Interview mit Matthias Voigt von HEAVEN SHALL BURN

Euer neues Album verneigt sich musikalisch an manchen Stellen hörbar vor der schwedischen Schule. Zudem habt ihr mit „Black Tears“ einen Kracher von Edge of Sanity gecovert. Zählt der nordische Death Metal nach wie vor zu euren Haupteinflüssen? Und wieso fiel die Wahl gerade auf „Black Tears“?

Na sicherlich ist das auch weiterhin einer unserer grössten Einflüsse. Ich denke aber auch, dass man das hört. EOS waren schon immer unsere Lieblinge und es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis wir da mal einen Song covern würden. „Black Tears“ ist einfach ein wahnsinnig guter Song, der sofort ins Ohr geht, bei dem wir aber auf der anderen Seite auch das Gefühl hatten, dass wir ihn noch etwas aufpeppen könnten. An die Death Metal Klassiker von EOS haben wir uns einfach nicht heran getraut...hehe.

Auch durch die Aufnahmen damals besitzen die Songs eine unglaubliche Atmosphäre und wenn man versucht, diese zu covern, kann man fast nur verlieren.

Mit seiner leicht punkigen, direkten und eingängigen Art (zumindest im Death Metal Kontext ;-) ) würde sich das Stück sicher auch gut für die Bühne eigenen. Plant ihr „Black Tears“ bei euren Hallenshows und später auch auf den Festivals auf die Bühne zu bringen?

Ja, sicher. Der Song wird auch live ab und an mal zum Einsatz kommen. Wir denke auch, dass er sich für Liveshows ganz besonders gut eignet. 

„Iconoclast“ beschäftigt sich verstärkt mit den beiden Weltkriegen. Zudem ist HSB generell eine Band, die immer etwas zu sagen hat, sei es zum Thema Tierschutz, zum veganen Lebensstil oder sonstigen Themen. In wie weit siehst du euch selbst als Band mit dem erhobenen Zeigefinger?

Gar nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Wir sind ja nicht besser als irgendwer anders, nur weil wir uns vielleicht mit anderen Dingen beschäftigen, als andere Bands das vielleicht tun. Wir sind auch als bewusst lebende Menschen nicht davor sicher, auch mal Fehler zu machen. Das ist uns auch vollkommen klar und deswegen sehen wir uns auch nicht als Band, die andere belehren will. Wir wollen halt ausdrücken, was uns beschäftigt und das sind eben solche Dinge und nicht der Ärger mit der Freundin.

 

Siehst du euch als Band, die mittlerweile ein größeres und vor allem junges Publikum erreicht, ein Stück weit auch dazu verpflichtet auf Geschehnisse und Umstände aufmerksam zu machen? Habt ihr vielleicht in gewisser Weise sogar einen indirekten Bildungsauftrag zu erfüllen?

Ich persönlich denke nicht, dass irgendwer die Pflicht hat, so etwas zu tun, aber wir würden uns einfach schäbig fühlen, wenn wir nicht die Möglichkeit nutzen würden, um uns mitzuteilen. Warum sollen wir über Dinge schreiben, die uns nicht die Bohne interessieren!? Natürlich ist es aber schon so, dass wir uns auch freuen, wenn wir Leute mit unseren Gedanken erreichen und ehrlich gesagt ist es uns auch ein Bedürfnis, auf gewisse Themen aufmerksam zu machen oder die Leute dafür zu sensibilisieren. Das geschieht aber eben nicht „von oben herab“, sondern eher im Stile einer „Diskussion“, wo alle gleichberechtigt sind. Wir sind aber auch nicht in einer Position, in der wir uns anmaßen, die Leute zu erziehen. Wir haben ja nicht unser Recht auf die einzige Wahrheit gepachtet. Wenn wir unsere Meinung kund tun, dann ist das in erster Linie eine Meinungsäußerung und keine Belehrung.

 

Mit „Endzeit“ habt ihr zum ersten Mal einen eigenen Song mit deutschem Titel am Start. Wollt ihr damit den Bogen zum teilweise kriegsbezogenen Kontext des Albums schlagen oder brauchte es einfach ein Wort eurer Muttersprache, um den konkreten Inhalt des Textes in den Fokus zu stellen? Und: Glaubst du, dass man Endzeit im Ausland als typisches deutsches Wort auffassen wird?

Ja, natürlich. „Endzeit“ ist ein ganz typisch deutsches Wort für viele Ausländer. Es klingt eben in dem Moment auch kraftvoller als die englische Übersetzung und zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich. Mit Krieg hat das Ganze aber nichts zu tun. Es geht ja im Text vielmehr darum, dass die Welt auf das Ende zusteuert und dass wir die letzte Generation sind, die es evtl. noch aufhalten könnte. Der letzte Widerstand eben...

Bei genauerem Hinhören wird man merken, dass ihr auf dem neuen Album an manchen Stellen auch offen für Experimente seid, die eine eher unterschwellige Rolle spielen. Etwa die Geigensounds in „Endzeit“ oder vereinzelt eingesetzte Beats und Loops. Siehst du euch mittlerweile als eine Band, welche die große Freiheit besitzt auch mal ganz unbeschwert experimentieren zu dürfen?

Das hat aber einfach damit zu tun, dass es dieses Mal einfach gepasst hat. Ich will damit sagen, dass wir viele dieser Ideen schon ewig im Kopf hatten, dass aber einfach die Songs nicht gepasst haben. Das war eben jetzt anders. Das hat nichts mit experimentieren zu tun. Wenn wir etwas machen wollen, dann tun wir das auch, ohne wirklich zu probieren. Es wird halt einfach durchgezogen. Wir werden uns aber sicherlich immer in unserem Rahmen bewegen und auf wirkliche Experimente wird man bei uns wahrscheinlich lange warten können. Da sind wir nicht die Typen für. Wir wollen einfach nur die Musik spielen, die uns selbst Spaß macht und haben keine Künstler-egomanen in der Band, die sich irgendwie selbst verwirklichen müssen. Wenn so etwas mit den Drumloops kommt, dann sind das einfach Einflüsse von Bands wir Rammstein, KMFDM, Think About Mutation, Waltari oder sogar neuere Paradise Lost. Wir lassen eben alles einfließen, was uns gefällt...

Das neue Album beinhaltet einige ruhigere Parts und Zwischenspiele. Wie wichtig war es euch dem Zuhörer hier und da einen Moment zum Verschnaufen zu gewähren? Hat man vielleicht ein Stück weit aus vermeidlichen Fehlern der Vergangenheit gelernt?

Mit „Fehlern“ spielst du ja sicherlich auf „Deaf...“ an, welches manchen zu eintönig war... Wir wollten damals „Deaf...“ so haben, wie es auch am Ende war und von daher gibt es da keinen Fehler von unserer Seite zu vermelden. Wir wollten ein Album, dass von vorne bis hinten einfach nur knallt und auf Dynamik oder Abwechslung haben wir einfach nicht so viel Wert gelegt, wobei ich aber auch sagen muss, dass ich immernoch denke, dass es genügend Abwechslung bietet, wenn man auf derartige Musik steht und nicht nur die Bands hört, die auch mal nen cleanen Refrain haben. Da waren wir eigentlich noch nie anders. Bei „Iconoclast“ wollten wir aber mit Songs und auch mit der Produktion etwas mehr Dynamik herein bringen. Aber bis auf „A Dying Ember“, bzw dessen zweite Hälfte, befindet sich eigentlich gar kein ruhigeres Zwischenspiel auf der Platte. Wir haben ja nicht einmal einen Song wie „Armia“, „Numbing The Pain“, „Implore The Darken Sky“ oder „Asunder“ auf der Scheibe. Früher hatten wir nämlich auf jeder Platte einen ruhigeren Song. Vielleicht war das dieses Mal gar nicht notwendig, weil eben die Songs an sich immer mal etwas Abwechslung in sich bergen. Das Intro und das Outro vermitteln da auch nochmal zusätzlich den Eindruck von mehr Abwechslung. Das kann schon sein, dass man das alles so wahr nimmt...

 

Wenn man euch auf Festivals wie dem Summer Breeze oder Wacken Open Air sieht, dann ist man vor allem von der Hingabe beeindruckt, die eure Fans für euch pflegen. Circle-Pit, Wall of Death, Gangshouts – im Optimalfall geht so ziemlich alles. Wie nehmt ihr solche Fanaktivitäten auf der Bühne wahr? Und was sind deiner Meinung nach die Hauptgründe dafür, dass ihr vor allem mit den letzten beiden Scheiben so viele neue Fans in euren Bann ziehen konntet?

Ich kann da nur für mich sprechen und sagen, dass ich das ganz unterschiedlich wahrnehme. Man bekommt ja eigentlich immer mit, wenn das Feedback positiv ist, aber Details eigentlich nur recht selten. Oft kommt das dann auch erst später, wenn man mit den Leuten spricht. Man spürt zwar schon irgendwie eien gewissen Spannung und Energie, aber Einzelheiten bekommt man nicht immer mit. Wir sind keine professionelle Band, wir spielen alle bei weitem nicht perfekt, aber irgendetwas müssen wir wohl an uns haben, dass uns die Leute so gut aufnehmen. Vielleicht ist es sogar unsere Einstellung, die uns den Leuten vor der Bühne näher bringt. Die bekommen eben auch mit, dass wir ganz normale Typen ohne großes Getue und Gehabe sind. Ich glaube nicht, dass es da ein bestimmtes „Geheimnis“ gibt.  

 

Ich kann mir vorstellen, dass man es als Band, die generell auf Alkohol verzichtet, auf einem Festival wie dem Wacken Open Air mitunter nicht leicht hat zwischen all den – sagen wir es mal ganz direkt – besoffenen Gestalten ;-). Zieht ihr euch, auf dem Gelände oder im Backstage, aus solchen bierseeligen Szenarien eher zurück oder geht ihr ganz direkt und offen auf solchen Situationen zu?

Um so etwas machen wir uns nun wirklich keine Gedanken. Das soll jeder halten, wie er will. Ich hab kein Problem mit Leuten, die mal einen über den Durst trinken und ich fühl mich auch nicht unwohl zwischen solchen Menschen, solange die Stimmung nicht in Aggressivität umschwingt. Vor allem auf dem Wacken sieht man ja eigentlich ganz deutlich, dass sich die meisten Leute auch noch soweit im Griff haben. Was sie mit ihren Gehirnzellen und ihrer Gesundheit anstellen, ist absolut ihre Sache. Daran verschwende ich keinen müden Gedanken...

Japan, Brasilien, Chile, Russland... Heaven Shall Burn sind in den letzten 2 Jahren wirklich beachtlich in der Welt herumgekommen. Wie reagieren die anderen Länder auf euch und eure Musik? Und was waren die Höhe- bzw. Tiefpunkte eurer bisherigen Reisen in fremde Länder?

Es ist natürlich immer wieder beeindruckend, wenn man die Möglichkeit hat, in so fernen Ländern zu spielen und wenn man dort auch noch so gut aufgenommen wird. Ganz allgemein denke ich aber, dass es wenig Sinn macht, das Publikum in den verschiedenen Ländern zu analysieren. Im Grunde genommen sind irgendwie alle mehr oder weniger Teil einer Subkultur und egal ob Japan oder Chile, die Leute ähneln sich da aufgrund ihrer Zugehörigkeit schon ziemlich. Die Unterschiede lernt man doch erst kennen, wenn man das Land bereist und sich auch ein wenig damit auseinander setzt. Von den Shows her ist es für uns überall super und immer wieder ein Erlebnis, neue Leute kennen zu lernen.
Als Höhepunkte kann man eigentlich all die Reisen bezeichnen, weil es etwas ist, von dem wir vor 10 Jahren nicht zu träumen gewagt hätten. Wir haben die Band ja schließlich nicht gestartet, um Erfolg zu haben, sondern haben uns erstmal nichts weiter dabei gedacht. Deswegen gab es auch während unserer gesamten Karriere nie Tiefpunkte. Alles lief immer besser, als wir es erwarten konnten bzw wir haben nie etwas erwartet, sondern sind locker und unverkrampft an alles heran gegangen. Genauso sehen wir das immer noch. Wir machen das alles, solange es Spaß macht und wenn uns niemand mehr hören will, spielen wir eben im Keller weiter...

Markus Rutten - www.sounds2move.de

 

Link: www.heavenshallburn.com