalligrafie, die ihren Ursprung in China hat. Wir haben jedoch einen Typen gefunden, der sowohl in hebräisch und arabischer Schrift Kalligrafien erstellen kann. Wir haben uns daher dazu entschlossen mit ihm zusammenzuarbeiten, da wir im Booklet sowohl jüdische wie auch arabische Schriftzeichen haben wollten, um damit, wie du richtig gesagt hast, die Verbindung der Völker auch im Booklet fortzusetzen. Alle Songtexte des Albums sind von ihm von Hand sowohl in hebräisch und arabischer Schrift ins Booklet geschrieben worden, aber auch das Frontcover des Albums wurde von ihm von Hand gestaltet. Schau es dir an, es sieht fantastisch aus.

 

Nando Rohner – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.orphaned-land.com