Interview mit Joey Jordison von den MURDERDOLLS

 

 

 

Joey, euer neues Album trägt den schönen Titel „Women and Childern last“. Handelt es sich dabei um eine Ode an Van Halens Album „Women and Children first“ aus dem Jahre 1980?

Das hast du richtig erkannt, es ist ein ganz schöner Riff-Off, haha. Eines Nachts saßen Wednesday und ich zusammen und haben uns die wildesten Ideen zugeworfen. Anfangs hatten wir uns für „The World According To Revenge“ entschieden, was auch der Name des Intro auf dem Album ist. Im Spaß hat er dann „Women and Children last“ raus gehauen und wir haben uns erst einmal kaputt gelacht, wussten aber schnell, dass das der perfekte Titel ist. Unsere Freunde, denen wir davon erzählten haben gesagt wir hätten sie nicht mehr alle, das hat uns als Bestätigung gereicht, denn wir hatten schon immer Freude daran, die Leute vor den Kopf zu stoßen. Alles wie immer sozusagen, haha.

 

Als ersten Vorgeschmack habt ihr „My Dark Place Alone“ ins Netz gestellt. Wie repräsentativ ist dieses Stück für das Album als Ganzes?

 

Meiner Meinung nach sehr repräsentativ. Die Scheibe bewegt sich gewisser Weise in Wellen, mal mit klassischem Murderdolls-Material und mal härter und aggressiver. Generell sind die Songs dieses Mal hörbar düsterer und heavyer geworden. Die Horrorgeschichten von einst sind komplett aus den Texten verschwunden, Wednesday schreibt inzwischen viel persönlichere Texte über alle möglichen Dinge, die er in den letzten 5 Jahren erlebt hat, was das Album gleichzeitig auch ernster macht. Viele werden überrascht sein das Teil zu hören, aber ich glaube nicht, dass wir jetzt viele Fans verlieren. Wenn doch, können wir es sowieso nicht ändern, denn dieses Album ist für uns vor allem eins: Ein großes Abenteuer.

 

Dann habt ihr euch vom runter gerotzten Horror-Punk des Debüts komplett abgewandt oder gibt es dennoch hier und da Zugeständnisse an euren Erstling?

 

Naja, die Horror-Texte sind wie gesagt komplett verschwunden, aber es gibt immer noch die eine oder anderer schnelle Nummer wie etwa „Hello, Goodbye, Die“ und „Rock N Roll is all I got“, die abgesehen davon schon noch sehr old-schoolig sind. Diesen gewissen Punkrock-Vibe müssen wir ja auch nicht komplett über Bord werfen, denn trotz Düsternis soll der Spaß nicht auf der Strecke bleiben.

 

Seit besagtem „Beyond the Valley of the Murderdolls“ sind satte 7 Jahre ins Land gezogen. Jahre, in denen ihr beide sicher die eine oder andere Songidee zu Papier gebracht habt. Wie habt ihr es geschafft, euch aus all den Ideen, Fragmenten und Songs auf diejenigen Stücke zu einigen, die es letzten Endes auf das Album geschafft haben?

 

Das war schon sehr hart, da wir beide natürlich Unmengen an Ideen hatten. Dieses Mal haben wir uns allerdings erstmals gemeinsam hingesetzt und aus unseren Ideen richtige Songs gemacht. Das war bei unserem Debüt anders, damals hatten wir weitaus weniger Arbeit, denn die Scheibe bestand zu gleichen Teilen aus Stücken von Wednesdays ehemaliger Band und meiner ehemaligen Band. Es mussten lediglich neue Texte für meine Songs her und das war es dann fast schon. Das Einspielen ging damals ebenfalls schnell, denn wir wollten das ja ursprünglich nur als Demo verwenden. „Beyond“ war in dieser Form also nur als besseres Bewerbungsmaterial, nicht aber als unser Debüt gedacht. Nur waren davon dann alle, inklusive Plattenfirma, so begeistert, dass wir es dabei belassen haben. So einfach kann es hin und wieder sein, hehe.

Dieses Mal sind wir dann sozusagen erstmals ernsthaft an die Sache heran gegangen und haben die Musik gemeinsam komponiert und auch Zeit in diesen Prozess investiert. Die Murderdolls sind für mich kein reines Spaßprojekt und vor allem für Wednesday ist es sogar ein richtig großes Ding. Diesmal reden wir nicht von „Frankenstein Drag Queens-Recycling“, sondern von neuen, eigenständigen Songs, die wir in Gemeinschaftsarbeit erschaffen haben. Natürlich ist dabei auch die eine oder andere Idee auf der Strecke geblieben, aber wenn jemand das komplette Album hört, wird es sich in sein Gehirn einbrennen und er wird bestätigen, dass wir alles richtig gemacht haben.

 

Bei all den Jahren, die zwischen beiden Scheiben liegen, ist es nicht ungewöhnlich, dass sich eure Ansichten geändert und die Sichtweisen verschoben haben.

 

Definitiv haben sich unsere Prioritäten verschoben, aber ganz klar zum besseren. Unser Erstling ist nach wie vor großartig für das was er sein soll, das will ich auch noch mal klar sagen. Wir hatten damals einen Riesenspaß und eine tolle Zeit. Ich meine mit Slipknot ist alles immer harte Arbeit und es geht sehr ernst und wie jeder weiß auch teilweise verrückt zu, aber bei den Murderdolls kann ich einfach raus gehen und Spaß haben, was mir damals unheimlich gut getan hat. Und heute macht mir die Sache immer noch viel Spaß, aber es ist auch hier ernster geworden und dunkler. Wir sind kein verdammter Witz mehr, sondern angepisst und auf Rache aus! Wir greifen richtig an – und zwar alles und jeden. Als wir anfingen „Women and Children Last“ zu machen, fing die ganze Musiklandschaft an mich immer mehr anzukotzen. Ich will da jetzt gar keine Bands angreifen, denn jeder versucht nur sein Ding durchzuziehen. Aber die Metalszene ist so über-populär im Moment, dass man nicht mal mehr überhaupt zu jeder Band etwas sagen könnte oder sie noch richtig auseinander halten kann, weil es einfach viel zu viele gibt. Die Labels sollten verdammt noch mal damit aufhören jeden x-beliebigen Müll unter Vertrag zu nehmen, das würde die Situation schon deutlich entspannen. Früher sind mir immer Bands aufgefallen, die Songs mit Wiedererkennungswert oder die einfach das gewisse Etwas hatten. Ein solches Erlebnis hatte ich jetzt aber schon seit Jahren nicht mehr. Meiner Meinung nach kam schon länger keine Band mehr, die wirklich große Substanz hatte oder bei der es irgendjemanden wirklich interessieren würde, wenn sie morgen wieder verschwunden wäre. Jeder soll hören was er will, ich mache keinem Vorschriften. Aber mit den Murderdolls sind wir jetzt an einem Punkt, an dem wir richtig durchstarten wollen, um den Leuten zu geben, was seit Jahren fehlt. Die Murderdolls von damals haben nicht mehr wirklich etwas mit den Murderdolls von heute zu tun.

 

Auf zwei eurer neuen Songs ist Mötley Crüe-Gitarrist Mick Mars zu hören, der dem Vernehmen nach eher zufällig auf dem Album gelandet sein soll. War das wirklich mehr ein Zufall oder war euch von vornherein klar, dass es einen Gast auf dem Album geben soll?

 

Die beiden Songs die du meinst sind „Bloodstained Valentine“ und „Drug me to Hell“. Wir saßen im Studio und hörten uns die Aufnahmen an, als Wednesday meinte, dass da ein fettes Solo fehle, irgendwas in Richtung Mick Mars. Glücklicherweise gibt es da einen alten Freund von mir, der nicht nur unser Tourmanager bei Slipknot ist, sondern auch unseren Studioaufenthalt mit den Murderdolls nebenher ein bisschen betreut hat. Außerdem ist er auch noch Tourmanager von Mötley Crüe und meinte „Jungs, das kriege ich für euch hin. Gebt mir einfach eine Schachtel Zigaretten und ich kümmere mich um den Rest“. Gesagt, getan und ich habe den verrückten Kerl einfach mal machen lassen. Als er wiederkam sagte er bloß „in zwei Tagen hat er Zeit und kommt vorbei“. Ich habe mir fast in die Hosen geschissen, denn Mick Mars ist nicht nur ein Held meiner Jugend, sondern auch einer der unterbewertetsten Gitarristen überhaupt. Seinen Sound erkennt man einfach auf der Stelle! Er kam dann wirklich zu uns ins Studio, er trug seinen Zylinder und die Plateauschuhe, so wie man ihn auch von der Bühne kennt, und hatte seine kleine süße Freundin dabei, die seinen Gitarrenkoffer hinter ihm her schleppte. Er setzte sich hin, legte los, machte zwischendurch ein paar Witze und lieferte einen höllenmäßigen Job ab. Er wollte nicht mal Kohle dafür haben, er liebt die Songs und hatte einfach ein bisschen Spaß mit uns. Hail Mick Mars!

 

Ich schätze mal du hast auch die Mötley Biografie „The Dirt“ gelesen?

 

Natürlich!

 

Und könntest du dir vorstellen eines Tages einen ähnlichen Schmöker mit derartigen Geschichten und Anekdoten zu schreiben?

 

Das werde ich bestimmt machen, darüber hab ich mir sogar schon so meine Gedanken gemacht. Ich weiß noch nicht genau ob es eher eine Biografie mit Fakten und Daten wird oder doch ein bisschen schmutziger mit mehr Rock N Roll, haha. Aber irgendetwas in der Richtung will ich auf jeden Fall eines Tages machen. Es wird über mein Leben gehen und die ganzen verrückten Sachen die passiert sind und was ich erlebt habe. Warten wir ab wo mich mein Weg noch hin führt.

 

Kürzlich habt ihr ein paar neue Musiker für die Murderdolls rekrutiert, die aber wohl eher nur als Live-Mucker zu betrachten sind oder? Wie groß ist die Chance, dass die Band dauerhaft aus mehr festen Mitgliedern und Songwritern außer dir und Wednesday besteht?

 

Wir sind jetzt schon eine komplette Band, aber du hast recht wenn du sagst, dann eigentlich Wednesday und ich die Murderdolls sind. Es gibt einen ganz speziellen Vibe zwischen uns beiden und es funktioniert einfach so gut, dass es keinen Grund gibt, daran etwas zu ändern. Das neue Line-Up ist dennoch großartig und es sind richtige Profis dabei, die Leute werden ausflippen wenn sie uns live sehen. Ungeachtet dessen werden die Murderdolls im Kern immer eine Zwei-Mann-Band sein.

  

Du bist einer der populärsten und talentiertesten Drummer der Gegenwart und in den letzten Jahren auch immer wieder mit Bands wie Korn, Ministry oder aktuell Rob Zombie unterwegs gewesen. Eigentlich ist dein Name längst wertvoll genug, dass du problemlos einfach irgendein Projekt aufziehen könntest mit der Gewissheit, dass es sich sowieso verkauft. Was reizt dich daran stattdessen als Tour-Musiker anzuheuern, obwohl du solche Fill-In-Jobs eigentlich gar nicht nötig hättest?

 

Ich weiß was du meinst und damit hast du wohl auch recht. Mein großes Glück ist, dass ich mit dem was ich bisher gemacht habe sehr erfolgreich war. Mit Slipknot haben wir bereits Unglaubliches geschafft und theoretisch müsste ich in den Pausen überhaupt nichts machen und könnte einfach zu Hause sitzen. Aber das wäre nicht ich, denn ich wurde dafür geboren das zu tun, was ich tue. Man kann sagen ich atme und lebe Rock und Metal und mit unterschiedlichen Leuten Musik zu machen, raus zu gehen und aufzutreten ist das einzige, was mir wirklich etwas bedeutet. Ein großer Sportler war ich nie, Bürojobs sind auch nicht mein Ding, aber ich wusste was ich machen wollte seit ich fünf Jahre alt bin. Das einzige was ich meiner Mutter sagen konnte war „Tut mir leid, aber ich werde garantiert nicht aufs College gehen. Natürlich willst du, dass ich einen Plan B habe, aber den gibt es nicht, weil ich Schlagzeuger werde!“. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass ich diese Tour-Jobs annehme: Es ist einfach meine Berufung.

 

 Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

 

Link: www.murderdollsband.com