Interview mit Masha Mysmane von EXLIA

 

 

 

Ruhepause und Jetset-Leben

 

Mit zwei erfolgreichen Alben im Rücken gönnten sich Exilia im Vergangenen Jahr eine längere Auszeit, während der es ziemlich ruhig um das Quartett wurde. Kreative Pause? Geschäftliche Gründe? Oder einfach nur Erholung? „Von allem etwas“, erzählt Sängerin Masha. „Unser alter Drummer kehrte zu uns zurück, sodass wir mit ihm viel proben mussten, um ihn wieder voll in die Band zu integrieren. Wir schrieben natürlich auch neue Songs, aber zuvor mussten wir uns darüber klar werden, wo wir denn überhaupt hin wollen. Das Album hat mittlerweile fast ein halbes Jahr Verspätung, da wir zum Beispiel in Los Angeles gemischt haben, dort aber immer nur für eine Woche sein konnten, weil wir Verpflichtung in Italien oder Deutschland hatten. Es ist nicht gerade einfach gleichzeitig in Europa zu sein und in L.A. ein Album zu mischen“, lacht die Dreadlockträgerin. Dass das neue Album jetzt über ein neues Label veröffentlicht wird und nicht wie die letzten beiden Chartbreaker über Gun Records (die mittlerweile aufgelöst wurden) hatte für die Band mehrere Gründe: „Es ist nicht so, dass sie uns schlecht behandelt haben oder uns irgendetwas diktiert haben, auch wenn sie natürlich hier und da ein Mitspracherecht einforderten, was normal ist, da sie ja auch ihr Geld in die Band gesteckt haben. Aber es gab schon als ‚Nobody Excluded’ veröffentlicht wurde einige Probleme, denn zu dem Zeitpunkt haben sie bereits einige Mitarbeiter entlassen und es kam zu Verschiebungen in ihrem Budget, wodurch Exilia kein Thema mit Priorität mehr waren. Sie haben unbestritten viel für uns getan und nichtsdestotrotz einen guten Job gemacht. Aber wir hatten nur einen Deal über zwei Alben und nach all den internen Veränderungen hätte es für uns keinen Sinn mehr gemacht, dort weiterhin zu bleiben“. Weshalb man nun bei AFM Records gelandet ist, die laut Masha nicht nur sehr enthusiastisch waren, sondern der Band auch absolute kreative Freiheit einräumten. „Nicht viele Labels können im Moment etablierte Acts signen und ihnen im angemessenen Rahmen Unterstützung zusagen. Da haben wir wirklich Glück gehabt und diese Argumente haben uns am Ende auch überzeugt“, lobt Masha.

 

 

Titel, Eier und Duette

 

Wer genau hinhört wird feststellen, dass „My own Army“ deutlich mehr Metal ist als alle bisherigen Exilia Platten, vor allem im Bezug auf klassische Metal-Elemente. Ein gutes Beispiel hierfür ist „Phoenix“, das überdeutlich gen Thrash Metal schielt. Eigentlich sollte auf dieser Nummer auch Ill Nino Fronter Cristian Machado zu hören sein; nach mehrfachem Verzug der Platte konnte man allerdings nicht auch noch auf dessen Parts warten, weshalb man die Duett-Version von „Phoenix“ nun für eine mögliche 2. Auflage von „My own Army“ aufspart, die wohl irgendwann erscheinen und dann auch weitere Songs und evtl. eine DVD beinhalten wird. „Außerdem haben wir zum ersten mal in unserer Karriere Gitarrensoli auf einer Platte“, fügt Masha an. „Mit Elio haben wir einen wirklich guten Gitarristen in unseren Reihen, warum sollte der nicht endlich mal zeigen dürfen, was er drauf hat?“. Apropos Metal: Bezogen auf den Titel der Scheibe hätten sich durchaus auch andere Songtitel vom neuen Langeisen als Namensgeber angeboten. Etwa „Across the Sky“ oder aber „Far from the Dark“. Gerade bei letztem zeigt sich die Italienerin allerdings vorsichtig: “Du hast natürlich recht, ‘Far from the Dark’ wäre auch ein guter Titel gewesen. Aber für mich wäre das nur eine Option gewesen, hätten wir um jeden Preis mit Metal in Verbindung gebracht werden wollen. Uns ist aber egal ob man auf unsere Musik einen Metal, New Metal oder sonst irgendeinen Stempel drückt. Wir folgen seit jeher vor allem unserem Herzen und da müssen wir keinen Titel auswählt, bei dem die Leute denken, dass wir versuchen uns um jeden Preis als Metalband zu fungieren“, findet Masha. „Und ‚Across the Sky’ wäre mir zu simpel gewesen. Wie soll ich sagen? ‚My own Army’ hat einfach mehr Eier!“, kichert es amüsiert aus dem Hörer.

 

Es liegt was in der Luft

 

Ebenso wie der Interviewer werden sich vermutlich auch sonst nicht all zu viele Hörer mit Exilias Coverversion von Phil Collins „In the Air tonight“ anfreunden können. Man möchte beinahe so weit gehen zu sagen, dass diese Nummer schlichtweg überflüssig ist, da Exilia dem Stück zwar durchaus eigene Trademarks hinzufügen können und eine solide Neuinterpretation bieten, das Teil aber dennoch dem Vergleich mit den hausgemachten Spezialitäten kaum Stand halten kann. Darauf angesprochen zeigt Masha sich wieder einmal von ihrer ehrlichen Seite und lässt wissen, dass sich selbst die Band nicht so ganz sicher war, ob sie diesen Track überhaupt veröffentlich möchte, da während der Aufnahmen zu „My own Army“ auch noch weitere eigene Songs aufgenommen wurden, welche es ebenfalls durchaus verdient hätten das Licht der Welt zu erblicken. „Unser Manager war in den USA und hat es geschafft uns für einen Film dort ins Gespräch zu bringen, dessen Rolle als Titelsong man diesem besagten Coversong in Aussicht stellte. Deshalb haben wir letztlich unser OK gegeben, denn wenn wir es wirklich in den Film schaffen, dann ist das eine große Chance für uns dort einen Fuß in die Tür zu kommen. Eine Chance, die wir denke ich durchaus verdient haben. Es könnte unser Ticket nach Übersee werden“. Und trotzdem ist die Hundenärrin durchaus reflektiert genug zuzugeben, dass eine gewisse qualitative Lücke zum Rest von „My own Army“ zu klaffen scheint. „Du hast absolut recht wenn du sagst, dass ‚In the Air tonight’ nicht so kraftvoll ist wie unsere eigenen Nummern. Da muss ich dir ohne irgendwelche dummen Ausreden zustimmen, denn wir haben unbestritten deutlich stärkere Songs im Repertoire“, weiß Masha.  
 

 

Schicksalsschläge

 

In den vergangenen Jahren hatten Exilia trotz bisweilen beachtlicher musikalischer Erfolge immer wieder mit persönlichen Rückschlägen zu kämpfen. So stieg zum Beispiel Schlagzeuger Ale 2006 aus der Band aus, da seine Mutter an Krebs erkrankt war. „Er wollte das allerdings nicht publik machen oder an die große Glocke hängen. Deshalb ist er mehr oder minder heimlich bei uns ausgestiegen“, erinnert sich Masha heute. Glücklicherweise hat Ales Mutter ihren Krebs mittlerweile besiegt und ihr Sohn ist zurück in den Reihen der Band. Von einem geplanten Wiedereinstieg kann dabei jedoch nicht die Rede sein. Masha: „Wenn so etwas passiert, dann machst du keine Pläne nach dem Motto ‚Alles klar, wenn du mit der Sache durch bist kommst du wieder zu uns’, weil natürlich niemand wusste, ob die Sache gut ausgehen würde. In dem Moment war die Band berechtigterweise zweitrangig und wir alle hatten großes Verständnis für Ales Situation. Daher haben wir auch keinen vorübergehenden Platzhalter, sondern einen neuen festen Drummer gesucht“. Besagter Nachfolger hat mittlerweile seinen Schemel wieder für seinen Vorgänger geräumt. Jedoch laufen nicht alle Tiefschläge im Leben so glimpflich ab, wovon die ansonsten so toughe Masha ein nicht gerade fröhliches Lied singen kann. Auf den Titeltrack und die Bedeutung des Albumnamen angesprochen, hat die sonst so quirlige Frontfrau erst einmal einen Klos im Hals, um nach einem tiefen Atemzug einen Blick auf ihr tiefstes Seelenleben zu gewähren. „Das Lied handelt von meiner Mutter, die kürzlich gestorben ist. Es war ein total befremdliches Szenario, denn ich verlor sie durch eine Herzattacke. Binnen fünf Minuten war sie einfach nicht mehr da“, erzählt die Sängerin noch immer hörbar ergriffen. „Auch danach war die Situation keinesfalls einfacher, denn ich hatte das Gefühl, dass egal was jemand zu mir sagte, nur dummes Zeug geredet würde. Es kamen Sätze wie ‚Oh, tut mir leid. Aber du musst lernen es zu akzeptieren’. Nein, das werde ich garantiert nicht tun! Ganz sicher nicht“, trotzt Masha mit einem bitteren Lachen solchen Floskeln. In der traurigen Gewissheit ihre Mutter für immer verloren zu haben, wusste das Exilia-Energiebündel, dass es an der Zeit war tief aus ihrem Inneren neue Kraft zu tanken, ihre eigene innere Armee zu finden. „Wenn eine so wichtige Person aus deinem Leben verschwindet, dann merkst du wie dein Herz unweigerlich kälter wird und dir wird klar, dass es fast niemanden auf der Welt gibt, der wirklich weiß wer du bist. Mir gefiel dieser Gedanke, dass jeder die Kraft einer ganzen Armee in sich trägt und dass man allein stark genug ist alles zu schaffen, ohne irgendeinen Einfluss von außen. Ich war und bin der Meinung, dass unser Album einen großartigen Namen verdient und dieser schien mir der richtige zu sein“.

 

 

Kein Piano im Handgepäck

 

Abgesehen vom Titeltrack mit seinem sehr persönlichen Hintergrund ist mit „Far from the Dark“ zudem eine weitere gelungene Ballade auf „My new Army“ gelandet, die man in dieser Form nicht unbedingt von einer Band wie Exilia erwartet hätte, ist das Stück doch bisweilen geradezu episch. „Ich weiß nie was dabei heraus kommt, wenn ich Songs schreibe. Da ich auch Klavier spiele, ist das für mich natürlich eine gute Option beim Songwriting“, lässt die Italienerin wissen. „Die besagte Melodie hat sich für mich in dieser Form einfach richtig angefühlt. Hätte ich versucht diese Gesangslinie druckvoll und in einem Power-Song zu singen, dann wäre das absolut unnatürlich geworden“. Angst davor die Zielgruppe mit einer Ballade zu verschrecken hatte das Quartett allerdings nicht. Immerhin ist man zwar als energische Liveband bekannt, weswegen man sich jedoch nicht auf Schema F im Songwriting festlegen lassen muss. Und bei diesem Thema kommt auch wieder die forsche Kämpfernatur in der klein gewachsenen Mailänderin zum Vorschein, als die Masha seit jeher bekannt ist: „Wenn jemand meint, dass wir jetzt kein Metal mehr sind wegen diesen zwei Songs, dann soll er das eben denken. Allerdings ist die Musikgeschichte voll mit harten Bands, die es geschafft haben grandiose und zugleich gefühlvolle Stücke zu schreiben. Manche sind wohlmöglich sogar erst durch ihre Balladen zu großen Berühmtheiten geworden“, lacht es sympathisch aus dem Hörer. „Hoffentlich sehen unsere Fans diese Songs als das was sie sind, nämlich kleine Geschenke, welche sozusagen die Evolution im Sound von Exilia dokumentieren. Nicht dass alle genervt stöhnen und sich echauffieren ‚Na toll, jetzt wollen sie wohl total kommerziell werden’“, kichert die Sängerin fröhlich weiter. Die kommende Tour, die gemeinsam mit Ill Nino und God Forbid bestritten wird und bei der Exilia als zweite Band des Abends nach einem noch unbekannten Opener auflaufen werden, muss jedoch ohne balladeske Gänsehautmomente auskommen. Dort will das Quartett seine vierzig Minuten „fucking heavy“ und garantiert ohne Balladen gestalten, was der Autor dieser Zeilen ziemlich schade findet. „Wir können leider mein Klavier nicht mitnehmen“, flachst Masha. „Aber vielleicht treffen wir uns mal irgendwo wenn ein Piano in der Nähe ist. Dann spiele ich die Nummer für dich und den Rest der Anwesenden, versprochen“. Ich werd' drauf zurück kommen.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.exiliaweb.com