Interview mit Jennifer Weist von JENNIFER ROSTOCK

 

 

Jennifer, zu Beginn erst mal eine Frage, die vermutlich häufiger kommt: Wie regelmäßig wirst du mit “Frau Rostock” angesprochen?

 

Gerade in Interviews ist das ein super Indikator, wie sehr sich der Kollege von der Presse vorbereitet hat. "Frau Rostock" als Einstieg und ich weiß Bescheid: Ab jetzt wird's schlimm! Haha! Aber das ist mittlerweile glücklicherweise die Ausnahme!

 

“Mit Haut und Haaren” beinhaltet einen Gastauftritt von War from a Harlots Mouth-Sänger Nico. Wie seid ihr auf die ungewöhnliche Idee gekommen, euch extreme Vocals für „Es war nicht alles schlecht“ ins Boot zu holen?

 

Uns ging es gar nicht um das vermeintlich "Extreme". Wir sind ja durch Teile der Band sehr „hardcore-akklimatisiert“, für uns ist das eine Gesangsart wie jede andere auch. Exklusive Jodeln. Es ging darum, dem Song einen Bombast-Höhepunkt zu verpassen, und da bot sich ein Gastspiel von Nico wunderbar an!

 

Warum habt ihr euch ausgerechnet für Nico entschieden? Seine Band hat in der Szene durchaus einen Namen und es gibt auch einige Kids, die auf die Band und generell das Genre Mathcore stehen. Trotzdem sind WFAHM eher eine Nischenband, was eure Wahl noch überraschender macht. Viele andere Künstler suchen sich bewusst einen möglichst großen Namen, wenn es um derartige Kooperationen geht. Ihr hingegen habt euch eher einen Underdog geangelt.

 

Wir wollten schon immer ein Feature auf einem Song ausprobieren und standen genau vor diesem Problem: WER ZUR HÖLLE? Jay-Z? Cher? Aber Nico war dann einfach am naheliegendsten, er ist seit vielen Jahren ein guter Freund von uns, wir unternehmen privat viel zusammen und lassen uns auch regelmäßig auf WFAHM-Shows blicken. Zudem ist unsere Verbundenheit zum Hardcore auch eine Facette von uns, die wir gerne präsentieren wollten.

 

Mich würde mal interessieren wer bei euch überhaupt der Metalhead in der Band ist und auf diese Idee gekommen ist? Vielleicht haben wir damit ja sogar den Startschuss in ungeahnte zukünftige Härteregionen bei Jennifer Rostock erlebt, hehe.

 

Einen echten, ausschließlichen Metalhead gibt es bei uns nicht. Baku und Christoph haben ihre Wurzeln im Hardcore/Punk-Bereich und stiefeln auch heute noch viel auf Shows. Aber Jennifer Rostock definieren sich ja aus dem Zusammenspiel von Extremen, die dann das Endergebnis formen: Der eine hört eher elektronische Musik, dann gibt es die Popfraktion und sogar ein Oasis-Groupie. Und all das versuchen wir dann unter einen Hut zu panschen. Im positiven Sinne! Also ein Jennifer Rostock Grindcore-Album fällt wohl vorerst flach, haha!

 

Was mir an deinem Gesang richtig gut gefällt, ist dass er sehr individuell ist und ihr scheinbar bei der Produktion nicht auf die absolute Perfektion gesetzt habt, was nicht heißen soll, die Vocals wären dahingeschludert. Gesungen wird was passt und stimmig ist, auch wenn es in den wilden Momenten mal schrill wird und vielleicht ein Ton daneben geht. Geht Feeling bei dir/euch vor technischer Perfektion?

 

Klar, das Gefühl ist uns sehr wichtig, wir sind hier schließlich nicht beim Jazz! Ooopsie, das wird der Jazzfan jetzt natürlich anders sehen, aber ich denke, ihr wisst, was wir meinen! Wir haben gerade bei dieser Platte versucht, die Energie zu transportieren, die uns live ausmacht. Die ersten beiden Alben wichen in der Produktionsweise sehr davon ab, so fühlt es sich einfach ehrlicher an.


Manche der Electro-Sounds auf „Mit Haut und Haaren“ klingen ziemlich speziell. Da war es doch bestimmt nicht mit einem Keyboard, einem Synthesizer und einem alten Atari getan, oder?


Joe ist mit unserem Produzenten Chris Badami vor den Aufnahmen in ein krass nerdiges Synthesizer-Center gefahren und kam mit einer Wagenladung an Vintage-Keyboards zurück. Aber gerade in den elektronischen Regionen der Platte haben wir uns viel Raum für Experimente gegönnt. Einige Sounds kommen aus dem iPad, andere aus einem Gerät, dass nur unbeschriftete Drehregler und diverse Ein- und Ausgänge hat. Alles in allem: Joe bewegte sich am innersten Ring der Geekness-Hölle!

 

Das letzte Stück auf eurem neuen Album heißt „Hier werde ich nicht alt“ und könnte als so etwas wie euer Meisterstück durchgehen. In der Nummer passiert mehr als bei manch durchschnittlicher Band auf einem kompletten Album - schon wenn man nur mal bedenkt, dass ihr mit überdrehtem Punk anfangt und am Ende bei schrammeligem Post-Rock rauskommt. Der Höhepunkt des Albums und auch eures bisherigen musikalischen Schaffens?

 

Auf jeden Fall der perfekte Abschlusssong inklusive der Aussicht auf das, was da in Zukunft noch alles passieren könnte!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.jennifer-rostock.de