Interview mit Ji-In Cho von KRYPTERIA

 

 

Ihr habt in letzter Zeit öfter zu Protokoll gegeben, dass “My Fatal Kiss” im Endeffekt knapp ein Jahr verspätet kommt. Somit habt ihr sehr lang und immer wieder an dem neuen Material gefeilt. Hattet ihr nicht Angst, die Songs tot zu ändern oder eine gesunde Distanz zu den Stücken zu verlieren? Es kommt schließlich nicht selten vor, dass man sich in etwas auch verbeißen kann, wenn man zu lang daran werkelt.

 

Grundsätzlich ist das so, aber bei uns war das ein bisschen anders und wir haben uns bewusst Zeit gelassen. Aber es stimmt, bei uns hat es diesmal etwas länger gedauert, was aber auch daran liegt, dass wir einfach alles fix und fertig haben wollten, um auch selbst genau sehen zu können wo wir stehen, bevor wir nun bei dieser oder jener Plattenfirma unterschreiben. So konnte man auch ausschließen, dass uns irgendjemand reinredet. Bei uns treffen vier sehr starke Charaktere aufeinander und dadurch wurden die Arbeiten zu einem sehr leidenschaftlichen und intensiven Erlebnis für uns, wenngleich wir auch viel Spaß bei der Sache hatten. Wir haben uns insgesamt zwar wie gesagt Zeit gelassen, aber nicht weil wir etwa den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen haben. Panikreaktionen und überhastetes Wegwerfen von irgendwelchen Songs sind auch ausgeblieben, hehe.

 

Zumal ihr in der Zwischenzeit auch das Label gewechselt habt.

 

Richtig, das hat natürlich auch noch einmal ordentlich Zeit gekostet. Unser alter Plattenvertrag war ausgelaufen und wir hatten auch ein gutes neues Angebot vorliegen. Allerdings kam uns dann irgendwann zu Ohren, dass Wolfgang Funk, der früher eine treibende Kraft bei Gun Records war und bewiesenermaßen ein guter und fähiger Mann ist, Interesse an uns hätte. Wir haben uns dann erst einmal unverbindlich getroffen, weil es uns wichtig ist, dass wir uns auch mit den Leuten gut verstehen. Es zeigte sich schnell, dass das zwischen uns gut klappt, weshalb wir dann letztlich gewechselt sind.

 

Wolfgangs neues Label OnFire, welches als Sub-Label an Roadrunner hängt, hat „My Fatal Kiss“ sogar als allererstes Album überhaupt veröffentlicht. Wenn das mal keine Ehrung für euch ist.

 

Genau, das ist schon eine besondere Ehre für uns. Christoph (Siemons, Gitarrist der Band, MR) kannte Wolfgang schon vorher und hält sehr viel von ihm, wodurch sein Interesse an uns schon einem kleinen Ritterschlag gleich kommt. In diesem Geschäft muss man ja auch für jede Chance dankbar sein... dass alles super ist und immer wie von alleine weiterläuft muss sich keiner einreden, denn man muss auch einiges dafür tun und zu schätzen wissen was man hat. Wolfgang möchte auch am liebsten dauerhaft mit uns zusammenarbeiten und das ist natürlich geil. Ich bin überzeugt davon, dass man als Team noch stärker zusammenwächst, wenn man auch langfristig miteinander arbeitet.
 

Diesmal habt ihr euch dazu entschlossen, kein klassisches Konzeptalbum zu schreiben so wie bei „Bloodangel’s Cry“. Wenn man Albumtitel, Cover und viele der Songtitel zusammen nimmt, könnte man aber dennoch schnell denken, dass es sich wieder um ein Konzept handelt. Wolltet ihr Verwirrung stiften oder gehst du textlich einfach nur oft in eine ähnliche Richtung, jedoch ohne dass die Songs inhaltlich linear zusammen gehören?

 

Die Leute verwirren, haha! Wenn sich jemand gern verwirren lässt, dann kann er das auch so auslegen, hehe. Ein Konzept haben wir bewusst deshalb nicht zu Grunde gelegt, um nicht sagen zu müssen, dass alles von vorn bis hinten durchdacht ist und einem Erzählstrang folgt. Aber du hast recht, ein roter Faden zieht sich tatsächlich durch das Album, was sich jedoch eher beiläufig ergeben hat. Auch der Albumtitel entstand erst am Ende als die Platte bereits fast fertig war. Wer uns kennt der weiß, dass wir gern zusammen sitzen und über Gott und die Welt reden, vielleicht auch mal fluchen und es dann bisweilen sogar zu philosophischen Anflügen kommt, hehe. Letztlich haben wir gemerkt, dass wir wie womöglich 99% aller anderen Menschen auf der Welt versuchen, das Beste aus uns heraus zu holen und einfach gute Menschen zu sein. Der Mensch an sich ist jedoch ein eher schwaches Wesen und man muss fast schon entschuldigend zugeben, dass einem dies nicht immer gelingt. Die inneren Dämonen gewinnen nicht selten die Überhand und dann muss man halt mit den Konsequenzen leben. Wir haben einfach immer wieder gemerkt wie zutreffend diese Feststellung ist und haben sie dann in Form des Albumtitels „My Fatal Kiss“ festgenagelt.

 

Wer hat eigentlich entschieden, dass „Ignition“ als erster Song ausgekoppelt und ins Netz gestellt wird? Die Wahl überrascht mich, weil der Track meiner Meinung nach wenig repräsentativ für „My Fatal Kiss“ ist. Mir persönlich fehlt bei der Nummer ein bisschen der Bombast, der euch ansonsten immer so auszeichnet und der mir an euch auch gut gefällt. „Ignition“ ist mir in der Beziehung einfach zu trocken und kalt, selbst wenn die Gitarren angenehm heavy sind.

 

Das ist interessant was du sagst, wir hören uns nämlich gern, an wie die Leute auf unsere Sachen reagieren. „Ignition“ war eine der ersten Nummer, die wir für das Album fertig hatten und wir fanden den Song grundsätzlich gut. Vielleicht wollten wir einfach mal was Neues präsentieren, so genau kann ich mich ehrlich gesagt gar nicht mehr erinnern. Ich plaudere mal ein bisschen aus dem Nähkästchen: Wir wollten schon so etwas wie eine neue Einleitung haben und in einem frühen Stadium hatten wir sogar noch „Willkommen an Bord“ im Song stehen. Das sollte ein bisschen in die Richtung „Willkommen in unserem Flugzeug, wir starten gleich“ gehen, daher auch der Titel „Ignition“ (dt. Zündung, MR). Und der Text passt ja auch dazu, der ist an die Durchsage einer Stewardess angelehnt, die sagt „Ok, wir werden zwar von Idioten geführt, aber keine Sorge, wir schmieren schon nicht ab, alles im grünen Bereich“, haha! Aus dieser Stimmung heraus ist das dann wohl entstanden; lasst uns mal ironisch und sarkastisch sein und das raus bringen. Und bezüglich der Gitarren: Die Jungs stehen sowieso auf ein gesundes Maß Härte und ich hab damit auch kein Problem. Somit war das Stück schon eine bewusste Wahl.

 

Die Wahl zum ersten Video ist hingegen perfekt. „For you I’ll bring the Devil down“ vereint für mich alle eure Stärken. Bombast, eine tolle Melodie, ein bisschen Kitsch... Krypteria in Reinkultur eben.

 

Diese Einschätzung ist wieder sehr interessant wie ich finde. Wir stecken schließlich nur in uns selbst drin und nehmen alles natürlich etwas anders wahr. Vielleicht haben wir unterbewusst noch einmal etwas Typisches ausgewählt, wobei ich es auch grundsätzlich völlig ok finde nach einer gewissen Zeit festzustellen, dass man mal in einer gewissen Phase war und die jetzt eben hinter einem liegt und man wieder auf Altbewährtes setzen möchte. Bei uns in der Band sind alle sehr emotionale Menschen und wir schreiben immer sehr aus Stimmungen heraus. Naja, man muss wohl nicht lange überlegen um zu erkennen in was für einer Stimmung wir waren als „Ignition“ auf der einen, und  „For you I’ll bring the Devil down“ auf der anderen Seite entstanden, hehe. Mit der Wahl des Songs und dem Video wollten wir einfach noch einmal eine andere Seite von uns zeigen. Der Videodreh war übrigens kein Gedicht, denn es war eine unglaubliche Hitze und ich durfte den ganzen Tag in diesen fiesen hohen Schuhen laufen. Im fertigen Clip ist von meinem Leidwesen natürlich nichts mehr zu sehen, haha.
 

Da wurdest du dann vermutlich auch in jeder Drehpause nachgeschminkt.

 

Und ob! Das ist bei uns aber immer irgendwie paradox. Dieses Mal scheint die Sonne wie verrückt und der Clip muss sogar nachträglich dunkler gemacht werden und beim Video davor zu „Somebody save me“ war es -10°C kalt und man fragte uns immer wieder, ob da in einer Bluebox gedreht wurde! Da könnte ich ja durchdrehen, haha. Das war alles Wirklichkeit, es stürmte und war richtig mies kalt! Klar war das eine interessante Erfahrung, aber wenn am Ende nicht das rüber kommt was man sich gedacht hat, dann ist das schon deprimierend, hehe.

 

Wenigstens bist du bei solchen Drehs oder auch bei Fotoshootings nicht die Einzige, die im großen Stil geschminkt wird. Deine Jungs müssen das dann ja auch wie auf den aktuellen Bildern über sich ergehen lassen, wo unter anderem mit ordentlich Kajal gearbeitet wurde. Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt für dich um kleine Seitenhiebe auszuteilen, da du normalerweise diejenige bist, die sich allein mit Make-Up herumschlagen muss.

 

Ach das mache ich schon, keine Sorge, haha. Es ist ja so, dass jeder mit sich selbst zufrieden sein muss und wenn die Jungs sich so wohl fühlen wie sie nun mal aussehen... hahaha! Nein, war nur Spaß! Aber ich störe mich schon lange nicht mehr daran mich meistens als einzige schminken zu müssen; ich habe akzeptiert, dass es so ist. Im Endeffekt ist es genau wie mit nervigen Kostümwechseln, davon bin ich ebenso wenig ein Freund wie von ewig langen Schminksitzungen. Es gehört nun mal mit zur Verwandlung und dann macht man es irgendwo doch gerne mit.
 

Die männlichen Leadvocals auf „Too late, Game Over and Goodbye“ hat Kuschi übernommen. Glaubst du, dass ihr die Nummer live umsetzen werden könnt? Oder wird er – was verständlich wäre – wohl nicht die Puste dazu haben neben dem Drumming noch eine Leadstimme zu übernehmen?

 

Das bekommt der auf jeden Fall hin, zumal er wie die beiden anderen ohnehin schon ständig mitsingt. Daher bin ich auch fest davon überzeugt, dass wir die Nummer machen. Ob er will oder nicht, hehe.

 

Hast du dir auch überlegt für diesen Song einfach einen Gastsänger ins Studio zu holen als sich abgezeichnet hat, dass es auf ein Duett hinausläuft??

 

Anfangs stand das gar nicht zur Debatte, weil ich ja weiß wie geil unser Kuschi singen kann. Christoph und Frank auch, aber mit Kuschi und mir passte es einfach sehr gut. Generell hätte ich nichts gegen einen Gastsänger oder eine Gastsängerin, das wäre durchaus spannend. Neue Ideen sind immer willkommen, ob sie dann gut sind ist eine andere Frage.

 

Denkst du an jemanden Konkretes?

 

Ich erinnere mich an einen Moment im Studio als ich einen sehr hohen Part singen sollte bei dem jeder denkt „Ach die Ji-In, jaja hohe Stimme – kein Problem“. Da habe ich mir gewünscht einmal so richtig tief singen zu können. Das ist bei mir allerdings nichts besonderes, denn ich wünsche mir auch schon mal schwarz zu sein und kurze Haare zu haben, einfach um mal komplett anders auszusehen, haha.

 

Haha! Skin von Skunk Anansie lässt grüßen, die hat gleich überhaupt keine Haare mehr.

 

Genau, oder einfach mal ein Mann sein, haha. Das aber bitte nur für einen Tag, um herauszufinden wie ihr so tickt.

 

Da wird ein Tag kaum reichen.

 

Ok, da hast du vermutlich recht. Aber zu deiner Frage: In Sachen tiefe Stimme fiel mir sofort Ville Vallo von Him ein. Da würde ich sicher nicht nein sagen, denn er hat eine sehr schöne Stimme.

 

In den großen Gothic Magazinen habt ihr diesmal gleich mehrere Titel abräumen können, wohingegen die Metal Presse „nur“ Reviews und Interviews gebracht hat bisher. Siehst du euch eher als Gothic Band oder ist es einfach schwerer bei den langhaarigen Bombenlegern zu landen?

 

Erst einmal sind wir mega-dankbar für jeden Titel, den wir bekommen. Das lief bei den Gothic Magazinen wieder fantastisch, da sind wir auch verdammt froh drüber. Trotzdem ist so was immer überraschend, denn wir erwarten ja nicht, dass uns irgendwer seinen Titel widmet. Auf die Musik bezogen ist es sicherlich nicht ganz so einfach uns in nur eine Schublade zu stecken, da wir auch stilistisch alle sehr offen sind. Man hat uns halt einfach den Gothic Metal-Stempel aufgedrückt und wir müssen damit leben, was auch völlig in Ordnung ist. Ich könnte auf der anderen Seite nämlich auch nicht sagen, dass ich unbedingt mehr hier oder dort hin gezählt werden möchte. Wir freuen uns einfach über jeden, der uns zuhört.

 

Trotzdem muss man es erst mal schaffen mehrere Titelseiten zu erobern.

 

Das muss man in der Tat erst einmal schaffen und wie du dir sicher vorstellen kannst sind wir erst einmal in die Luft gesprungen, als wir davon gehört haben. Und das war wirklich so! Natürlich würden wir uns freuen wenn Hammer oder Rock Hard sich auch noch mal melden würden, so ist das ja nicht, hehe. Aber wir nehmen es wie es kommt und sind für alles Positive was passiert dankbar.

 

In einem der Hefte gibt es dich aktuell ja sogar als Postermotiv, ich glaube im Orkus. Hat es dich viel Überwindung gekostet für ein solches Rosenmotiv zu posieren? Es ist sicher nicht jedermanns oder besser gesagt jeder Fraus Sache, sich kaum bekleidet ablichten zu lassen.

 

Das war schon sehr ungewohnt. Ich weiß nicht ob es mit meiner Mentalität zusammen hängt, aber ich habe doch schon ein gewisses Schamgefühl und wenn man sich nicht bewegen darf und da mehr oder minder ausgeliefert liegt, dann ist das schon ein sehr befremdliches Gefühl, auf das ich nicht gerade stehe. Ich bin da lieber der aktive Part und habe etwas zu tun. Letztlich war das Team aber so nett und auch der Fotograf, was ohnehin das allerwichtigste ist, da ich mich sonst unglaublich schwer tue, dass es schon in Ordnung war.

 

Fühlst du dich in der Rolle der Femme Fatale grundsätzlich wohl? Deine Bühnenshow und das aktuelle Cover würden zumindest nahe legen, dass dir diese Rolle gut zu liegen scheint.

 

Sagen wir es mal so: Ich bin froh darüber eine Frau zu sein und alle möglichen Facetten dieses Wesens, das natürlich sehr komplex ist, zeigen zu dürfen. Für mich ist das immer wieder spannend, sowohl musikalisch als auch was das Artwork und die Optik generell angeht. Das macht mir schon tierisch Spaß. Ich finde es toll mit vielfältigen Emotionen spielen zu können, sich zu verwandeln und sich vom eigentlich eher schüchternen Mädchen in den viel zitierten Vamp verwandeln zu dürfen. Diese beiden Seiten stecken meiner Überzeugung nach in jeder Frau – man muss ihr eben nur die Möglichkeit geben sie heraus zu lassen. Bei mir tut man das und ich nutze es sogleich rücksichtslos aus, hehe.

 

Dann hast du als Sängerin also den perfekten Beruf für dich gefunden?

 

Das würde ich auch sagen, ja.

 

Versuch so was mal als Fleischereifachverkäuferin.

 

Hahaha! Och, obwohl da gibt es sicher auch Mittel und Wege... wobei du recht hast – das könnte grenzwertig werden. Andererseits würde da vielleicht auch der eine oder andere Vegetarier inkognito vorbei kommen, haha!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.krypteria.de