Interview mit Morgan Lander von KITTIE

 

 

 

Mit „I’ve failed You“ geht euer bislang 6. Studioalbum an den Start. Wie bereits auf den Alben zuvor, scheut ihr euch auch auf dem aktuellen nicht davor, genau die Leute ins Visier zu nehmen, die euch im Weg sind. Ob ihr nun die Manieren der Machos anprangert, Pädophile verurteilt oder Politiker in die Mangel nehmt – jedes dieser angesprochenen Themen, wird haarklein ausdiskutiert. Ihr erzählt keine Märchen, keine Mythen und keine Friede-Freude-Eierkuchen-Storys. Ihr redet nichts schön, sondern zeigt knallhart die Realität auf. Gerade bei Kritikern stößt solches meist sauer auf und führt zu vorschnellen Verurteilungen der Marke „Weltverbesserer“. Musstet ihr euch solcher Kritik bereits stellen? Wie geht ihr damit um?

 

Ehrlich gesagt versuchen wir es zu ignorieren, was Kritiker über uns sagen oder über das, was wir tun. Es liegt nicht in unserem Ermessen, jede mögliche Meinung zu berücksichtigen. Wir durften uns als Band schon so manche Titulierung anhören und haben für uns den Entschluss gefasst, dass wir genau dann unser persönlich Bestes auf die Beine stellen und aus uns herausholen können, wenn wir genau das machen, was WIR für richtig ansehen. Ich habe meine Lektion gelernt. Man kann es einfach nicht jedem recht machen.  

 

Ihr habt jetzt die einmalige Gelegenheit, die Werbetrommel für euch und euer neues Album zu rühren. Was wird das Besondere an „I’ve failed You“ sein? Gibt es Songs, die ihr speziell weiterempfehlen würdet – vielleicht sogar persönliche Favoriten? Was wird „typisch Kittie“ sein?

 

Mit „I’ve failed You“ ist uns unser bislang abgerundetstes, abwechslungsreichstes und zugleich persönlichstes Album geglückt. Wir haben uns die zu Zeiten von „In the Black“ errichtete Grundlage zunutze gemacht und darauf aufgebaut. Wir wollten etwas noch Größeres, noch Komplexeres, noch Besseres auf die Beine stellen.

Typisch Kittie wird sein, dass es eine Reihe verschiedener musikalischer Dynamiken gibt und wir uns wieder der Kombination aus düster und leichtbekömmlich bedient haben, wie auch dem für uns mittlerweile typischen Zusammenspiel aus Härte und melodischen Aspekten. Wie ich schon sagte, ist es unser persönlichstes aber auch zugleich ehrlichstes Werk – lyrisch gesehen. Während des Schreibens fühlte ich, wie ich mich dem Ganzen mit Herz und Seele widmen konnte. Das ist alles ganz neu für mich.


Aufgrund eurer nicht ganz jugendfreien Texte musstet ihr euch von Beginn an der Tatsache stellen, dass viele eurer Songs nicht im Radio gespielt werden. Und dennoch hat euch dies genau genommen nicht wirklich geschadet. Die Musikindustrie wurde mehr und mehr auf euch aufmerksam, und die ersten „großen“ Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Daran kann man doch einmal sehen, was man alles erreichen kann, wenn man trotz Zensur einfach nur die Wahrheit ans Tageslicht bringt, oder?

 

Du sagst es. Aber ich denke, es ist so, dass die Menschen einfach die Wahrheit hören wollen. Wir sind „echte“ Menschen, eine „echte“ Band. Wir gehören einfach nicht zu den Leuten, die Dinge in Watte packen. Uns ist es wichtig, dass wir genau das tun, was wir für das Richtige halten. Wenn das bedeutet, dass wir fluchen und uns der Bewältigung schwieriger Themen annehmen, dann soll es eben so sein. Wir schreiben uns den Frust sprichwörtlich von der Seele, unabhängig davon, ob es akzeptiert und/oder im Radio gespielt wird.  


Nicht nur, dass ihr euch mit Problemen der Zensur herumschlagen musstet, hinzu kommt auch noch, dass intern ziemlich viel am Rotieren war. Jeder Abgang ist schwer zu verkraften und vielleicht gerade deswegen wird es von Mal zu Mal schwerer, passenden Ersatz zu finden. Habt ihr mit Tara und Ivy nun endgültig eine Besetzung zusammengestellt, die so bleibt?

 

Sicherlich hatten wir unsere Schwierigkeiten in der Vergangenheit, gerade in der ersten Hälfte unserer Bandgeschichte. Ich möchte den Line-Up Wechsel eher unter dem Aspekt betrachten, dass wir so auf unsere Art in Sachen Anpassung und Heranwachsen als Musiker dazugelernt haben. Auf diese Art gewinne ich dem Ganzen etwas Positives ab, anstatt das Gefühl eines Rückschlags aufkommen zu lassen. Wie heißt es so schön? Was uns nicht umhaut, macht uns nur stärker – so war es auch in unserem Fall.

Mit Tara und Ivy haben wir meiner Meinung nach ein endgültiges Line-Up auf die Beine gestellt. Die Chemie stimmt zwischen uns einfach. Da hätten wir wieder den Beweis für die These, dass mit dem Alter auch die Reife steigt. Wir sind alle auf dem gleichen Stand und haben die gleichen Ziele vor Augen, gerade wenn es um die Band geht. Die Tatsache, dass wir gute Freunde sind und auch außerhalb der Band miteinander klar kommen, ist dann noch ein zusätzlicher Bonus.
 

 

 

Kittie repräsentiert seit jeher die Rolle der starken Frauen und zeigt genau den Kritikern gekonnt den Mittelfinger, die der Meinung sind, dass Frauen im Metalbereich nichts zu suchen haben. Alles Quatsch, wenn ihr mich fragt. In Songs wie „I’ve failed You“ oder „Come undone“ können sich die männlichen Kollegen gerade was die Shouts angeht noch eine Scheibe abschneiden.

 

Ich denke, vieles davon hat mit dem Blickwinkel der Medien zu tun. Wenn sich immer weiter damit beschäftigt wird, einzelne Bands oder Personen für deren Unterschiede in Schubladen zu stecken, wie sollte man da zu einer neuen Sichtweise gelangen? Sicherlich weiß ich, dass es noch immer eher die Ausnahme ist, aber es gibt so viele tolle und talentierte Frauen da draußen, die nicht zu dem Ruhm kommen, der ihnen zusteht. Warum? Weil es immer noch Journalisten gibt, die - neben dem typischen „Style & Mode“-Fragenkatalog - mehr Wert darauf legen zu erfahren, wie man es empfindet, als Frau in diesem Business zu sein. Dabei geht eben das Wesentliche leider verloren und Fragen zum Handwerk und der Musik völlig unter. Schade, auch wenn mittlerweile langsam aber sicher eine Veränderung eintritt, haben wir noch einen langen Weg vor uns.

 

Lassen wir die vergangenen Jahre einmal kurz Revue passieren. 1996 wurde Kittie gegründet. Sind summa summarum stolze 15 Jahre Bandgeschichte. Werdet ihr diesen Anlass zusammen mit euren Fans feiern? Oder hebt ihr euch das für den nächsten runden Geburtstag auf?

 

Da kommen Erinnerungen hoch, haha. Auf der einen Seite ist es total verrückt, aber zugleich unglaublich erstaunlich, wenn ich jetzt bedenke, dass ich mehr als die Hälfte meines Lebens Musik mache und in der Band bin. Wir haben unser Bandjubiläum ganz ruhig im Rahmen unserer Tour durch die Staaten gefeiert. Der September ist der Geburtstagsmonat von Kittie. Aus diesem Grund war es uns wichtig, eine gute Zeit zu haben und uns vor Augen zu führen, wie lange wir tatsächlich schon im Rennen sind. Es ist ein echt irres Gefühl, wenn du mich fragst.


Trotz der vielen internen Wechsel und diversen anderen unangenehmen Vorkommnisse, habt ihr persönliche Highlights, die ihr euch immer wieder ins Gedächtnis ruft? Woher nehmt ihr die Motivation?

 

Ich persönlich schöpfe meine Motivation zum einen daraus, dass wir als Band so viele schöne Dinge gemacht haben, deren Verdienst noch aussteht und zum anderen daraus, dass wir uns immer noch musikalisch beweisen müssen. Wir hatten bislang so viele Highlights: Unsere erste Tour mit Skinlab, mit Slipknot, das Ozzfest 2000, die Tour mit Pantera, die Teilnahme am Beast Feast in Japan, die Tourneen durch Russland 2008, Südamerika 2007 und Europa 2010 – ich könnte diese Liste unendlich lange fortführen. Für mich persönlich ist jede einzelne Show, jede Tour etwas Besonderes auf seine Art und Weise, und wir sehen diese Erfahrungen nie als etwas Selbstverständliches an.

 

Erinnert ihr euch noch an die Anfänge der Band? Der erste Song, das erste Konzert, die ersten Fans? Vielleicht aber auch die ersten Pannen, die ersten niederschlagenden Kritiken?

 

Wir haben wirklich ganz klein angefangen, man könnte fast sagen, dass es sehr entmutigend war und vom Sound her unterste Qualität. Wir hatten lediglich unser Basic-Equipment und wollten einfach nur zusammen lernen und Spaß haben. Wir hatten, wie jede andere Band auch, unsere Träume und Hoffnungen, aber insgeheim wussten wir, dass wir in einem kurzen Zeitabschnitt von vier Jahren auf weltweite Tournee gehen und vor Tausenden von Menschen spielen würden.

 

Der erste Song, den wir jemals zusammen als Band geschrieben haben, war der Song mit dem alles anfing. Ich kann mich noch daran erinnern, wie alle unsere Freunde unserem kleinen Gig in Ontario, London beiwohnten und uns unterstützten. Ebenso wie die vielen kleinen Begebenheiten, die wir als Supportband für die größeren Bands erfahren durften. Es war und ist immer noch eine einmalige, zauberhafte Zeit für uns, auch wenn es für uns gerade am Anfang nicht einfach war, uns zu behaupten, da man uns aufgrund unseres Alters oftmals nicht ernst genommen hat.

 

Ihr habt bereits frühzeitig an der Seite von diversen Größen gespielt. Man führe hier nur mal die Beispiele Slipknot, Pantera, Killswitch Engage, Biohazard oder Shadows Fall an. Gibt es noch weitere Bands, an deren Seite ihr zu spielen wünscht?

 

Oh da gibt es noch eine ganze Menge Bands, mit denen wir uns gerne eine Bühne teilen würden. Beispiele? Da würden mir spontan Trivium, Lamb of God oder gar Metallica einfallen – hahaha! Aber mal ehrlich, es ist unsere Leidenschaft zu spielen, unabhängig davon an wessen Seite.

 

Wenn es nach euch geht, wie sieht die Zukunft der kanadischen Miezen aus? Was sind eure Ziele, was gilt es für euch noch zu erreichen?

 

Grundsätzlich wäre es schön, endlich als die Band anerkannt zu werden, zu der wir uns entwickelt haben. Selbstverständlich wünschen wir uns noch viele weitere Veröffentlichungen und Tourneen. Wir sind ganz einfache Mädel, die einfach nur weiter Musik machen wollen, um damit andere Menschen glücklich zu machen. Das ist es, ganz ehrlich!

 

 

 

Vanessa Vogl – www.sounds2move.de

 

 

Web: www.kittierocks.com