Interview mit Mikko „Mige“ Paananen von HIM

 

 

Euer neues Album erscheint ziemlich genau am Valentinstag. Ein perfektes Timing für eine Band wie Him oder?

 

Auf jeden Fall ist es eine gute Vorlage für das Marketing. So als kleines Gothic-Souvenir oder man kauft die CD als Präsent für ein ganz spezielles Gothic Girl, hehe. Hier in Finnland wird Valentinstag eigentlich gar nicht gefeiert oder wahrgenommen, dieser Brauch existiert hier nicht wirklich. Da ist es dann einfach nur der Veröffentlichungstermin unseres neuen Albums, unser eigener kleiner „Bloody Valentine“.

 

Das letzte Him-Album „Venus Doom“ war wie der Name schon vermuten lässt sehr heavy und schleppend. Genau genommen war es euer bis dato metallischstes Album, sozusagen euer Kniefall vor Bands wie Black Sabbath oder aber My Dying Bride. „Screamworks“ hingegen orientiert sich wieder deutlich an eurem typischen Klang wie man ihn von Alben wie „Dark Light“ und „Love Metal“ kennt, nur mit einer etwas ausgeprägteren Rock N Roll Note. War „Venus Doom“ ergo nur ein einmaliges Experiment oder warum habt ihr euch jetzt wieder von diesem Sound distanziert?

 

Alben reflektieren für mich immer das Leben ihrer Urheber, in unserem Fall vor allem das von unserem Sänger Ville. Als wir „Venus Doom“ vor drei Jahren gemacht haben, waren wir gefühlsmäßig und mit unseren Leben ziemlich verzweifelt und das wirkt sich dann natürlich auch hörbar auf die Songs aus, die wir in diesem Moment schreiben. Inzwischen sind wir wenn du so willst optimistischer und haben diese kleine Midlife Crisis hinter uns gelassen. Zu dem Zustand von damals wollte einfach niemand von uns zurückkehren, deshalb schaut auch das neue Album von der Stimmung her – so fern man das bei unserer Musik überhaupt sagen kann – positiver in die Zukunft. Es sind einfach andere Zeiten und wir fühlen uns so gut wie lange nicht mehr. Unabhängig davon ist „Screamworks“ auch viel leichter zugänglich, wir wollten schließlich keinen kommerziellen Selbstmord begehen. Wir machen nun mal kommerzielle Musik, die in den Charts stattfindet und dazu bekennen wir uns hiermit auch wieder. Bei „Venus Doom“ haben wir aus Überzeugung all das einfach mal ausgeblendet und komplett ignoriert, uns an keines der Dogmen gehalten. Diesmal richten wir uns aber wieder an ein breites Publikum.

 

In vielen Momenten habt ihr in „Screamworks“ meiner Ansicht nach den absolut passenden Titel gewählt, denn Ville schreit zum Beispiel bei „In Verene Veritas“ und „Like Saint Valentine“ seine Texte voller Inbrunst heraus.

 

Das stimmt, aber der Titel kommt dennoch eher aus dem losen Grundthema, das wir für die Songs gewählt haben. Wir wollten diesen Geisteszustand ausdrücken, in dem die einzige wirkliche Option, die jemand hat die ist, seine Worte aggressiv heraus zu schreien. Sozusagen wenn alle geläufigen Arten der Kommunikation zu nichts mehr führen und deine letzte verbleibende Möglichkeit das Schreien ist. Den Titel „Screamworks“ hatten wir darüber hinaus schon bevor der Gesang überhaupt aufgenommen wurde. Als Ville in die Gesangskabine ging, hat er dann das manifestiert, was das Konzept ihm vorgab.

 

Andererseits könnte der Untertitel „Love in Theory and Practice“ auch zu einem Kamasutrabuch gehören!

 

Haha, das könnte es wirklich! Wobei dann eher in Richtung eines akademischen Schulbuches, was wiederum der falsche Rahmen für Kamasutra wäre und somit klingt das Ganze auch wieder sehr ironisch. Bezogen auf Liebesbeziehungen haben alle in der Band ein ziemlich beschissenes Händchen, darum wären wir wahrscheinlich die schlimmsten Lehrer auf dem gesamten Planeten, haha! Hoffentlich nimmt uns da niemand wörtlich und versucht unserem Beispiel zu folgen.

 

Bleiben wir noch kurz bei Namen: Habt ihr euch bei „Acoustic Funeral“ an den Black Sabbath-Klassiker „Electric Funeral“ angelehnt?

 

Wow! Ich bin wirklich überrascht, denn du bist ungelogen der erste, der das durchschaut hat, haha. Wir verstecken gern solche kleinen Rätsel in Titeln und Texten, das ist wie ein Spiel für uns. Wir beziehen uns in der Tat auf Sabbath, Respekt, dass dir das aufgefallen ist.

 

Danke für die Blumen, aber dafür erschließt sich mir der zweite Teil „For Love in Limbo“ nicht im Geringsten, haha.

 

Hahaha, das ist auch nur ein Zusatz. Wir führen die Zuhörer hin und wieder gern etwas aufs Glatteis und versuchen sie dann irgendwie wieder auf den wirklichen Pfad zurück zu bringen. Quasi als eine Art Fingerzeig, auch wenn es hier sicher für viele bescheuert klingt.

 

Stichwort Liebe – unbestritten euer absolutes Lieblingsthema. Man kann eigentlich schon sagen, dass ihr so ziemlich jede Floskel gebracht habt, die es zu diesem Thema gibt. Andererseits muss man aber auch attestieren, dass sich immer auch viele gute, teils gar poetische, Ideen und Geschichten in euren Songtexten verstecken. Kommt es trotzdem auch mal zur Meuterei, wenn Ville mit einem neuen Text ankommt? Sind bei euch schon mal Sätze wie „Das ist ja nur noch cheesy – sogar für deine Verhältnisse!“ gefallen?

 

Ich weiß was du meinst, aber bisher ist das glaube ich nicht vorgekommen – zumindest was mich betrifft. Man kann ja auch einfach nur Musikfan sein, ohne sich überhaupt um textliche Inhalte zu kümmern. Sogar manchen Musikern geht es so, denen ist es schnuppe, was eigentlich gesungen wird. Sollte mich doch mal ein Konzept total anpissen, würde ich das natürlich sagen. Denn als Musiker musst du ja hinter dem stehen können, was du ablieferst und du solltest dich nicht schämen müssen, wenn jemand deine Songs zitiert, hehe. Gott sei Dank muss sich Ville darüber keine Gedanken machen, denn er war in meinen Augen noch nie auch nur annähernd cheesy. Oberflächlich mit irgendwelchen „Baby, Baby“ und „I love you“-Sachen sicherlich, aber wer genau hinschaut und die Geschichten dahinter als Maßstab nimmt, wird mir zustimmen. Und worum es wirklich und wahrhaftig bei all den Erzählungen geht, weiß ohnehin nur unser Sänger allein.

 

Ich muss gestehen, dass ich das Cover von „Screamworks“ oberflächlich betrachtet ziemlich hässlich finde. Allerdings auf seine Art auch wieder interessant, denn es zeigt eine Nonne also eine Frau, die tagtäglich lehrt einander zu lieben, die aber aufgrund ihres Gelübdes niemals selbst die körperliche Liebe praktiziert oder erfahren wird. Wenn ein Album „Liebe in Theorie und Praxis“ als Untertitel hat, dann ergibt das mit dem von euch gewählten Bild schon eine seltsame Konstellation, oder?
 

Haha, gibt es nicht unendlich viele seltsame Gegebenheiten rum um die Kirche? Aber lassen wir das Thema an dieser Stelle mal außen vor. Nonnen stehen für Unschuld und Reinheit und repräsentieren etwas. Diese unbeugsame Liebe zu etwas – in ihrem Fall zum Glauben – passt auf seine Weise einfach zu unserem Album. Die Nonne symbolisiert einen Geisteszustand und eine Einstellung, die größer ist als der Mensch, der diese vertritt. Natürlich steht diese Unschuld im Gegensatz zu den eher negativen und anrüchigen Aspekten von Liebe, die man auf unserem Album zu hören bekommt. Wir wollten es den Leuten auch nicht zu einfach machen, sondern sie ein bisschen schocken. Eine derartige Optik schien uns hierfür die perfekte Möglichkeit.

 

Man muss euch unbestritten großen Respekt zollen, wenn es um eure bisherige Karriere im als sehr schwer zu knacken geltenden US-Markt geht. Ihr spielt in Übersee größere Clubs als die meisten anderen europäischen Bands, schafft es regelmäßig in die Charts und seid auch sonst mit vielen einheimischen Rockbands auf kommerzieller Augenhöhe. Bist du manchmal selbst davon überrascht, wie gut ihr euch in Nordamerika inzwischen schon seit Jahren schlagt?

  

Ganz klar ja. Dieser Markt ist in der Tat ein hartes Pflaster, was aber natürlich auch für andere Länder gilt. Doch dort drüben haben sie eine andere Musikkultur und vieles definiert sich über die Mainstream-Acts. Wenn du dann als europäische Band rüber gehst und vielleicht einen lustigen Akzent hast, dann schieben sie deine Musik auch gerne mal in die lustige Ecke, was hart sein kann. Wie wohl jeder weiß hatten wir das Glück, dass uns Bam Magera von Jackass viele Türen geöffnet und uns durch seine Shows bekannt gemacht hat. Das war schon eine sehr gute Promotion-Offensive für uns und hat uns ins Gespräch gebracht. Das hat mehr gebracht als selbst irgendwo zu erzählen wie fantastisch wir doch sind, haha. Aber auch andere Europäer sind auf dem Sprung, ich schätze zum Beispiel die Chancen für Nightwish ganz gut ein. Es könnte sein, dass sich der dortige Markt langsam etwas mehr öffnet.

 

Wobei euer Start in den USA nicht so überragend war, zumindest von rechtlicher Seite. Es gab eine Zeit in der ihr dort weder unter dem Namen Him touren, noch Platten oder Merchandise verkaufen konntet.

 

Das stimmt, weil jemand anderes eine Band mit dem gleichen Namen hatte, wenn auch eine sehr kleine mit völlig anderer Ausrichtung, somit theoretisch auch ohne jede Verwechslungsgefahr. Sein intervenieren hat aber ausgereicht, um für uns vieles erst einmal zu blockieren. Es war auch kein künstlerischer Konflikt, da er nicht mal ein wirklich ambitionierter Musiker war, sondern im Endeffekt nur irgendein zwielichtiger Typ, der auf Kohle aus war. Letztlich ist sein Plan sogar aufgegangen, denn wir haben ihm die Namensrechte abkaufen müssen.

 

Ein anderes Trademark habt ihr ganz allein und ohne dass euch jemand in die Parade fahren konnte etabliert: Das Heartagram. Dieses Symbol ist auch abseits eurer Musik inzwischen weltweit bekannt und es gibt zudem nicht wenige Menschen, vorzugsweise Fans, die dieses Motiv sogar als Tattoo auf dem Körper tragen.

 

Das ist natürlich eine wirklich große Ehre für uns und gibt einem ein gutes Gefühl. Vor allem in den Vereinigten Staaten kennen das Symbol alle Kids, weil Bam dort eben ein Superstar ist und es unter anderem auf seine Skateboards druckt. Da ist es somit auch noch einmal deutlich populärer als wir es als Band sind, hehe.

 

Somit seid ihr längst ein Teil der dortigen Popkultur.

 

Genau, die Kids dort verwenden es auch als Erkennungszeichen und um zu zeigen, auf welcher Seite sie stehen. So ähnlich ging es mir früher auch: Es gab Pop-Fans und Kiss-Fans. Über deren Logo hat man sich dann eben identifiziert und ausgedrückt, zu welchem Lager man gehört. Dein Patch auf der Jacke hat dich sozusagen als Teil der Gang geoutet, hehe.

 

Abschließend würde mich noch interessieren, ob es für dich als Musiker, der schon Unmengen von Interviews in seinem Leben gegeben hat, immer noch die eine oder andere Frage gibt, welche du schon immer mal hören wolltest, die aber noch nie aufkam?

 

Nein, nicht wirklich. Für gewöhnlich decken die Fragensteller schon alle Aspekte des Lebens ab, sodass nicht mehr viel offen bleibt irgendwann. Aber es ist immer schön, wenn jemandem gewisse Details auffallen oder man merkt, dass derjenige sich wirklich mit dem was du gemacht hast, befasst hat. Es vermittelt mir ein gutes Gefühl, wenn jemand nicht einfach ein universelles Programm abspult, sondern er aufmerksam verfolgt hat, was du mit deinen Ideen ausdrücken wolltest und du merkst, dass deine Message auch angekommen ist. Du weißt was ich meine, denn du hast schließlich die „Acoustic Funeral“-Sache geknackt, haha.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.heartagram.com