Interview mit Hannes van Dahl von EVERGREY

 

 

 

Die erste Nummer auf eurem neuen Album trägt passenderweise den Titel „Leave it behind us“. Wie es scheint ein Statement und eine Ansage gegen die Unwegsamkeiten, die Evergrey in den letzten Jahren bewältigen mussten – von Line-Up-Wechseln, über geschäftliche Tiefschläge inklusive Labelinsolvenz bis zu Tourabsagen. Soll dieser Song somit gleich zu Beginn ein deutliches Statement setzen, dass ihr nicht aufgeben oder klein bei geben werdet, egal welche Knüppel man euch in die Beine wirft?

 

Zwar stammt der Text von unserem Sänger Tom, aber „Leave it behind us“ passt sehr gut zum Thema von „Glorious Collision“. Es ist ein Song, in dem sich jeder irgendwie wiedererkennen kann, denn man hat immer Dinge, die man am liebsten über Bord werfen und hinter sich lassen würde. Überhaupt halte ich „Glorious Collision“ für einen optimistischen Titel. Manchmal gerät man im Leben schlagartig in irgendwelche Probleme und einschneidende Änderungen, die sich im ersten Moment negativ anfühlen und einen pessimistisch stimmen. Oft verändern sich die Dinge daraus aber zum Besseren und für unser Album gesprochen führt es zu einem prächtigen Ergebnis. Solche Dinge passieren selten sofort und zeichnen sich auch nicht schnell ab, aber manchmal entwickelt sich auch erst etwas Gutes, wenn du gar nicht mehr damit rechnest. Deine Interpretation gefällt mir aber ebenfalls sehr gut und trifft unsere Einstellung sehr genau, denn wir haben sicher nicht vor, uns klein kriegen zu lassen.

 

Warum sind die anderen eigentlich genau aus der Band ausgeschieden, hast du dich mit Tom und Rikard über deine Vorgänger unterhalten? Aus rein musikalischer Sicht gab es wenig Grund sich zu beschweren, denn „Torn“ war ein richtig starkes Album, wenn du mich fragst. Vermutlich war es eher die zerfahrene Gesamtsituation, die von den Jungs zum Anlass genommen wurde das Handtuch zu werfen.

 

Manche waren zu dem Zeitpunkt bereits achte Jahre oder länger dabei und durch die vielen Jahre der gemeinsamen kreativen Arbeiten und des Tourens haben sich untereinander einfach gewisse Verschleißerscheinungen eingestellt. Anstatt irgendwann später als bitterböse Feinde auseinander zu gehen, hat man sich lieber bereits jetzt getrennt, wo eine Trennung noch freundschaftlich und im Guten möglich war. Das war eine reife und absolut richtige Entscheidung, denn die Jungs sind nach wie vor gute Freunde und auch ich habe bereits alle kennen gelernt und halte sie für echt nette Typen. Mit ihrer neuen Band Death Destruction haben sie kürzlich bei Sony unterschrieben und sie scheinen sehr zufrieden mit der neuen Situation zu sein. Unter dem Strich war es die aufrichtigste und beste Lösung für alle Beteiligten.

 

Und auch mit Evergrey scheint eine Art Neustart im Gange zu sein: Das neue Album ist draußen, die neue Besetzung hat sich gefunden und eine Europatour als direkter Support für Kamelot steht ebenfalls bevor. Diese Tour ist doch eine wirklich gute Gelegenheit für euch nicht nur ein großes Publikum zu erreichen, sondern auch nachhaltig auf euren Willen es den Leuten zu zeigen hinzuweisen.

 

Das stimmt und es ist auch ein guter Anlass, um uns und die neue Besetzung noch besser kennen zu lernen und außerdem auf der Bühne noch besser und kompakter klingen zu können, weil wir uns auf dieser Tour gut aufeinander einspielen können. Insgesamt werden vier Bands auf der Tour sein und die Zusammenstellung ist wirklich gut, zudem bekommen die Fans viel für ihr Geld geboten. Wie ich hörte waren Evergrey und Kamelot schon einmal gemeinsam auf Tour und damals soll es super gewesen sein. Ich bin schon richtig aufgeregt deswegen und freue mich auf den Tourstart in Paris, der sich zudem auch noch mit dem Beginn des Frühlings überschneidet. Bisher haben wir schon ein paar Shows gespielt, um uns vorzubereiten und die neuen Songs auf ihre Bühnentauglichkeit zu testen. Mein Rat: Schwingt euren Hintern zu einem der Konzerte, denn ihr werdet nicht enttäuscht werden!

 

 

 

„Glorious Collision“ hat einige kleinere Änderungen im Sound aufzuweisen, die in der Hinsicht überraschen, als dass im Grunde genommen weniger Songwriter beteiligt waren als zuvor. Ich denke da zum Beispiel an die recht auffälligen Electro-Einsprengsel in „Leave it behind us“. Sind diese Einflüsse komplett neu oder wurden sie vorher sozusagen „unter den Teppich gekehrt“, weil die anderen nicht damit einverstanden waren?

 

Ich persönlich finde es großartig, dass diese Electronics bei besagtem Lied so offensichtlich sind. Zudem weiß ich, dass beispielsweise auf dem Vorgänger „Torn“ eigentlich im gleichen Maße mit diesen Sounds gearbeitet wurde, sie aber später beim finalen Mixing irgendwie verloren gegangen sind. Erst kürzlich konnte ich mir die Demos von „Torn“ anhören und war selbst überrascht wie viel gute Keyboardarbeit die Scheibe eigentlich zu bieten hat. Unglücklicherweise musst du aber genau hinhören, wenn du wirklich alles mitbekommen willst, hehe.


Das neue Material haben Tom und Rikard hauptsächlich in dem halben Jahr nach dem Ausstieg von Jonas, Henrik und Jari in Toms Studio komponiert. Die beiden wussten, dass sie weitermachen würden und haben dann ohne Zeitdruck, Labelvorgaben und dergleichen einfach in Ruhe an den Songs gearbeitet, was garantiert einen sehr großen und positiven Einfluss auf das Ergebnis hatte. Dabei hat sich auch die Dominanz der Keyboards wieder etwas stärker ausgeprägt und es kommt mir so vor als hätte Rikard diesmal mehr auf die klassischen Piano-Sounds gesetzt und zudem sehr viele tolle Melodien beigesteuert. Später haben auch wir „Neuen“ noch ein paar Ideen eingebracht und unseren jeweiligen Stil in die Wagschale geworfen. Alle sind sehr professionell und verstehen ihr Handwerk, wodurch „Glorious Collision“ ein echtes Killeralbum geworden ist. Es wird großartig diese Songs ausgiebig live zu präsentieren und ich kann es auch kaum erwarten bis wir das nächste mal ins Studio gehen und dem noch einen draufsetzen werden.

 

 

Noch eine kleine Detailfrage zum Abschluss: „I’m drowning alone“ beinhaltet eine kindliche Gesangsstimme. Habt ihr diesen Part von einer Erwachsenen singen lassen und das Ergebnis dann elektronisch verändert oder habt ihr euch tatsächlich ein Kind ins Studio geholt? Bei der Gesangsleidenschaft von Tom und seiner Frau Carina hätte ich zumindest eine Vermutung wer es sein könnte, hehe.

 

Ist das so leicht zu durchschauen, haha?! Das ist die fantastische Salina Englund, die Tochter von Tom und Carina. Für sie ist es der erste Beitrag auf einem Evergrey-Album und ich finde es klingt toll.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Web: www.evergrey.net