Interview mit Sad Sir von END OF GREEN

 

 

Für die Limited Edition der neuen Scheibe habt ihr euch dazu entschlossen, einige ältere Nummern neu einzuspielen und somit in ein zeitgemäßeres Gewand zu kleiden. Wie kam es zu dieser Idee?

 

Ursprünglich war von Seiten unseres Labels mal eine Best-Of im Gespräch. Der Gedanke, aber einfach so ein paar alte Lieder auf eine CD zu klatschen, erschien uns lieblos. Und irgendwie meinten wir: „Wenn, dann spielen wir die Songs neu ein. So wie wir’s bei Konzerten machen.“ Manche der Lieder haben sich über die Jahre hinweg ein wenig verändert, weil wir sie sehr oft live spielen. Witzig ist allerdings, dass die Songs an einem anderen Tag wahrscheinlich noch mal anders geklungen hätten. Wir lassen uns seit eh und je gerne von unserer Stimmung leiten... für mich ist „Releaded“ ein bisschen wie ein Schnappschuss. Ranzoomen, draufhalten und weiter.

 

Die meisten Bands lassen sich irgendwann von den alten Fans breitschlagen und machen Platten, auf denen sie versuchen zu klingen wie „damals“. Ihr macht nun genau das Gegenteil und beamt die alten Kamellen sozusagen ins Hier und Jetzt und stattet sie mit dem neueren EOG-Sound aus. Habt ihr die Nase voll von den ewig Gestrigen und wollt mit den Neueinspielungen ein bewusstes Zeichen gegen einen übertrieben ausgedrückt „Back-to-the-Roots-Overkill“ setzen?

 

Back To The Roots hat etwas sehr Reaktionäres, wenn man es nur der alten Zeiten wegen tut. Sind die guten alten Zeiten nicht einfach gut und alt, weil eben der Moment damals gestimmt hat? Ich habe neulich gelesen, man sollte die guten Zeiten nicht damit verwechseln, dass alles bitteschön immer so bleiben soll. Das wäre dann Stagnation, glaube ich. Braucht keine Sau. Wir hören auch ab und an, wir sollten „back to the roots“ gehen ... ich frage mich da immer, „welche denn?“ Unsere Roots waren schon immer derart vielfältig, dass wir mit der bloßen Aufforderung überfordert sind.

Ein bewusstes Zeichen wollten wir mit „Releaded“ gar nicht setzen. Ich finde es eher schön, dass unsere Lieder sich etwas mit uns wandeln über die Jahre. Und ich bin mir obendrein sicher: Wer uns die Jahre verfolgt hat, sieht eine natürliche Entwicklung. Warum sollten wir die gute alte Geschichte von 1996 immer wieder erzählen, wir haben so viele neue Dinge erlebt. Aber ich geb’s zu: Bei jeder neuen Bad Religion Platte denke ich. „Mist, warum klingen die eigentlich nicht mehr wie auf ‚Suffer’“.

 

In eurem Fall kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass ihr alle Argumente auf eurer Seite habt, schließlich seid ihr mit eurem gegenwärtigen Sound inzwischen fast schon eine sichere Bank in Sachen Charts, was sich mit „High Hopes“ ziemlich sicher erst einmal nicht ändern wird. Was hebt euch von anderen Bands eures Genres ab und warum sind End of Green – vor allem in den letzten paar Jahren – deutlich erfolgreicher als die meisten anderen Gothic Rock Bands?

 

Ich glaube, man merkt, dass wir „echt“ sind und niemanden für dumm verkaufen. Bei End of Green gibt’s keine Zwangscoolness, keinen falschen Glamour und kein Lebensgefühl von der Stange. Uns geht es in erster Linie um gute Lieder. Alles andere muss sich hinten anstellen. Die Charts sind sehr nett, ja – aber es bringt uns auch nix mit einer Scheißplatte in den Charts zu sein. Dass „High Hopes in Low Places“ auf Platz 17 in den Charts eingestiegen ist, hat mich umgehauen und – ja – auch wahnsinnig gefreut. Aber ich freue mich mehr über eine – meiner Meinung nach – sehr gute Platte. Und, äh,  auf meinem Anrufbeantworter waren heute weder Bono, Lady Gaga noch Lemmy und der scheiß Lichtschalter im Bad repariert sich auch nicht von alleine, hehe!

 

Meiner Meinung nach habt ihr vor allem auf den drei Alben „Dead End Dreaming“, „The Sick’s Sense“ und jetzt „High Hopes in Low Places“ ein exzellentes Händchen bei der Reihenfolge eurer Songs bewiesen. Mal anhand eines aktuellen Beispiels: Funktionieren und wirken Songs wie „Savior“ und „Starlight“ auch deshalb so ausgezeichnet, weil ihr so clever seid und einen straighten Rocker wie „Slaves“ dazwischen platziert?

 

Danke, dass dir das auffällt. Ich selbst tu mich wahnsinnig schwer mit der Reihenfolge. Dieses Mal kam mir das sogar noch schwieriger vor. Die Mischung macht’s auf „High Hopes in Low Places“. Wenn du die zehn Songs anders ordnest, kannst du das Gesicht der Platte komplett verändern.

 

„Under the Sway“ klingt für End of Green recht unerwartet und bringt offenbar ein paar neue Einflüsse mit. Der ungewöhnlichste und mutigste Song des Albums?

 

Für mich fühlt sich „Under The Sway“ eigentlich ganz natürlich an. Musikalisch haben wir uns da sicherlich etwas aus dem Fenster gelehnt, aber trotzdem findet alles komplett in unserem Rahmen statt. Da wir alle gerne die ein oder andere Post-Punk Platte auflegen, fühlte sich das völlig normal – auch irgendwie „richtig“ an. Ich mag diesen scheinbar harmlos poppigen Anfang, weil sich das Lied immer mehr steigert und am Ende zu einem fiesen Monster wird.

 

Zu „Goodnight Insomnia“ habt ihr bereits ein Video abgedreht und dieses kann im Netz auch schon seit einiger Zeit bewundert werden. Wie kam es zu der Idee zu dieser modernen Version von „Bonnie und Clyde“?

 

Thelma und Louise kommt fast ran, haha! Das war die Idee von Greg Wiebe, beziehungsweise Huckleberryking. Ich finde es ganz gut, den Clip vom eigentlichen Text des Songs loszulösen. Es ist ein schmissiger kleiner Rock’n’Roll Clip geworden. Für meinen Geschmack hätten die Damen aber noch etwas mehr auf die, äh, Kacke hauen können. Mehr Aufruhr. Schadet ja nicht. Bei „Tie Me A Rope“ haben wir Greg auch wieder freie Hand gelassen. Er nutzte das, um uns ordentlich zu quälen. Bergseen sind – und das wissen wir jetzt – auch Ende Juli saukalt.

 

Die „Sickoustic“-Bonus-CD des Vorgängers hat wirklich wunderbar funktioniert und wenn man euch seitdem live gesehen hat wurde auch schnell klar, dass euch diese rein akustischen Jams richtig ans Herz gewachsen sind. Darf man davon ausgehen, dass ihr in dieser Hinsicht in Zukunft noch einmal in ähnlicher Form nachlegt, wenn es wieder darum geht, Bonusmaterial an den Start zu bringen?

 

Schaun wir mal. Eventuell packen wir das auch mal etwas größer angelegt an, denn es macht wirklich Spaß, die Lieder aus ihrem gewohnten Rahmen rauszureißen und komplett neu zu instrumentieren. Als Bonus eher nicht, das haben wir ja schon getan.

 

Apropos Akustik-Stücke: Würde euch eine rein akustische Tour reizen? Vielleicht mit kleinen bestuhlten Clubs und in intimer Atmosphäre? Von eurem neuen Album gäbe es meiner Meinung nach auch schon mindestens zwei absolut prädestinierte Kandidaten für eine solche Show, nämlich „An Awful Day“ und „Starlight“.

 

Was eine Akustik-Tour angeht, bin ich unentschlossen. Es gibt so viele Orte an denen wir noch nie waren, es wäre komisch nun dahin zu gehen und leise zu spielen. Mir gefällt es aber außerordentlich gut, einfach am Ende eines Konzertes noch ein paar Lieder akustisch zu spielen. Zum Runterkommen. Für uns und die Gäste. „An Awful Day“ und „Starlight“ würden sich da wirklich förmlich aufdrängen, hehe.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.endofgreen.de