Interview mit Mark Jansen von EPICA

 

 

Mark, „Design your Universe“ ist das erste Album, an dem Isaac (Delahaye, Gitarrist) und Arien (van Weesenbeek, Schlagzeug) als vollwertige Bandmitglieder beteiligt waren. In wie fern haben sie sich ins Songwriting eingebracht? Während der Aufnahmen zu „The Divine Conspiracy“ war Arien ja damals nur als Session-Drummer mit von der Partie.

 

Da hast du recht. Aber diesmal haben beide ihren Beitrag geleistet. Arien war zum Beispiel an „Martyr of the free World“ beteiligt, denn wir haben dabei auf ein Riff zurückgegriffen, das er ursprünglich noch für God Dethroned geschrieben hatte und bei dem mir sofort klar war, dass wir es irgendwo verwenden müssen. Isaac kam hingegen erst spät zur Band, knapp 3 Monate vor dem eigentlichen Studiotermin. Er konnte somit wenig ins Songwriting eingreifen, allerdings haben wir zusammen im Studio noch viel an den Gitarrenspuren gearbeitet und er hat auch noch ein paar Soli einspielen können. Ich persönlich spiele nicht so gern Soli, aber jetzt wo wir einen neuen Gitarristen haben, der das sehr wohl mag, können wir sie auch zum Zug kommen lassen.

 

Somit wurde der Platz von Ad, der euch vor einigen Monaten verlassen hat, also wertig weitervergeben.

 

Das kann man so sagen. Er liebt es natürlich auch zu komponieren und hat das in den letzten Jahren auch oft getan. Sein Problem ist, dass er nicht mehr so oft unterwegs sein wollte, da ihm dadurch die Zeit zum Komponieren fehlt. Sein Abschied war ein zweischneidiges Schwert, denn es war einerseits traurig einen langjährigen Freund ziehen zu lassen, andererseits war es aber auch eine richtige Entscheidung. Wenn jemand nicht mehr motiviert ist, dann ist es besser seinen Platz frei zu machen und einen neuen Mann ran zu lassen, der hungrig und voll bei der Sache ist.

 

Das Coverartwork eures neuen Album zeigt eine Frau in einer Art Yoga-Position. Praktizierst du selbst Yoga oder würdest du dich als spirituelle Persönlichkeit betrachten?

 

Ich glaube auf jeden Fall an diese Dinge und an die Kraft des Geistes. Einer der Hauptgründe warum wir uns für dieses Motiv entschieden haben ist, dass Meditation auf jeden Fall einer der Wege ist, um zu sich selbst zu finden. Heutzutage ist es ein großes Problem vieler Menschen, dass sie sich nur noch um die Welt um sie herum kümmern, aber keinen Blick mehr nach innen werfen. Alle Fragen werden immer nur an die Umgebung gestellt, dabei kann man viele Antworten vor allem in sich selbst finden. Durch Meditation kannst du viel über dich selbst und das Sein lernen, davon bin ich fest überzeugt. Und das fehlt vielen heutzutage einfach.
 

Würdest du sagen, dass sich deine Einstellung zu solchen oft auch tiefgründigeren Themen auch auf eure Texte niederschlägt? Denn ihr bezieht euch oft auf das was in der Welt geschieht, teilweise ganz direkt, teilweise eher philosophisch.

 

Das hast du richtig erkannt. Wir gehen da ebenso konsequent vor wie bei der Musik: Dinge mit denen wir nur gerade so zufrieden sind, fallen ohne wenn und aber durch. Wir müssen definitiv mit den Texten zufrieden sein, denn wir sind keine Band, die einen Text nur als Mittel zum Zweck sieht, einfach um Gesangslinien mit Worten zu füllen.

 

Mir fällt als aktuelles Beispiel „Semblance of Liberty“ ein, das ja durchaus ein kritisches Statement abgibt.

 

Bei diesem Song geht es darum, dass uns Freiheit oft nur vorgegaukelt wird. Was heutzutage als Freiheit bezeichnet wird, ist bisweilen jedoch der reinste Witz wenn man ehrlich ist. Nimm nur die Behauptung, dass du als freier Bürger reisen darfst wohin du willst: Wie soll das zu der Tatsache passen, dass du an jedem Flughafen wie ein Schwerverbrecher behandelt wirst? Wirklich frei sind wir nicht, sondern vielmehr Gefangene in einer vermeintlich freien Welt. Solange Geld die Welt regiert und bestimmt was auf unserem Planeten passiert, wird sich das auch nicht ändern. Die gegenwärtige Situation ist jedenfalls alles andere als gesund.

Die USA sind für ihre überzogenen Maßnahmen bei der Einreise bekannt. Ihr habt schon mehrmals in Übersee getourt, hast du dort auch diese oft zitierten negativen Erfahrungen gemacht?

 

Ich reise sogar noch öfter dort hin als nur mit Epica, denn meine Freundin lebt in den USA. Aber es ist in der Tat so, dass du bei der Einreise dort richtig mies behandelt werden kannst. Natürlich kannst du auch Glück haben und alles kann gut laufen. Aber oft hast du dort Beamte, die ihren Job nicht mögen und dies auch zeigen. Es kann aber eigentlich nicht angehen, dass du als Gast in diesem Land behandelt wirst wie Scheiße. Natürlich muss man möglicher Terrorgefahr Aufmerksamkeit schenken, aber ich bin der Meinung, dass diese Bedrohung viel stärker geredet wird, als sie effektiv ist.

 

Wenn man sich etwas näher mit Epica beschäftigt fallen einem massenweise Konstanten und Parallelen zwischen euren Alben auf. Um nur ein paar zu nennen: Der Titel besteht immer aus drei Worten, jede Platte hat ein instrumentales Intro und zudem einen finalen Song mit Überlänge, ihre arbeitet seit dem ersten Album mit Sascha Paeth und auch Amanda Somerville ist auf jeder eurer Scheiben zu hören. Wie sehr setzt ihr gezielt auf solche Konstanten und ergeben die sich eher zufällig oder ganz gezielt?

 

Wir arbeiten definitiv gern mit unseren Freunden in Wolfsburg zusammen, denn sie arbeiten sehr professionell und effektiv und kennen uns zudem wirklich gut. Sie wissen genau wo unsere Stärken und Schwächen liegen. Man muss ihnen nichts mehr großartig erklären, denn sie wissen was wir haben wollen und wie alles klingen sollte. Solange es nach wie vor einen konstanten Frontschritt gibt und alles klingt wie wir es haben wollen, sehe ich keinen Grund für uns, hier einen Wechsel vorzunehmen. Sascha zum Beispiel hat ein großartiges Gespür für Gesangslinien und kann dir binnen kürzester Zeit sagen, welche toll sind und welche man entweder noch verbessern oder gleich in die Tonne werfen kann. Zudem behält es sich auch wenn man länger an etwas arbeitet stets seine objektive Sichtweise.

Und um zum anderen Teil der Frage zu kommen: In der Tat haben wir uns einige Trademarks in unserem Sound aufbauen können, besonders mit den beiden letzten Alben; das habe ich immer wieder mitgeteilt bekommen. Es scheint als hätten wir mit „The Divine Conspiracy“ endgültig etwas Eigenständiges etabliert und ich denke, diesen Weg führt auch das neue Album fort. Allerdings ohne dass wir uns dabei ständig selbst wiederholen hoffe ich, denn wir wollen weder uns noch den Zuhörer langweilen. Wer weiß ob wir beim nächsten Album nicht etwas komplett anderes versuchen? Vorstellen könnte ich es mir zumindest.

 

Eine andere Konstante ist eure Vorliebe für Konzepte, denn auch „Design your Universe“ weißt wieder einen roten Faden auf. Sind Epica eine typische Konzeptalbum-Band?

 

Gut möglich, ja. Ich mag es, einem Album ein Thema zu geben, dann macht mir die Arbeit mehr Spaß und ich verknüpfe die einzelnen Songs dann gern textlich wie musikalisch miteinander.
 

Manchmal tut ihr dies sogar über mehrere Alben. Wer euer bisheriges Schaffen aufmerksam verfolgt hat, dem wird auffallen, dass es zwei „Serien“ von Songs gibt, die sich bis dato albumweise abwechseln. „The Embrace that Smoothers“ als Untertitel von Stücken auf „The Phantom Agony“ und „The Divine Conspiracy“, und andererseits “A New Age dawns” auf “Consign to Oblivion” und “Design your Universe”. In wiefern sind diese Songs von euch bewusst und direkt miteinander verknüpft?

 

Wenn ich Texte schreibe und es sich für mich so anfühlt, als würde eine Verbindung zu älteren Texten bestehen – wie auch immer sich das äußert -, dann versuche ich eine Brücke zu schlagen und in gewisser Weise dort weiterzumachen, wo der letzte Song der „Serie“ endete. Wenn ich diese Songs oder Texte schreibe, dann denke ich jedoch überhaupt nicht daran sie in der Zukunft fortzusetzen oder lege mir gewisse Anschlusspunkte parat. Aber wenn es passt und sich für mich richtig anfühlt, dann greife ich den Faden auf und spinne ihn weiter.

 

Auf dem Papier sieht es so aus, als hättest du dir diese Sache ganz genau zurecht gelegt. Es geht nämlich immer auf dem übernächsten Album weiter. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass du dir da ein ausgefeiltes System aufgebaut hast.

 

 

Ja, das sieht wirklich so aus. Aber das System ist, dass ich keins habe, haha! Das ist wirklich purer Zufall.

 

Und noch eine letzte Anmerkung zu meinem Statistikwahn: Ihr habt zum zweiten Mal in Folge ein Album mit mehr als 70 Minuten Spielzeit abgeliefert. Ist es für eure Konzepte notwendig, über eine solch lange Distanz zu gehen oder habt ihr einfach einen solchen kreativen Überfluss, dass ihr die Zeit einfach braucht um eure ganzen Ideen unterzubringen?

 

Ein bisschen von allem würde ich sagen. Es fällt uns immer sehr schwer, einen Song rausfallen zu lassen, wenn er erst mal aufgenommen und uns ans Herz gewachsen ist. Wenn dem so ist, haben wir nicht viele Möglichkeiten und machen dann im Endeffekt eben ein sehr langes Album. Unseren Die-Hard-Fans ist das natürlich recht, sie sagen dass unsere Platten nie lang genug sein können, haha. Andererseits ist so etwas natürlich auch immer gefährlich, denn wenn uns jemand nicht kennt, dann kann es ihn ganz schön erschlagen, wenn er 75 Minuten Musik von uns vor den Kopf geknallt bekommt. Wir sind uns schon darüber im Klaren, dass diese Vorgehensweise besonders bei unserer Art von Musik, die beim ersten Mal sicherlich schwer zugänglich ist, immer auch ein nicht geringes Gefahrenrisiko in sich birgt. Jedoch fällt es uns wie gesagt noch schwerer Songs außen vor zu lassen, deshalb entscheiden wir uns für das unserer Meinung nach kleinere Übel.

 

Wird es diesmal trotzdem wieder B-Seiten zu hören geben oder ist das neue Material komplett auf „Design your Universe“ gelandet?

 

Es gibt insgesamt 2 B-Seiten, nämlich ein zusätzliches Stück und wieder eine Coverversion. Diesmal haben wir uns an einer holländischen Band namens De Heideroosjes versucht.

 

Ist das der Titel, den ihr vor nicht all zu langer Zeit für deren Tributalbum aufgenommen habt?

 

Genau der ist es. Diesmal haben wir uns die Coverversion nicht selbst ausgesucht wie beim letzten mal (die Wahl fiel auf „Replica“ von Fear Factory, MR), sondern wurden von De Heideroosjes gefragt, ob wir nicht einen Song zur von dir erwähnten Compilation beitragen möchten. Dazu gibt es noch eine witzige Geschichte: Ich hab gerade am letzten Wochenende einen der Jungs auf einem Festival auf dem wir gemeinsam gespielt haben getroffen und ihn nach seiner Meinung zu unserer Version gefragt. Ihr Drummer erzählte mir dann, dass sie beim ersten Anhören mit offenen Mündern dagesessen haben müssen und die einzige Reaktion die Frage „Was zum Teufel ist das denn?!“ war, haha. Mit dem zweiten Durchlauf fingen sie dann aber wohl ganz langsam damit an, sich von ihrem Schock zu erholen, haha. Inzwischen lieben sie die Epica-Version aber, hat er mir versichert. Wir verwenden den Song übrigens als B-Seite für die japanische Auflage des neuen Albums.
 

Dann freuen wir uns schon mal auf die erste Punkband, die sich an einem eurer Songs versucht. Ich bin gespannt auf eine in zweieinhalb Minuten herunter gerotzte Interpretation von „Consign to Oblivion“!

 

Hahaha, ja das könnte interessant sein. Wer weiß, vielleicht kommt es ja mal dazu, wenn wir lange genug im Geschäft sind.

 

Im Internet war zu lesen, dass du mit Sander Gommans (Ex-After Forever, HDK) ein neues Projekt aus der Taufe gehoben hast. Was darf man sich von dieser Zusammenarbeit erwarten?

 

Etwas... Lautes! Haha! Es ist schwer zu sagen was genau dabei herauskommen wird, aber es wird anders sein als das, was wir bisher gemeinsam gemacht haben. Am ehesten kommt es denke ich an sein HDK-Projekt heran. Wir wollen uns da kreativ völlig ohne Vorgaben austoben und ich denke, dass wir etwa so aggressiv wie HDK werden, das Ganze aber um einiges melodie-orientierter aufgestellt sein wird. Dafür sorgt allein die Tatsache, dass wir Jack Driessen (der erste After Forever-Keyboarder - MR) ebenfalls mit im Boot haben, der die dritte kreative Kraft ist. Wir wissen noch nicht wann das Album erscheint, da wir alle auch anderweitig beschäftigt sind, aber wenn wir uns mal treffen, dann geht es auch sehr gut voran. Wir haben seit 10 Jahren nicht mehr miteinander gearbeitet und von daher ist es sehr erfrischend, auch mal wieder anders an die Sachen heran zu gehen als in den letzten Jahren mit Epica. Für diese neue Band sitze ich nicht am Computer, sondern wir treffen uns und spielen einfach drauf los.

 

Weiß man schon wer den Gesang übernehmen wird?

 

Im Moment ist es unser Plan verschiedene Sänger zu fragen, so ähnlich wie das bei Ayreon und Avantasia immer der Fall ist – nur deutlich heavier. Es werden wohl hauptsächlich männliche Stimmen zu hören sein.

 

Lass uns noch kurz bei After Forever bleiben: Als Gründungsmitglieder der Band würde mich deine Meinung zu ihrem Split Anfang des Jahres interessieren.

 

Das ist wirklich ein Jammer. Selbst wenn ich die Jahre, in denen ich Teil der Band war ausblende, waren sie auch später für mich eine der besten niederländischen Bands überhaupt. Sie haben der Szene in Holland sehr gut getan und auch international eine Relevanz besessen und einige Bands maßgeblich beeinflusst. Es gab sogar schon Pläne für eine gemeinsame Europatour mit Epica und After Forever, aber dann kam unglücklicherweise die Pause und hinterher die Auflösung dazwischen. In meinen Augen ein tragischer Verlust.

 

Warst du überrascht, als du die Nachricht gehört hast?

 

Als sie dieses eine Jahr Pause ankündigten war ich auf jeden Fall überrascht. Dass sie sich danach ganz aufgelöst haben, hat mich dann allerdings nicht mehr ganz unerwartet getroffen.

 

Und wo liegen deiner Meinung nach die Gründe? Vermutlich war der andauernde Kampf mit dem ehemaligen und seit einigen Jahren insolventen Label Transmission, das ja auch die Rechte an euren ersten Alben besitzt, nicht ganz unschuldig daran, dass Floor und ihre Jungs mehr oder weniger resigniert haben. Wohlgemerkt obwohl sie mit Nuclear Blast eigentlich ein sehr einflussreiches neues Label im Rücken hatten.

 

Ja, das war definitiv einer der Gründe. Zudem ist es nicht einfach, wenn du eine Beziehung innerhalb der Band hast, die dann irgendwann auseinander geht (Floor Jansen war einige Jahre mit Gitarrist Sander Gommans zusammen - MR), zu verhindern dass sich dies auf die Band auswirkt. Das könnte unter Umständen auch ein Grund sein. Nach dem Ende einer Beziehung ist es schwierig einfach weiter zu machen, ich spreche da aus Erfahrung, denn wie du vielleicht weißt, war ich vier Jahre mit Simone (Simons, Epica-Sängerin – MR) zusammen. Zum Glück haben wir es geschafft etwaige Reibungspunkte aus der Welt zu schaffen und weiterhin miteinander zu arbeiten. Jedenfalls wäre ich nicht überrascht, wenn After Forever in ein paar Jahren einen Neustart versuchen würden. Ich denke das wäre eine gute Sache. Wenn man das Gefühl hat, mit dem nächsten Album nicht an das vorherige heran zu reichen, dann ist es eigentlich nur konsequent sich aufzulösen, wenn du dich nicht selbst zum Narren halten willst. Aber wie du schon sagtest war das Timing nicht gerade perfekt, denn der große Durchbruch war zum greifen nah.

 

Einige andere Bands haben in den letzten Jahren ihre Sängerin und viele zudem ihr prägendes Gesicht verloren wie etwa Nightwish und Tristania. Was glaubst du würde mit Epica passieren, wenn Simone freiwillig oder gezwungenermaßen ihren Hut nehmen würde? Im vergangenen Jahr habt ihr sie aus Krankheitsgründen während einer US Tour durch Amanda Somerville ersetzt, aber wäre eine solche Konstellation mit einer neuen Sängerin für euch auf Dauer eine Option?

Nein, auf keinen Fall. Ohne Simone Simons würden wir mit der Band nicht weiter machen. Ich habe mit Simone eine Art ehrbare Vereinbarung getroffen, dass im Falle dass einer von uns beiden aus der Band aussteigt Epica auf der Stelle aufgelöst werden. Das ist den Fans gegenüber nur fair, denn sie ist die Stimme und das Gesicht der Band und ohne sie würden wir nie wieder so klingen, wie wir es nun mal tun. Ich bin hingegen derjenige, der auch alles rund herum im Auge behält und der dafür sorgt, dass die Band ihrem Sound treu bleibt und dass Epica auch Epica bleiben. Aber keine Angst, ich habe beim besten Willen nicht vor auszusteigen und sie genauso wenig, hehe.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

 

Link: www.epica.nl