Interview mit TUOMAS HOLOPAINEN von NIGHTWISH
MR: Auf „Once“
benutzt ihr eine Vielzahl an klassischen Elementen. Ihr habt bei der Produktion
Hand in Hand mit dem „London Sessions Orchestra“ gearbeitet, welches auch
den Soundtrack zum Kinohit „Herr der Ringe 3“ eingespielt hat. Meiner
Meinung nach hätten auch einige eurer neuen Stück auf diesen Soundtrack
gepasst.
TH:
Oh, Danke! Das
ist das größte Kompliment, das du mir machen kannst.
MR:
Könntest du dir vorstellen auch einmal eine Filmmusik zu komponieren?
TH: Ja, Musik ist meine
Passion. Es ist musikalisch mein größter Traum einmal einen Soundtrack
schreiben zu dürfen.
MR: Würdest du dann auch
ein Fantasymovie bevorzugen oder was wäre dir am liebsten?
TH: Nein, es könnte auch
ein Actionfilm sein oder ein Triller. Ich könnte mir auch gut vorstellen die
Musik zu einer Naturdokumentation zu schreiben. Auch das wäre sehr schön.
MR:
Und würdest du dann auch Gesang einbauen oder eher nur Instrumentale Stücke
verwenden?
TH:
Ich denke ein Orchester und ein Chor wären auf jeden Fall Bestandteil meiner
Kompositionen. Auch Keyboards könnte ich mir sehr gut vorstellen. Ich denke ich
würde in Richtung des neuen Nightwish-Styles gehen.
MR:
Nur ohne die Gitarren?
TH: Genau, die passen
nicht in meine momentane Vorstellung eines von mir geschriebenen Soundtracks.
MR:
Wenn ich mir die Texte von „Once“ anhöre dann klingt es für mich so,
als würdest du einen sehr großen Teil deiner Seele und deiner Gefühlswelt
preisgeben.
TH: Richtig, das tue ich immer wenn ich Musik schreibe. Die Musik ist mein Leben. Meine Musik ist wie ein Tagebuch meines Leben, das dokumentiert was mit mir und um mich herum geschieht. Meine Songs sind immer großer Teil meiner Persönlichkeit.
MR: Aber „Once“ ist meiner Meinung nach noch einen Tick persönlicher als die Vorgängeralben.
TH:
Das stimmt. „Century Child“ und „Once“ sind bisher meine persönlichsten
Werke.
MR:
Der Song „Higher than Hope“ ist ja einem mittlerweile leider verstorbenen
Nightwishfan in den USA gewidmet.
TH: Ja, ich lernte diese
Familie kennen und sie erzählte mir, dass ihr krebskranker Sohn ein großer
Nightwish-Fan ist. Ich traf ihn dann einmal bei einer Show in Atlanta und nur 2
Wochen später ist er an seinem Geschwür gestorben. Dieses Ereignis war der
Grund warum ich diesen Song geschrieben habe.
MR:
Aber es ist seine Stimme, die im Song als Sample eingespielt wird? Wann habt
ihr seine Stimme aufgenommen oder habt ihr eine Anrufbeantworteransage oder
etwas ähnliches verwendet?
TH: Also ich habe die
Familie des Jungen angeschrieben und sie haben mir dann eine Kassette von ihm
zukommen lassen. Die haben wir dann über den Computer in das Stück eingebaut.
MR: Es ist auch wieder ein Track in finnisch, deiner Muttersprache, auf dem Album vertreten. Wie wichtig ist es dir auch auf finnisch Songs zu veröffentlichen?
TH: Nun ja, es ist nur
ein Experiment. Es gibt keinen direkten Hintergedanken. Ich habe den selben Song
auch auf Englisch geschrieben, aber wir finden, dass es auch in finnisch sehr
gut klingt und so haben wir uns für diese Variante entschieden.
MR:
Denkst du es ist für deine Landsleute wichtig, dass ihr auch finnische Texte
verwendet?
TH:
Ich bin stolz darauf Finne zu sein – jeder Finne ist stolz auf sein Land.
Aber ich denke, dass es für die Finnen auch okay ist wenn wir englische Lieder
schreiben.
MR : In wie fern wirst du durch dein Heimatland inspiriert?
TH:
Weißt du, ich habe mein ganzes Leben, 27 Jahre lang, in den finnischen Wäldern
gelebt. Dort habe ich nichts außer der wunderschönen finnischen Landschaft
gesehen. Das hat auf jeden Fall eine Auswirkung auf das was ich schreibe.
MR:
Warum habt ihr die Platte „Once“ genannt? Kann man es wie den Anfang
einer Geschichte „Once upon a time“ verstehen oder hängt der Titel mit den
ersten Zeilen von „Dark Age of Wonders“ zusammen? Gibt es vielleicht eine
tiefere Bedeutung?
TH:
Darüber möchte ich nicht allzu viel verraten. Es gibt für mich eine ganz
eigene, persönliche Bedeutung für den Albumtitel. Ich möchte auch nicht zu
viel verraten, denn unsere Fans sollen die Platte selbst erforschen. Sie soll
sich die Lieder anhören, die Texte lesen und sich eine eigene Meinung bilden.
MR:
Also sollen sich eure Fans länger mit der Platte auseinandersetzen.
TH:
Ja, sie müssen sich ihre Meinung selbst bilden. Würde ich den Leuten meine
Sicht der Dinge preisgeben dann würde sich niemand die Mühe machen sich mit
„Once“ auseinander zu setzen. Der Zuhörer soll nicht meine Meinung übernehmen,
sondern selbst über diese Platte nachdenken.
MR:
Kannst du uns etwas über das Cover von „Once“ sagen?
TH:
Wir haben wieder den selben Künstler gewählt, der schon die Cover der Vorgänger
gestaltet hat. Diesmal wollten wir allerdings mal etwas anderes versuchen. Ich
wollte kein Airbrush, kein Artwork. Ich wollte diesmal eine Photografie mit
einheitlichen Farben und so haben wir uns mit dem Künstler zusammen gesetzt und
uns letztendlich für dieses Bild entschieden.
MR:
Warum habt ihr „Nemo“ als erste Single ausgewählt? Ist „Nemo“ dein
Lieblingssong auf dem neuen Album? Und welche tiefere Bedeutung hat „Nemo“?
TH:
Nein, Nemo ist nicht mein Lieblingssong auf „Once“. Wir brauchten einfach
einen Song, der die Zuhörer fesselt und der eine einfache Struktur hat. Die
meisten Songs auf „Once“ sind zu schwierig und komplex für eine Single. Es
ist bei den anderen Stücken zu schwierig einen Bezug herzustellen. Somit fiel
uns die Wahl recht leicht.
Nemo ist übrigens kein
Song über einen kleinen Disney-Fisch. Der Song entstand lange bevor dieser Film
publik wurde. Nemo ist lateinisch und bedeutet „Niemand“.
MR:
„Nemo“ wird ja in mehreren Varianten auf den deutschen Markt kommen. Als
normale Single, als Digipak, Vinyl usw. Wird es auch verschiedene Versionen von
„Once“ geben?
TH:
Darüber kann ich dir nicht allzu viel sagen. Darum kümmern sich andere
Leute. Ich weiß nur, dass es eine 5.1. Version geben wird, die wirklich großartig
klingt. Die sollte man sich einmal anhören.
MR: Habt ihr euch schon
Gedanken darüber gemacht wie ihr die komplexen Songs von „Once“ auf der Bühne
umsetzen wollt?
TH:
Ja, das wird eine recht schwierige Angelegenheit. Wir haben die Songs schon
teilweise umarrangiert und müssen dann eben auswählen, welcher Song live gut rüber
kommt. Es ist klar, dass wir nicht alle Stücke von „Once“ umsetzen können,
aber ich denke wir werden „Creek Mary’s Blood“ auf alle Fälle verwenden.
MR:
Das freut mich, denn der Song gehört zu meinen Favoriten auf „Once“.
TH: Ja, der Song ist großartig. Ich glaube, das ist der beste Song den ich je geschrieben habe. Für mich ist er das Highlight des Albums.
MR:
Wie sieht es mit Festivalauftritten aus? Ihr werdet ja im Juni auf dem
„Woodstage“ spielen, aber wie sieht es mit einem der größeren Festivals im
Sommer aus?
TH:
(lacht) In diese Sache bin ich momentan auch nicht eingeweiht. Ich bin auch
nur ein kleiner Musiker, der dort spielt wo er gebucht wird. Wir werden wohl so
um die 10 – 15 Festivals in ganz Europa spielen, davon vielleicht 2 – 3 in
Deutschland. Aber ich kann nichts versprechen, denn ich kenne die Details nicht.
MR:
Und werdet ihr auch sonst noch auf Tour gehen?
TH:
Wir werden auf Europatour gehen und danach Nord – und Südamerika bereisen.
Anschließend folgt eine Skandinavientour. Das Ganze wird im August beginnen.
MR:
Wenn ich einen Blick in die deutschen Metalmagazine werfe, dann sind
Nightwish bei den Leserumfragen im Bereich „Beste Liveband“ immer auf einem
der vorderen Plätze zu finden. Woran liegt das aus deiner Sicht?
TH:
Ich denke es liegt daran, dass wir Freude daran haben auf der Bühne zu
stehen. Da stehen 5 Freunde auf der Bühne, die Freude an der Musik haben, die
sie machen. Außerdem haben wir eine sehr visuelle Show. Wir verwenden viel
Licht und Technik bei unseren Shows und das Ganze gefällt unseren Fans.
MR:
In der Vergangenheit sahen Nightwish – speziell Tarja – von Album zu
Album sehr unterschiedlich aus. Die aktuellen Promotionfotos bestätigen diese
Feststellung. Denkst du, dass diese veränderte Optik auch immer für einen veränderten
Nightwishsound steht?
TH:
Ich versuche immer mit allem etwas neues zu probieren. Mit Musik, mit
Bildern, einfach mit allem. Ich möchte nie zweimal das gleiche machen, daher
suche ich immer nach neuen Ideen. Für dieses Album wollte ich wieder etwas völlig
anderes machen und da ein paar Songs ein indianisches Flair haben wollte ich
eine Westernähnliche Optik und Atmosphäre für die Fotos. Man sollte diese
Sache auch gar nicht all zu ernst nehmen und beispielsweise sagen „Nightwish
machen einen auf Cowboy und verkaufen ihre Seelen an Amerika“, denn das ist
absolute Scheiße!
MR: Also stehen die sich
ändernden Optiken eher für die „Evolution“, die eure Musik von Platte zu
Platte durchlebt hat?
TH:
Ja, absolut. Es ist einfach wunderbar, denn ich kann mit Nightwish einfach
alles ausprobieren und es klingt trotzdem immer noch nach Nightwish. Wir können
heavy Songs spielen oder auch Balladen oder wie jetzt indianische Klänge und es
ist immer noch Nightwish. Ich bin sehr froh ein Teil dieser ganzen Sache zu
sein.
MR:
Und egal was ihr für Songs macht, die meisten eurer Fans mögen es.
TH: Ja, wir können zwar nicht immer jede glücklich machen aber du hast recht. Egal was wir machen – es ist immer Nightwish und die meisten unserer Fans lieben es. Bei dieser Band kann ich jede „Perversion“ verwirklichen.
MR: Ohne dass jemand dazwischen geht und sagt „Hey, das geht so nicht. Das kannst du nicht machen“.
TH:
Exakt. „Das geht nicht“ – das ist nicht die Art von Nightwish. Sowas
gab es bei mir noch nie. Ich bin es gewohnt tun zu können was und wie ich es möchte.
MR: Ihr habt ja bevor es
daran ging „Once“ zu machen Drakkar verlassen und habt bei Nuclear Blast
unterschrieben. Wie kam es dazu? Ich denke für Nightwish war es keine Frage des
Geldes.
TH:
Richtig, nach „Century Child“ ist unser Vertrag ausgelaufen und wir
hatten verschiedene Angebote vorliegen, auch von Nuclear Blast. Wir haben
entschieden, dass deren Angebot das richtige für unsere derzeitige Situation
war. Außerdem wollten wir kein zu großes Risiko eingehen. Das Angebot war
speziell im Bereich Marketing sehr gut und so haben wir uns für Nuclear Blast
entschieden.
MR: Glaubst du bei Nuclear Blast geht es auch etwas professioneller zu?
TH:
Naja, die Labels haben auch unterschiedliche Philosophien aber du hast recht
denn NB ist auch eine größer Firma. Aber ich möchte auch nicht schlecht über
Drakkar sprechen, denn wir verdanken ihnen einiges und hatten dort eine sehr
gute Zeit.
MR: Tobias Sammet von Edguy hat vor ein paar Wochen in einem Interview gesagt: „Die Metalfans sind loyal. Sie kaufen Alben und brennen sie nicht“. Was würdest du dazu sagen?
TH: Da bin ich ganz genau seiner Meinung – definitiv! Metalfans sind die loyalsten und treuesten Fans, die es gibt!
MR: Nicht so wie viele
Fans von Mainstream-Pop, die von einem Künstler vielleicht 2 – 3 Songs mögen,
welche sie sich runterladen um 2 Wochen später das selbe mit einem anderen Künstler
zu tun.
TH: Genau so ist es. Sie folgen immer nur irgendwelchen Trends.
MR:
Deshalb lohnt es sich für sie auch nicht ein Album zu kaufen...
TH: Ja, so sehe ich das
auch.
MR: Und was sagst du zu Bootlegs? Für den manche sind sie „Souvenirs“ oder „Sammlerobjekt“ aber es gibt auch Leute, die sie als Piraterie bezeichnen und verurteilen.
TH: Dazu habe ich eigentlich kein richtige Meinung. Es wird immer Bootlegs geben, egal was du tust. Ich besitze selbst 10 – 15 Nightwish Bootlegs und denke es macht einfach Spaß, sie zu sammeln.
MR: Es gibt ja auch
Bands, die Bootlegs bzw. Mitschnitte speziell für ihre Fanclubs fertigen
lassen.
TH: Ja, und das finde
ich auch okay. Warum nicht.
MR: Ihr habt ja keinen offiziellen Fanclub in Deutschland oder?
TH: Naja, es ist auch
immer so eine schwierige Sache mit „Offiziell“. Wir haben viele Fanclubs,
auch in Deutschland. Dort gibt es z.B. „Ocean Souls“, ich weiß nur nicht ob
die sich „offiziell“ nennen bzw. nennen dürfen.
MR: Momentan laufen Bands wie „Evanescence“ oder „Within Temptation“ auf den deutschen Musiksendern rauf und runter. Denkst du das könnte auch mit eurem Video geschehen oder meinst du euer Sound ist zu speziell für den Mainstream?
TH: Nun ja, Nemo ist ein guter Song und das Video sieht verdammt gut aus. Ich hoffe, dass wir etwas Sendezeit bekommen können. Aber andererseits spielt das Video im Winter und erzählt eine sehr mystische Geschichte. Es ist voller Schnee und ich glaube die Musiksender werden ein Problem damit haben ein solches Video im Sommer zu spielen.
MR: Um noch mal kurz auf
die Loyalität der Metalfans zurück zu kommen: Glaubst du die momentane
Medienpräsenz von Bands wie „Within Temptation“ oder „Evanescence“ ist
das Resultat der treuen Fans?
TH: Absolut! Metalfans verlassen einen niemals. Sie werden immer die Platten ihr Lieblingsbands kaufen. Dadurch können Bands wie „Within Temptation“ problemlos von Null in die Top-10 einsteigen.
MR: Hast du schon Pläne
für die Zukunft? Nachdem die Platte raus ist, ihr auf Tour ward und „Once“
der Vergangenheit angehört. Wie wird es mit Nightwish weitergehen?
TH: Ich versuche immer
nicht zu weit in die Zukunft zu schauen. Es passiert einfach im Moment viel zu
viel und in Kürze wird auch soviel passieren. Wir werden sehr viel Promotion
machen, auf Tour gehen und so weiter. Dann werden wir sehen was die Zukunft
bringt. Es wird in Zukunft auf jeden Fall noch einige Alben von Nightwish geben,
das kann ich dir sicher versprechen. Ich habe noch so viele Ideen und ich brenne
darauf diese umzusetzen, da sehe ich keinen Grund mit Nightwish aufzuhören.
Interview:
Markus Rutten – sounds2move.de
Übersetzung & Ausarbeitung: Simone Steinbüchel & Markus Rutten – sounds2move.de