Interview mit Rafi Kirder und Simeon Koch von ELUVEITIE

Lasst uns zuerst ein wenig über die Anfänge der Band sprechen. Ursprünglich handelte es sich bei Eluveitie um ein Studioprojekt, das von Frontmann Chrigel ins Leben gerufen wurde. Kann einer von euch bitte erläutern wie es dazu kam, dass doch noch eine „richtige“ Band daraus entstanden ist?

Rafi: Die Idee für Eluveitie hat Chrigel schon sehr lange mit sich herumgetragen, so wie ich das gehört habe ca. 10 Jahre lang. Während seiner Hochzeitsreise hat er dann ein 10-seitiges Konzept geschrieben – das habe ich per Zufall mal entdeckt -  in dem er sehr genau beschreibt um was es textlich gehen soll, welche Instrumente zum Einsatz kommen sollen usw. Danach hat er dann verschiedene Musiker angeschrieben, die Interesse daran bekundet haben mitzumachen. Für jene Musiker hat Chrigel auch ein Demo aufgenommen, auf dem die Lieder recht grob abgesteckt waren und vorgegeben wurde, wie es klingen sollte. Die einzelnen Musiker sind dann individuell ins Studio gegangen, um dort ihren Beitrag aufzunehmen. Alle beteiligten Musiker haben sich das erste und einzige Mal getroffen als das gemeinsame Foto gemacht wurde, wobei der Schlagzeuger sogar im Nachhinein ins Foto eingefügt worden ist. Es war von Anfang an nie geplant ein festes Bandgefüge zu haben, da viele der beteiligten Musiker in anderen Bands aktiv waren und somit auch gar keine Zeit gehabt hätten. Aber als EP auf den Markt gekommen ist gab es solch eine starke Nachfrage danach - die erste Auflage von 500 Stück war in 2 Monaten ausverkauft - dass zwangsläufig auch nach Live-Auftritten verlangt wurde. So hat Chrigel die betreffenden Musiker angefragt, ob sie nicht Lust hätten in der Band mitzumachen. Einige sagten Nein und einige wie z.B. mein Bruder Sevan, Meri oder auch der damalige Gitarrist Dani sagten Ja. Ich selber habe förmlich darum gebettelt mitmachen zu dürfen *lacht*, während Sime nach einem Jahr Dani ersetzt hat.

Sime: Ich habe Chrigel damals per Zufall an einem Konzert von Branâ Keternâ - das ist seine anderen Band neben Eluveitie – getroffen. Wir kamen ins Gespräch und ich habe ihm gesagt, dass ich schon lange Gitarre spiele, woraufhin er mich zu einem Vorspielen eingeladen hat.

Wenn man eure Homepage bzw. eure MySpace Seite besucht, dann stolpert man zwangsläufig über den markanten Satz „The New Wave of Folk Metal“.  Was hat es damit auf sich?

Rafi Es war unser Schlagzeuger, der diesen Ausdruck geprägt hat.

Sime: Das Problem ist, wir haben uns immer wieder gefragt in welche Schublade wir eigentlich passen? Weil unsere Musik nicht unbedingt Pagan Metal ist, sondern schon eher Folk Metal. Trotzdem könnte ich dir jetzt aber keine Band nennen, die in das von uns gespieltes Schema reinpassen würde.

Rafi: Wie Sime schon gesagt hat, spielen wir nicht unbedingt Pagan Metal, da in dieser Musikrichtung eher Black Metal Einflüsse mit Folk vermischt werden, was wir ja bekanntlich nicht tun. In Sachen Folk Metal kommt einem aber eher eine Band wie Cruachan in den Sinn, mit denen wir uns aber auf keinen Fall gleichsetzen wollen, da unsere Musik komplett anders ist. Wir haben einen sehr starken Schwedischen Death Metal Einschlag mit einem ausgeprägten Folk Anteil, was es in dieser Form so noch nicht gibt. Vom Death Metal her üben sicherlich In Flames einen nicht unwesentlichen Einfluss auf uns aus, während unser Folk Anteil von der bretonischen und irischen Folkmusik geprägt ist.

 

Stichwort „geprägt“. Habt ihr schon mitbekommen, ob ihr mit eurer Musik andere Bands beeinflusst habt?

Rafi: *lacht* Also in unserem MySpace-Gästebuch lese ich immer wieder, dass unsere Musik andere Leute dazu inspiriert hat, auch so was Ähnliches zu machen. Auch in gewissen CD-Reviews – frag mich aber nicht welche das waren – habe ich auch schon gelesen, dass die Musik von gewissen Bands an Eluveitie erinnert. Von daher scheint es mir schon so, dass wir teilweise als Referenz herangezogen werden.

Euer neues Album ist aber auch zweifellos die momentane Referenz im Pagan bzw. Folk Metal Bereich. Wobei man darauf nicht nur neue Songs sondern auch eine Neueinspielung des Stücks „Uis Elveti“, das im Original von der „Vên“ EP stammt, zu hören bekommt. Wieso habt ihr gerade diesen Song neu aufgenommen und nicht einen anderen Song, wie z.B. „Lament“?

Sime: Ich habe gewusst, dass du diese Frage stellst *lacht*

Es ist nun mal eine Tatsache, dass „Lament“ für mich der beste Song auf der „Vên“ EP darstellt, weswegen ich lieber von diesem Song eine Neuinterpretation gehört hätte.

 

Rafi: Die Frage müsste eher lauten, wieso sind nicht alle alten Lieder auf dem neuen Album drauf. Denn eigentlich sollte „Vên“ nur ein Demo für die Plattenlabels sein und es war gar nicht geplant, dass diese Aufnahmen als EP veröffentlicht werden. Aber als unser Label Fear Dark die CD gehört hat, da wurde der Vorschlag gemacht sie als EP auf den Markt zu bringen. Wir haben daraufhin die Soundqualität ein wenig verbessert, wie auch ein paar zusätzliche Stimme aufgenommen. Aber ursprünglich war es geplant, alle alten Songs nochmal neu aufzunehmen, um sie dann als unser erstes Album zu veröffentlichen. Doch da Fear Dark die Idee mit der EP hatte, haben wir uns dazu entschlossen, für „Spirit“ komplett neue Lieder zu schreiben.

Sime: Das Lied steht für alles was die Band verkörpert, darum haben wir es neu aufgenommen.

Wie groß war bei der Arbeit am neuen Album eigentlich der Einfluss der einzelnen Bandmitglieder?

Rafi: Chrigel hat schon einen sehr starken Einfluss auf alles, er hat praktisch bei jedem Lied eine Vorlage vorgegeben. Bei gewissen Songs hat er für die Gitarrenriffs mit Ivo zusammengearbeitet, da Ivo ein paar recht gute Ideen eingebracht hat. Es ist aber ganz natürlich, wenn man ein Jahr lang gemeinsam an Songs arbeitet, dass jeder etwas mit einbringt. Ich persönlich habe alle meine Bassspuren selber ausgetüftelt, auch wenn das vielleicht ein wenig blöde klingen mag.

Sime: Seit ich in der Band bin, arbeite ich eigentlich immer mit Ivo zusammen, weil er mit diesem Musikstil ein wenig vertrauter ist als ich. Bei „Tegernakô“ gibt es ein paar Parts, die von mir ein wenig abgeändert wurden, aber das sind nur kleine Sachen, da das meiste vom Chrigel schon sehr genau vorgegeben wurde. Für die nächste CD werden aber auch wir Songs und Segmente beisteuern, und ich habe dafür auch schon ein paar Sachen auf die Seite gelegt.

Dann kann man also sagen, dass sich ein kreatives Bandgefüge entwickelt hat?

Rafi: Absolut! Wir wissen mittlerweile, wo wir stehen und was wir wollen. Ich werde für die nächste CD ein paar Folk-Melodien zur Diskussion stellen und diese dann Chrigel zukommen lassen.

Es ist aber schon so, dass Chrigel die Zügel durchaus fest in den Händen hält?

Sime: Es kommt nie so rüber, dass er einfach nur bestimmen möchte. Er ist kein Banddiktator sondern eher das Gegenteil, da er sich ab und zu richtiggehend weigert, die Zügel in die Hand zu nehmen.

 

Pagan bzw. Folk Metal ist im Moment im Trend. Was meint ihr, wieso ist das so?

Sime: Es ist eine andere Art von Musik, wobei bei vielen Bands auch ein sehr starkes Elitedenken vorherrscht, was mich auch am meisten stört. Vor allem in Deutschland ist Pagan Metal doch sehr populär, was vielleicht mit einer gewissen Lust an der Provokation zusammenhängt. Einige der verwendeten Zeichen sind ja verboten und mit einem schlechten Ruf behaftet. Ich persönlich jedoch höre mir diese Art von Musik gerne an, weil sie mich musikalisch anspricht. Die meisten Leute, die Pagan Metal hören, haben im Grunde doch gar keine Ahnung um was es geht.

Rafi: Was ich in letzter Zeit immer wieder sehe, sind diese „Odin statt Jesus“ T-Shirts, die ich doch sehr bedenklich und auch lächerlich finde. Denn das eine hat mit dem anderen rein gar nichts zutun. Man kann zwar gegen das Christentum sein und auch gegen den Glauben wettern, aber was heißt schon „Odin statt Jesus“? Im Grunde tauscht man nur das eine gegen das andere aus, wobei man doch lieber sein eigener Herr sein sollte und keine Gottheit brauchen sollte, die einem den Weg zeigt. Aber es ist halt einfach ein Trend sich seiner eigenen „Wurzeln“ bewusst zu werden, was aber nun nichts mit rechtem Gedankengut zu tun hat.

 

Perfektes Stichwort! Denn auch ihr kommt nicht Drumherum auf eurer Homepage klarzustellen, dass ihr weder eine Politische noch eine Religiöse Band seid.

Sime: Ich finde es schon bedenklich, dass man sich deswegen Rechtfertigen muss. Aber die Leute haben halt solch ein Schubladendenken was auch daran liegt, weil viele Pagan Metal Bands in diese Richtung abrutschen.

Rafi: Auf unserer alten HP hatten wir auch einen Banner mit dem wir uns ganz klar vom rechten Gedankengut distanziert haben, da wir mit sowas nicht in Verbindung gebrachte werden wollen. Auch sprechen wir in unseren Liedern keine politischen oder auch religiösen Themen an, dies aus dem Grund weil wir in erster Linie Musik machen und uns jene Musik auch Spaß macht. Wir wollen mit unserer Musik so viele Leute wie möglich erreichen, aber wir wollen mit unserer Musik nichts aussagen. Es soll einfach Spaß machen sich unsere Songs anzuhören.

Dabei ist die heutige Gesellschaft in dieser Thematik so oder so widersprüchlich. So wurde z.B. an der Fußball WM ganz offen eine Art von Nationalstolz zelebriert, aber sobald eine Band ihren Stolz aufs eigene Land äußert, wird diese gleich in die rechte Ecke abgedrängt.

Rafi: Ich finde es ist nichts Falsches daran, wenn man stolz darauf ist, in einem bestimmten Land zu leben. Es ist auch nicht falsch wenn man stolz auf sein Land ist, das ist in meinen Augen vollkommen in Ordnung. Aber es ist definitiv falsch wenn man gegen alles Fremde ist, wenn man ausländerfeindliche Parolen brüllt und sich dementsprechend verhält. Ich selber bin kein reinrassiger Schweizer, Meri ist Kroatin, während Anna halb Irin und Ivo halb Finne ist. Internationaler kann eine Band wohl nicht mehr sein. Trotzdem gibt es immer wieder Leute, die sich das Recht heraus nehmen uns in irgendeine Ecke zu drängen, obwohl wir uns selber gar nicht dort sehen. So was ist einfach nur lächerlich!

Neben Problemen mit politischen Vorurteilen habt ihr auch mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass es sich bei Eluveitie um eine christliche Band handelt.

Rafi: Jetzt kann ich mal die wahre Geschichte erzählen, wie es wirklich dazu gekommen ist. Sozusagen die Referenz abliefern, um dieses Missverständnis aus der Welt zu schaffen *lacht*. Chrigel wurde vom Veranstalter des EoR angefragt, ob wir Lust hätten als „nicht christliche Band“ dort zu spielen. Weil es das Anliegen des Veranstalters ist, zwar ein christliches Metal Festival zu machen aber auch Andersdenkende, also Leute die den Christlichen Glauben nicht haben, ans Festival zu bringen. Dies aber nicht um sie zu missionieren oder zu bekehren, sondern um zusammen einfach eine tolle Zeit zu haben, weil es ja ein Metal Festival ist und nichts anderes. Auf alle Fälle hat Chrigel mich gefragt, was ich davon halten würde an einem christlichen Metal Festival zu spielen. Da ich mir darunter nichts Genaues vorstellen konnte und es mir ehrlich gesagt egal ist ob jemand Christ oder Satanist ist, habe ich keine Einwände eingebracht und ja gesagt. Im Vorfeld wurden wir jedoch von den Christen angegriffen, viele haben gesagt sie würden wegen uns das EoR nicht besuchen weil wir keine christliche sondern eine heidnische Band seien. Auch der Veranstalter wurde von ihnen ins Kreuzfeuer genommen, da es laut ihnen eine Frechheit von ihm war, eine heidnische Band ans EoR zuzulassen. Die Christen, die aber am EoR waren und uns dort spielen gesehen haben, gingen trotzdem davon aus, dass wir eine christliche Band seien. So hat sich dann über das Internet verbreitet, dass wir angeblich eine christliche Band seien und bis heute werden wir dieses Image nicht los.

Wobei natürlich auch die Tatsache, dass ihr bei Fear Dark unter Vertrag seid, an diesem Vorurteil nicht ganz unschuldig ist. Ist Fear Dark doch dafür bekannt, eher Bands mit einem christlichen Background unter Vertrag zu haben.

Rafi: Im Grunde handelt es sich wirklich um eine Verknüpfung von unglücklichen Zufällen, was mir aber egal ist. Ich bin da um Musik zu machen und mir ist es egal, wie du denkst und was du denkst. Den Leuten sollte es aber auch egal sein, was wir denken und wie wir denken.

 

Nando Rohner – www.sounds2move.de

Link: www.eluveitie.ch