Interview mit Flux von OOMPH!

 

 

„Ausladende“ Anekdoten

 

„Provokation war schon immer ein gutes Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen. Wenn diese Aufmerksamkeit da ist, dann hat man die Möglichkeit über gewisse Themen zu reden und es wird einem eher zugehört. Wenn man nur sagt was schlecht ist, dann nicken alle mit dem Kopf und das war es dann. Aber wenn man den Menschen das Böse vorspielt und sie ein bisschen schockt, dann regt das viel schneller zum Nachdenken an“, weiß Oomph!-Gitarrist Flux um die Mittel seiner Band. Denn die Braunschweiger waren schon immer eine Band, die mit den Ängsten und Reibungspunkten der Menschen zu spielen wusste. Das ging früher schon recht gut (etwa mit „Feiert das Kreuz“), wenn auch noch weitestgehend unbemerkt, und hat in den letzten Jahren vor allem mit „Gott ist ein Popstar“ bisweilen mächtige Wellen geschlagen. Grundsätzlich ähnlich, wenn auch nicht mit vergleichbar empörtem Echo seitens der Massenmedien, ging es auch bezüglich des Clips zur ersten Single „Beim ersten Mal tut’s immer weh“ zur Sache. Das Video, in dem kurz gesagt aus einem Opfer eine Täterin wird, wurde vor einigen Tagen aus dem Internet verbannt und darf jetzt nur noch in einer entschärften Variante gezeigt werden. „Mittlerweile ist das Netz genauso wichtig wie das Fernsehen und es wird auf den jeweiligen Plattformen auch entsprechend Werbung gemacht. Wenn Fernsehsender, Radiosender oder eben Videoportale dann von Werbegeldern abhängig sind, dann überlegen die sich schon was sie jetzt zeigen und was nicht“, analysiert Flux die Geschehnisse. Wobei es durchaus Parallelen zur Ausladung von Oomph! bei der Echo-Verleihung von vor 2 Jahren gibt, denn auch dort wurde man aufgrund steigenden Drucks seitens der Sponsoren kurz vor der Veranstaltung wieder offiziell ausgeladen – wohlgemerkt obwohl man zuvor ausdrücklich aufgrund des diskutierten „Gott ist ein Popstar“ erst eingeladen worden war. Eigentlich könnte der Musiker am anderen Ende der Telefonleitung noch einige Stunden mit derlei Geschichten und Anekdoten weitermachen, denn von denen gab und gibt es in der fast zwanzigjährigen Bandgeschichte schon eine ganze Menge. „Es ist doch schön, wenn man viel zu erzählen hat. Das beweist, dass man nicht trist in einer Höhle gelebt, sondern richtig was erlebt hat“, lacht Flux.

 

Neue Brüste braucht das Land

 

In den Medien nach wie vor präsent ist auch das Thema Schönheitsoperationen, welches die Band im Stück „Wer schön sein will muss leiden“ thematisiert und damit auch unwissendlich den Bogen zur jüngsten TV Show von Hollywood-Diva Birgitte Nielsen spannt, die sich jüngst dabei filmen lies wie sie sich quasi von Kopf bis Fuß hat neu modellieren lassen. Flux: „Die Thematik ist durch die Talkshows und all das mittlerweile so präsent, dass es fast schon normal ist über dieses Thema zu sprechen. Es geht oft nur noch darum seine Brüste zu vergrößern oder sich darüber zu beschweren, dass die Implantate kaputt gegangen sind, wenn man den Fernseher einschaltet“. Und der Gitarrist spinnt den Faden sogleich noch weiter: „Im Umkehrschluss bedeute dies, dass ich in der Gesellschaft nur zähle, wenn ich einen perfekten Körper habe – wie auch immer ich den erlangt habe“. Generell konstatiert Flux, dass viele Zuschauer grundsätzlich nur noch Voyeure sind, die sich daran ergötzen wie schlecht es anderen geht, um dabei ihr eigenes Leben zu vergessen. Wobei den Charakterkopf nicht nur die Reality-TV-Formate an sich, sondern auch deren schiere Masse geradezu erschreckt. „Ich hatte gehofft, dass dieses Überangebot – auch von diesen Gerichtsshows – langsam den Zuschauer übersättig. Bisher scheint aber kein Ende in Sicht zu sein. Somit werden wir das wohl noch eine Zeit lang über uns ergehen lassen müssen“.

 

Rotkäppchen lässt grüßen

 

Nur zu gern verstecken Oomph! ihre Botschaften seit jeher hinter verschiedenartigsten Metaphern. So auch auf „Monster“, etwa in bereits erwähntem „Wer schön sein will muss leiden“, in dem mit „Großmutter, Großmutter, warum bist du noch so jung?“ offensichtlich mit der Rotkäppchen-Thematik gespielt wird. Derartige Verbindungen liegen für das Trio ganz klar auf der Hand: „Die Märchenwelt bietet einfach sehr gute Metaphern und die entsprechenden Bilder und Geschichten sind einem geradezu ins Unterbewusstsein eingebrannt und werden sofort erkannt; sofern man als  Kind gute Eltern hatte, die einem auch mal Märchen vorgelesen haben und einen nicht nur vor der Fernseher gesetzt haben“, schmunzelt Flux. Beim vermeintlichen Rotkäppchen in der Oomph!’schen Umsetzung handelt es sich übrigens nicht um ein kleines Mädchen, auch wenn man als Hörer erst einmal anderer Meinung ist. „Wir haben hierfür sehr lange mit Kindern im Studio experimentiert, aber mit dem Ergebnis waren wir einfach nicht zufrieden. Am Ende mussten wir ein wenig tricksen und haben es von einer Frau einsprechen lassen und dann im technischen Spielchen entsprechend verändert“.

 

Erotische Instrumente

 

Fans und Fachpresse werden sich bezüglich des Sounds von Oomph! einig sein, wenn jemand die These aufstellt, dass das Trio mit den beiden letzten Alben und auch jetzt mit dem neuen Longplayer seinen Stil klarer denn je definiert hat. Und dennoch verstecken sich auf „Monster“ noch immer einige Experimente. Ein gutes Beispiel hierfür ist „Der Tod schwingt mit“, welches überraschend mit einem Akkordeon aufwartet. Flux versucht etwas Licht ins Dunkel dieses für Oomph! absolut ungewöhnlichen Instruments zu bringen: „Im Demostadium war das noch eine ganz normale Rocknummer. Aber da es im Text ja auch um Sexualität geht, haben wir uns überlegt wie man diese erotische, sexuelle Komponente etwas mehr in den Vordergrund rücken könnte. Wir haben dann versucht aus einer Rocknummer eine Tangonummer zu machen, da tanzen an sich sehr erotisch sein kann und der Tango für uns klar der erotischste Tanz von allen ist. Im Refrain funktionierte der Rhythmus sehr gut und dadurch kamen wir auch sehr schnell auf klassische Tangoinstrumente und dazu zählt auch das Akkordeon. Zumindest in der Form in der wir uns Tango in unseren Köpfen vorgestellt haben“, grinst Flux. Dabei wurde sogar auf einen waschechten Akkordeonspieler zurückgegriffen, den die Musiker glücklicherweise direkt in ihrem Bekanntenkreis ausfindig machen konnten.

 

Die Duettfrage

 

Nachdem man auf den letzten Alben mit „Brennende Liebe“ (mit Sonja Kraushofer von L’âme Immortelle) und bei der Neueinspielung von „Träumst du“ mit Marta Jandova von Die Happy zwei Duette in Folge vorweisen konnte und auch auf die 1999er Zusammenarbeit mit Punk-Ikone Nina Hagen („Fieber“) zurückblicken kann, wurde für „Monster“ auf eine Kooperation mit einer bekannten Sängerin verzichtet. Zumindest vorerst. „Im Studio haben wir schnell erkannt, dass ’Bis zum Schluss’ von der Thematiker her ein optimales Duett sein könnte. Allerdings hatten wir noch keine konkrete Stimme im Kopf und haben dann einfach eine Studiosängerin, mit der wir bereits in der Vergangenheit gearbeitet haben, eingeladen den Song für uns einzusingen; sozusagen als Platzhalter. Die Plattenfirma und wir fanden den Song dann so gut, dass wir ihn einfach so gelassen haben“, erzählt Flux. Für eine zukünftige Neueinspielung des Songs bzw. die Hinzunahme einer weiblichen Leadstimme existiert derzeit noch kein Plan. Flux: „Für uns funktioniert der Song so wie er ist, vielleicht wäre es da reizvoller eine Nummer zu nehmen, die noch keine weibliche Stimme enthält“. So wie es vor eineinhalb Jahren bei „Träumst du“ der Fall war, für dessen Umsetzung (und späteren Sieg) beim Bundesvision Songcontest von Stefan Raab man sich mit Die Happy Publikumsliebling Marta verstärkte. Wobei eine derartige Ergänzung des Songs durchaus nötig und auch sinnvoll war, da auch Flux weiß, dass die Nummer zum Zeitpunkt des Wettbewerbs für die Anhänger sozusagen schon ein alter Hut war, da „Glaube Liebe Tod“ damals bereits seit einem Jahr mit der ursprünglichen Version des Songs erhältlich war. Als persönliche Wunschkandidatin für eine Zusammenarbeit, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form auch immer, wirft Flux wenig später sofort den Namen Björk in die Runde. Auf die Frage, ob ihn das Image und die medialen Eskapaden der Isländerin nicht abschrecken würden, reagiert die Stimme am anderen Ende äußerst gelassen: „Das ist uns eigentlich egal, denn diese Angst hatten wir bei Nina Hagen damals auch, die ja ebenfalls eine sehr exzentrische Persönlichkeit ist. Dabei war dann aber alles wirklich ganz easy und ich denke unter Musikern sind die Rollen schnell geklärt wenn man sich gegenseitig respektiert und da geht man dann auch vielleicht anders miteinander um. Wobei solche Personen oft auch einfach die Rollen erfüllen müssen oder wollen, die die Presse und das Publikum von ihnen gewohnt ist“.  

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.oomph.de