Interview mit Ji-In Cho von KRYPTERIA

 

 

sounds2move: Euer letztes Album "In Medias Res" ist für mich persönlich eine eher zwiespältige Angelegenheit. Auf der einen Seite wäre da dein wirklich sehr überzeugender Gesang, wie auch der eine oder andere gelungene Song. Während auf der anderen Seite zumindest bei mir der Gesamteindruck erweckt wird, dass es zu glatt gebügelt wirkt und sehr poppig daher kommt. Ihr selber seid im Nachhinein ja auch nicht mehr so glücklich mit "In Medias Res"? Doch was ist es, was euch bzw. dir an diesem Album persönlich nicht mehr gefällt?

 

Naja, es ist tatsächlich so, dass wir  beim Hören dieses Albums nicht wirklich still sitzen bleiben können, weil wir das Gefühl haben, es wird unserer „wahren Identität“ und unserem Livesound nicht wirklich gerecht. Das Songwriting ist zwar prinzipiell in Ordnung, aber der Sound und die Arrangements sind es aus heutiger Sicht leider größtenteils nicht.  Mit dem Album hatten wir uns rückblickend wohl zu sehr dem Druck und den Erwartungen der Plattenfirma unterworfen, soundlich die „Liberatio“-Anhänger nicht zu verschrecken. Aber live wollten wir uns einfach nicht einschränken und haben die Songs so arrangiert, wie es allein uns richtig erschien, was allerdings auch einige Hörer, die uns von beiden Seiten her kennen, sehr überrascht und vielleicht sogar irritiert haben mag. Deshalb werden wir aber auch zukünftig sicherlich den ein oder anderen IMR-Song im Liveprogramm haben.

 

Eure neue EP habt ihr ganz treffend mit „Evolution Principle“ betitelt, da ihr euch darauf musikalisch deutlich weiterentwickelt habt.  Fühlst du dich nun als Sängerin wohler, wenn du dank der neu entdeckten Härte nun auch mal ein wenig aggressiver singen darfst?

 

Auf jeden Fall! Ich habe jetzt viel mehr das Gefühl von der Musik in meinen sagen wir mal „kompromisslosen“ Emotionen getragen und gestützt zu werden; das ist natürlich super und genau das, was man sich als Sängerin wünscht.

 

Ich gehe mal davon aus, dass auch das 2007 erscheinende Album in der musikalischen Ausrichtung ähnlich wie die EP ausfallen wird. Was kannst du uns schon jetzt über das Album berichten? Wird man auch Songs der EP darauf vorfinden oder wird es komplett aus neuen Stücken bestehen?

 

Hmm, das kann ich Dir so konkret noch nicht sagen, weil jeden Tag neue Ideen entstehen und wir demnach noch gar nicht aussortiert haben, welche Songs wir nehmen und welche nicht. Interessant allerdings ist für uns, dass wir uns anscheinend in einer sich sehr extrem deckenden, gemeinsamen kreativen Blase befinden und so zusammen eine Art musikalischer „Abenteuerreise“ erleben, die dann letztlich auch auf dem Album hörbar sein wird.

 

Dank eurer neuen, härteren Ausrichtung werden nun sicherlich Stimmen laut werden, die euch eine gezielte Anbiederung an die Metal-Szene vorwerfen. Wie gehst du mit so einem Vorwurf um?

 

Also ehrlich gesagt haben wir uns den Stempel „Metal“ ja nicht bewusst ausgesucht. Wir verpacken die emotionalen Erfahrungen, die wir letztes Jahr gemacht haben eben so, wie wir meinen, dass sie am Besten aus uns raus- und zu den Menschen rüberkommen und das ist es dann. Wir möchten uns einfach ausleben – und wenn das Ganze dann heavy oder nach Metal klingt, ist das wahrscheinlich eher ein Ausdruck unserer Wurzeln beziehungsweise Vorlieben.

Außerdem riskieren wir ja auch, zumindest die eher zartbesaiteteren unserer Fans zu verlieren. Trotzdem hofft man natürlich, dass viele Menschen die neuen Songs genauso lieben wie wir und etwas damit anfangen können.

 

Das Highlight der EP ist für mich zweifellos die koreanische Version des Songs „No More Lies“, die auch zur offiziellen WM-Fanhymne der südkoreanischen Fußballmannschaft ernannt wurde. Erläutere doch bitte kurz wie es dazu kam?

 

Während unserer diesjährigen Promotionreise in Korea gab es auch einen Showcase, zu dem alle möglichen Journalisten und sonstige Medienmenschen eingeladen waren, und glücklicherweise auch die „Red Devils“, die offizielle organisierte Fangemeinde der koreanischen Fußballnationalmannschaft. Kurz nach unserem Auftritt kamen einige von ihnen in unsere Garderobe und fragten uns, ob wir uns vorstellen könnten, die WM-Fanhymne beizusteuern. Tja, da mussten wir wirklich nicht lange überlegen. ;)

 

Was war es für ein Gefühl als du mitbekommen hast, dass dieser Song tatsächlich ein Teil des WM-Wahnsinns wurde und als eine ganze Schar von fußballbegeisterten Fans ihn lauthals mitsang, um somit ihre Mannschaft anzufeuern?

 

Es ist einfach der absolute Wahnsinn und einfach unglaublich, wenn eine energiegeladene Menschenmasse deinen Song in der Absicht brüllt, ihre Nationalmannschaft zu tragen und voran zu treiben. Die WM war ja sowieso schon ein positives Ereignis und wenn dann auch noch so viele lautstarke und leidenschaftliche Schwingungen ins Spiel kommen, die die Kraft haben, einen umzureißen, dann kommen einem unwillkürlich die Tränen und dir jagt ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Also dieses Erlebnis war schon etwas ganz Besonderes für uns. Ich hoffe, die Koreaner haben das auch noch in guter Erinnerung, auch wenn wir ja im Turnier nicht sehr weit gekommen sind.

 

Wird man in Zukunft nochmals mit einem koreanischen Krypteria Song rechnen können oder ist „Na Ga Ja“ eine einmaliges Experiment?

 

Ich hoffe schon, dass „Na Ga Ja“ nicht unser letzter Song auf koreanisch war. Und da meine Bandkollegen behaupten, die Sprache klinge gesungen sehr außergewöhnlich und spannend - ich kann das ja nicht wirklich objektiv beurteilen - werde ich mich umso mehr dafür einsetzen. ;)

 

Bleiben wir noch kurz in Korea bzw. lass uns kurz über den koreanischen Film „Fighter in the Wind“ sprechen. Im Mittelteil dieses Filmes ertönt doch tatsächlich der Song „Illusive Consensus“ von der holländischen Symphonic Metal Gruppe Epica. Nun meine Frage, ob du unseren Lesern erklären kannst wie so etwas zu Stande gekommen sein kann. Erfreut sich symphonischer Metal in Korea allgemein besonderer Beliebtheit?

 

Ich muss leider gestehen, dass ich diesen Film nicht kenne aber ich kann behaupten, dass die Koreaner grundsätzlich auf europäische Klassik stehen und wenn dann auch noch gute harte Riffs und fette Sounds dazu kommen, dann flippen sie im Allgemeinen total aus und lassen sich dann auch so sehr fallen, wie sie es im Alltag nur schwer können und wahrscheinlich auch nie tun würden. Es ist sicherlich der interessante Mix aus dem für sie kulturell Hochwertigen - nahezu alle koreanischen Musikstudenten wollen ja auch hier Klassik studieren - und dem unbändigen, harten Musikstil, der sie als besonders emotionales Volk so anspricht.

 

Wurdet ihr bisher noch nicht angefragt, ob ihr auch mal einen Song für einen koreanischen Film beisteuern wollt bzw. würde so etwas euch überhaupt reizen?

 

Leider noch nicht. Aber ich denke, ich spreche hier auch für die Jungs: Wenn man uns das anbieten würde, würden uns vor Begeisterung und Fassungslosigkeit die Münder offen stehen bleiben. Welcher Musiker fände es nicht aufregend, seine Musik auch mal im Rahmen eines Spielfilms visualisiert zu sehen?

 

Dank deiner koreanischen Abstammung könnt ihr im Allgemeinen in Asien einen beachtlichen Zuspruch verzeichnen. Was meinst du, hätte die Musik von Krypteria in Asien auch so einen Erfolg, wenn du nicht asiatischen Ursprungs wärst?

 

Nun, es ist sicherlich besonders spannend für die Asiaten, dass eine asiatische Sängerin mit europäischen Jungs zusammen arbeitet, vor allem auf dem Gebiet, das sie ja so lieben, nämlich europäische Musik. Von daher, kann es schon sein, dass wir aufgrund dieser Kombination zumindest schneller Aufmerksamkeit erregt haben, aber wer weiß das schon so genau?

 

Was für ein Publikum sprecht ihr in Asien mit eurem Sound an bzw. inwiefern unterscheidet sich das asiatische vom europäischen Publikum bzw. euren „typischen“ Käufern?

 

Das asiatische Publikum ist sehr gemischt und zwar nicht nur bezüglich der Altersgruppen, sondern auch was den Typ Hörer angeht. Ich denke in Asien gibt es weniger Schubladendenken und daher kann es sein, dass dort Kuttenträger, Mittvierziger und Animefans in einer Reihe nebeneinander headbangend bei uns im Konzert stehen. Und insgesamt sind die Asiaten viel emotionaler, was man so wahrscheinlich nicht vermuten würde, aber in Asien habe ich immer das Gefühl, dass sie in allen Emotionen extremer sind als die Mittel- und Nordeuropäer und daher absolut „unberechenbar“ sind.

 

Apropos Publikum. Wie kürzlich bekannt wurde, werdet ihr im Winter zusammen mit Subway to Sally auf Tour gehen. Bist du der Meinung, dass ihr mit eurem Sound das Publikum von Subway to Sally ansprechen werdet oder erwartest du, dass ihr eher einen schwereren Stand haben werdet? Vielleicht haben Leaves’ Eyes, die Subway to Sally auf ihrer letzten Tour begleiten durften, diesbezüglich schon gute Vorarbeit geleistet.

 

Tja, wir werden auf jeden Fall alles geben und dann – und das ist, glaube ich, leider eher unabhängig von der Vorarbeit von Liv Kristine und ihren Jungs im letzten Jahr -  schon schnell merken, wohin die Reise geht. Aber wir freuen uns schon auf die Tour und sind einfach gespannt auf Subway to Sally und ihr Publikum.

 

sounds2move: Hast du dich eigentlich je mit deiner „Konkurrenz“, sprich den anderen Sängerinnen in der Metal-Szene auseinander gesetzt? Was hast du z.B. für eine Meinung über Tarja Turunen (Ex-Nightwish), Sharon den Adel (Within Temptation) oder Simone Simons (Epica)?

 

Naja, als Sängerin ist es wahrscheinlich normal, dass man immer besonders auf die Stimme hört. Allerdings ist das dann nicht die „Ich setze mich jetzt mal hin und hör mal ganz genau zu wie sie singen“–Analyse, sondern eher die Feststellung, inwieweit sich der Gesang in die Musik einfügt und was als Gesamtbild dadurch entsteht. Ich denke, da unterscheide ich mich letztendlich kaum von Nichtsängern - es geht um die Frage: „Berührt mich der Song oder nicht?“ Bei den oben genannten Kolleginnen finde ich jedenfalls besonders toll, dass jede ihren eigenen, wiedererkennbaren Stil kultiviert hat und das nicht nur stimmlich – das ist doch viel spannender, als würden alle den gleichen Weg beschreiten.

 

sounds2move: Tarja Turunen hat immer gesagt, dass der Sangesposten bei Nightwish für sie nur ein Job sei und sie im Grunde mit Metal nichts anfangen könnte. Wie sieht es in dieser Hinsicht bei dir aus? Ist Krypteria für dich nur ein „Job“ oder kannst du durchaus auch unabhängig davon etwas mit härterer Musik anfangen?

 

Also ehrlich gesagt finde ich es schon sehr tough von ihr, dass sie es dann all die Jahre hat durchhalten können. Ich glaube, ich könnte das nicht. Es ist mir wichtig, dass die Songs, die ich singe, mich im Innersten berühren, sonst könnte ich sie nicht mit Überzeugung rüberbringen. Und was den Härtegrad betrifft: Solange Leidenschaft in der Musik steckt, ist mir egal, wie hart geknüppelt wird.

 

Interview: Nando Rohner - www.sounds2move.de , Fotos: Robert Esser, David Biene

 

Homepage: www.krypteria.de