Interview mit Philipp Burger von FREI.WILD

 

 


Nachdem ihr mit einem "Quasi-Best-of" schon weit nach oben in den Charts gekommen seid, müsste jetzt mit "Gegengift" theoretisch sogar noch mehr drin sein. Ich weiß, dass Musiker immer sagen ihnen wären Platzierungen egal, aber mich würde trotzdem interessieren was du glaubst wo ihr diesmal ungefähr euren Einstand geben werdet?

Also ganz ehrlich: Wir lassen uns da mal überraschen, dann gibt’s hinterher auch keine Enttäuschung. Wenn wir noch höher einsteigen, freut uns das natürlich riesig, wenn nicht, dann ist es auch nicht so schlimm. Man hat uns aber gesteckt, dass es verdächtig nach einer Top 10 aussieht und das hätten wir uns selbst niemals erträumt. Wir möchten das aber erst einmal Schwarz auf Weiß sehen.

In letzter Zeit läuft es richtig gut für euch: Die Hallen sind voll, obwohl ihr konstant auf Tour seid, einige Festivals wie die G.O.N.D. bestreitet ihr längst als Headliner und andere Riesenfestivals wie Wacken und Summer Breeze konntet ihr ebenfalls schon rocken. Was denkst du kommt als nächstes bzw. wo willst du mit Freiwild hin, was erreichen?

Wir sind ganz ehrlich schon viel weiter, als wir es uns je geträumt hätten. Wo soll’s hingehen? Ganz einfach so weiter wie bisher, die Chemie in der Band passt, alle haben tierisch Bock auf das alles und somit geht der Blick eh nach vorne. Mal schauen was kommt.

 

Interessant ist, dass ihr schon jetzt so weit gekommen seid, obwohl euer Label "Rookies & Kings" keine der finanzstarken, ganz großen Firmen ist. Ist es für eine Band wie Freiwild, die durchaus auch mal bewusst aneckt, erforderlich so unabhängig wie möglich zu arbeiten?

Das unabhängig sein ist natürlich schon ein gutes Gefühl. Auch, dass wir alle Rechte bei uns selber haben. Die Angebote diverser Labels, Majors und Indies inklusive, hatten einfach irgendwo immer irgendetwas dabei, was uns gestört hat. Also gründeten wir unser eigenes Label. Jetzt aber zu sagen Frei.Wild wird nie irgendwo in Kooperation treten, wird auch nicht passieren. Zumal man sich Angebote ja eh immer anhören sollte.


Apropos anecken: Mit einigen eurer frühen Texte seid ihr durchaus auch mal etwas stärker angeeckt, wobei darüber schon zu genüge gesprochen wurde. Auf "Gegengift" scheint es in textlicher Hinsicht bedachter zuzugehen - mancher würde es auch erwachsener nennen. Habt ihr versucht trotz eurer durchaus kantigen Art die Angriffsfläche für Kritiker ein Stück weit zu verkleinern?

Ach, die Kritiker… die wird es im Zusammenhang mit Frei.Wild immer geben, dem sind wir uns auch bewusst. Das letzte Album ist ja jetzt, wenn man die „Hart am Wind“ mal ausklammert - weil 80% der Songs darauf "nur" Neueinspielungen waren -, nun doch 2 Jahre zurück. Also 2 Jahre später oder fast 10 Jahre nach dem ersten Demo klingen Texte naturgemäß anders. Ich mein, manchmal frage ich mich echt selbst „bist du der Schreihals, der diesen Nonsens gesungen hat?“, haha! Nein, das neue Album ist inhaltlich durchaus noch Frei.Wild-typisch, nennt auch diverse Dingen beim Namen, auf die andere Bands keinen Bock hätten. Aber ich gebe dir Recht, auch wir sind etwas gereift, hehe.


"Schenkt uns Dummheit, kein Niveau" zum Beispiel spricht eine deutliche Sprache und richtet sich gegen die Volksverdummung von Bild und Co. Wobei es auch im TV nicht viel besser ausschaut, denn auch da liegen die Populisten ganz weit oben in der Zuschauergunst. Hast du generell das Gefühl, dass zu viele Menschen Wiederkäuer sind was Informationen und mutmaßliche Fakten, aber auch allgemein "ihre" Meinungen betrifft? Ich denke letztlich sind wir in mancher Hinsicht nicht viel weiter als wir es im alten Rom waren: Der Pöbel will unterhalten werden. Gern stumpfsinnig, hauptsache leicht konsumierbar und nicht zu anspruchsvoll.

Jawohl, du bringst es auf den Punkt: Brot und Spiele. Die Gesellschaft ist meiner Meinung nach wirklich erkrankt, wir selbst stellenweise auch. Meinungen werden blind übernommen, ohne nach Hintergründen zu suchen, Finger werden mal schnell ausgestreckt und auf Irgendjemanden gerichtet, ohne diesen Jemand oder dessen wahre Geschichte überhaupt zu kennen. Wir selbst erwischen uns ja sogar im Tourbus, dass wir anstatt ein niveauvolles Buch zu lesen – und die Zeit wäre da - einen 10 Stunden Marathon von irgendeiner "Scheißserie" hinlegen. Wir wollen keine Weltverbesserer sein, sondern uns selbst, aber auch den Leuten da draußen einfach mal den Spiegel vors Gesicht halten.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.frei-wild.net