Interview mit Mikael Ǻkerfeldt von OPETH

 

 

Es ist offensichtlich, dass sich "Watershed" deutlich von all seinen Vorgängern unterscheidet. War das eine bewusste Entscheidung?

 

In gewisser Weise war das schon eine bewusste Entscheidung. In anderer Hinsicht bin ich aber auch von meinem ursprünglichen Vorhaben abgewichen. Ich wollte eigentlich eine sehr düstere Scheibe machen. Das ist "Watershed" zwar auch geworden, auf der anderen Seite ist die neue Platte aber auch sehr melodisch. An sich ist es aber bei jedem Album mein Ziel, dass es sich von den Vorgängern unterscheiden soll.

 

Liegt "Watershed" hinsichtlich des Songwritings und der Produktion eine andere Herangehensweise zugrunde als den bisherigen Alben?

 

Es war tatsächlich etwas anders, weil ich mir kurz davor ein Pro-Tools-Rig für zu Hause zugelegt habe, so dass ich schon ziemlich ausgefeilte Demo-Versionen der Lieder selbst produzieren konnte. Als ich alle Songteile richtig angeordnet hatte, konnte ich mir diese Rohfassung des Albums also schon anhören, bevor wir überhaupt mit den eigentlichen Aufnahmen angefangen hatten. Das hat mir sehr dabei geholfen, die Details innerhalb der Songs ausarbeiten zu können, was in der Vergangenheit manchmal etwas kurz kam.

Zuvor hatte ich nur die Möglichkeit, Demo-Aufnahmen mit einem 8-Spur-Recorder zu machen, den ich Dan Swanö abgekauft hatte. Danach habe ich mir zwar noch einmal einen 16-Spur-Recorder zugelegt, der allerdings den Geist aufgegeben hat, als ich mit der Arbeit am neuen Album beginnen wollte. Jetzt habe ich mir dieses komplette Rig gekauft und das war sehr hilfreich.

 

Wenn du die Songs schon so weit ausgearbeitet hattest, gab es da überhaupt noch viel Gelegenheit für die anderen, insbesondere die beiden neuen Bandmitglieder, sich einzubringen?

 

Natürlich. Ich habe die fertigen Demos auf CD an die anderen Bandmitglieder verteilt und ihnen gesagt: "Also gut, das sind die Songs. Ihr könnt dazu spielen, was immer ihr wollt, solange es den Song verbessert". Sie haben sich selbstverständlich nicht nur an meine Vorgaben gehalten, sondern vielmehr meine Ideen in ihre eigenen verwandelt. Sie haben es geschafft, die Atmosphäre und den Charakter der Demos beizubehalten, aber alles einfach noch ein wenig besser klingen zu lassen.

 

 

Auf "Watershed" nehmen die Keyboards mehr Raum ein als auf eurem Vorgängeralbum "Ghost Reveries". Hast du diesmal auch Keyboards beim Songwriting benutzt oder wie sonst, alles zunächst auf der Gitarre komponiert?

 

Nein, ich habe mir tatsächlich auch ein Keyboard und einige Mellotron-Plug-Ins zugelegt und mich damit befasst, es zu lernen. Es ist aber nicht so, dass ich jetzt ein großer Keyboarder geworden wäre. Ich könnte nie einen Solo-Part auf dem Piano spielen oder so. Aber es ist kein Problem für mich, meine Gitarrenakkorde auch auf dem Keyboard zu greifen. Es gab auch etwas schwierigere Parts, wie etwa den funky anmutenden Teil in "The Lotus Eater", von dem ich, nachdem ich ihn geschrieben hatte, dachte, dass ich ihn niemals würde spielen können. Aber ich habe geübt, bis ich es geschafft hatte, und jetzt beherrsche ich diesen Teil. Auf dem fertigen Album hat aber dennoch Per Wiberg alle Keyboards eingespielt. Er hat natürlich auch die Sounds angepasst, denn er hat erstklassiges Equipment mit fantastischen Sounds.

 

Ist es auf den neuen zweiten Gitarristen Fredrik Ǻkesson zurück zu führen, dass jetzt auch recht viele Klassikgitarren auf dem Album sind? Wenn ich mich recht erinnere, habt ihr bisher nur Western-Gitarren benutzt.

 

Nein, bis auf eine Passage im Song "Heir Apparent", die von Fredrik stammt, habe ich alle Akustikgitarren auf dem Album gespielt. Die Klassikgitarre habe ich schon länger und im Song "Porcelain Heart" wollte ich sie einfach mal benutzen.

 

 

Auch der Klang der elektrischen Gitarren ist auf "Watershed" etwas anders als bisher.

 

Das mag sein. Wir haben viel mit verschiedenen Amps von Laney, Mesa Boogie und Marshall experimentiert und viele Settings ausprobiert. Vor allem haben wir diesmal mit sehr wenig Distortion aufgenommen und dafür die Gitarrenspuren vierfach übereinander gelegt, damit es auf der einen Seite heavy, auf der anderen Seite aber auch differenziert klingt. Wir haben nämlich viele offene Akkorde, die sich über alle Saiten erstrecken, verwendet und dabei darf man nicht zu viel Distortion auf die Gitarren legen, wenn man noch richtig hören will, was man eigentlich spielt.

 

Gibt es diesmal ein Textkonzept oder steht jeder Song für sich?

 

Einige der Texte kann man in Bezug zueinander setzen, aber ein richtiges Textkonzept, wie bei "My Arms, Your Hearse" oder "Still Life" gibt es diesmal nicht. Die Texte sind diesmal sehr persönlich gehalten. Sie sind sogar so persönlich, dass ich darüber nicht in Interviews sprechen möchte. Tut mir leid.

 

Nur noch eine generelle Frage zu deinen Texten: Steven Wilson hat einmal in einem Interview gesagt, dass seine neueren Texte recht konkret sind, während du im Gegensatz dazu mehr mit Worten malst, um Stimmungen zu kreieren und eher abstrakt Emotionen zu erzeugen. Stimmst du dieser Einschätzung zu?

 

Ja. Mein Stil ist stark von den frühen Porcupine Tree-Texten beeinflusst, aber ich glaube, Steven hat nicht allzu viele davon geschrieben, denn anfangs hatten sie einen Ghostwriter für manche Texte. Ich denke, Stevens heutige Texte sind großartig. Ich selbst will aber etwas anderes machen. So wie du es schon sagtest, möchte ich eher Bilder malen und benutze viele Metaphern. Bei manchen Texten aus der Vergangenheit ist es offensichtlich, dass ich gar nicht genau wusste, worüber ich eigentlich schreibe. Deshalb hatte ich zunächst die Konzeptstorys entwickelt, weil es das leichter für mich machte, Texte zu schreiben, die auch eine echte Aussage haben. Meine heutigen Lyrics mögen hingegen zwar oberflächlich betrachtet wieder so aussehen wie die aus der Frühzeit, aber tatsächlich haben sie eine viel tiefere Bedeutung für mich.

 

 


Ab 30.05. im Handel: "Watershed" von OPETH

Inwiefern spiegelt die Stimmung der Opeth-Songs deine eigenen Stimmungen wider?

 

Das ist schwer zu sagen. Ich halte mich für einen fröhlichen Typen. Meine Musik hingegen ist zum Großteil düster und melancholisch. So bin ich aber nicht als Person. Ich denke, die Musik von Opeth ist eine Art Ablassventil für diese Emotionen.

 

Was genau waren die Gründe für Peter Lindgren, die Band zu verlassen?

 

Er war des Tourens müde. An sich mochte er es zwar, auf Tour zu sein, aber es hatte auch negative Auswirkungen auf die Beziehungen, die er zu Hause pflegte. Ich weiß das selbst sehr gut, denn ich habe eine Frau und zwei Kinder zu Hause und an den Tagen, an denen ich zu einer langen Tour aufbrechen muss, bin ich nicht besonders guter Dinge.

Zudem hat sich Peter aber auch immer mehr aus den kreativen Prozessen innerhalb der Band zurück gezogen. Wir sind beide kreative Personen und Führungspersönlichkeiten, von daher hatte er vielleicht nicht mehr das Gefühl, seine eigene Kreativität bei Opeth angemessen ausleben zu können. Er konnte sich vielleicht auch nicht so einbringen wie die anderen Bandmitglieder. Denn Peter und ich sind beide Gitarristen und ich schreibe die Songs - deshalb bin ich logischerweise auch der wichtigste Bezugspunkt im Hinblick auf das Gitarrenspiel. Mendez, Axe und Per haben hingegen jeweils einzigartige Positionen in der Band inne.

 

Es war für dich also keine allzu große Überraschung, dass er sich entschlossen hat, zu gehen?

 

Nein, das hatte sich über längere Zeit schon angebahnt. Es gab aber keinerlei böses Blut zwischen uns, sondern nur vollstes gegenseitiges Verständnis. Wir sind immer noch Freunde und sein Schritt, die Band zu verlassen, hat es vielleicht gerade verhindert, dass diese Freundschaft Schaden nimmt.

 

Weißt du, ob er in musikalischer Hinsicht schon neue Pläne hat?

 

Nein. Vor einigen Wochen war ich bei ihm zu Hause. Er spielt viel Gitarre, aber von konkreten musikalischen Projekten weiß ich nichts.

 

Hast du in letzter Zeit etwas von Ex-Opeth-Schlagzeuger Martin Lopez gehört?

 

Ja, er ist wieder in einer Band. Ich weiß nur nicht, wie sie heißt. Sie haben sich umbenannt, zuvor hießen sie "Rebellion". Vor vielleicht einem Monat habe ich mit ihm telefoniert und er hat mir erzählt, dass er sehr glücklich ist. Es war sehr schön für mich zu hören, dass es ihm gut geht und dass er wieder Musik macht, denn zuvor hatten wir lange Zeit keinen Kontakt. Immerhin ist er einer der besten Schlagzeuger, die ich kenne.

 

Wann können wir die "The Roundhouse Tapes"-DVD erwarten?

 

Im September.

 

 

Habt ihr bei "The Roundhouse Tapes" eigentlich viel nachbearbeitet?

 

Ein paar Kleinigkeiten mussten nachgebessert werden. Der Gitarrensound, den wir in der Halle bekamen, war nicht sehr gut. Deshalb haben wir bei der Show die cleanen Signale aufgenommen und sie hinterher nochmal durch die Amps gejagt, damit die Gitarren möglichst gut klingen. Auch der Mix hat einige Zeit in Anspruch genommen. Alles in allem ist es aber ein authentischeres Live-Album als die meisten anderen, die man so vorgesetzt bekommt.

 

Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass ihr nach der "Lamentations"-DVD auch "The Roundhouse Tapes" in London aufgenommen habt?

 

Nicht wirklich. Es hat sich einfach die Gelegenheit geboten, im legendären Roundhouse aufzunehmen, in dem schon viele meiner Lieblingsbands aus den Sechzigern und Siebzigern gespielt haben und das für lange Zeit geschlossen war. Zudem haben wir dort einen soliden Fanstamm. Da auch die Produktionsfirma, die alles gefilmt hat, dort ansässig war, hielten wir es für eine gute Entscheidung. Es ist aber nicht so, dass wir London oder das Vereinigte Königreich Allgemein gegenüber den anderen Ländern, in denen wir spielen, aus irgendwelchen Gründen bevorzugen würden.

 

 

Wird eigentlich noch etwas aus dem Projekt von dir, Steven Wilson und Mike Portnoy werden?

 

Ich weiß es nicht sicher, aber ich hoffe es. Ich möchte aber nicht, dass darum so ein Hype veranstaltet wird. Irgendwie kam es heraus, dass wir über ein mögliches Projekt gesprochen haben und seitdem ist von einer "Supergroup" die Rede. Das Ganze soll aber ganz ruhig anlaufen.

 

Welches ist zurzeit dein Lieblingsalbum?

 

Zurzeit höre ich das Album "Earth" von Vangelis. Es ist von 1973. Vor kurzem habe ich es zum ersten Mal gehört und war gleich hingerissen. Es ist großartig.

 

Hat dich in letzter Zeit ein Film besonders beeindruckt?

 

Der beste Film, den ich in letzter Zeit gesehen habe, war "American Gangster". Ein Meisterwerk! Gestern habe ich mir im Hotel "Hostel II" angesehen. Der war nicht besonders gut. Aber die Hauptdarstellerin war atemberaubend hübsch. Dafür haben sich die 10 Euro, die es mich gekostet hat, den Film zu sehen, dann doch gelohnt.

 

Florian Gothe – www.sounds2move.de

 

Kommentar: "Watershed" von OPETH

Achtung, Schreiberfloskel im Anmarsch: "Auf diesem einen Album finden sich mehr großartige Ideen, als vielen anderen Bands im Verlauf ihrer gesamten Karriere einfallen werden". Genau, der Spruch ist wahrscheinlich älter als Jopi Heesters, aber im Fall von "Watershed" - dem neuen Dreher von Opeth - kann man einfach nur sagen "So sieht's Use Beate!". Denn Mastermind Mikael Ǻkferfeld ist ein Wahnsinniger, ein Grenzgänger, eine Diva, der oft zitierte verrückte Professor und ein begnadeter Musiker und Komponist in Personalunion. Ähnlich verstrahlt dürfte nur noch Devin Townsend sein (der mit dem Album über Aliens und Kaffee!), doch selbst den stechen die Schweden mittlerweile aus. So ist der "Ghost Reveries"-Nachfolger ein zu keinem Zeitpunkt berechenbarer Hybrid aus Death Metal, Prog Metal, Jazz, 70er Rock und Weltmusik-Einsprengseln. Was mit "Coil" ruhig eingeleitet wird, endet schon im progressiven und bisweilen ruppig-brutalen zweiten Stück "Heir Apparent" auf des Psychiaters Couch. Denn auch mit ihrem neunten Langeisen scheren sich Opeth einen Dreck um Trends, Normen und Schubladen und erschaffen dabei ein Album, das den meiner Meinung nach etwas zu verkopften und sperrigen Vorgänger locker hinter sich lässt. Zwischendurch bleibt sogar noch Platz für ein waschechte Referenzballade wie "Burden", unbedingt antesten! Eines sollte aber noch gesagt sein: Wer Opeth zuvor wenig mochte, der wird auch diese Platte als übertrieben mit Lob überschütteten Müll in die Tonne werfen. Alle anderen freuen sich schon mal auf folgende Nomen mit "Ge": Gefrickel, Gänsehaut, Geknüppel und Gefühlsachterbahnfahrten. Ach und Genuss und Genialität nicht zu vergessen.

 

 

Link: www.opeth.com