Interview mit Oliver Schmid von LACRIMAS PROFUNDERE

 

 

Du hast mir mal unter vier Augen verraten, dass du während der Arbeiten zu den neuen Songs zuletzt fast immer am Ende eine Metalsong vor dir liegen hattest, also einen, der theoretisch zu hart für LP klingen könnte. Hast du schon mal mit dem Gedanken gespielt dieses „Metalbedürfnis“ in einem Nebenprojekt zu kanalisieren? Eine andere Idee wäre eine Bonus-CD mit hartem Stoff für eine mögliche Limited Edition oder etwas in dieser Art.

 

Hahaha, ja was lernen wir daraus: Keine privaten Gespräche mit nem Mann von der Presse! Hahaha, nein das stimmt schon, es war diesmal sehr viel Material am Start welches zu Lacrimas nicht passen wollte, ob es harter Stoff war, der in die In Flames Richtung tendierte oder Rock N Roll a la Buckcherry oder meinen Faves Motley Crüe. Du wirst lachen, ich hatte sogar schon mal so ein Rotz-Rock Projekt angedacht, auch kam mal eine Anfrage des Labels, ob John (Fryer) und ich zusammen eine Goth Metal Platte mit Female Vocals schreiben würden, aber ich kann eben nur eine Band richtig machen und mein ganzes Herz schlägt für Lacrimas Profundere! Bevor ich nun ein Projekt gründe, das ich dann nur halbherzig mache, lass ich es dann doch lieber sein! Ltd. Edition wäre auch ne coole Idee, aber wenn etwas nicht zu Lacrimas passt, möchte ich auch nicht, auch nur auf ner Beilage, dass der Name Lacrimas drauf steht! Kennst das ja, nur wo … drauf steht ist auch … drin.

 

Viele wissen gar nicht, dass du eigentlich passionierter Metalhead bist. Ich weiß zum Beispiel von dir, dass du einen Schwäche für Manowar hast, wenn auch nicht für alle Alben, hehe.

 

Ja klar! Ich liebe Iron Maiden, Manowar, WASP, Overkill usw.! Es gibt nichts Schöneres als im Bus zu einem Gig zu fahren und während der Fahrt zu den Klassikern seiner Jugend mitzugrölen. Kennst du das Saufspiel, das Crowbar erfunden haben? Immer wenn in nem Manowar Song das Wort „Kill“, „Die“ oder „blood“ vorkommt muss jeder einen kleinen Jägermeister trinken. Ich kann mir gut vorstellen, dass alleine nach dem „Genus“ des Songs: „Kill with Power“ nur mehr die Hälfte der Anwesenden stehen kann. Großartige Idee übrigens, die wir ab heute garantiert vor jedem Gig unserer Tour ausgiebig testen werden!

 

Welche aktuellen Metal-Platten sind dir jüngst untergekommen, die dir richtig gefallen haben und die bei dir derzeit häufig laufen?

 

Die neue Bullet for my Valentine – „Fever“ find ich ganz geil, auch die „Ironbound“ von Overkill ist schon jetzt ein Klassiker.

 

Bleiben wir noch kurz bei meinem Metal-Aufhänger: Auch für das Artwork von „The Grandiose Nowhere“ habt ihr einen klangvollen Namen aus dem Heavy-Zirkus verpflichtet, nämlich Niclas Sundin von den Melodic Death Urgesteinen Dark Tranquillity. Was macht seine Arbeit so passend für Lacrimas Profundere im Allgemeinen und das neue Album im speziellen?

 

Das ist auch eine Band, die ich seit mehr als 10 Jahren höre! Als Niklas und ich das Artwork zur „Ave End“ ausbaldowert hatten, merkte ich sofort, dass wir auf einer gemeinsamen Wellenlänge liegen. Mir gefallen fast alle seine Arbeiten und ich wollte, wie man evtl. auch an den Songs hört, wieder mehr in die „Ave End“-Richtung gehen. „Side“ war übrigens, kurz zu deinem Review, nicht als Suicide Sun „Nachfolger“ sondern wirklich als „Ave End“ Part 2 gedacht und ich finde, dass der Song mit dem Metalriff am Anfang und im Zwischenteil echt böse heavy klingt. Niklas und ich hatten uns dann sehr schell auf das Motiv festgelegt, nur die Farbgebung dauerte ein wenig. Ich hab ihm dann einfach die Kinoplakate meiner Lieblingsfilme wie z.B. „Shoot em Up“ geschickt und 2 Tage später war das Ding durch! Er hat mir übrigens erst letztens gemailt, dass er das Cover auch sehr gelungen findet und ich wollte auf jeden Fall auf deren Tour im Oktober mal reinschauen und hallo sagen, nur sind wir da gerade, wenn alles klappt selbst auf Tour durch die USA.

 

Wie bei so vielen Bands aus eurem Genre fragt man sich auch im Fall von Lacrimas: So viel Scheiße kann einem allein in Sachen Liebe und Beziehungen doch gar nicht passieren! Wie schaut das bei euch aus – sind alle Texte autobiografischer Natur?

 

Ja, es geht ja gar nicht ausschließlich um Liebe und Beziehungen sondern oft um Sex, eben nur nicht so eindeutig beschrieben. Wenn du denkst bei „Lips“ geht’s um den Kussmund, liegst du leider komplett daneben. Doch wir hatten ja wieder 4 Jahre Zeit um uns beeinflussen zu lassen, was das Thema angeht, da die letzte Platte ja mehr Phantasie als wirklich autobiographisch war, konnten wir auf das Erlebte der letzten 4 Jahren zurückblicken. Das waren alleine an die 200 Konzerte, da erlebt und vermisst und verliert man leider so einiges und es gehen auch manche Beziehungen zu Grunde.

 

Interessanterweise kann man von Lacrimas behaupten, dass ihr einerseits euren eigenen Stil gefunden habt, andererseits aber jedes neue Album auf seine Art ein bisschen anders wie die Vorgänger klingt. Würdest du dieser Einschätzung zustimmen?

 

Ja natürlich, wer nimmt ein so schönes Kompliment denn nicht an? Ich finde sogar dieses Album ist mit weitem Abstand unser Eigenständigstes, weil wir erstmals den Mut hatten, auf all die Genre Vorlagen zu scheißen. Dieses Album ist in einer sehr Harten Zeit für mich und meine Band entstanden. Jeder wusste, wir haben  nichts mehr zu verlieren, weil wir uns eh nicht mehr ausstehen konnten. Nun hat uns das Album aber neu verbrüdert und ist für mich irgendwie sehr cool und ehrlich geworden. Ja, man hört so ein bisschen die „Leck mich am Arsch“ Attitüde! Was mir aber immer noch nicht einleuchtet ist, warum ich dann immer noch in einigen Reviews den Namen HIM lesen muss!? Hey wir haben mit HIM so viel zu tun wie die Mutter Beimer mit nem Playboy Bunny! Auch lese ich es klingt wie 69 Eyes nur härter, wie Sisters of Mercy nur mit viel mehr Gitarren. Das ist so, als wenn du beim Konditor nen Erdbeerkuchen möchtest aber ne Cremetorte bestellst und sagst du möchtest aber ohne Creme mit vielen Erdbeeren… Mann, warum dann nicht einfach Erdebeerkuchen?! Also mein Review wäre: Die Platte klingt nach Lacrimas Profundere und jeder der dreckigen Gothrock ohne Schnörkel und aufgesetzten Pathos mag, sollte ein Ohr riskieren. Jeder andere - Scheiß drauf! Da gibt’s wenigstens keine Besserwisser die denken sie hätten das Recht oder die Ahnung mich oder meine Arbeit zu kritisieren! In welchem Metier steht man denn mehr in der öffentlichen Kritik wie als Musiker oder Schauspieler? Am meisten nerven mich aber private Reviewer, die noch nie ein Instrument in der Hand gehalten haben, sich zu 99% wenn sie auf ne Bühne müssten in die Hosen scheißen würden, aber große Reden schwingen, nur weil sie denken mit hundert CDs im Schrank die großen „Kenner“ zu sein. Hier mein Gruß: Leckt mich kreuzweise, oder macht es verdammt noch mal besser! Wenn nicht, Schnauze! Hört sich jetzt fast so an, als ob ich Kritik nicht gut verdauen könnte, richtig erkannt, auf diese neue Platte lass ich nichts kommen, basta!!!

 

Das Ganze ist noch umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass das jeweilige Material immer zu sehr großen Teilen aus deiner Feder stammt. Änderst du deine Arbeitsweise von Album zu Album, fließen neue Einflüsse ein oder lässt sich einfach die oft benutzte Floskel von der „natürlichen Entwicklung“ ein weiteres mal bemühen?

 

Die Inspiration kommt bei mir immer von selbst. Ob ich im Auto sitze, vor dem Fernseher oder mit meiner Klampfe im Arbeitszimmer. Ich hab immer mein Handy oder ein Blatt Papier oder die Rückseite der Telefonrechnung oder sonst was dabei und singe oder schreibe die Ideen einfach drauf. Es geht auch immer um die jeweilige Stimmung und nicht den Ort, wie so viele meiner Kollegen das immer beschreiben. Ich könnte in der Toilette des Hilton oder am Strand von Malibu Beach melancholische Songs schreiben, wenn ich mich danach fühle. So einfach ist das. Außerdem hat man zwischen den Alben ja auch immer ein Jahr Zeit. Ist ja nicht so, dass wir alle 4 Monate mit ner neuen Platte um die Ecke biegen... Ich schreibe immer so an die 30 Songs für eine Platte und die besten daraus nehmen wir dann auf! Meine Arbeitsweise hat sich diesmal nur dahingehend geändert, als dass ich die Vorproduktion selbst aufgenommen habe und meine Jungs ne CD bekommen haben und keinen Anruf, zur Probe vorbei zu kommen.

 

 

In den letzten Jahren seid ihr ziemlich herum gekommen. Von Skandinavien bis Südeuropa und von Westeuropa bis nach Russland wart ihr so ziemlich überall unterwegs. Gibt es eine oder mehrere Anekdoten aus den letzten 2 Jahren auf Tour, die es wert wäre(n), an dieser Stelle noch einmal mit unseren Lesern geteilt zu werden?

 

Moskau z. B. war krass! Das Schneechaos ging schon auf den Deutschen Autobahnen zum Flughafen los. Ohne scheiß, ich hab noch nie auf der Autobahn die Fahrbahnstreifen nicht mehr gesehen. Obwohl ich nüchtern war, haha! Es war wie ein weißes Feld. Das ging nach der Ankunft in Moskau munter so weiter! Am Tag nach unserem Gig wollten wir noch Sightseeing machen, aber mit umgefallenen Lastwägen und abgestellten Autos auf der Autobahn zum Flughafen konnte keiner rechnen. Das Ende des Lieds war dann dass wir um 17.05 Uhr den Flughafen erreicht haben - latest Bording war zur Information bereits um 16.30 und wir hatten eben nicht nur unser Handgepack bei, sondern unser ganzes Equipment! Wir liefen zum ersten Schalter und durch Zufall war dort ein Mädchen beschäftigt, das tags zuvor bei unserm Gig war. Die hat ihren Schalter sofort geschlossen und uns durch den kompletten Flughafen an allen Schlangen und Wartenden vorbei geleitet! Als wir dann im Flieger saßen gab’s auch noch ne Bombendrohung...! Auch Mexiko, wo wir 3 Tage waren und in der Nacht vor unserem Abflug endlich auf der Festivalbühne standen, wir aber nur noch 20 Minuten spielen konnten um nicht unseren Flieger nach hause zu versäumen! Da ist unser erster Headlinergig in Ungarn als wir mit Lebensmittelvergiftung alle 20 Minuten anhalten mussten, jedoch am nächsten Tag bereits in München und Tags drauf Hamburg spielen mussten, fast schon gar nicht mehr erwähnenswert! Nur soviel: die Autobahntoiletten in Ungarn gehen in die Richtung Wacken Dixi – also nicht gerade der schönste Ort auf Erden! Aber, meine Freunde, dies sind die Schattenseiten des Rock N Roll und wer kennt sie besser als wir?

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.lacrimas.com