Interview mit Martin "Axe" Axenrot von OPETH

 

 

 

Mit dem neuen Album "Heritage" wird ganz offenbar ein neues Kapitel in der Geschichte von Opeth aufgeschlagen. So habt ihr euch der Death-Metal-Anleihen nun ganz entledigt. Wie kam es dazu?

 

Die müssen wohl beim Mix untergegangen sein (lacht). Nein, ernsthaft: Es fühlte sich richtig an, das Album so zu machen, wie es jetzt ist. Es repräsentiert unser momentanes Bandgefühl. Und ich hoffe natürlich, dass die Leute es auch so mögen werden, wie es ist.

Alles in Allem ist es wichtig, nicht zu übersehen, dass "Heritage" ein sehr dynamisches Album ist. Es handelt sich ja nicht um eine durchgängig softe Platte, sondern wie üblich kombinieren wir ruhige und harte Passagen. Vielleicht ist es so, dass es keinen wirklichen Death-Metal-Einfluss mehr auf "Heritage" gibt. Aber andererseits: Wie müsste sich ein solcher Einfluss denn zeigen? Geht es dabei um Growls, um Doublebass-Drums, um Blasts? Als Death-Metal aufkam, ging es dabei vor Allem um den Mut, etwas Neues zu probieren. Heutzutage hingegen bewegt sich in der Szene in Punkto Neuerungen kaum etwas. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, ist "Heritage" vielleicht sogar eher ein Death-Metal-Album als so manche Platte anderer Bands, die sich diesen Stil auf die Fahnen schreiben.
 

 

Hat Mikael sich mit den anderen Bandmitgliedern vor dem Songwriting über den Stil des neuen Albums verständigt oder kristallisierte sich dieser erst bei der Entstehung der Stücke heraus?

 

Das Ganze kam ganz natürlich. Wenn wir auf Tour sind, dann haben die einzelnen Bandmitglieder immer engen Kontakt zu einander, und natürlich sind wir auch oft zusammen, wenn wir Platten kaufen und uns anhören. Auf so einer Tour leben wir fast zwei Jahre zusammen. Daher war es für uns auch nicht überraschend, welche Richtung Mikael mit den neuen Stücken eingeschlagen hat. Ich glaube, den ersten der neuen Songs habe ich im September letzten Jahres gehört, als Mikael und ich auf dem Weg zu einem Badminton-Match waren. Es handelte sich, so weit ich mich erinnere, um "I feel the Dark".

 

Du teilst also die musikalischen Einflüsse, die Mikael auf "Heritage" verarbeitet. Du störst Dich demnach auch nicht daran, dass Du dieses Mal nicht die Gelegenheit hattest einen Blast-Part oder dergleichen einzubauen?

 

Wir alle hören uns sehr unterschiedliche Musik an, insbesondere auch den Progressive Rock der 70er, dessen Spuren ja schon immer im Sound von Opeth zu finden waren. Was mein Schlagzeugspiel betrifft, gestalte ich es immer so, dass ich das ausdrücke, was ich im Moment fühle und mich dabei daran orientiere, was das Beste für den Song ist. Danach, einen Grind-Part einzubauen, selbst wenn es gar nicht zum Song passt, habe ich kein Verlangen.

 

Dafür kannst Du ja auf "Heritage" auch einige andere Facetten Deines durchaus beeindruckenden Spiels zeigen.

 

Ja, danke. Ich denke, dass "Heritage" insgesamt dynamischer ist als "Watershed", was mir andere Möglichkeiten gegeben hat. Ich konnte mehr mit Sound und Dynamik arbeiten und habe diesmal auch mehr Zeit darauf verwendet, die richtigen Becken für den jeweiligen Song auszuwählen. Wenn man gegen eine massive Gitarrenwand anspielt, muss man dafür sorgen, dass man diese auch durchdringt. Wenn man hingegen, wie bei dem neuen Album, weniger raumgreifende Gitarren hat, kann man ganz anders an die Sache heran gehen.

Wenn ich mich recht entsinne, sagte Mikael über "Watershed", dass ihr die Gitarrenspuren jeweils vierfach übereinander gelegt hattet. Beim neuen Album war das demnach nicht der Fall?

 

Nein, zumal das neue Album auch auf einem anderen, weniger gitarrenorientierten Songwriting-Stil beruht. Natürlich sind die Gitarren immer noch wichtig, aber sie werden auf eine andere Weise und mit einem anderen Sound verwendet, als das bei "Watershed" der Fall war. Der Sound ist diesmal etwas mehr von der Fender Stratocaster geprägt, und auch im Gitarrenbereich wurde diesmal verstärkt Wert auf Dynamik gelegt.

Habt ihr für den Schlagzeugsound auf "Heritage" dann auch keine Trigger verwendet?

 

Richtig, wir haben nur den authentischen Klang des Schlagzeugs verwendet. Wir haben viele Raum-Mikrofone aufgestellt, um auch die Charakteristik des Raumes, in dem das Schlagzeug stand, mit einzufangen.

Hattet ihr auf "Watershed" Trigger verwendet?

 

Soweit ich weiß, wurde bei "Watershed" eine Mischung aus Triggern und dem natürlichen Klang des Schlagzeugs verwendet, aber ganz genau kann dir das eher Jens Bogren sagen. Jedenfalls war "Watershed" insgesamt polierter produziert, und auf "Heritage" hört man den offeneren, natürlicheren Schlagzeugklang.

 

Hat Mikael - wie es bei „Watershed“ der Fall war - wieder Demos der Songs vorproduziert? Inwiefern hatten die anderen Bandmitglieder Gelegenheit, ihre Ideen einzubringen?

 

Ja, wir haben Demos bekommen. Mendez und ich haben dann für etwa zwei Monate zu zweit zusammen geprobt, um genau auszuarbeiten, was und wie wir auf dem Album spielen wollen, um gemeinsam die Grooves und Fills zu finden, die zu den Songs passen. Im Studio haben wir Mikael unsere Ideen dann präsentiert, und da er auch gewissermaßen als Produzent der Platte fungierte, hat er dann noch seine Anmerkungen zu unseren Ausarbeitungen gemacht und uns gesagt, was er gut findet und wo er sich Änderungen vorstellen könnte. Alles in Allem hatten wir also sehr viel Freiheit.

Für die fertige Version des Albums haben Mendez und ich dann auch das Schlagzeug und den Bass live zusammen eingespielt und dabei kaum mit Schnitten gearbeitet. Auf diese Weise spielt man ganz anders, als wenn jeder sein Instrument allein aufnimmt. Und das Ganze lief auch sehr flüssig. Ich weiß noch, dass wir unsere Parts für den ersten Song nach nur etwa zwei Stunden und vielleicht zwanzig Takes im Kasten hatten.

 

Nach den Aufnahmen zum neuen Album hat Keyboarder Per Wiberg die Band verlassen. Kannst Du etwas über die Gründe seines Ausstiegs sagen?

 

Auch das kam, wenn man so will, ganz natürlich und war daher keine große Überraschung für uns. Er hatte schon eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob er die Band verlassen oder weiter machen soll. Und während des Studioaufenthaltes wurde uns klar, dass sich unsere Wege nach dieser Platte trennen sollten. Auf dem Album haben wir daher auch schon Joakim Svalberg eingeführt, der das Piano auf dem ersten Song spielt. Per hat also keine plötzliche Entscheidung getroffen, sondern eine mögliche Trennung hat schon ein Jahr oder anderthalb Jahre zuvor ihre Schatten voraus geworfen. Vielleicht wollte er sich auch mehr auf eigene Projekte konzentrieren.

 

Die Trennung hat also nichts mit dem neuen auf "Heritage" verfolgten Stil zu tun?

 

Nein, Per mochte den Stil der Platte auch. Er schien allgemein nicht mehr mit der Situation zufrieden zu sein. Warum das so war, kann ich nicht sagen. Vielleicht hatte er das Gefühl, dass sein Engagement in der Band sich nur noch als Job ausnahm und er nicht mehr mit ganzem Herzen dabei war. Es gab aber keine Streitigkeiten und wir wünschen Per alles Gute für seine kommenden Projekte.

Demnach stört er sich auch nicht am Coverbild von "Heritage", auf welchem sein Kopf vom Baum fällt?

(Lacht) Ja, das ist ein recht persönliches Cover. Ich habe Per nicht nach seiner Meinung dazu gefragt, bin mir aber sicher, dass er deshalb nicht böse ist, sondern den Humor dahinter versteht.

 

Wird Svalberg denn der permanente Ersatz für Wiberg sein?

 

Er wird uns erst einmal auf der nächsten Tour begleiten, und dann werden wir sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Er scheint jedenfalls sowohl ein netter Kerl als auch ein toller Organist und Pianist zu sein. Er hat auch schon eine Menge Erfahrung, denn schließlich hat er schon mit Yngwie Malmsteen und Glenn Hughes gespielt.

 

Große Namen...

 

Ja, und jetzt spielt er sogar mit Opeth (lacht)!
Ich weiß gar nicht, ob ich das jetzt erzählen sollte, aber davon abgesehen hat er auch um die fünfzehn Jahre lang als Ballett-Tänzer in Berlin gearbeitet.

 

Als du in die Band kamst, musstest du Martin Lopez ersetzen, einen exzellenten Drummer, der zudem einen Stil mit Wiedererkennungswert pflegte. Hattest du daher das Gefühl, dich beim Arrangieren deiner Schlagzeugparts für "Watershed" und "Heritage" ein wenig an seiner Spielweise orientieren zu müssen oder hast du immer nur "dein Ding" gemacht?

 

Ich denke, dass sowohl "Watershed" als auch "Heritage" sich schon vom musikalischen Stil her deutlich von ihren Vorgängeralben unterscheiden und schon aus diesem Grund eine andere Herangehensweise erfordert haben. Und ich denke auch, dass man schon deutlich heraus hören kann, dass da jemand anderes am Schlagzeug sitzt. Wenn ich die älteren Songs live spiele, versuche ich natürlich, die prägenden Elemente beizubehalten. Aber bei den Aufnahmen zu einer neuen Platte macht es keinen Sinn, einen Anderen kopieren zu wollen. Man ist einfach glücklicher über die eigene Leistung, wenn man sein eigenes Ding durchzieht, und so habe ich es auch gemacht.

 

Ehe du bei Opeth anfingst, hatte ich von dir nur als Metal-Drummer gehört. Deshalb war es überraschend zu sehen, wie souverän du nicht nur die harten sondern auch die leichtfüßigeren, filigraneren Songs spielst.

 

 

Die einzigen Platten, für die ich vorher schon bekannt war, gingen tatsächlich eher in die Heavy / Death-Metal-Richtung. Aber ich habe immer schon verschiedene Stile gespielt und höre auch sehr unterschiedliche Musik. Diese musikalische Offenheit bin ich schon von zuhause aus gewohnt. Mein Vater war Gitarrist, meine Mutter spielte Klavier und mein Großvater war Geigenbauer. Alle hatten ihre jeweiligen musikalischen Vorlieben und Einflüsse.

 

War es denn anfangs schwer für Martin Mendez, sich auf einen anderen Drummer als seinen langjährigen Kollegen Martin Lopez einzustellen?

 

An sich müsstest du ihn das fragen, aber von meiner Seite aus hat sich das Zusammenspiel mit Mendez gleich natürlich und richtig angefühlt. Wir haben auch schon außerhalb Opeths zusammen gearbeitet, wir sind z.B. zusammen mit Jon Lord in Trondheim aufgetreten. Die Show hat auch ihren Teil dazu beigetragen, dass wir vor den Aufnahmen zum neuen Album musikalisch zusammen gewachsen sind. Ich denke, dass man auf dem neuen Album hört, dass wir nun eine richtige Einheit sind.

 

Wie seid ihr eigentlich mit Jon Lord in Kontakt gekommen?

 

Ein Freund aus Norwegen, der für gewöhnlich Festivals organisiert, hat Jon Lord gefragt, ob er bereit wäre, mit uns als Rhythmus-Sektion aufzutreten. Er hat wohl ein paar Stücke von uns gehört, zugesagt und uns dann zu einem sehr angenehmen Dinner in Norwegen empfangen. Dort haben wir über alles gesprochen und dann im Anschluss auch gleich geprobt. Am Tag zuvor hatte ich im Übrigen einen Auftritt mit Bloodbath in Deutschland, also hatte ich da ein ziemliches Kontrastprogramm. Es hat jedenfalls Spaß gemacht, mit einer lebenden Legende aufzutreten. Außerdem konnte ich dort ein Drum-Solo spielen (lacht).

 

Du spielst nicht nur Schlagzeug, sondern auch Gitarre. Letzteres zum Beispiel in Projekten mit deiner Freundin Nathalie Lorichs...

 

Ja, wir haben ab und an zusammen gearbeitet. Auch bei dem Konzert mit Jon Lord war sie beteiligt. Vielleicht hat es den ein oder anderen überrascht, dass ich auch Gitarre spiele. Das mache ich aber schon sehr lange, immerhin bekam ich meine erste Gitarre schon als ich elf Jahre alt war. Mit dem Schlagzeugspielen habe ich allerdings schon früher angefangen. Mein erstes Kit bekam ich, wenn ich mich recht entsinne, als ich neun war, die erste Snare schon mit sechs. Ich war immer schon daran interessiert, Musik aus allen Blickwinkeln kennen zu lernen. Mit elf habe ich auch mal Flöte gespielt. Es ist ja auch in einer Band hilfreich, ein wenig über die Instrumente zu wissen, die die Anderen spielen.

 

Gibst du denn Mikael und Fredrik dann auch Tipps aus der Perspektive eines Gitarristen, etwa, wenn du meinst, dass ein bestimmter Akkord nicht passt oder Ähnliches?

 

Wenn wir ins Studio gehen, sind die Gitarrenpassagen schon weitestgehend fertig ausgearbeitet. Ich denke, da wäre es etwas nervig, wenn ich zu allem einen Kommentar hätte. Außerdem ist es ja offensichtlich, dass Mikael und Fredrik tolle Gitarristen sind, die schon genau wissen, was sie tun.

 

Mikael sagt ja gerne in Interviews, dass du oft sehr zerstreut bist. Teilst du diese Einschätzung?

 

Was er mit dieser Zerstreutheit meint ist wohl, dass ich oft zu viel denke und mich daher manchmal nur schwer entscheiden kann. Ich muss vor einer Entscheidung immer gründlich überlegen. Das kommt für Andere vielleicht als Zerstreutheit oder Verwirrtheit rüber. Aber ich ticke einfach so.

 

Welche Platte hörst du im Moment?

 

Ich habe mir gestern erst einige Platten gekauft. Sachen von Gentle Giant, Genesis und natürlich von Jon Lord. Aber ich hatte noch keine Zeit, sie abzuspielen. Das werde ich tun, sobald ich wieder zu Hause bin.

 

 

 

Florian Gothe – www.sounds2move.de

 

 

Web: www.myspace.com/onkeltom