Interview mit Holly D. von der LETZTEN INSTANZ

 

Seit eurem letzten Album "Ins Licht" ist gerade mal ein Jahr vergangen und schon habt ihr mit "Wir sind Gold" euer nächstes Album am Start. So schnell wart ihr noch nie beim Nachlegen eines Folgealbums, wenn man "Live", das etwa ein Jahr nach "Götter auf Abruf" veröffentlicht wurde, mal ausklammert. Hattet ihr noch Ideen von der vorherigen Session über, die jetzt zum Zuge kamen? Oder wolltet ihr einfach am Ball bleiben nach den Schwierigkeiten nach dem "Götter auf Abruf"-Release und sozusagen eure "Versäumnisse" nachholen?

Holly D.: Beides! Wir hatten natürlich vor der Veröffentlichung von "Ins Licht" ein mulmiges Gefühl, neues Line-Up, fast 3 Jahre Ruhe um die Band. Dass unsere Fans die neue Instanz so gut angenommen haben und "Ins Licht" unsere bis dahin erfolgreichste Platte wurde, hat uns einen riesigen Auftrieb gegeben. Wir waren einfach heiß drauf genau da sofort weiter zum machen. Außerdem weiß man direkt nach dem Studio am besten, was man beim nächsten Mal noch besser machen kann und will. Warum erst warten, bis die Erkenntnisse wieder verblassen? Also, die Ideen waren da, die Lust war da, die Plattenfirma hat uns unterstützt, wir hatten auch keine Zeitverluste wegen neuerlicher Besetzungswechsel, also haben wir gleich nachgelegt. Abgesehen davon wollten wir zeigen, dass wir jetzt einfach wirklich wieder da sind und auch bleiben. Das waren und sind wir unseren Fans einfach schuldig.

Da ihr im letzten Jahr wie gewohnt viel getourt seid, muss das Album zu großen Teilen zwangsläufig unterwegs entstanden sein. Seid ihr eine Band, die mittlerweile on the Road genauso gut komponieren kann wie im stillen Kämmerlein? Schließlich wohnen eure Bandmitglieder über das ganze Land verteilt, womit die Touren eigentlich die einzige Möglichkeit für kollektives Arbeiten sind.

Das mit dem kollektiven Arbeiten ist schon extrem wichtig und hat bei "Wir sind Gold" eine große Rolle gespielt. Allerdings eher in der Produktion also in der Komposition. Dazu muss ich mal bisschen weiter ausholen und unsere Arbeitsweise erklären, ist ja vielleicht nicht uninteressant. Also, die Ideen für die Songs kommen von verschiedenen Autoren in der Band. Auf dem neuen Album waren das Herr Stolz, Oli und Micha. Jeder, der Ideen hat schickt die per Internet rum. Wenn es gefällt, wird dran gearbeitet. Jeder hat seinen Ministudio zu Hause und schickt seine Anregungen rum. Irgendwann gibt es eine vorzeigbare Version, dann setzt sich Holly an Text und Gesangsmelodie. Dann wird das wieder diskutiert, dabei bleiben diverse Parts auf der Strecke, neue entstehen. Dann kommt der Oli und geht die gesamte Komposition noch mal durch, ob das so auch alles richtig ist und schreibt die Sätze für die Studio-Streicher. Bis dahin haben wir noch keine Note zusammen gespielt. Diesmal war es so, dass wir noch vor der Herbsttour Schlagzeug, Bass, Gitarren und Streicher aufgenommen haben. Dann wurde in den Tourbus ein Studio eingebaut und wir haben dann die 16 Tage der Herbsttour genutzt um am Gesang zu feilen, Elektronik zu programmieren und die Arrangements zu verfeinern. Das hatte den großen Vorteil, dass jeder noch mal mit am Material arbeiten konnte. Es ist eben unser aller Baby geworden.

In textlicher Hinsicht scheint es mir so, als ob ihr im Vergleich zu "Ins Licht" wieder lyrischer geworden seid und unterm Strich nicht ganz so direkt daher kommt. Glaubst du, dass ihr textlich weitestgehend eher an den eher anspruchsvollen letzten 5 Stücken von "Ins Licht" angesetzt habt, denn an eher direkten Nummern wie "Tanz"?

Texte werden aus der Zeit geboren. Holly verarbeitet, was er erlebt und das in einer sehr freien und bildhaften Sprache. Er hat dieses Mal einfach seine Freiheiten genutzt. Bei "Ins Licht" war Holly neu, er hatte auch immer im Hintergrund die Frage, was erwartet die Band von mir, wie sieht ein Instanz-Text eigentlich aus. Inzwischen ist Holly 100-prozentig in der Band angekommen. Er ist Stimme und Texter der Instanz, da schreibt es sich deutlich freier und das merkt man den Texten an. Ich mag sehr, dass seine Geschichten immer mehrere Ebenen haben, sich bestimmte Aspekte auch erst beim mehrfachen lesen erschließen. Die Musik der Letzten Instanz ist eine Entdeckungsreise und die Texte sind es inzwischen auch.

 

Wer hat generell den größten Einfluss auf eure Texte auf "Ins Licht" bzw. "Wir sind Gold"? Denn Vermerke im Booklet sucht man vergebens, was auch bei "Götter auf Abruf" der Fall ist. Entstehen die Texte immer noch im Kollektiv, wie etwa auf "Kalter Glanz"? 

Die Texte sind bei uns noch nie wirklich im Kollektiv entstanden, ich glaube auch, das geht nicht. Die Geschichten sind intim und sagen immer auch viel über den Schreiber. Sowohl auf "Ins Licht", wie auch bei "Wir sind Gold" hat Holly alle Texte geschrieben, was nicht heißt, dass er nicht auch Anregungen seiner Bandkollegen aufgenommen hat. Natürlich reden wir über die Texte, wenn sie fertig sind, aber final hat Holly da schon das Sagen.

"Wir sind Allein" war das erste neue Stück, dass ihr schon im Rahmen der Herbsttour vorgestellt habt. Wie ist die Wahl auf gerade diese Nummer gefallen? Einfach weil sie als erstes fertig gestellt war und somit auch ausreichend geprobt wurde? Oder doch eher als repräsentatives Stück für "Wir sind Gold"?

Alles in einem: Der Song war fertig, funktionierte gut und ist repräsentativ für das ganze Album - vor allem auch thematisch. Wir hatten ja auch den Zeitplan der Veröffentlichung schon im Hinterkopf, deshalb haben wir uns jeden Abend gefreut, eine neue Nummer spielen zu dürfen und für die Fans hat es auch funktioniert. Wir hatten noch nie soviel Resonanz auf einen vorher noch nie gespielten Song. Wobei man natürlich einräumen muss, dass die Refrainmelodie durch die Inchties (gemeint sind die
Inchtabokatables, sozusagen die Vorgängerband der Instanz, Anm. d. Aut.) schon hinreichend bekannt war.
 

Auf dem Stück ist auch ein Kinderchor zu hören, weshalb ich "Wir sind Allein" beim Kennenlernen der Platte euren "Pink-Floyd-Song" genannt haben, wegen der Affinität zum Kinderchor von "Another Brick in the Wall" ;-) .  Habt ihr den Chor live einsingen lassen oder wurde mit Samples gearbeitet? Und habt ihr erneut mit dem Berliner Kinderchor gearbeitet, welcher schon auf "Götter auf Abruf" zu hören war?

Der Gedanke liegt nahe, dem ist aber nicht so. Diesmal waren es Kinder aus einer Schule in Berlin Hohenschönhausen. Die hat Bodo Kommnick aufgenommen, ein Berliner Produzent, der bei "Ins Licht" die Gesangs- und Streicheraufnahmen gemacht hat. Der Chor war ursprünglich für die Demoaufnahmen gedacht, war dann aber so gut, dass wir ihn nicht noch mal neu aufnehmen mussten. Die Botschaft von "Wir sind allein" ist eine positive, eine Hoffnung, eine Aussicht auf eine bessere Welt. Wer könnte das besser transportieren als Kinder.

Ein Video zu diesem Song habt ihr ebenfalls kürzlich im Netz veröffentlicht. Ist das Teil denn auch an die nationalen Musiksender gegangen oder dient es mehr oder minder der Promo im Web bzw. wolltet ihr euch einfach mal den Luxus eines Clips gönnen?

Wir haben ja bisher kaum Videos gemacht. Der Clip für "Wir sind allein" war ein Experiment, ein Einstieg in ein neues Medium. Und wir finden das ist geglückt. Der Film transportiert die Stimmung des Songs sehr gut. Die Bildsprache finde ich toll. Außerdem war es auch ein Kniefall vor unseren Fans. In Forum und auf Konzerten tauchte die Frage nach einem Video immer wieder auf, da kann man nicht ewig nein sagen, haha.

Habt ihr lange gebraucht, um Specki davon zu überzeugen für euch den Straßenpenner zu mimen? ~grinst~

Specki T.D. kann nicht malen und wollte nicht auf den Friedhof, außerdem konnte er in seiner Rolle Bier trinken. Da war nicht viel Überzeugungsarbeit nötig.
 

Aber um zum Thema zurück zu kommen: Insgesamt wirkt "Wir sind Gold" auf mich komplexer als sein Vorgänger und es scheint als hättet ihr häufig mit sehr vielen Tonspuren gearbeitet, wie ihr es etwa bei "Das Stimmlein" getan habt. Glaubst du, dass "Wir sind Gold" insgesamt anspruchsvoller geworden ist?

Ganz klar ja. Wir haben uns viel mehr geleistet, zum Teil auch sehr komplexe Arrangements. Den Mut hatten wir auf "Ins Licht" noch nicht, da ging es darum, sich zurück zu melden. Die Frage ist doch immer, wohin entwickelt sich unsere Musik. Unterhaltung zum Bügeln gibt es schon jede Menge, unsere Stärken liegen bei unserem breiten Instrumentarium und in den Kompositionen. Unser Anspruch war und ist eine Kombination aus klassischen Streichern und moderner Rockmusik, dass da kein leichter Pop daraus wird, ist eigentlich klar.

Im August gebt ihr euch beim Wacken Open Air die Ehre, welches für seine traditionelle Ausrichtung und eher konservativen Besucher bekannt ist. Was erwartet ihr euch von dieser Show, schließlich seid ihr doch Exoten neben Bands wie Blind Guardian und Saxon. Andererseits wurden eure Kumpels von Subway to Sally auch ziemlich positiv aufgenommen im Vorjahr. Sorgt das für Zuversicht?

Wir haben keine Angst. Die Metaller haben auch schöne Frauen, haha! Nein, im Ernst - haben sie wirklich.
 

Apropos Metal-Publikum: Vor allem seit dem Release von "Ins Licht" ist mir häufiger aufgefallen, dass viele Metaller eure Musik für sich entdeckt haben. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Ein breites Publikum habt ihr schon immer angesprochen, aber die Gothics waren bisher eigentlich immer leicht in der Überzahl, wenn man so will. Kann die Instanz noch zu Headbangers-Liebling werden?

Oh, ich weiß es nicht. Der Metal Hammer präsentiert uns auch zu "wir sind Gold", ich denke mal auch die Headbanger haben ein Herz im Leib und solange das links schlägt sind sie immer bei uns willkommen. Und wenn sie schon mal da sind, dann haben wir auch ein paar härtere Nummer mit im Gepäck. Wir hatten schon immer auch Bock auf Metal, ob das "Medusa", "Salve Te" oder "Krieg der Herzen" war. Auch auf dem neuen Album sind ziemliche Metalstampfer drauf, ich denke da nur an "Sie kommen" und "Worte brennen gut". Es gibt eben einfach Momente im Leben, da helfen nur noch 7-saitige Gitarren.

Interview: Markus Rutten - www.sounds2move.de

Link: www.letzte-instanz.de

Kommentare: "Wir sind Gold" von der LETZTEN INSTANZ
Diese Band muss immer noch voller Ideen gesteckt haben, nachdem ihr letztes Album „Ins Licht“ vor erst etwas mehr als einem Jahr erschien. Eine Schaffenspause war nicht nötig und so veröffentlicht man mit „Wir sind Gold“ nach so kurzer Zeit ein komplett stimmiges Album, das voller Details steckt, die darauf warten, entdeckt zu werden. Die Letzte Instanz zeigt sich als feste Einheit, der Sängerwechsel und die diversen anderen Line-Up-Wechsel der letzten Jahre scheinen die Inspiration nur weiter gesteigert zu haben, das neue Werk klingt frisch und reif zugleich und bietet jede Menge Hits und Hymnen. Mit Balladen („Das Monument der Stille“) überzeugt das Septett ebenso wie mit flotteren Stücken („Maskenball“), die allesamt live mehr als gut ankommen dürften. Die Letzte Instanz erwartet noch Großes, selbst wenn es nicht in dieser Geschwindigkeit weitergeht.
Noch klingen die Töne des letzten Silberlings im Ohr, da bringen die Jungs der Letzten Instanz schon wieder frisches hörbares Material ans Tageslicht. Das aktuelle Album klingt auf Anhieb nicht ganz so homogen wie sein Vorgänger. Man muss sich die Lieder erst erhören, denn nur selten bleibt gleich bei der ersten Rotation etwas hängen. Aber je mehr Zeit man der Scheibe lässt, desto mehr offenbart sie von sich. Die bayrisch, sächsisch, berlinerische Formation überzeugt mit einem abwechslungsreichen, kantigen Album, das mit Titel wie “Du und Ich“ und “Worte brennen gut“ voll auf die zwölf geht, aber auch im ruhigen Segment mit Titeln wie “Monument der Stille“ und “Komm nie zurück“ einiges zu bieten hat. Im gesamten kommt mir das neue Baby der Instanz nicht mehr ganz so persönlich vor wie “Ins Licht“, sondern holt thematisch einfach weiter aus. Mit der absoluten Oberhymne “Wir sind allein“ (Originalversion “You chained Me up“) überzeugen sie bestimmt nicht nur mich als alten Inchtabokatables-Jünger, sondern auch den Rest der feierwilligen Fanschar dort draußen. So aber jetzt genug mit all dem tipseln hier, muss mich erstmal weiter hineinhören, in “Wir sind Gold“.