Interview mit Holly D. von der LETZTEN INSTANZ

 

 

In „Der Garten“ singen Holly und Aylin Aslim sowohl in deutscher, als auch in türkischer Sprache. Wenn ich mich nicht irre lebt Holly aktuell sogar in Istanbul, ist eine derartige Kooperation also eine logische Folge daraus?

 

Logik ist vielleicht indem Zusammenhang ein etwas unpassender Begriff, das klingt so nach Berechnung und wenig nach Freude am Musik machen. Holly lebt einfach in diesem Umfeld und will sich dann eben auch so ausdrücken. Aylin ist eine großartige Sängerin und die zwei haben sich auf Anhieb super verstanden. Über den Tellerrand zu schauen hat uns schon immer Spaß gemacht und für uns „Westler“ kann es nicht schaden, unseren Horizont etwas nach Osten zu öffnen.

 

Abgesehen davon, dass ihr durch die Vermischung der Sprachen einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung beitragt, deute ich den Text so, dass ihr metaphorisch das Thema Glaube in den Mittelpunkt stellt und (wenn ich mich nicht irre) sagen wollt, dass am Ende eigentlich doch alle gläubigen Menschen zum gleichen Gott beten. Steht der besagte Garten in diesem Zusammenhang also stellvertretend für das Paradies?

 

Selten war ein Text von uns so deutlich wie „Der Garten“ und bei diesem Thema finde ich das auch gut so und natürlich ist der Garten Eden gemeint. Die Geschichte hat ganz viel mit „Schuld“ zu tun, also auch mit dem Konzept des Albums. Lohnt sich übrigens mal drüber nachzudenken, wer eigentlich die Schuld an der Vertreibung aus dem Paradies trägt: Mann, Frau, die Umstände, die Schlange, der Apfel, vielleicht gar Gott? Schuld ist nie eindimensional, auch wenn wir das gern glauben, weil es unser Leben kurzfristig einfacher macht.

 

Wie sieht es bei euch bandintern in Sachen Religion aus? Seid ihr eine im klassischen Sinn gläubige Band?

 

Wir glauben! An die Liebe, an das Gute, an einen Sinn, an Gerechtigkeit, an die Möglichkeit nicht immer grundsätzlich alles falsch zu machen. Nicht mehr und nicht weniger. Ob es dazu einen Gott braucht, wie man den benennt oder erkennt, das muss schon jeder selber für sich herausfinden. Da gehen die Meinungen auch in unserer Band sehr weit auseinander.

 

Apropos fremde Kulturen: Letztes Jahr seid ihr in China aufgetreten. Wie groß war der Kulturschock für euch? Oder hatte bei euch primär die Neugier auf etwas Neues die Oberhand?

 

Von Schock würde ich nicht reden. Uns hat eine herrliche Wärme, Begeisterung und Leidenschaft empfangen. Das Konzert war toll, die Menschen waren toll, das Essen war klasse (zumindest das vegetarische). Wir würden das jederzeit wieder tun und werden es auch. Ich persönlich war im Vorfeld sehr skeptisch, meine einzigen China-Erfahrungen stammten aus Tibet, einem besetzten und geschundenen Land. In Guangzhou sah das ganz anders aus. Offene, aufgeweckte, selbst denkende Menschen – China kann man nicht über einen Kamm scheren. Ein Gesamturteil von außen funktioniert hier gar nicht.

 

Viele Künstler, die schon einmal in China aufgetreten sind, erzählen hinterher von schwierigen Bedingungen für Künstler, vor allem wenn man wie ihr aus der westlichen Welt kommt. Die Staatsmacht muss wohl ein sehr genaues Auge darauf haben was in den Clubs und Konzerthallen gespielt wird. Oft müssen Künstler auch vorab ihre Texte übersetzen lassen und vorab einreichen, um etwaiger Regimekritik vorzubeugen. Musstet ihr ähnliche Hürden nehmen bevor ihr auftreten durftet?

 

Das war das erstaunliche für mich: Wir konnten gehen, wohin wir wollten, reden mit wem und über was wir wollten, filmen und fotografieren. Wir haben keinerlei Kontrollen oder Überwachung wahrgenommen und ich bin mir auch sicher, dass es keine gab. Auch die Leute mit denen wir Kontakt hatten und mit denen wir auch über „kritische“ Themen gesprochen haben sind soviel ich weiß noch wohlauf. Unsere Texte haben wir sehr wohl vorher abgeliefert und die wurden übersetzt und auf einer Großbildleinwand projiziert. Aber bitte, da waren Songs wie „Wir sind allein“ dabei. Ich denke, um da gesperrt zu werden müsste man die chinesische Staatsmacht schon direkt angreifen.

 

Das Comic-artige Cover von „Schuldig!“ ist für euch etwas völlig neues, denn ein derartiges Artwork hattet ihr bis dato noch nie. Wolltet ihr damit schon auf den ersten Blick deutlich machen, dass euch nach der intensiven Arbeit an euren Akustikveröffentlichungen der Sinn mittlerweile wieder nach etwas völlig anderem steht? Und inwieweit besteht eine Verbindung zwischen dem Albumtitel und dem von euch gewählten Artwork?

 

Braucht man immer einen Sinn? Ich finde Musik, Textinhalte, CD-Titel, Cover-Artwork und Image der Band müssen sich wie eine Einheit anfühlen. Da muss man nicht immer fragen, warum welcher Strich wo sitzt. Und ich finde, das fühlt sich diesmal alles sehr stimmig an. Aber wenn du es etwas detaillierter magst: „Schludig“ – „Unschulds-Engel“, das ist nahe liegend und, dass der bei uns schwarz ist, fanden wir auch passend, sozusagen als Gegenstück zum weißen Engel, dem Krieger des Lichts. Auf dem Album dreht sich viel um Schuld und dem Hang unserer Spezies sich ständig mit Schuldzuweisungen zum umgeben.

 

In diesem Zusammenhang könnte man auch die Frage stellen, ob die rockige Ausrichtung eures neuen Albums in erster Linie den nötigen Stilwechsel für euch als Musiker oder die Fans als Hörer darstellt. Oder glaubst du, dass beide Seiten langsam aber sicher wieder eine Rock N Roll Injektion gebrauchen konnten? ;-)

 

Wieso Stielwechsel, wir machen unser Ding, nur, dass es uns nach der Akustik-Tour einfach nicht mehr auf den Stühlen gehalten hat. Wir hatten wieder Lust auf Rock’ n Roll, auf Energie und Krach. Unseren Fans geht es glaube ich ähnlich. Die Akustiktour war eine tolle Erfahrung, vielleicht machen wir das irgendwann noch mal, aber jetzt es wieder Zeit für Bewegung. Ich finde, das fasst der Text von „Komm!“ super zusammen: „tanzende, die leben wollen - lebende, die tanzen sollen - wollen wir das, wollen wir das - wollen wir wieder auferstehen - zeitlos wäre ewig schön - wollen wir das, wollen wir das, wollen wir das….“

 

Beobachtest du nach 12 Jahren Letzte Instanz eigentlich immer noch, was sich über dich und deine Band in Sachen Pressefeedback tut? Liest du Rezensionen und Live-Reviews zu deiner Band? Es gibt schließlich auch nicht wenige Musiker, die davon bewusst absehen. Zudem kann ich mir vorstellen, dass man nicht gerade erfreut ist, wenn die eigene Band wie aktuell in einer großen deutschen Metal Gazette mehr oder minder verrissen wird... ;-)

 

Soll ich ehrlich sein? Ist mir mittlerweile egal. Ich habe keine Ahnung, warum die Metal- Presse uns hasst, da können wir nur alles falsch machen. Andere Bands - und da will ich keine Namen nennen - können jeden Mist abliefern und werden dafür gefeiert. Aber was soll es, für uns zählt die Meinung der Fans und unsere eigene natürlich. Mir fällt auch zunehmend auf, dass die Verrisse in der Presse immer sehr schnell beleidigend und unsachlich werden, das Rockhard ist da seit Jahren ganz weit vorn. Mittlerweile finde ich das sogar gut, wir wollen polarisieren. Wir machen uns mit unserer Musik angreifbar, weil wir mit Leib und Seele dabei sind und es gibt ja auch zahlreiche Journalisten, die genau dass an uns mögen.

 

Zum Abschluss noch ein kurzes Tippspiel. Dass „Schuldig!“ charten wird, steht für mich außer Frage. Unabhängig davon ob und wenn ja was ihr euch als Ziel gesetzt haben mögt: Auf welchem Platz wird die Letzte Instanz in der ersten Verkaufswoche landen? Ich lege hier mal eine 38 vor, hehe.


Also: Die Plattenfirma hat „mindestens Top 50“ als Leitlinie ausgegeben, ich will unbedingt vor Project Pitchfork landen. Schätze mal es wird Platz 32 werden. Was bekomme ich, wenn ich recht habe? Haha!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.letzte-instanz.de