Interview mit Lzzy und Arejay Hale von HALESTORM

 

 

Eure neueste Veröffentlichung ist eine zweite Cover EP, die abgesehen von einigen coolen Songs vor allem dazu dienen dürfte, im Gespräch zu bleiben und die Fans bei der Stange zu halten.

 

Lzzy: Das ist wahr. Es ist natürlich auch eine tolle Sache für uns selbst, unseren Helden auf diesem Wege Respekt zu zollen. Aber du hast schon recht, denn wenn man so viel unterwegs ist wie wir, ist es nicht immer einfach, neue Musik auf den Markt zu bringen - schon gar keine eigene. Daran hängt nämlich immer auch einiges an Labelpolitik, man muss Promotion-Pläne machen, seine Platte in den Veröffentlichungsplänen unterbringen und so weiter.

 

Arejay: Wir haben das ja auch schon während des Tourzyklusses zu unserem ersten Album gemacht, und es ist ein schneller, unkomplizierter Weg, den Fans etwas Neues zu bieten. Zu "Halestorm" waren wir fast drei Jahre auf Tour, und in dieser Zeit erscheint naturgemäß keine neue Musik. Mit dieser EP können wir den Fans zumindest ein kleines Bonbon bieten, um die Wartezeit zu verkürzen.

 

Über den US-Markt heißt es ja immer, dass er nur gut zu dir ist und das Publikum nur am Drücker bleibt, wenn man es konstant mit frischem Material versorgt und regelmäßig live zu sehen ist.

 

Lzzy: Die Aufmerksamkeitsspanne bei uns zu Hause ist relativ kurz, das stimmt - haha!

 

Also ist das Publikum bei euch gewissermaßen wie eine Geliebte, die konstant umschwärmt werden will, damit sie dir keine klebt und zum Nächsten weiterzieht?

 

Lzzy: Guter Vergleich, haha! Aber man kann es den Leuten auch nicht übel nehmen, denn es gibt so vieles, so viele Bands und Möglichkeiten. Man ist einfach unglaublich verwöhnt.

 

Arejay: Wir haben festgestellt, dass man sich in Europa deutlich schneller eine Fanbase aufbauen kann, und sie vergeben dir auch, wenn du mal nicht jedes halbe Jahr vorbei kommen kannst, hehe. Wenn sie einmal deine Fans sind, dann bleiben sie es für immer - das finde ich großartig!


Darf ich fragen wie die finanzielle Seite einer solchen Cover-EP ausschaut? Ein wirklich lohnenswertes Geschäft ist das nicht, oder? Ihr werdet ja auch Tantiemen an die Urheber zahlen müssen.

 

Lzzy: Sie bekommen auf jeden Fall die Credits und wir müssen uns im Voraus erst einmal die Erlaubnis einholen, bevor wir etwas Derartiges machen können.

 

Arejay: Geld lässt sich damit wirklich nicht machen und das soll auch nicht der Anreiz sein. Es ist wie gesagt nur ein kleines Geschenk für die Fans und außerdem ein gutes Training für uns, denn wir müssen lernen die Songs anderer Künstler zu spielen, was auch eine Inspiration für unser eigenes Songwriting sein kann.
 

Rechtlich ist das also weniger Arbeit als man vermuten könnte?
 

Arejay: Genau, und es waren auch alle ziemlich cool zu uns, das lief eigentlich alles unkompliziert.
 

Lzzy: Einzig bei der ersten EP war da eine Sache, die etwas blöd gelaufen ist.

 

Arejay: Jetzt kommt die Axl Rose Story, haha!

 

Lzzy: Ich glaube gar nicht, dass es sein Fehler war, man hat wahrscheinlich einfach nur vergessen es ihm zu sagen. Für "Reanimate 1" hatten wir die Zustimmung, einen Guns ´n´ Roses-Song zu covern und haben dann eine Version von "Out ta get me" aufgenommen. Jeder gab sein O.k. dazu, also gingen wir davon aus, dass auch jemand Axl gefragt hat. Dem war nicht so und als er es zwei Monate später herausfand, war er nicht gerade glücklich damit. Wenn er es früher herausgefunden hätte, wäre der Song mit ziemlicher Sicherheit nicht auf die EP gekommen und wir hätten ihn weg lassen müssen.

 

Arejay: Darum haben wir dieses Mal auch ganz genau nachgefragt, um auch wirklich sicher zu gehen.

 

Eine Auseinandersetzung mit Axl Rose - wenn das mal keine Credibility ist! Haha!

 

Arejay: Das gibt ordentlich Presse, haha!

 

Für die neue EP habt ihr jetzt unter anderem "Dissident Aggressor" von Judas Priest aufgenommen, was besonders für dich Lzzy bestimmt eine große Herausforderung war. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass nicht mal Rob Halford selbst diesen Song heutzutage noch fünf Tage die Woche live singen könnte.

 

Lzzy: Es ist für mich ein Segen und ein Fluch auf einmal, denn ich habe das Glück, eine sehr breite Bandbreite singen zu können. Darum kommen die Jungs auch regelmäßig zu mir, spielen irgendeine Note und meinen "Hey, kannst du diesen Ton treffen?". Und weil ich ganz schlecht nein sagen kann, ist die Antwort meistens "Klar, lasst es uns versuchen", haha. Und schon habe ich den Salat.

 

Arejay: Aber das ist auch einer der Gründe, warum wir das gemacht haben - weil wir wussten, dass Lzzy einen höllisch guten Job machen würde. Wir spielen das Stück auch live, und die Reaktionen der Fans waren bisher super. Einige Leute denken ja, dass es ein Slayer-Song ist, weil die ebenfalls mal eine Coverversion davon gemacht haben.

 

Für mich stellt ein ganz anderer Song das größte Risiko auf "Reanimate 2.0" dar, nämlich "Get lucky" von Daft Punk. Das Lied ist nun wirklich überall, jeder kennt es und viele Leute sind es auch längst ein bisschen leid. Von daher muss euch von vornherein klar gewesen sein, dass ihr etwas Besonders daraus machen müsst, wenn es funktionieren soll.

 

Lzzy: Das war wirklich die große Herausforderung daran. Wir wollten uns natürlich von dem eigentlichen Genre fernhalten und eine neue Perspektive einbringen und das war anfangs schon hart, weil wir erst mal keine Ahnung hatten was wir machen wollen und wie wir es anstellen.

 

Arejay: Da kann ich nur zustimmen, diese Songs sind echt eine harte Nuss. Wir alle hören und mögen auch Pop, und einen guten Popsong zu nehmen und daraus einen harten Rocksong zu machen, kann echt knifflig sein. Das macht viel Spaß, ist aber auch eine Herausforderung, denn du musst originell sein, wenn es funktionieren soll. Es gibt andere Songs auf der EP, die wir bewusst nah am Original gehalten haben, wie AC/DC ("Shoot the Thrill" - MR) und Judas Priest. Aber manche Nummern müssen wir einfach komplett durch den Wolf drehen und sie als einen unserer eigenen Songs neu aufbauen. Wir kamen gerade von einer Südamerika-Tour zurück und hatten nur zwei Tage frei, bevor es in den Staaten weitergehen sollte, also haben wir den einen Tag davon im Studio verbracht und uns erst einmal gegenseitig angeschaut und gefragt: "Was haben wir überhaupt?!", hehe. Joe (Hottinger, Gitarrist - MR) saß dann einfach da und hat dieses Riff gespielt und ich habe einfach ein bisschen mitgejammt bis wir merkten, dass das tatsächlich funktionieren könnte, haha. Unsere Version ist dann natürlich deutlich härter und auch etwas langsamer geworden, aber ich denke, es kann sich hören lassen.

 

Das stimmt, und solche Songs sind für den Hörer eigentlich auch am interessantesten, das sieht man auch an eurem Lady Gaga-Cover auf der ersten EP.

 

Arejay: Die Nummer haben damals übrigens die Fans ausgesucht, vermutlich weil sie uns mal vor eine richtige Herausforderung stellen wollten, hehe. Aber wir lieben den Song und das dazugehörige Album und wir haben großen Respekt vor dem, was sie als Künstlerin und vor allem als Musikerin tut. Es war schon spannend, daraus einen Halestorm-Track zu machen.

 

Nicht zu vergessen eure Version des Alicia Keys Hits "Empire State of Mind".

 

Lzzy: Den haben wir sogar erst an dem Tag gelernt, als wir schon im Studio waren, haha! Wir haben gerade "In the Live Room" gemacht und kamen ganz spontan auf die Idee, das zu machen, und als wir ein mal angefixt waren, mussten wir es auch durchziehen.

 

Arejay: So läuft das bei uns fast immer. Wir sind im Studio und jammen einfach drauf los, irgendwann kommt jemand mit einem Riff, einem Beat oder was auch immer und wir schauen einfach wohin es uns treibt.
 

Lzzy: Wir sind keine Band, die großartig plant. Im Gegenteil haben wir für uns herausgefunden, dass wir unter Druck sogar am besten arbeiten können. Nach dem Motto: "In zwei Tagen beginnen schon die Aufnahmen zum nächsten Album? Ach du Scheiße!", haha.

 

Arejay: Ziemlich genau so ist "The strange case..." entstanden - eigentlich total verrückt. Aber wenn du zu viel Zeit hast ein Album aufzunehmen, dann drehst du dich irgendwann im Kreis und machst dir letztlich viel zu viele Gedanken, die dem Ganzen einfach nicht gut tun. Wenn es aber kurz vor knapp ist und du augenblicklich eine Entscheidung treffen muss, weil du nur wenige Wochen Zeit hast, dann arbeitest du viel fokussierter.

 

Lzzy: Wie früher in der Schule, wenn du wusstest, dass am Freitag ein Test geschrieben wird und du keinen Finger krumm gemacht hast vor Donnerstagabend, haha. So sind wahrscheinlich die meisten von uns durch die Schule gekommen - und sieh uns heute an, aus uns ist doch was geworden, haha.

 


Große Ehre: 2013 räumen Halestorm mit "Love bites (so do I)" den Grammy in der Kategorie "Best Hard Rock / Metal Performance" ab.

Gab es auch Stücke, die ihr gerne gemacht hättet, vor denen ihr letztlich aber doch zurückgeschreckt seid?

 

Arejay: Wir haben vor langer Zeit mal versucht, einen Soundgarden-Song zu covern, weil wir alle große Fans sind. Wir haben es versucht, aber es fühlte sich einfach nicht richtig an und passte einfach nicht.

 

Lzzy: Als wäre es alles zu gewollt. Es kommt auch vor, dass wir Sachen live ausprobieren, uns dabei aber einfach nicht wohl fühlen, dann setzen wir damit ein paar Abende aus und letztlich verschwindet die Idee komplett. Ich würde nicht sagen, dass wir irgendetwas kategorisch ausschließen würden, aber gewisse Sachen funktionieren einfach nicht und das sollte man akzeptieren.

 

Arejay: Wir waren immer offen für Coverversionen und haben die immer schon gern in unsere Liveshow eingebaut, besonders zu Beginn, als niemand unser eigenes Material kannte oder wir schlicht nicht genug davon hatten, um den Abend voll zu kriegen. Da haben wir den Leuten dann zwischendurch einfach ein paar bekannte Sachen präsentiert, wie Led Zeppelin oder die Beatles. Und ein Beatles-Cover ist ja dann Jahre später sogar auf der ersten Cover-EP gelandet. Mir fällt gerade aber noch ein Song ein, den wir tatsächlich in den Müll geworfen haben: Wir wollten "Don't you worry Child" von Swedish House Mafia covern, das war die letzte Nummer, an der wir noch für die zweite EP arbeiteten. Wir haben uns wirklich die Köpfe zerbrochen und versuchten dann daraus etwas im Stile von Mumford & Sons zu machen, mit folkiger Schlagseite. Ich war sogar ziemlich stolz darauf was daraus wurde und wie viel wir dafür experimentiert hatten, letztlich klang das Ergebnis aber überhaupt nicht nach Halestorm. Mit unserem Management und dem Label haben wir dann darüber diskutiert und irgendjemand schlug stattdessen Daft Punk vor, und wie sich herausstellte liegt uns dieses Lied viel besser und wir konnten daraus einen Halestorm-Rocker machen.

 

Kommt es denn auch öfter mal vor, dass ihr euch einen Song vor nehmt, ihn Halestorm-kompatibel macht und dabei Ideen oder Ansätze für einen eigenen Song von euch entstehen?

 

Arejay: Klar! Wenn wir zum Beispiel "Slave to the Grind" von Skid Row nicht gemacht hätte, dann hätte es einen Song wie "Love bites" vermutlich nie gegeben. Die Parallelen im Vibe sind denke ich ziemlich deutlich.

 

Lzzy: Du musst dich hin und wieder einfach selbst herausfordern und aus der Reserve und deiner eigenen Komfortzone locken, um zu sehen was noch alles in dir steckt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen mehr können, als sie sich selbst zutrauen.

 

Fassen wir zusammen: Zwei Cover-EPs - check. Live-EP - check. Live-Album - check. Somit könnte das nächste Projekt für euch, abgesehen von einem neuen Album, doch nur noch ein Unplugged-Album sein.

 

Arejay: Es wäre fantastisch, das in der Zukunft irgendwann mal zu machen! Pläne gibt es dazu noch keine, aber ich könnte es mir gut vorstellen.

 

Lzzy: Wir könnten auch eine Live-DVD machen, aber natürlich auch besagtes Akustikalbum. Ich glaube generell nicht, dass es etwas gibt zu dem wir von vornherein nein sagen würden. Der entscheidende Faktor wird viel eher sein, ob wir die Zeit dafür haben dieses oder jenes umzusetzen.

 

Arejay: Auch eine Kombination wäre denkbar, ein Akustik-Live-Album mit DVD. Wir haben um Weihnachten 2012 ein paar Konzerte ohne Vorband gespielt, "An Evening with Halestorm", die waren alle sehr cool. Daraus könnte man vielleicht etwas Derartiges machen, die Möglichkeiten wären jedenfalls da. Wie sagt man so schön: Der Himmel ist die Grenze, haha.

 

Zum Schluss noch ein kleines Name-Dropping: Lasst mich euch ein paar Bands und Künstler vorgeben und ihr sagt spontan welchen Song ihr euch in einer Halestorm-Version vorstellen könntet.

 

Johnny Cash.

 

Arejay: Ich liebe seine Coverversion von "Hurt" von Nine Inch Nails. Ansonsten kann ich mir auch "One Piece at a Time" vorstellen. Kennt den jemand? Darin geht es darum, dass er gerne bei seiner Arbeitsstelle den Cadillac klauen würde und er entscheidet dann ihn in Einzelteilen mitzunehmen, die er in seiner Lunchbox versteckt, haha. Wenn das mal keine coole Story ist! Aber generell wäre jeder Johnny Cash-Song ein unglaublicher Spaß.

 

Queen.

 

Lzzy: Darüber haben wir sogar schon nachgedacht.

 

Arejay: Vor sehr langer Zeit haben wir uns sogar schon mal an "Bohemian Rhapsody" versucht, das waren damals nur Lzzy, ich und unser Vater als Bassist. Wir haben es versucht, sind aber unfassbar gescheitert, haha.

 

Lzzy: Daran erinnere ich mich mit Grauen, auch weil unser Vater überhaupt nicht singen kann, hehe. In der Bandbesetzung würden wir es vielleicht einigermaßen hin bekommen, aber es wäre schon brutal schwer.

 

Arejay: "Bohemian Rhapsody" liegt im Regal schon verdammt weit oben, darüber gibt es keine Diskussion.

 

Lzzy: "Another one bites the Dust" könnte zu uns passen, auch weil Josh ein richtig guter Bassist ist. Wenn wir es also mal machen, dann nur für dich Josh, hehe! (prostet ihrem Bandkollegen zu, der grinsend in einer anderen Ecke des Raums sitzt)

 

Rammstein!

 

Arejeay: Yeah! Ich will unbedingt "Ich tue dir weh" machen! (fängt an den Refrain zu singen und den Marschrhythmus mit den Füßen zu stampfen) Schön langsam und fucking heavy gespielt...! Auch "Mein Teil" wäre super, weil es so schön gruselig und düster ist. Aber eigentlich egal, ich würde jeden Rammstein-Song sofort nehmen!

 

Passend zur Europatour: Alter Bridge.

 

Lzzy: "Blackbird" ist ein unglaublicher Song, den genieße ich jeden Abend! Dafür müssten wir aber ein bisschen Zeit mitbringen, hehe.

 

Arejay: "Slip to the Void" ist auch richtig cool, den habe ich seit Tagen im Kopf.

 

Lzzy: Oder "Addicted to Pain", die Liste wäre endlos. Wir haben uns jeden Abend ihre Show angesehen und sie sind einfach großartig!

 

Arejay: Du schaust dir ihre Show an und es bläst dich regelrecht weg. Sie sind so massiv erfolgreich in Europa und Großbritannien, das ist gar kein Vergleich mit ihrem Status in den USA. Was ich gar nicht verstehen kann, denn sie haben so viele herausragende Songs - wie kommt man an dieser Band vorbei?! Ich hoffe mit dem neuen Album "Fortress" kommen auch unsere Landsleute zur Vernunft und erkennen was ihnen da bisher entgangen ist, hehe. 

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de

 

 

Link: www.halestormrocks.com