Interview mit Liv Kristine von LEAVES’ EYES

 

 

Seit "Vinland Saga" sind lange vier Jahre vergangen. Dazwischen seid ihr auch mit eurem Studio umgezogen und habt die EDV neu aufbauen müssen. Wie zermürbend war es für dich / euch, über so lange Zeit sozusagen wie die Glucke auf dem Ei auf euren Songs hocken zu müssen, ohne dass endlich ein neues Album veröffentlicht werden konnte?


Die Zeit zwischen "Vinland Saga" und "Njord" haben wir als "Entwicklungsphase" gebraucht. in 2007/2008 kam, wie du erwähnt hast, der Umzug aus dem gemieteten Fellbacher Studio in unser frisch gebautes Studio bei uns vor Ort in Steinheim. Vom ersten Stein sozusagen bis zu den letzten technischen Feineinstellungen liefen fast 2 Jahre. Es ist ein enormer Aufwand gewesen. In dieser Zeit haben wir auch unsere DVD gemacht und gleichzeitig das Album komponiert. Zu den finalen Aufnahmen kam es erst 2008/2009 und wir haben uns die Zeit genommen, die wir gebraucht haben, um unser gemeinsames Ziel erreichen zu können. In unseren Köpfen, und dann als Demos, haben die Songs schon lange existiert. Es ist natürlich ein wahrer Luxus, ein eigenes Studio zu besitzen, d.h. wir haben so viel Zeit im Studio verbracht, wie es meiner Meinung nach nötig war, um die Songs zu perfektionieren. Wir haben jedoch
hunderte von schlaflosen Nächte hinter uns, insbesondere mein Mann Alex, der auch unser Produzent ist, aber das war es auf jeden Fall wert. Ich bin unheimlich stolz auf das Album, und auch auf meine Jungs. "Lovelorn" war ein sehr frisches Debütalbum, die "Vinland Saga" eine sehr gute Weiterentwicklung davon und gleichzeitig die Manifestierung von unserem Sound. "Njord" ist die Perfektion davon. Darüber sind sich die Journalisten und Fans einig und das freut mich sehr. Es wird immer wieder erwähnt, dass "Njord" und das Jahr 2009 der Anfang einer wunderbare Reise für Leaves' Eyes und die Fans sein wird. Ich hoffe, das Universum hört diese Worte!

Es kommt mir so vor als wäre "Njord" euer bisher folkigstes Album und an manchen Ecken kann man verstärkt irische Einflüsse heraushören. Wer von euch ist der Irish Folk Fan?
 

Der Grund dafür ist, dass ich in meiner ersten Konzeptidee zu "Njord" eigentlich eine irische mittelalterliche Geschichte der Wikinger aufgreifen wollte. Als dann mehrere Demos entstanden sind, habe ich deutlich gemerkt, dass wir uns über die irischen "Landesgrenzen" bewegt haben. Ich lasse immer die Musik "sprechen" und mich inspirieren, egal ob es um den Gesang geht, oder um das Konzept und die Texte. Darum hat sich die Reise mit den Wikingern, auf die wir unsere Hörer auf „Njord“ mitnehmen, "erweitert". "Morgenland" geht in die arabische Welt, "Northbound" in den Norden, "Emerald Island" und "Irish Rain" finden in Irland statt, "Battle of Maldon" und "Scarborough fair" in England, "Champs de Lavande" in der Provence, Frankreich, "Take the Devil in me", "Ragnarok", "Njord" und "Fröya's theme" reisen durch die nordische Mythologie, um einige Beispiele zu erwähnen. Irish folk Fans sind in erster Reihe Alex, Tosso und ich. Alex und ich verbrachten unsere Hochzeitsreise 2003 an der Westküste Irlands, und ich konnte sehr viel Kulturelles, Historisches und Musikalisches entdecken und mit nach Hause nehmen.

Apropos Folk: Alex hat während der Listening Session verlauten lassen, dass eure nächste Scheibe wohl ein Folk-Album werden wird. Wie weit sind die geistigen Planungen diesbezüglich schon fortgeschritten? Steht bereits definitiv fest, dass Leaves' Eyes-Album Nr. 4 kein Rock/Metal-Album wird?


Ich würde das Folk-Album als kein reguläres Leaves' Eyes Album bezeichnen. Diese Lieder stammen zum größten Teil von Tosso und mir und wir haben so viele Ideen, dass wir ein ganzes Album damit füllen können. Wir sind schon halbwegs mit den Aufnahmen durch und rechnen damit, im Sommer/Herbst 2010 fertig zu sein. VÖ wird dementsprechend im Herbst sein. Danach folgt eine längere Tour. Erfahrungen damit haben wir schon auf unseren Akkustik-Tourneen durch mehrere Saturn- und Media Märkte in Deutschland gemacht. Es macht mir Spaß, a capella zu singen, meist ganz ohne Technik. Dadurch können wir unseren Fans auch etwas näher kommen, etwas was meistens schwierig ist in Verbindung mit großen, aufwändigen Shows und Festivals. Es ist zugleich eine Möglichkeit für uns, uns bei den Fans und Freunden der Band für die Treue bedanken zu können.
 

Für das neue Album hast du zum zweiten Mal, nach dem "Atlantis"-Album von Atrocity, wieder eine Fantasiesprache entwickelt. Warum hast du dir die Arbeit nicht gespart und einfach eine existierende Sprache genommen und wie kann man sich die Entwicklung und Ausarbeitung eines solchen Projektes vorstellen? Gehst du dabei nach dem Wortklang wie sich etwas sprechen lässt, oder orientierst du dich vielleicht an bereits existierenden Sprachen?


Du hast recht. Gut, auf der "Njord"-Platte habe ich mich richtig austoben dürfen, je nachdem, was die einzelnen Lieder von mir verlangen. Es sind insgesamt acht Sprachen auf dem Album zu finden - englisch, alt-englisch, gälisch/alt-irisch, französisch, norwegisch, isländisch, mittelhochdeutsch und eine "fiktive" Sprache, bzw. Lautkette. Für französisch und gälisch habe ich Hilfe gebraucht, das musste einfach sein. Wenn ich das Gefühl habe, es gibt keinen perfekten Wortklang oder Wortkombination für ein musikalisches stück in den bereits existierenden Sprachen, mit denen ich schon zumindest etwas zu tun hatte, mache ich einfach meine eigene. Die Lieder müssen authentisch klingen, und der Klang muss immer "optimal" sein. Jedes Wort, das nicht so klingt, wie ich es mir vorgestellt habe, wird rausgeschmissen und/oder ersetzt. Das braucht Zeit und ist aufwendig, aber ich bin wenn es um Klang geht eine Perfektionistin. Mein Gehör war schon immer extrem fein und ich habe mir aus diesem Grund nicht die Mühe machen müssen, Noten lesen zu lernen. Ich arbeite eben mit meinem Gehör und das reicht vollkommen aus. Eines Tages werde ich vielleicht Gesangsunterricht nehmen wollen oder mich in die Notenlehre vertiefen wollen, aber ich glaube das hat noch Zeit.

Nimmt man die EP und das Album zusammen, dann kommt man inklusive B-Seiten und Alternativversionen auf satte 18 neue Songs, die ihr in diesem Jahr veröffentlicht habt. Habt ihr trotzdem noch weitere B-Seiten auf der hohen Kante, um evtl. eine weitere Single machen zu können? Tosso sagte mir mal, dass massig Material entstanden sei. Wie viel Material ist im Moment noch übrig?


Gut gezählt! Ja, einige Ideen haben keinen Platz auf dem Album gefunden, darum machen wir das Folk Album, da sich diese Songs eher Richtung Folk orientieren. Sowas kann eben passieren, wenn man/frau ein eigenes Studio hat. Hier in Steinheim ist immer jemand im Studio, da wir uns ständig abwechseln und feste Wochenpläne haben, wer wo was macht. So kann ich auch sehr effektiv arbeiten wenn mein Kleiner nicht zu Hause ist, um wiederum 100% für meine Familie da zu sein, wenn mein Sohn zu Hause ist. so kommt keiner zu kurz und die Band ist "maximal produktiv".
 

Eure Bassistin Alla ist wie alle anderen Bandmitglieder auch auf dem Cover von "Njord" zu finden. Darf man daraus schließen, dass sie inzwischen fest zur Band gehört und nicht mehr wie anfangs angekündigt nur als Session-Musikerin mit von der Partie ist?


Alla gehört zur Band, auch wenn sie bis jetzt noch keine Musik für Leaves' Eyes komponiert hat. Sie ist eine erstklassige Musikerin und eine tolle Freundin. Ich schätze es sehr, dass sie viel Power hat und wir erzählen uns unterwegs immer Geheimnisse, die nichts für Männerohren sind, hehe. Sie heult auch niemals herum, wenn sie auf Tour keine dusche hat und sie kann gut organisieren. Das ist eben oft notwendig wenn wir mit Band und Familie wochenlang in der ganzen Welt unterwegs ist, damit es angenehmer für groß und klein ist.
 

Wo wir gerade bei Bandmitglieder sind: Wäre es für die MFVF-DVD nicht interessant gewesen auch die ehemaligen Leaves' Eyes Mitglieder zu Wort kommen zu lassen? In den Interviews und Portraits kommt nur der "harte Kern" zu Wort: Alex, Tosso, Matze und du.

Ich kann dir gar nicht wirklich sagen, warum das so ist. Ich vermute aber, dass der Abschied für unsere Ex-Bandmitglieder ziemlich heftig und tiefgehend war. Dann ist eben Abstand der leichtere Weg, statt sich damit noch mal hautnah befassen zu müssen. Ich kann es nur vermuten, aber ich hätte es auch nicht gewollt, auf einer Theatre of Tragedy-DVD Interviews zu geben, nachdem meine Zeit in der Band nur noch zur Geschichte gehört.

Das Video zu "My Destiny" habt ihr jüngst in Schweden abgedreht. Tut es dir als waschechte norwegische Wikingerbraut nicht ein bisschen in der Seele weh, dass ihr nicht wie es sich eigentlich gehört in Norwegen filmen konntet, hehe?


Gute Frage, hehe. Wir Norweger machen immer Witze über die Schweden und umgekehrt, aber brüderlich lieben tun wir uns trotzdem. Ich habe oft in Schweden Ferien gemacht, oder bin über die Grenze gefahren um einzukaufen, weil dort alles etwas billiger ist als in Norwegen. Die Schweden haben zum größten Teil eine andere Natur, aber ich finde das Land sehr, sehr schön, und die Leute sind sehr freundlich und offen. Ein Video in Norwegen zu drehen wäre wahrscheinlich doppelt zu teuer. Außerdem wollten wir unbedingt mit dem Revolver-Team arbeiten. Patrick ist eben unglaublich gut und mit dem Video von "My Destiny" sind wir mehr als zufrieden!

Vor einigen Monaten hast du einen neuen Solo-Vertrag mit Napalm Records unterzeichnet. Wie sieht es an der Solo-Front aktuell bei dir aus? Wenn ich mich recht erinnere, seid ihr theoretisch schon recht weit fortgeschritten mit dem Material, wann also darf man mit deinem  nächsten Alleingang rechnen? Hast du bei Napalm wieder nur für ein Album unterzeichnet wie zuletzt bei Roadrunner oder planst du diesbezüglich schon etwas weiter voraus?


Du hast recht. Mein drittes Soloalbum - vermutlicher Titel "skintight", 'hautnah' -  wird gerade von Alex im Nebenzimmer gemischt. Wir werden in 2 Wochen etwa fertig sein, werden jedoch ein wenig warten mit der Veröffentlichung, ich denke bis Ende 2009/ Anfang 2010, da "Njord" gerade frisch auf dem Markt ist. Morgen und übermorgen werden bereits das Cover und die Promobilder gemacht, d.h. wir sind echt gut in der Zeit, was auch mal nicht schlecht ist. So können wir nachts tatsächlich in unseren Betten schlafen und müssen nicht bis fünf Uhr morgens im Halbschlafzustand "Knöpfe drehen", weil der VÖ-Termin näher rückt. Mit Napalm Records habe ich mehr vor, als nur ein Album zu veröffentlichen. Mit mehreren Majors habe ich mittlerweile meine Erfahrungen gemacht, sowohl positive als auch negative. Das Wichtigste für mich ist mein Entscheidungsrecht, d.h. ich möchte 100% Kontrolle haben über das, was ich mache. Das große Geld kann manchmal eher eine Gefahr sein, weil es dann mehrere Leute gibt, die ein Wörtchen zu deiner Musik, dem Artwork oder den Texten mitreden wollen. Ich mache es lieber selber, und die Jungs und Mädels bei Napalm lassen mich machen. Das ist fein so.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.leaveseyes.de