Interview mit Dr. Pymonte von IN EXTREMO

 

 

Seit dem 25. Mai 2012 kann sich jeder Fan erneut ein Stückchen In Extremo ins heimische Wohnzimmer holen. Aufgezeichnet wurde die Show in der Siegerlandhalle in Siegen, anlässlich der letztjährigen Promotour zur aktuellen Platte „Sterneneisen“. Wie kam es denn zu dem Entschluss, nach den bisher drei veröffentlichten Live-DVDs nun noch eine vierte nachzuschießen? Nicht zuletzt hieß es im April 2011 von Specki T.D. und Van Lange noch, es wären „ungelegte Eier“, ob und inwieweit es eine weitere DVD geben würde.

 

Da magst du recht haben. Aber ich denke, „ungelegte Eier“ ist im Endeffekt eine recht vage Information. Sowohl In Extremo als auch ich persönlich sind auf dem Standpunkt, dass man, unabhängig davon die wievielte Live-DVD es nun ist, bei dem Stückchen Visualität, das man so preisgibt, eine gewisse Weiterentwicklung erkennen sollte. Wir werden auch nicht jünger, wir werden aber irgendwie auch nicht älter (haha) - wir werden eben durch die Band jung gehalten, aber die Zeit hält die Band doch schon in Bewegung – und genau das galt es für uns einzufangen und festzuhalten.

Es sind neue Stücke drauf, das ist natürlich eine ganz eigene Vibration, wie genau diese Songs live ankommen. Wir haben die Veröffentlichung gepaart mit einem Fotoalbum – wie wir finden eine ganz nette Geschichte. Man erhält quasi persönlichere Eindrücke von uns auf Tour. Und die Resonanz ist derzeit auch echt groß.

 

So sollte es ja auch sein. Laut einem eurer vergangenen News-Updates auf der offiziellen Internetpräsenz hat die in 2009 erschienene Live-DVD „Am goldenen Rhein“ Platinstatus erreicht. Wie stolz macht euch ein solcher Erfolg?

 

Ganz ehrlich, wir waren selbst wirklich überrascht über den Platinstatus. Wir haben das ganz nebenbei auf Tour erfahren. Das ist natürlich auch ein Indikator dafür, dass die Nachfrage da ist – auch am Visuellen.

In Extremo ist jetzt nicht wirklich die Band, die im Downloadbereich angesiedelt ist. Wir sind noch die typischen Vertreter der physischen Tonträgerverkäufer. Wir haben das große Glück, eine treue Fangemeinde zu haben, die solche Produkte auch dankbar entgegen nimmt. Das war und ist auch für uns persönlich der Hauptgrund, weshalb wir uns für die nächste DVD entschieden haben – neben dem Argument der Weiterentwicklung. „Sterneneisen Live – Laut sind wir und nicht die Leisen“ soll es einfach ermöglichen, ein Stückchen von der Show mit nach Hause zu nehmen – die Atmosphäre der neuen Songs, die Power der alten Songs, unsere Bühnenpräsenz, das Bühnenbild, einfach dieses „In Extremo live und in Farbe“. Ich persönlich finde diese bandinterne Weiterentwicklung ganz interessant anzuschauen – wir sind ja auch nicht mehr die, die wir vor 30 Jahren waren.

 

Wünscht man sich so etwas nicht insgeheim auch für das neuste Werk? Die Zeichen stehen doch schon einmal nicht ganz so schlecht – schließlich schaffte es „Sterneneisen“ in der Woche nach der Veröffentlichung direkt auf Platz 1 der deutschen Charts.

 

Wir haben weniger diesen Anspruch. Klar, Bauchkribbeln hat man. Man macht sich ja schon so seine Gedanken der Sorte „wie kommt die Platte an?“ und „wie viele werden wir davon verkaufen?“. Aber In Extremo ist eine Band, die – ich möchte es jetzt nicht beschwören – vier oder fünf goldene Schallplatten an der Wand hängen hat. Da kommt jetzt noch besagte Platinplatte dazu und eine Goldauszeichnung für „Sterneneisen“. Es schmeichelt natürlich – gar keine Frage – aber irgendwann ist auch dieser Hype einfach abgeebbt, wenn ich das mal so sagen darf. Ich möchte nicht sagen, dass es nichts Besonderes ist. Es ist schon schön, solche Auszeichnungen zu erhalten. Aber im Falle von uns steht das nicht an erster Stelle, es ist nicht ganz so wichtig wie für andere Künstler. Für uns ist es mehr von Bedeutung, den Meilenstein zu veröffentlichen und den Fans einfach auch etwas bieten zu können.

 

Bühnentechnisch wart ihr schon immer eine Band, die sich zur Begeisterung der Massen und Unterstreichung der Songs etwas Besonderes hat einfallen lassen. Sei es jetzt die Pyrotechnik, der gesamte Bühnenaufbau oder eben zuletzt der Goldregen zu dem Song „Gold“. Dass ihr eine Live-Band seid, das stellt ihr anlässlich der neuen Live-Auskopplung erneut unter Beweis. Woher kommen in eurem Fall die Ideen für die Bühnenumsetzungen?

 

Das ist alles hausgemachter Blödsinn, haha. Wirklich, diese Ideen kommen von der Band selbst. Wir versuchen die Songs thematisch so aufzubereiten und dann visuell zu untermalen – wie eben schon bei dem von dir gerade erwähnten Song „Gold“. Der Song an sich ist eine recht makabere Geschichte mit der visuellen Untermalung im Robo– Jack-London–Style. Er zeigt, wie Reichtum und Geld den Menschen verändern können. Und genau das haben wir versucht, visuell zu verdeutlichen oder zum Ausdruck zu bringen. Da sind natürlich ganz starke Bilder entstanden. Sei es nun die in oranges und gelbes Licht getauchte Bühne, der von oben rieselnde Goldflitter oder der in Alufolie verpackte Roadie, der mit einer Schubkarre voll mit diesem Goldflitter rumrennt. Der witzige Nebeneffekt ist natürlich, selbst heute noch kommen uns diese Flitter entgegen, wenn wir Kisten aufmachen. In meinem konkreten Fall hat er es sogar bis auf die Insel Rügen geschafft, haha.

 

Im Rahmen des diesjährigen Metalfests wart ihr u.a. in Dessau, Mailand, Budapest, Zadar und auf der Loreley. Festivals sind immer eine ganz andere Liga als Hallenkonzerte. Welche Erinnerungen habt ihr von dort mit nach Hause genommen?

 

Eigentlich ausschließlich recht angenehme und recht gute. In Extremo wollten sich rein vom Genre her gar nicht so wirklich in dieses Metalfest einbetten, wir sind aber sehr, sehr dankbar angenommen worden, weil wir wahrscheinlich so extravagant aus der Reihe geschlagen sind und auch in gewissen Ecken noch überhaupt nicht bekannt waren. Da hat das Publikum schon erst einmal einen Moment gebraucht, um zu verstehen, wer das da auf der Bühne eigentlich ist und was die da veranstalten. Wir haben durch das Metalfest auch eine enorme Resonanz auf der Homepage gehabt. Wir haben es als Künstler einfach sehr angenehm empfunden. Es war für uns ja auch eine neue Erfahrung mit einem Festival durch Europa zu ziehen. Klar, die obligatorischen Kleinigkeiten, die den Einzelnen nerven, die gibt es immer. Aber insgesamt wurde das schon richtig gut organisiert und auch umgesetzt, muss man wirklich sagen.

 

Ihr seid eine Band für alle Sinne – sowohl akustisch als auch optisch, es ist einfach ein Schmaus euch und euren Shows beizuwohnen. Woher nehmt ihr die Motivation, bei jedem Konzert nicht nur 100, sondern 200 Prozent zu geben? Was ist euer Ansporn, dass eben jede Show etwas Besonderes wird?

 

Es ist einfach ein Vorsatz der Band, dass wir eben alles geben. Das ist für uns auch eine Art Voraussetzung für jede Show. Wir sind es den Leuten, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind, einfach in gewisser Weise – auch wenn das Wort vielleicht nicht wirklich das Richtige ist – schuldig. Man kann sich nicht einfach hinstellen, einen auf dicke Hose machen und sich auf den Lorbeeren ausruhen, getreu dem Motto „Wir haben jetzt so und so viele Abverkäufe an CDs oder haben es mit Platte X geschafft auf Platz 1 zu gehen“.

Da komme ich doch gerade noch mal kurz auf das Metalfest zu sprechen, wo man – wenn auch ab und an gezwungenermaßen – mit den Amibands zu tun hatte. Gerade bei solchen Festivals ist es immer wieder erstaunlich zu sehen, dass gerade diese Bands, die alleine nicht einmal 400 Mann in eine Halle kriegen, sich hinstellen und so tun als wären sie die absoluten Megastars. Ich werde jetzt keine Namen nennen, aber es gibt da einfach ein gewisses Benehmen gegenüber dem Publikum. Die lassen sich sprichwörtlich eine Extrawurst braten und auf dem Silbertablett anreichen. Das wirst du bei In Extremo nie erleben, so ein Verhalten gibt es bei uns nicht. Wir sind einfach nicht der Typ Band, der für jedes Bandmitglied einen extra Raum braucht, sich extra Frühstück zubereiten lässt und dann auch noch total gelangweilt und mit einem schiefen Gesicht auf die Bühne geht. Und wenn der Platz auf der Running Order noch so bescheiden ist, wir sind es den Fans einfach schuldig und holen einfach das Beste aus der Show raus.

 

Wie vermeidet ihr, dass das Ganze zur Routine wird? Immerhin habt ihr doch schon so ziemlich jede Ecke hier in Europa abgetourt und habt schon einiges „on the road“ erlebt. Woher kommt dieses Gefühl, dass es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt und es immer wieder schön ist, In Extremo live zu sehen?

 

Uns gibt es ja nun fast schon 23 Jahre. Wenn das manche Bands machen, dann ist das OK. Mich persönlich stört es nicht weiter. Was uns betrifft: Wir haben auch nach den ganzen Jahren viel mehr Spaß daran, eine CD mit komplett neuen Songs zu veröffentlichen als eine Best-Of Platte rauszuhauen!
 

 

Ich denke, das kommt durch die Auszeiten zustande. Wir sind ja jetzt nicht jedes Wochenende unterwegs oder rollen im Dauerstress durch die Landschaft. Es ist schon so, dass man genug Auszeiten einplanen sollte, denn gerade die machen wirklich viel Sinn, wenn du mich fragst. Das geht nicht nur uns so, sondern auch den Technikern. Man freut sich wahnsinnig, wenn man sich nach sechs oder acht Wochen wiedersieht und es einfach so weitergeht, als wärst du gestern erst aus dem Tourbus ausgestiegen. Klar kommt dann noch der Faktor dazu, wie bist du menschlich einfach drauf? Bist du mehr alt und träge im Kopf oder bist du ein bisschen spießbürgerlich. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder du bist Musiker durch und durch, kannst damit umgehen als Vagabund durch die Länder zu ziehen und findest es richtig genial – dann bist du genau richtig – oder eben nicht. Bei uns passt das einfach und wir haben mit der Tourerei auch überhaupt keine Probleme – ganz im Gegenteil. Routine gibt es einfach nicht, dafür fällt uns schon genug ein. Seien das nun Partys abends im Bus, bei dem der Alkohol in Strömen fließt, oder sei es, dass wir uns eben neue Städte anschauen. Mit In Extremo wird dir einfach nicht langweilig.

 

Tourtechnisch wird es im Moment ruhiger um euch. Sicherlich verständlich nach dem, was es alleine im letzten Jahr an Konzerten und Shows zu absolvieren galt. Seht ihr diese „Pause“ als einen Zeitraum, um die Batterien wieder aufzuladen und zu neuen Kräften zu kommen oder nutzt ihr diesen „neugewonnen Freiraum“, um neue, kreative Ideen auf's Papier zu bringen?

 

Sowohl als auch – zum Einen dient die Pause wirklich dazu, um wieder zu Kräften zu kommen und die Batterien aufzuladen, zum Anderen nutzen wir diesen Zeitraum aber auch, um neue Ideen für ein nachfolgendes Album festzuhalten und zu konzipieren. Das ist für uns auch ganz wichtig. Wir sind keine der Bands, die auf Tour gehen und dann krampfhaft parallel am neuen Album arbeiten. Sicherlich kommen uns auch mal auf Tour Gedanken in den Kopf, aber gerade wenn es um die Umsetzung geht, sollte man sich die nötige Ruhe und Zeit gönnen und nehmen, damit die Sache ziemlich solide von der Hand geht.

 

Gibt es denn schon, um nun zum Abschluss zu kommen, eine konkrete, auf's Papier gebrachte Idee?

 

Ich möchte nicht zu viel verraten, aber wir sind schon an dem Punkt, wo es heißt „Ideen bündeln, bitte“. Es steht noch nichts Fertiges auf Papier, aber das entsteht mit der Zeit, denke ich, von ganz alleine. Wenn es konkreter wird, werden wir uns von der Bildfläche für bestimmt ein Jahr zurückziehen, um dem neuen Album die nötige Aufmerksamkeit zu widmen und das ist auch gut so!

 

Vanessa Vogl – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.inextremo.de/