Interview mit Mike Gaspar von MOONSPELL

 

 

Es scheint so, als seien die Songs des neuen Albums “Night Eternal“ epischer und bombastischer ausgefallen als die der Vorgänger, welcher mehr in Richtung Gothic-Death Metal tendierte. Anflüge in den Black Metal-Bereich sind, vor allem eingangs des neuen Werkes, kaum zu verleugnen. Geht ihr damit zu euren Wurzeln zurück?

 

Klar, unsere Musik reflektiert immer, was wir gerade erleben. "Memorial" entstand, als wir viel guten Death Metal hörten. Manchmal sind wir regelrecht ein wenig verrückt; ein guter Antrieb, Musik zu machen, wie ich finde. Das neue Album entstand, nachdem wir “Under Satanae“ eingespielt hatten (“Under Satanae“, Neueinspielung des 1993’er Demos “Anno Satanae“ und der im gleichen Jahr erschienen “Under The Moonspell“-EP, Anm. d. Verf.); dieser Stil passte aus verschiedenen Gründen gut zu den neuen Songs, ich möchte sogar sagen, “Night Eternal“ ist das typischste Moonspell-Album überhaupt! 

 

Das Duett “Scorpion Flower” mit der Ex-Sängerin von The Gathering Anneke van Giersbergen ist für mich DER Hit von “Night Eternal”. Fernandos und ihre Stimme harmonieren perfekt. Wie habt ihr diesen Coup eingefädelt und werdet ihr möglicherweise nochmals mit ihr zusammenarbeiten?

 

Zum ersten Mal traten wir auf dem Graspop Metal Meeting zusammen auf. Es war eine Ehre für uns, sie auf der Bühne zu haben! Wir kennen sie seit 12 Jahren vom gemeinsamen Touren und sahen sie immer wieder hier und dort. Diese Mischung von Annekes Stimme und dem Sound von Moonspell ergänzten sich ideal. Wir verloren uns nicht aus den Augen und begleiteten den Erfolg des anderen immer mit Wohlwollen. Klar, dass Fernando es an der Zeit fand, ihr einen Song auf den Leib zu schneidern; er fragte Anneke und sie war sofort mit ganzem Herzen dabei. Es war übrigens sehr anheimelnd und ein großer Spaß, Anneke im Video in solch niedlichem Gothic-Dress zu sehen. Sie ist eine wahre Künstlerin!

 

Es ist immer wieder interessant, dass Moonspell Gothic-, Death-, Black- und Heavy Metal zu einem passenden Ganzen zusammenfügen. Welche Bands beeinflussen euch?

 

Unsere Wurzeln liegen vor allem bei Bathory, Celtic Frost, Morbid Angel, Fields Of The Nephilim, Black Sabbath, Dead Can Dance, Metallica, Sepultura, Samael und einigen mehr! Mit den Jahren sind wir offener geworden und werden auch von moderneren Trends beeinflusst. Wir brauchen das auch, denn kleine Veränderungen erhalten das Interesse. Was uns auch immer im Hinterkopf herumschwirren mag, wir spielen immer, als ob unser Leben davon abhinge. Sobald wir im Studio sind, sind wir Old School, verlasst euch darauf.

 

Im Gegensatz zu anderen Bands, welche mit der Zeit immer ruhiger werden, seid ihr nach eurer "stilleren" Phase nun wieder heavier, härter, brachialer, was euch gut zu Gesichte steht. Woher dieser Umschwung?

 

Zunächst gab es da den Wechsel von heavy zu ruhig, beeinflusst von solchen Bands wie Paradise Lost, Anathema, Tiamat, welche seinerzeit ähnlich vorgingen. Das betraf auch den Einsatz von weiblichem Gesang, Percussions, klassischen Instrumenten und schwelgerischen Keys oder folkloristischen Passagen. Unsere ersten Veröffentlichungen beinhalteten all das Genannte. Die Texte waren immer ein Quell der Inspiration. Wir sind sehr spirituell ausgerichtet und nun, nach den ruhigeren Alben und um diverse Lebenserfahrungen reicher neigt sich die Waage erneut zum härteren Stoff.

 

 

Eure Musik tönt immer dunkel, melancholisch, gleichzeitig mitreißend. Was ist für euch eigentlich das Faszinierende an der düsteren Seite des Lebens?

 

Das Unbekannte ist immer faszinierend. Risiken einzugehen und nicht zu wissen, was alles passieren kann, was uns erwartet, kann schon schaurig und interessant zugleich sein. Denn du gehst das Wagnis ein! Es gibt nicht Brutaleres als das reale Leben. Was wir mögen, ist eine etwas romantischere Sichtweise, Spannung, Erregung und Schauer zu erleben. Wir alle haben doch so Etwas in uns: wenn wir uns dessen nicht manchmal augenzwinkernd bewusst würden, wären wir doch alle bald Killer! Wir haben diese dunkle Seite in uns und müssen sie irgendwie ausleben oder verarbeiten, unterdrückt man all das Unbewusste, wäre die Gefahr doch viel größer! Ich mag den ironischen Umgang mit diesem Thema, die meisten Menschen sind mir da zu konventionell, letztendlich sterben wir doch alle, der eine früher, der andere später.

 

Glücklicherweise haben wir wohl noch etwas Zeit... Wie sieht es mit eurer oft beschworenen "morbiden" Heimatstadt Lissabon aus? Ist das wirklich die ideale Atmosphäre, um solch düstere Musik zu erschaffen?

 

Ja und nein. Eher ist es typisch Moonspell. Denn Lissabon ist sehr schön, verankert in alten Traditionen und freundlich gegenüber Touristen. Portugiesen sind niemals zufrieden und können sehr hart zueinander sein. Es würde sehr weit führen, darüber zu reflektieren, weshalb es zu soviel Elend kam. Kommt es aus den älteren Vorstädten, sind wir eine so alte Kultur, dass wir zuviel Gewicht auf Geschichte und Vergangenheit legen und dabei den Umgang mit der Gegenwart verlernen und im Chaos versinken? Es gibt so viele dunkle Plätze in unserer so schönen Stadt...

 

Fernandos Growls bilden einen veritablen Kontrast zu den opulenten Melodien Moonspells. Warum benutzt ihr diese Gesangstechnik?

 

Fernando hat seit frühesten Zeiten immer gern effektive Growls eingesetzt. Wobei er sich auch an King Diamond (Yeahhhh! Anm. d. Verf.) Bathory, Mayhem, Celtic Frost und ähnlichen Kombos orientierte. Er kann Growls auch lange aushalten, eine Menge Kraft in diese Gesangstechnik legen. McCoy von Fields Of The Nephilim war auch beeindruckt von dieser Mischung aus Klargesang und Grunts. Fernando wird nicht aufhalten. Hört euch "Under Satanae" an und urteilt selbst! "Night Eternal" im Studio einzusingen war sozusagen ultraleicht für ihn!

 

Hut ab! Ich sehe, du schätzt Fernando sehr. Die ersten drei führen sehr atmosphärisch in das neue Album. Danach wird es zunächst etwas ruhiger, bevor es erneut schneller, härter, heavier zugeht.  Der Opener "At Tragic Heights" erinnert dabei durchaus an einen Soundtrack. War das geplant, diese soundtrackartige Atmosphäre?

 

Wir haben immer viele Bilder vor dem geistigen Auge, wenn wir Musik komponieren. Fernandos Vocals führen uns immer in eine bestimmte Richtung und wir sorgen für die entsprechende instrumentale Umsetzung. Für mich ist es immer besonders interessant, Musik einfach zuzuhören, zu vergessen, wo ich mich gerade aufhalte und mich meinen Gedanken zu überlassen. Die Inspiration kommt von selbst und bringt solch brachiale Musik hervor, welche dann durchaus soundtrackartig tönen kann, übrigens ein nettes Kompliment und eine große Ehre für uns. Denn wir versuchen auch immer, unsere Songs mit theatralischen Effekten zu bereichern. Pedros Keys und Samples bringen all das trefflich, wie ich meine, zum Ausdruck. Er ist ein wahrer Soundtüftler!
 

"Night Eternal" und "Shadow Sun" klingen schon ein wenig schwedisch. Anscheinend habt ihr auch eine Vorliebe für diese transparent gespielten, traditionellen Gitarrenlicks?

 

Wir sind alle Fans von schwedischem Death Metal! Entombed, Grave, Unleashed, At The Gates und viele mehr konnte man in den letzten 15 Jahren alle zusammen mit uns auf der Bühne sehen. Wir hatten es schwerer als die Schwedenbands, denn wir als Portugiesen haben nicht diese typische Geschichte dieser Musikkultur im Rücken. Wir haben aber viel davon kennen gelernt und verarbeiten diese Einflüsse nun vielleicht professioneller als anfangs.

 

"Shadow Sun" (einer meiner Favoriten) beinhaltet diesen atmosphärisch gesungenen Klasserefrain. Wie komponiert ihr solch einen Track? Ist da erst das Bassriff oder steht zunächst die Gesangslinie?

 

  

Zunächst war da Ricardo mit diesem unglaublichen Speedlick. Wir spielten die Leads immer wieder, bauten sie aus und ließen das Ganze dann zu einem höchst explosiven Punkt anwachsen. Dieser Song ist übrigens auch von "From Lowering Skies" vom "Antidote"-Album beeinflusst. "Shadow Sun" zeigt sozusagen die Weiterentwicklung des damaligen Stils.

 

Was mir immer wieder auffällt: Ihr mögt schon gern Type O Negative? In den ruhigen Gesangsparts, nehmen wir als Beispiel "Dreamless" gibt es Schnittpunkte zu Pete, oder?

 

Auf Type O Negative standen wir schon immer. Ohne diese Band, und da spreche ich für alle Moonspell-Bandmitglieder, könnten wir nicht leben. Du glaubst nicht, wie oft auf Reisen wir die schon gehört haben. Wir könnten Coverversionen spielen, du würdest den Unterschied zu Type O kaum merken, im Ernst! Wir haben zusammen getourt, wir stehen mit der Band in Kontakt. Auch Portugiesen können sich in Brooklyn heimisch fühlen!

Gibt es Elemente in eurer Musik, die du als modern bezeichnen würdest?

 

Klar, ein wenig schon. Auf dem neuen Album gibt es modernere Passagen. Wir komponieren Songs durchaus auch auf dem Rechner, den Kids für Spiele benutzen. Es ist viel leichter als früher! Denn damals musstest du gutes Equipment haben, um Ideen auszuformen und umzusetzen. Gut, immer ist es auch heute nicht einfach, klar. Aber wir profitieren von unserer langjährigen Erfahrung; ihr werdet immer hören, ob es echte Studiomusik oder wirklich live ist.

 

Zuletzt lasst uns noch zu den Albumtexten kommen. Wer schrieb die Texte und gibt es ein lyrisches Konzept hinter der Musik?

 

Fernando hat alles im Alleingang geschrieben! Es geht um den geringen Respekt, der dem Weiblichen unsererseits entgegengebracht wird und natürlich um Mutter Erde. Einerseits wollte Fernando weibliche Kraft auf dem Album. Andererseits auch eine rohere Herangehensweise, mehr archaische Emotionen und Instinkte. Diese Welt stirbt und kaum etwas bleibt ihr heilig. Frauen waren immer die Quelle von Familie und Gefühlen. Das müssen wir erhalten und respektieren! Männer haben ihre Kraft stets ausgenutzt. Kriege, Ökonomie, Armmut, ihr wisst, wovon ich rede. Wir hoffen, dass die Welt eines Tages gerechter wird.

 

Und als Finale: was denkt ihr über die portugiesische Metal-Szene, gibt es Newcomer, die euch mal das Wasser reichen können?

 

Wenn ich diese Frage beantworten muss, werde ich immer sehr traurig, denn es ist Fakt, dass es außer uns keine Band aus Portugal geschafft hat, auch nur wenigstens kurzfristig ins Rampenlicht zu kommen. Wir versuchen schon, etwas zu bewegen, Brücken zu bauen, Leute zu informieren, sich musikalisch zu entwickeln. Vielleicht haben die Metalteens von heute ja doch morgen mal eine Chance.

M.E. - www.sounds2move.de

 

Link: www.moonspell.com