Interview mit MATT ROEHR

 

 

Auf deinem Soloalbum frönst du ganz deutlich deinen eigenen musikalischen Vorlieben und musst keinen gewissen Vorgaben und selbst gesetzten Standarts gerecht werden. Würdest du sagen, dass darin der große positive Unterschied zu deinen Onkelz-Jahren besteht?

 

Ja. Der einzige Standard dem ich gerecht werden muss, bin ich. Mir müssen die Songs gefallen, aber glaube mir, es ist nicht einfach mich zufrieden zu stellen. Natürlich habe ich es jetzt viel einfacher als zu Onkelz Zeiten, aber auch viel schwerer. Klar, ich muss nicht auf die Meinung von anderen Bandmitgliedern Rücksicht nehmen, aber ich habe auch ihre Kommentare nicht – und so kann es schon mal schwer sein etwas zu beurteilen. Aber letztendlich genieße ich meine Freiheit als Künstler.

 

Dein Album hat – schon allein durch die beteiligen Musiker und das Klangbild – einen sehr internationalen Touch. Glaubst du, dass du als Solokünstler auch international Erfolge feiern kannst? Zuvor kann man glaube ich sagen, dass es sich auf den deutschsprachigen Raum beschränkt hat, dort allerdings mit massivem Erfolg.

 

Ich habe viele positive Reaktionen aus dem Ausland bekommen und wir arbeiten im Moment am Realease des Albums in verschiedenen Ländern, wie z.B. Kanada, den USA und Japan. Ich hatte von Anfang an im Sinn, ein internationales Album zu machen. Ich  möchte den Fans meine Musik präsentieren, so wie ich sie fühle, abseits vom heutigen Mainstream. Erstaunlicherweise reagieren die Menschen zum Beispiel in den USA total anders auf die Songs als in Europa. Die Musikszenen liegen heutzutage ganz schön weit auseinander.

 

Stand es für dich zur Debatte den Posten des Sängers selbst zu übernehmen? Oder hältst du dich an der Gitarre für besser aufgehoben? Und um noch einen Schritt weiter zu gehen: Was hat Charlie Huhn für dich zur ersten Wahl auf dem Sängerposten gemacht?

 

Nun, ich habe auf dem Album einen sehr hohen Anspruch an die Musiker gestellt, deswegen habe ich mir auch die Besten engagiert, die ich finden konnte. Das gilt auch für den Gesang, ich hatte das Album ja in der Demoversion komplett selbst eingesungen, aber war nicht zufrieden damit, ich hatte die Songs anders im Ohr. Es war also klar, dass ich einen Sänger finden musste, der meine Ansprüche erfüllt. Den habe ich dann mit Charlie Huhn gefunden. Genauso wie er die Songs interpretiert, hatte ich es mir vorgestellt. Er fand die Demoversionen übrigens gut und wollte meinen Gesang kopieren, aber wir haben uns dann doch an die Albumversionen herangearbeitet...

 

Als sich deine Soloplatte noch in der Planungs- bzw. Vorbereitungsphase befand, wurdest du hier und da mit den Worten zitiert, dass du dir vorstellen könntest mit Kevin als Sänger deiner Soloband zu arbeiten. Was gab für dich im Nachhinein den finalen Ausschlag den Posten anderweitig zu besetzen? Oder wurde zu Beginn über eine grobe Überlegung schon zu viel geschrieben und hinein interpretiert?

 

Es gab einmal Pläne eine neue Band mit Kevin Russel zu gründen, die auch schon ziemlich weit fortgeschritten waren. Letztendlich hat er kurz vor dem Ziel einen Rückzieher gemacht, womit sich die ganze Geschichte erledigt hatte. Als ich dann fast ein Jahr später mit den Vorbereitungen für mein Soloalbum begann, spielte er aber keine Rolle mehr, da ich zu diesem Zeitpunkt schon nach einem anderen Sänger Ausschau hielt, der besser zu meinen neuen Songs passt.

 

Ich denke man kann guten Gewissens sagen, dass du mit den Onkelz so ziemlich alles erreicht hast, was man als Musiker in Deutschland schaffen kann – wenn man mal von Lobeshymnen bei MTV oder in der Bild absieht, hehe . Was verschafft dir immer noch die Motivation jetzt als Solokünstler weiter zu machen? Immerhin hast du am Lausitzring vor über 100.000 frenetischen Anhängern das Kapitel Onkelz beendet – was soll danach noch kommen? Viel Luft nach oben ist da nicht mehr...

 

Darum geht es mir gar nicht. Ich möchte mich als Künstler verwirklichen, ich möchte meinen eigenen Weg weitergehen, sehen wohin er mich führt, ich möchte gute Musik machen. Der musikalische Zeitgeist gefällt mir nicht, jeder ist doch unzufrieden mit der heutigen Musikszene, deswegen versuche ich einfach gute Musik, abseits vom Klischee, entgegenzusetzen. Aber ich warne davor mich in eine Schublade zu stecken! Das wird jetzt ja schon wieder versucht, wegen der südamerikanischen Einflüsse in ein paar Songs. Die nächste Platte kann ganz anders sein... Das Bindeglied in all den Songs ist doch, außer dass ich sie geschrieben habe, mein Gitarrenspiel! Und das funktioniert über alle Stilarten! Ich finde, das ich als Musiker dafür sorgen muss, dass die Musik interessant bleibt, der Fan interessiert ist und sich aus dem Gebotenen etwas herausziehen und behalten kann. Klar will ich meine Alben verkaufen, aber was spricht dagegen, dass sich gute Musik verkauft? Was spricht dagegen kontrovers zu sein? Auch bei den Fans? Letztendlich zählt die Ehrlichkeit im Ergebnis. Bei mir gibt es nichts Gefaktes, zurecht Gefeiltes. Keine Imageberatung, kein Styling. Nur Musik pur.

 

Du lebst jetzt seit einigen Jahren in Südamerika und hast Europa weitestgehend den Rücken zugewandt. Wie groß würdest du selbst den Einfluss deiner neuen, aber auch deiner alten Heimat auf dein erstes Soloalbum einschätzen?

 

Beide Einflüsse sind da, aber ich würde sagen in der Musik ist der Europäische und Nordamerikanische Einfluss am größten. Im Lebensstil setzt sich immer mehr der südamerikanische Einfluss durch. Allerdings bin ich eher Weltbürger, ich genieße alle Kulturen und werbe auch gern dafür, denn es gibt für jeden so viel zu entdecken! Noch einmal zur Musik: Ich sehe meine prägenden Jahre eigentlich in meiner Kindheit und als Jugendlicher, alles was mir damals gefiel, mag ich auch heute noch...

 

Der Unterschied zwischen Frankfurt und Uruguay dürfte dabei erwartungsgemäß groß sein. Würdest du sagen, dass dir etwas aus der Heimat fehlt oder dass es etwas gibt, das du vermisst?

 

Heutzutage ist doch die Heimat so nah. Ein Klick am Computer und du hast alles was du willst, Kontakte, Informationen, kannst sogar Einkaufen wenn du möchtest. Ich genieße meine Zeit hier, ich liebe es hier zu leben. Das ist Freiheit pur. Wie gesagt, es fehlt mir nichts. Na ja, hin und wieder ein Apfelwein vielleicht...

 

Wer einen etwas genaueren Blick in das Innere der Verpackung deines neuen Albums wirft, der findet dort auch die Aufklärung des Albumtitels „Barra da Tijuca“. Was genau ist das Besondere an diesem Ort, dass du sogar so weit gegangen bist, dein Album danach zu benennen?

 

Wir hatten während der Aufnahmen eine so phantastische Zeit in Barra, dass ich mir es nicht nehmen lassen wollte, das Album nach dem Ort zu benennen. Es dokumentiert diese lässige, zeitlose Atmosphäre jetzt für immer  - und ich freue mich jedes Mal, wenn ich denn Albumtitel lese. Eine sehr persönliche Sicht, ich hatte sogar erst überlegt das Album „The Barra da Tijuca Sessions“ zu nennen. Das war mir dann aber zu sehr nur auf die Musik fixiert – und so ist Barra da Tijuca“ daraus geworden. Als die Einheimischen von der Idee erfuhren, haben sie sich sehr geehrt gefühlt. Barra ist nicht nur Superlativ, sondern hat auch eine junge und kreative Szene.

 

Die Credits deines Albums offenbaren, dass deine Frau Verena ebenfalls an deinem Album beteiligt war, nämlich in produktionstechnischen Belangen. Der Rock N Roll hat also mittlerweile auch vor deiner Familie keinen Halt mehr gemacht. Würdest du sagen, dass „Barra Da Tijuca“ dadurch auch ein bisschen zu einer Familienangelegenheit geworden ist?

 

Nun, das war es bei mir ja schon immer. Selbst zu Onkelz Zeiten. Meine Familie stand immer an erster Stelle. Meine Söhne haben übrigens auch angefangen Musik zu machen! Die ganze Familie ist musikverrückt, der Lärm im Haus ist manchmal so enorm, dass ich mich lieber ins Studio flüchte, haha.

 

 

Du hast dein Solodebüt über dein eigenes Label veröffentlicht, anstatt dich einem größeren Konzern anzuschließen. Was waren deine Hauptgründe hierfür? Oder haben einige Labels am Ende sogar kalte Füße bekommen, weil sie nicht wusste wie sicher die Investition in einen Ex-Onkel ist?

 

Ja, das gab es auch, aber es gab auch Interesse von verschiedenen Labels. Letztendlich haben sich die Verhandlungen aber sehr lange hingezogen und ich wollte das Album auf dem Markt haben, sodass ich den Schritt zu einem eigenen Label gegangen bin. Eigentlich hat sich zufällig der Kontakt zu Intergroove ergeben und wir waren uns recht schnell einig. Zuerst wollte ich kein eigenes Label, aber jetzt bin ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. So bleibt alles in meiner Hand und ich habe meine Freiheit.

 

Im vergangenen Jahr hast du gemeinsam mit Rose Tattoo die Bühne unsicher gemacht. Wie kam dieses Gastspiel zu Stande und wie fällt dein Resümee aus?

 

Das Ganze war eine tolle Aktion, die sehr viel Spaß gemacht hat, ich kenne die Jungs von Rose Tattoo schon lange, wir waren ja schon öfters zusammen auf Tour und Holger Hübner hatte die Idee, uns einmal zusammen auf die Bühne zu bringen. Wir haben uns in Hamburg getroffen, ein paar Gigs gespielt und hatten ansonsten eine gute Zeit. Es war schön die Jungs mal wieder zu sehen und gemeinsam richtig abzurocken.

 

Vor einiger Zeit hast du einen Bildband über deinen Abschied am Lausitzring veröffentlicht. Was hat für dich damals den Reiz ausgemacht eine solche Zusammenstellung zu veröffentlichen? Und hat man nicht auch irgendwie ein komisches Gefühl, wenn man weiß, dass einem auf Schritt und Tritt ein Fotograf folgt, der unentwegt mit der Kamera drauf hält? Oder verlief alles mehr nach dem Motto „Die Kameras filmen sowieso alles, da können ruhig noch ein paar Fotos dazu kommen“?

 

Genau so war es. In punkto Fotos wollte ich für den letzten Gig unbedingt den besten Fotografen bei mir haben, den Deutschland auf diesem Gebiet zu bieten hat  - und so habe ich Ralph Larmann engagiert. Er war auch genau der Richtige für den Job, nach den zwei Tagen am Lausitzring hat er mir eine Auswahl von ca. 6000 Fotos präsentiert, die es in sich hatte. Ich habe das Buch schon vor der Show geplant, es war mir wichtig, meine Sicht der Ereignisse zu präsentieren, denn die deckte und deckt sich nicht immer mit der Offiziellen aus Frankfurt. Leider haben mir nicht alle Bandmitglieder die Erlaubnis erteilt, Fotos von ihnen im Buch zu benutzen, so dass das fertige Layout, in dem Fotos von allen enthalten waren, noch einmal umgearbeitet werden musste. Das war für die Fans sehr bedauerlich, denn das Buch sollte ihnen eine Einsicht hinter die Kulissen bieten und ein Souvenir sein. Na, eine kleine Einsicht in die Ereignisse dieser Tage bietet ja auch das Fehlen der Bilder!

 

Nächstes Jahr wirst du dann mit deiner Band erstmalig nach Europa auf Tour kommen. Was können die Fans sich von dieser Tour erwarten? „Barra da Tijuca“ kommt auf knappe 56 Minuten Spielzeit, du wirst also das Programm etwas strecken müssen, hehe. Besteht die Möglichkeit, dass die Fans auch in den Genuss des einen oder anderen Onkelznummer kommen werden?

 

Ja. Und auch in den Genuss von Songs aus der Karriere von Charlie, sowie einigen meiner Lieblingssongs in meiner Version, in der Version meiner Band. Wir können da in die Vollen greifen, sozusagen aus dem Besten auswählen. Die Konzerte werden ca. 90 Minuten lang sein, Ende offen, je nach Stimmung in der Halle. Wir bringen unsere eigene Lightshow und unser Bühnendesign mit. Ich freue mich schon auf meine neue Rolle und auch darauf mal wieder richtig Gas zu geben! Ich garantiere, dass keiner enttäuscht nach Hause gehen wird!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

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