Interview mit Larry Love von NEGATIVE

 

 

„Wir waren am Wochenende auf dem Amphi Festival und waren ein bisschen überrascht, dass die Reaktionen des Publikums bei unserem Auftritt derart positiv waren“, eröffnet der bedächtig wirkende Larry Love, Gitarrist der finnischen Glam Rocker Negative und Mädchenschwarm in Personalunion das Gespräch. Die gemeinsame Tour zum Beginn diesen Jahres mit den Landsleuten Him und The Rasmus durch deutsche Lande scheint somit gefruchtet zu haben. „Diese Tour war sehr wichtig für uns und durch diese Möglichkeit sind sehr viele Leute auf uns aufmerksam geworden. Die Sache scheint sich auszuzahlen, das Amphi Festival war auf jeden Fall ein guter Anfang“, bestätigt Larry diese These umgehend. Im kommenden Herbst / Winter ist es nun an NEGATIVE, einer kleineren Band eine willkommene Gelegenheit anzubieten, sich zu präsentieren. Denn für November sind bereits 10 Headlinershows allein hier in Deutschland gebucht. Einen möglichen Kandidaten für die Position des Openers hat der Gitarrist bereits im Kopf, auch wenn sich der Name im Gegensatz zur Musik noch nicht so recht in seiner Erinnerung halten kann: „Es gibt da eine coole Rock N Roll Band aus L.A., deren Songs ich im Internet gehört habe und die mir auch einen Song per E-Mail geschickt hat. Aber im Moment kann ich mich nicht an den Namen erinnern“. Solche Angelegenheiten überlässt unser Gesprächspartner allgemein lieber anderen Leuten: „Ich lebe für den Moment und bin kein Mensch, der große Planungen anstellt. Man hat auch so schon genug Druck und Sachen, auf die man achten muss, da kann man sich nicht immer selbst um alles kümmern. Ich weiß von Zeit zu Zeit nicht mal genau, was wir für die kommende Woche genau geplant haben. Wenn ich gesagt bekomme ‚geh hier und dort hin und spiele’, dann tue ich das einfach“, beschreibt der Finne die Situation und lässt dabei sogar ein sehr dezentes, kaum hörbares Lachen vernehmen.

 

Wer die Band an besagtem Wochenende in der Nähe von Köln gesehen hat, der kam auch in den Genuss der bisher unveröffentlichten neuen Stücke „Glory of the Shame“, dem Opener des am 29. September erscheinenden dritten NEGATIVE Albums „Anorectic“, sowie der ersten Single „Planet of the Sun“, die hierzulande bereits am 8. September erscheinen wird. Ihren Aufenthalt in Deutschland nutzte die Band deshalb auch umgehend, um am Mittwoch, den 26.07. den Videoclip zu besagter Single in der bayrischen Landshauptstadt München abzudrehen. „Es wird ein verrückter Clip werden, der sich deutlich von dem unterscheidet, was wir bisher in dieser Richtung gemacht haben. Wir werden uns mit dem Clip auch deutlich an das Artwork-Konzept des Albums anlehnen, aber mehr möchte ich jetzt noch nicht verraten. Die Leute sollen es sich dann später einfach ansehen und sich selbst ein Bild machen“. Cover und Artwork - ein gutes Stichwort, denn diesbezüglich hat sich die Band bisher merklich zurück gehalten. Larry versucht etwas Licht ins Dunkel der visuellen Seite von „Anorectic“ zu bringen: „Dieses Mal haben wir das komplette Konzept für das Booklet selbstständig ausgearbeitet und dem Artworker jede Menge Ideen und Hinweise gegeben, was genau wir haben möchten. Ich finde ein Booklet sollte auch noch interessant sein, wenn du es zum 10. oder 20. Mal durchschaust. Ein wirklich gutes Cover macht sehr viel Arbeit, aber wir wollen einfach nichts langweiliges, das einfach nur einen weißen Hintergrund hat oder etwas in dieser Art“, holt Larry Love aus, um dann umgehend konkreter zu werden. „Du hast das Album gehört und da gibt es dieses Intro – ‚Arrival’. Auf der Vorderseite wird es ein Bild geben, das sehr viel im Zusammenhang mit diesem Intro erklärt. Das Ganze wird dieses Mal sehr stark vom Thema Zirkus dominiert werden“. Im Bezug auf besagtes Konzept werden auch die Fotos der Band eher in den Hintergrund rücken. Somit wird die Band nicht, wie auf ihren bisherigen Alben, selbst die Vorderseite des neuen Longplayers schmücken, sondern statt dessen im Sinne des besagten Konzepts in die zweite Reihe (oder in diesem Falle auf die folgenden Seiten) rücken.

 

Einen großen Erfolgsdruck, basierend auf den zurückliegenden Erfolgen – man hat neben erfolgreichen Alben auch diverse Single- und Videohits auf der Habenseite zu verbuchen – verspürt der Finne nicht. „Ich hab mich gar keinem Druck ausgesetzt. Jonne (Sänger der Band, Anm .d. Aut.) und ich schreiben unabhängig voneinander an Ideen und dieses Mal hatten wir um die 30 Entwürfe zur Auswahl. Die Songs haben sich dabei ganz natürlich entwickelt und wir haben uns nicht hingesetzt und zwanghaft versucht eine oder mehrere Singles zu schreiben“, wird die grobe Herangehensweise der Band umrissen. Am Ende hat sich aus besagten Entwürfen ein knappes Dutzend an Songs herauskristallisiert, die dann ab Ende September für jedermann in Form von „Anorectic“ zu haben sein werden, und die untereinander eine stimmige Einheit ergeben, was unser Gesprächspartner umgehend bestätigt. „Das Paket ist meiner Meinung nach sehr gut geworden und die Songs funktionieren in dieser Konstellation ebenfalls gut“, stimmt Mr. Love zu. Über die wichtigsten musikalischen Einflüsse muss man sich angesichts der Optik und des Images der Band nicht lange Gedanken machen, was für die Musiker angenehmerweise auf natürlichem Wege auch die erwarteten Singles entstehen lässt. „Wir alle mögen die Achtziger, nicht nur wegen der Klamotten, auch wegen der Musik. Und davon lassen wir uns natürlich auch beim komponieren leiten. Die meisten unserer Songs entstehen nach dem Konzept Strophe-Chorus-Strophe-Chorus und hier und da noch ein Gitarrensolo oben drauf und Ende. Wenn man auf diese Weise Songs schreibt, dann kommen die möglichen Singles mit den eingängigen Refrains eigentlich von allein“, konstruiert der Gitarrist imaginär den Prototyp einer erfolgreichen Radiosingle. Und der Mann hat recht, denn die Mischung aus mehr oder minder harten Riffs und zuckersüßen Melodien war vor allem auf dem sehr treffend titulierten Vorgänger „Sweet & Deceitful“  schon ein Garant für den europaweiten Erfolg des finnischen Six-Packs. Trotzdem will die Band sich nicht hierauf beschränkt wissen und geht mit dem neuen Album bereits einen kleinen Schritt mehr in Richtung Rock N Roll. „Unser letztes Album war wirklich sehr melodisch. Das ist aber nur eine Seite von NEGATIVE. Uns war wichtig, dass das neue Album heavier wird und auch die Melodien sind jetzt etwas anders“, lässt Larry wissen. Und auch mit dieser Ausführung liegt der Gute wieder ziemlich richtig. Waren einige Harmonien auf dem Vorgänger noch stark an der Kitschgrenze, so klingen NEGATIVE anno 2006 um einiges schmissiger und sogar zeitweise räudig, wie etwa bei „Glory of the Shame“. Diese positive Änderung im Hause NEGATIVE ist zu großen Teilen der Verdienst von Sänger und Texter Jonne. Denn der fleischgewordene Traum vieler Groupies hat sich weiterentwickelt und seinen lyrischen Schwerpunkt hier und da auch mal von Herzschmerz weg bewegt. Zu den wenigen Ausnahmen, die noch deutlicher nach „Sweet & Deceitful“ klingen, zählen „A song for the broken hearted“ und die bereits genannte erste Single „Planet of the Sun“, die gleichzeitig der wohl melodischste Song auf dem ganzen Album ist.

 

Der Veröffentlichung der ersten Single fiebern nicht nur die Fans entgegen, sondern auch die Band ist gespannt auf das Feedback, wie ein kurz schelmisch kichernder Larry Love zu Protokoll gibt: „Auf die Reaktionen bin ich wirklich gespannt. Die Single enthält eine B-Seite, die wir „Heroine“ genannt haben. Das ist ein ziemlich dreckiger und für unsere Verhältnisse harter Song, nichts womit die Leute bei NEGATIVE unbedingt rechnen. Mir gefällt der Kontrast zwischen unserer Auskopplung und diesem Song, denn so können die Fans sich vorab ein Bild vom ungefähren Spektrum des neuen Albums machen“. Auch der Gesamtsound der Band hat sich mit dem neuen Album ein wenig verändert. Dies ist zu Teilen dem erfahrenen Produzenten Hiili Hiilesmaa zu verdanken, der auch schon die Geschicke für andere finnische Bands wie etwa Apocalyptica, Him und Lab in die richtigen Bahnen geleitet hat. Einen der Kollegen kopieren oder deren Alben zum Vorbild hatten NEGATIVE bei der Produzentenwahl allerdings laut eigener Aussage nicht. „Wir haben gehört, dass Hiili ab und an sehr verrückte Sachen macht und das war auch bei uns der Fall. Zum Beispiel haben wir mal nachts im Studio unsere Gitarren gegen die Wand geschlagen, was eigentlich ganz schön bescheuert ist. Aber Hiili hat einige der Geräusche, die dabei entstanden sind später in die fertigen Songs eingefügt. Das war schon ziemlich crazy“, gibt Love einen Einblick in die nicht immer bierernste (dafür eher bierseelige?) Studiozeit seiner Band. Dabei hatte sich schon bei den ersten Gesprächen angedeutet, dass Hiilesmaa der richtige Mann für das neue Album sein würde, denn der Finne hatte sofort verschiedene Ideen bei der Hand, welche die NEGATIVE-Belegschaft im positiven Sinne überraschten. Und trotz der Referenzen ihres Produzenten in Sachen Gothic Rock wollten Larry, Jonne, Antti, Sir Christus, Jay und Snack kein Album machen, dass ebenfalls bedingungslos in diese Sparte schlägt, wie der sympathische Skandinavier klarstellt: „Wir wollen keine zweiten Him oder 69 Eyes sein. Auch wenn ich die Gitarren auf dem Him Debüt sehr mag, verstehen wir uns doch eher als Rock N Roll Band. Mit Gothic haben wir eigentlich nur wenig zu tun“.

 

Ob seine Band eine ähnlich steile Karriere hinlegen kann, wie vor wenigen Jahren besagte Band um Ville Vallo, vermag Larry Love nicht zu prognostizieren. Lieber philosophiert er über sein Dasein, auch als Berufsmusiker: „Eine der schönen Seiten des Lebens und speziell des Lebens als Musiker ist, dass du nie weißt, was die Zukunft bringt. Wir touren hier und da und erreichen damit immer mal ein paar neue Leute. An die Zukunft denke ich eigentlich kaum, denn ich bin ein Mensch, der an Schicksal glaubt“. Der Meinung seines Gegenübers, dass NEGATIVE mit ihrem neuen Album auf einem mehr als soliden Fundament aufbauen können, widerspricht der Sechssaiter allerdings nicht: „Ein paar unserer letzten Singles waren auf Platz 1 in Finnland und ich habe gehört, dass wir bei MySpace 12.000 bis 14.000 Leute jeden Tag haben, die sich den neuen Song („Planet of the Sun“, Anm. d. Aut.) dort anhören. Es scheint also, als würden sich ein paar Leute für das, was wir tun interessieren. Ich habe ein gutes Gefühl, aber du weißt nie, was passieren wird.“

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de 

 

 

Homepage: www.negative.fi