Interview mit Jem Godfrey von FROST
 
 

sounds2move: Du hast in der Vergangenheit mit Popkünstlern wie Atomic Kitten, Ronan Keating oder auch Samantha Mumba zusammen gearbeitet. Was war der Grund dafür, dass du beschlossen hast, ein Prog-Album zu machen?

 

Jem Godfrey: Ich habe aus purer Frustration heraus beschlossen, ein Prog-Album zu machen. Ich war einerseits gelangweilt immer nur Songs mit 2 bis 3 Akkorden zu machen und anderseits auch enttäuscht davon, wie wenig sich der progressive Rock in alle den Jahren weiterentwickelt hat. Andauernd wird mit Mellotron und Minimoog Klängen gearbeitet, als ob es die 80er und 90er Jahre gar nie gegeben hätte. Dieses Fehlen von jeglicher Vorstellungskraft und Inspiration ließ mich regelrecht erschaudern. Und da gibt es ja dieses bekannte Sprichwort: „Wenn du einen Job richtig gemacht haben willst, dann mach ihn am besten selbst“. Von daher habe ich es einfach mal selber versucht.

 

Wieso hast du gerade den Namen „Frost“ für deine musikalische Reise in die Welt der progressiven Musik ausgewählt? Hat der Name für dich eine tiefere Bedeutung oder ist für dich einfach nur ein Name, der gut klingt?

 

Ich wollte ein knackiges und neumodisch klingendes Wort, das man nicht zwangsläufig mit einer progressiven Rock Band in Verbindung bringt. Etwas, das fern der Klischees liegt, die man oft im Prog antrifft wie z.B. „Ritter der Tafelrunde“, „Zauberer“, „Drachentöter“ und all diesen Scheiß. Und „Frost“ scheint für mich diese Bedingungen ganz hervorragend zu erfüllen. *lacht*

 

Gibt es eigentlich ein albumumfassendes Konzept hinter „Milliontown“ oder steht jeder Song für sich alleine?

 

Das Album selber ist kein Konzeptwerk, aber der Titeltrack kann fast als eine Art Mini-Konzeptalbum betrachtet werden, da er eine Lauflänge von 25 Minuten hat. Der Song basiert auf dem Buch „Der Lehrling“ von Gordon Houghton. Dabei handelt es sich um eine sehr schwarzhumorige Komödie über einen untoten Typen, der wieder aufersteht und die Aufgabe erhält, dem Tod eine Woche lang als Lehrling zu dienen. Wenn er seinen Job gut macht, würde er dafür mit dem ewigen Leben belohnt werden. Und wenn er versagt, dann würde er wieder sterben und begraben werden. Nicht nötig zu erwähnen, dass der Typ im Laufe dieser Woche anfängt, sich Gedanken zu machen und dadurch auch allmählich die schockierende Geschichte seines eigenen Ablebens erkennt. Und der Song erzählt eben die Story dieser sieben Tage.

 

War es für dich eigentlich eine Herausforderung Prog-Songs zu schreiben bzw. wie lange hast du überhaupt an den Songs gearbeitet?

Ich habe 20 Monate gebraucht, um das Album aufzunehmen. Wobei es sich dabei nicht um einen fortlaufenden Arbeitsprozess handelte, da ich die Songs immer wieder für eine Woche beiseite legte, wenn mich das Ganze anfing zu langweilen. Das war auch der einzige Weg, um wirklich sicherzustellen, dass nur die besten Stücke aufs Album kommen. Es gab also keine „das passt schon“-Mentalität. Progressiver Rock sollte sich nämlich immer fortschreitend weiterentwickeln, einen in musikalischer und lyrischer Hinsicht herausfordern. Jedoch kommt mir keine andere Form der Musik in den Sinn, die sich so entschlossen dagegen wehrt, sich weiterzuentwickeln wie der Prog. Vor allem wenn man bedenkt in welchem Maße sich z.B. die Musik der Beatles weiterentwickelt hat, wobei die Fans dennoch jede Phase dieser Evolution mochten und verehrten. Daher sehe ich die Herausforderung im modernen Prog vor allem darin, ihn ins 21. Jahrhundert zu bringen und der Musik eine neue und gültige Form zu verleihen.

 

Wird es für dich in Zukunft immer noch dasselbe sein, an Pop Songs zu arbeiten, nachdem du nun ein Prog-Album gemacht hast?

Prog ist einfacher zu schreiben als Pop, da man die Freiheit hat, seine musikalischen Ideen zu entfalten und durch verschiedene evolutionäre Stadien zu schicken. Denn wenn du Lust dazu hast, kannst du einen dreißigminütigen Song machen und keiner beschwert sich deswegen. Bei einem Pop-Song musst du von Anfang an Vollgas geben und unter drei Minuten auf den Punkt kommen. Das kann ab und zu richtig stressig sein!

Alle Songs auf „Milliontown“ besitzen sowohl anspruchsvolle Melodiestrukturen, wie auch eine angenehme Eingängigkeit. Würdest du sagen, dass deine Erfahrung als Popproduzent dir geholfen hat, diese beiden Elemente miteinander zu kombinieren?

Das hoffe ich doch! Es war immer mein Wunsch, dass man zuerst den Song mitsingen kann und erst dann die dazugehörigen Solos lernt. Denn die Leute bevorzugen lieber eine Melodie, als einen verschachtelten musikalischen Part. Sogar Dream Theater fügen ihren Songs ab und zu eine Melodie bei. *lacht*

Die Produktion ist hierbei sehr klar und transparent. Alle Songs haben nicht diesen Retro-Sound, wie man ihn bei anderen Prog-Alben häufig vorfindet. War es von Anfang an dein Ziel, ein modern klingendes Album aufzunehmen?

 

Definitiv! Ich bin kein Retro-Head und das Mellotron ist bei mir nicht willkommen. *lacht* Ich mag digitale und moderne Sachen und bevorzuge lieber einen iPOD als einen Kassettenrekorder. Und genauso denke ich auch, wenn es um Prog geht.

Mit Andy Edwards, John Jowitt (beide IQ) und John Mitchell (Arena / Kino), hast du mit echten Meistern des Progs zusammengearbeitet. Was kannst du uns über die Arbeit mit diesen Musikern berichten?

 

Ich habe John Mitchell einfach so ein E-Mail geschrieben, obwohl wir uns zuvor nie persönlich begegnet sind. Glücklicherweise hat er mir trotzdem geantwortet und als ich ihm darauf ein paar erste Demos vorgespielt habe, hat er dann auch einer Zusammenarbeit zugestimmt. Er hat auch vorgeschlagen, dass es wohl eine gute Sache wäre, wenn John Jowitt den Bass spielen würde. Danach habe ich Mr. Jowitt gefragt, ob Andy Edwards wohl auch Lust dazu hätte, mitzumachen. Und zu meinem Glück hat auch er ja gesagt. Zwar haben sie alle nicht an den Songs mitgeschrieben aber sie haben unheimlich viel von ihrem eigenen Flair und Talent in die Songs mit eingebracht. Meiner Meinung nach hat erst ihr Beitrag dem Ganzen Leben eingehaucht.

 

Es bestand also keine Scheu vor einer Zusammenarbeit ihrerseits aufgrund der Tatsache, dass du aus der Pop-Szene kommst?

 

Nein, denn alle drei sind extrem tolerant und „open-minded“. Sie haben mit mir zusammenarbeitet, weil ihnen die Musik gefiel. Ich glaube darum auch nicht, dass sie das Pop-Ding in irgendeiner Weise gestört hat.

 

Aufgrund des versammelten Star-Teams werden wohl viele denken, dass es sich bei „Frost“ nur um ein Projekt und nicht um eine Band handelt. Ist das tatsächlich so oder bestehen Pläne für eine Tour und eine eventuellen Nachfolger zu „Milliontown“?

 

Ich bin der Meinung, dass jede Band in gewisser Weise nur ein „Projekt“ ist. Aber das soll nicht heißen, dass es sich dabei nicht um eine richtige Band handelt. Wir sind im Oktober mit Pallas auf Tour, werden zusätzlich im Dezember in London für die Flower Kings eröffnen und spielen nächsten April auch am RoSFest in den USA. Zwar sind die Auftritte im Herbst nur Support-Gigs, will heißen, dass wir darum nur 45 Minuten Zeit haben um unser Material vorzustellen. Aber wenn wir im nächsten Jahr unserer eigenen Shows durchziehen, dann vermute ich mal, dass es in der Setlist sicherlich auch die eine oder andere Überraschung geben wird. Vor allem mit Rücksicht auf unser zweites Album, das wir schon in der Pipeline haben. Wobei ich denke, dass eine gute Chance besteht, dass dieses einen härteren Sound haben wird als das erste Album. Ich habe die Keyboardsolos größtenteils aus den Songs verbannt, da ich der Überzeugung bin, dass ich in dieser Hinsicht schon genügend Statements abgegeben habe. Meine Herausforderung besteht nun darin, so vielfältig wie möglich zu sein, ohne dabei auf ein Keyboardsolo zurückzugreifen. Ich freue mich richtig darauf, wie auch auf die Gitarrensolos von Andy Edwards.

 

„Milliontown“ wird finanziell sicherlich nicht so ein Erfolg vergönnt sein wie deinen Pop-Arbeiten. Ist das für dich überhaupt von Bedeutung?

Nein! *lacht*

In der Promo-Info zu „Milliontown“ wirst du wie folgt zitiert: „Prog ist mein Ferrari“. Kannst du bitte die tiefere Bedeutung dieses Ausspruches erklären?

Ich betrachte den Prog als die ultimative Musikform wie z.B. einen McLaren SLR oder einen Ferrari, die beide ja die ultimativen Rennwagen sind. Bei der Popmusik handelt es sich dabei eher um ein langweiliges Familienauto, mit dem du aber trotzdem jeden Tag ein wenig vorankommst. Jedoch erinnert man sich im Nachhinein weder an die Reise, noch an das Auto in dem man gesessen hat. Beim Prog wiederum, da geht es nur um das Auto. *lacht*

Kommen wir nun zur letzten Frage. Wann hast du deine Liebe zum Prog entdeckt und welche Bands haben dich beeinflusst?

Mein älterer Bruder, der sechs Jahre älter ist als ich, hat mir eine Menge an progressiven Bands vorgestellt. Ich war mit zwölf Jahren sehr angetan von Bands wie Genesis, Yes,

Jethro Tull usw., während er Bands wie Iron Maiden, Thin Lizzy und The Scorpions bevorzugte, die ich wiederum nicht sonderlich mochte. Wobei ich denke, dass ich eine leichte Schwäche für MSG hatte. *lacht*

 

Interview: Nando Rohner - www.sounds2move.de

 

 

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