Interview mit Alf Ator von KNORKATOR

 

 

sounds2move: Ihr präsentiert euch als Fun-Metal Band, was zur Folge hat, dass ihr von einigen Leuten nicht richtig ernst genommen werdet. Dabei demonstriert ihr auch auf „Das nächste Album aller Zeiten“ ein musikalisch beeindruckendes Können, ihr benutzt in den einzelnen Songs die verschiedensten Stilmittel. Gleichzeitig fallen auch eure Texte längst nicht so dumpf aus, wie es der vorurteilsbelastete Kritiker vermuten würde. Von daher nun meine erste Frage: Nervt es euch nicht manchmal, dass ihr sozusagen nicht eurem vorhandenen Talent entsprechend ernst genommen werdet oder ist das euch vollkommen egal?

 

Stumpen: Wenn uns jemand als Fun-Metal Band bezeichnet, ist das in einer Demokratie sein gutes Recht. Und wenn wir unbedingt anders gesehen werden wollen würden, müssten wir uns halt anders geben. Es ist natürlich schon ein wenig ernüchternd, wenn man sich einen viehischen Kopf macht und keiner merkt es. Aber das denken viele von sich. Außerdem ist es mir lieber, als Witzbold zu gelten und wenn einer dann mal genauer hinhört, entdeckt er Qualität und Tiefe, als andersrum.

 

Gibt euch dieses Fun Metal Band Image vielleicht auch eine gewisse Art von Narrenfreiheit, habt ihr euch damit einen Freiraum für musikalische Experimente geschaffen? Im Grunde könnt ihr tun und lassen was ihr möchtet, ihr könnt in eure Songs symphonische Elemente einbauen, einen harten Track auf einen sanften folgen lassen oder sogar auf Französisch singen („Franz Hose“), ohne dass es euch jemand übel nehmen wird.

 

Im Prinzip kann das jeder. Für manche würde es aber ein deutlich geringeres Einkommen bedeuten. Und da wir noch nie in der Millionärsliga mitgespielt haben, wissen wir auch nicht, was wir verpassen.

 

Im Song „Für meine Fans“ bezeichnet ihr eure Anhänger als unattraktives Proletenpack und macht sie dafür verantwortlich, dass keine schönen Fans zu euren Konzerten kommen. Habt ihr Bedenken, dass der eine oder andere Fan euch diesen Song übel nehmen könnte oder vertraut ihr da ganz und gar auf das humoristisches Verständnis eurer Fans?

 

Da man, um Knorkator Fan werden zu dürfen, zur geistigen Elite gehören muss, machen wir uns keine Sorgen, dass uns jemand missversteht.

 

Stichwort Humor: Im Moment läuft in den Kinos der durchaus umstrittene Film „Mein Führer“, in dem Adolf Hitler zur Witzfigur degradiert wird. Dementsprechend hat dieser Film auch Diskussionen heraufbeschworen, ob man sich über Hitler lustig machen darf oder nicht. Wie siehst du das? Kannst du bei solch einer Thematik lachen oder ist das für dich einfach nur geschmacklos? Wird die Figur des Hitlers in deinen Augen dadurch verharmlost?

 

Alle meine Freunde und ich haben schon immer herzhaft über Adolf Hitler gelacht. Es ist gut, wenn es viele Formen der Auseinandersetzung mit Hitler gibt, denn sowohl Schindlers Liste als auch Walter Moers tragen ihren Teil dazu bei, dass Faschismus als das gesehen wird, was es ist: die größte Perversion aller Zeiten.

 

Gibt es eigentlich ein Thema, bei dem selbst bei Knorkator der Humor aufhört und über das ihr nie und nimmer einen Text schreiben würdet?

 

Adolf Hitler.

 

Mit „Lied vom Pferd“ habt ihr eine balladenartige Liebeserklärung an ein Pferd auf dem Album. Wie kommt man auf die Idee eine Ballade über ein Pferd zu schreiben? Gibt es dieses besungene Pferd wirklich?

 

Im Prinzip war das ein Auftragswerk für eine junge Sängerin, deren Fankreis zum größten Teil aus kleinen Mädchen besteht. Da war es für mich alten Mann schon schwer, überhaupt ein Thema zu finden. Und dann dachte ich mir: He, die stehen doch immer auf Pferde. Und das tun sie ja eigentlich nur, weil sie nicht zugeben wollen, dass sie eigentlich auf große, sportliche, muskulöse Körper stehen. Geballte  Manneskraft, aber verbunden mit unendlicher Treue und Ergebenheit. Da nutze ich doch mal die Chance, das anzusprechen. Aber wie du dir denken kannst, hat sie das Lied dann nicht genommen. Und Stumpen meinte, er könne sich ja mal in die Rolle des kleinen Mädchens begeben. Das ist die Geschichte.

 

Im Song „Alter Mann“ beschreibt ihr die Morde und Totschläge, die aus der menschlichen Libido heraus entstehen können. Man könnte diesen Song auch als ein gutes Beispiel dafür ansehen, dass das Leben ohne die Libido viel friedlicher wäre. Wie siehst du das?

 

Wenn du so willst, ja. Im Prinzip ist das eine der Kernaussagen des Buddhismus.

 

Lass uns über den Song „Wir werden alle sterben“ sprechen. In diesem Song gibt es eine Aussage, die besagt, dass der Mensch die Popmusik braucht um seinen trüben Alltag zu vergessen und um somit den Problemen zu entfliehen. Trifft das in gewisser Weise auch auf dich persönlich zu? Ist die Musik für dich eine Art von Zuflucht von der Welt, die dich umgibt? Hilft die Musik dir dabei, Probleme zu vergessen oder gar sie zu verarbeiten?

 

Da ich schon so lange Musik mache, konsumiere ich diese Kunstform nicht mehr so unschuldig wie früher. Als Jugendlicher musste ich nicht vergessen, ich wollte erfahren. Und jetzt höre ich Musik, um mich inspirieren zu lassen, um mich weiter zu entwickeln, das kompositorische Handwerk zu schulen. Und die eigene Musik dient dem Zweck, irgendwann mich, die Welt um mich herum, so wie die Beziehung zwischen mir und der Welt vollständig in Worte und Formen gefasst zu haben.

 

Als nächstes ist „nur mal Angenommen“ an der Reihe. Dieser Song ist sicher der merkwürdigste auf dem Album, er handelt davon, wie es wäre wenn man durch seinen eigenen Anus in sich hineinkriechen könnte. Nun mal ehrlich, wie kommt man auf die Idee zu solch einem Song?

 

Hier muss ich mal etwas tun, was ich sonst nie tue, nämlich diese Frage in Frage zu stellen. Sorry, du bist jetzt der erste, bei dem ich mir das herausnehme. Sehr oft höre ich die Frage, wie man auf solche Ideen kommt. Vielleicht erwartest du so was wie „auf dem Klo“ oder „beim Ficken“ oder „beim Lesen von Kafka“ oder „nach dem Konsum von Fliegenpilzen“. Aber in Wirklichkeit sind diese Gedanken immer da, ich denke über all den Kram nach, seit ich das Nachdenken erlernt habe. Und manchmal, in einer stillen Stunde, gelingt es mir, das in Worte zu kleiden. Und wenn diese Worte noch auf eine der Melodien passen, die mir im Kopf rumspukt, ist das der Anfang eines Songs.

 

Der Text von „Franz Hose“ ist komplett auf Französisch verfasst. Auch wenn ich mir sicher bin, dass keine tiefere Bedeutung hinter diesem Song steckt, so wage ich es trotzdem nach dem textlichen Inhalt zu fragen. Von was handelt der Song? Gleichzeitig frage ich mich übrigens, ob ihr eine versteckte Vorliebe für diese Sprache hegt. Oder wieso habt ihr einen Song auf Französisch auf das Album gepackt?

 

Das musikalische Thema ist sehr alt, aus den Anfangstagen von Knorkator. Die Refrainmelodie erschien uns immer zu schön, um mit deutschen Worten verschandelt zu werden. Da Stumpen aber eine sehr schlechte englische Aussprache hat und englische Texte bei uns ohnehin wohl sehr lächerlich kämen, war französisch die nächste Wahl. Irgendwie schien das zu harmonieren. Und auch für das harte Gebrüll in den Strophen passte Französisch sehr gut. Wir hatten sogar den Eindruck, dass Französisch mit seinen harten Konsonanten die passende Sprache für Ultra-Hardcore oder Black Metal sei. Nur haben das die Franzosen anscheinend noch nicht erkannt. Nun fehlte nur noch der textliche Inhalt. Und da keiner von uns so richtig französisch kann, brachte uns ein Freund auf die Idee, einfach Käse- bzw. Weinsorten aneinander zu reihen. Und das haben wir dann getan.

 

Wie muss man sich die Arbeit an einem Text für einen typischen Knorkator Song vorstellen? Wird da eher spontan vorgegangen so a la „he das könnte noch lustig sein“ oder macht ihr euch gezielt Gedanken um die Pointe und darum, dass die humoristischen Anspielungen auch zu 100% sitzen?

 

Ich habe einen Computer, der mit einem Zufallsgenerator Worte aneinanderreiht. Und dann drücke ich solange auf „Generate“, bis mir das Ergebnis gefällt.

 

Letzte Frage: Ich nenne nun 4 Dinge und du sagst mir, ob du das lustig findest oder nicht, bitte mit Begründung:

 

1. Die Sprüche von Dieter Bohlen, mit denen er in „Deutschland sucht den Superstar“ die Kandidaten runterputzt.

 

Ich habe nur ganz wenig davon gesehen, aber was ich hörte, war sehr phantasievoll und innovativ. Wenn ich jetzt gehässig wäre, würde ich sagen, dass er die richtigen kreativen Köpfe um sich schart, die ihm diese Sprüche in den Mund legen. Da ich aber ein lieber Zeitgenosse bin, sage ich so was nicht.

 

2. J.B.O.

 

Sehr nette Kollegen, aber musikalisch haben wir nichts mit einender zu tun. (außer, dass die Gitarren oft durch Übersteuern verzerrt klingen)

 

3. Die Metal-Szene

 

Ein armseliger Haufen komplexbehafteter Weicheier, die alle gern das Charisma von Satan hätten und von denen einige selber Gitarre spielen.

 

4. Dieses Interview

 

Ein Genuss vor dem Herrn. Mein aufrichtiger Dank geht an dich.

Interview: Nando Rohner - www.sounds2move.de

Link: www.knorkator.de

Kommentare: "Das nächste Album aller Zeiten" von KNORKATOR

Wurde echt mal wieder Zeit für frisches Material aus dem Hause Knorkator, denn seit dem letzten Album sind mittlerweile 4 Jahre ins Land gegangen. Mit Ihrer aktuellen Silberscheibe schlagen die Berliner Krachmacher wieder die gewohnt harten Töne an, was vor allem in “Still“ und “GV“ zum tragen kommt. Aber auch ein echter Kuschelsong mit dem Namen: “www.einliebeslied.com“ findet durchaus seine Berechtigung und hat das Zeug zur radiotauglichen Ohrwurm-Ballade 2007. Musikalisch finden jetzt auch mit “Eigentum“ gesellschaftskritischere Töne ihr zu Hause bei Knorkator. Fakt ist, die Scheibe geht unheimlich ins Ohr und wenn die 12 Titel durchgelaufen ist, ärgert man sich, dass die Berliner nicht noch 2-3 Songs mehr auf den Silberling gepackt haben.

Ich muss gestehen, dass ich nie ein großer Fan der Knorkatoren war. Zu flach schien mir deren Humor (und das will was heißen!), zu skurril das Gesamterscheinungsbild. Um so überraschter bin ich davon, dass "Das nächste Album aller Zeiten" derartig rockt. "Wir werden" schafft aus dem Stand den Sprung in die Liste der angesagtesten Stimmungsaufheller auf jedem Festivalzeltplatz und die ungewöhnliche Idee hinter "Alter Mann" überzeugt auf ganzer Linie und macht den Song zu einem hartnäckigen Ohrwurm mit Mitsingfaktor. "Für meine Fans" schlägt unter dessen gekonnt die Brücke zwischen Ironie und der (besser nicht wörtlich zu nehmenden) Parodie auf die Mutmaßliche Einstellung mancher Möchtegernsuperstars. Für mich allerdings die größte Überraschung: Das Stück "Eigentum", das augenzwinkernd den Materialismus an den Pranger stellt. Knorkator haben doch glatt Substanz! Gekleidet ist das Ganze übrigens in musikalische Experimentierfreudigkeit. Kompliment.