Interview mit Till Maiwald von EISHEILG

 

 

Mit „Auf dem Weg in deine Welt“ macht ihr es dem alteingesessenen Eisheilig Fan wahrlich nicht leicht, da ihr sowohl musikalisch, gesanglich und auch textlich einen ziemlichen Richtungswechsel vollzieht. Wie ist es zu der Entscheidung für diese Kursänderung gekommen, gab es einen ausschlaggebenden Moment oder eine Initialzündung dafür?

 

Ich glaube, dass es nicht die Aufgabe einer Band ist, es den Fans leicht zu machen. Wir haben als Band schon im Entstehungsprozess des neuen Albums gemerkt, dass sich die Songs in eine andere Richtung entwickelt haben und das haben wir als Band zugelassen. Jedes Eisheilig Album entsteht oft aus einer bestimmten Stimmung heraus, der man als Musiker folgen sollte damit man nicht vor sich selbst unglaubwürdig wird. Das ist für mich das wichtigste Kriterium, das man an seine Musik anlegen sollte.

 

Kann man die von euch vollzogene vollständige Neuorientierung so interpretieren, dass ihr mit euren vergangenen Werken wie z.B. "Elysium", nachträglich nicht mehr zufrieden seid?

 

Nein, wir sind auf keinen Fall unzufrieden mit Elysium, das Album ist für uns sehr wichtig, das gilt allerdings auch für „die Gärten des Herrn“ und unser Debüt. Ich denke aber, dass es die wichtigste Herausforderung für jede Band sein sollte, sich musikalisch und textlich weiterzuentwickeln. Wenn man diese Intention nicht hat, wird man irgendwann zu seiner eigenen Coverband. Um es einfach auszudrücken ist es ja so: nimmt man immer dasselbe Album mit anderem Titel auf wird einem ein Mangel an Kreativität vorgeworfen, verändert man sich als Band steht man oft als Wendehals da. Gott sei Dank ist es bei uns aber immer noch so, dass wir als Band festlegen in welche Richtung das neue Material geht, denn um nichts anderes geht es für mich beim Musikmachen: Selbstständigkeit, Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit.

 

Mit dem neuen Album werdet ihr wohl leider auch ein paar alte Fans verlieren, die mit diesem Werk und eurer neuen Ausrichtung nichts anzufangen wissen. Wenn du an dieser Stelle nun ein Wort an diese Fans richten könntest, wie würdest du sie davon überzeugen, dass es sich lohnt, mit euch zu den neuen musikalischen Horizonten namens „Auf dem Weg in deine Welt“ aufzubrechen?

 

Ich würde nichts sagen um unsere Hörer zu überzeugen, ich glaube dass jeder Hörer von Eisheilig alt genug ist um zu entscheiden ob das was er hört ihm gefällt oder nicht. Wir sind schließlich keine Erziehungsbehörde für deutschsprachigen Rock. Wer glaubt seine Zuhörer überreden zu müssen, ist mit seiner Meinung ziemlich auf dem falschen Dampfer.

 

Was werdet ihr tun, wenn „Auf dem Weg in deine Welt“ bei allen Fans auf eine vollständige Ablehnung stößt? Werdet ihr diese Marschrichtung weiterhin ausbauen, oder könntest du dir auch vorstellen, dass euer nächstes Werk wieder in Richtung "Elysium" geht?

 

Wir werden einfach die Musik machen, die uns gefällt und die wir umsetzen können. Insofern gebe ich keine Vermutungen ab was die Zukunft bringt. Es ist und bleibt unser Recht als Band zu bestimmen was wir machen und spielen. Wer daran Zweifel hat, hat den Sinn der Rockmusik nicht verstanden. Musik ist ständige Veränderung und Stillstand ist der Tod, um Grönemeyer zu zitieren.

 

Bilde ich mir das nur ein, oder besitzen gewisse Songs auf „Auf dem Weg in deine Welt“ eine starke Affinität für die 70er Jahre? Wie kommt es?

 

Die 70iger Jahre waren musikalisch eine Epoche, in der sehr viel experimentiert wurde und man sich als Musiker immer neuen Einflüssen öffnen konnte. Nimm z.B. Pink Floyds „Umma Gumma“ und vergleich diese mit „Wish you were here“. Beides sind großartige Platten und beide beweisen, dass man sich als Band ständig entwickeln muss. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Außerdem waren die Siebziger einfach der wichtigste Einfluss für die heutige Rockmusik. Egal ob du Pink Floyd, Led Zeppelin, Velvet Underground oder die Sex Pistols nimmst. Alle diese Bands haben maßgeblich unsere heutige Rockmusik geprägt.

 

Der Gesang von Dennis fällt auf dem neuen Album sehr warm und auch sanft aus. War es für Dennis eine Herausforderung eine ganz andere Gesangsart an den Tag zu legen bzw. gab es von seiner Seite her nie eine Unsicherheit, dass er vielleicht in gesanglicher Hinsicht seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden könnte?

 

So anders ist diese Gesangsart für Dennis gar nicht. Wer sich unser Debüt oder „die Gärten des Herrn“ sorgfältig anhört wird feststellen, dass auch diese beiden Alben wunderbar „poppige“ Songs hatten. Insofern ist unserer Entwicklung auch gar nicht so drastisch wie es von außen dargestellt wird. Die Musik von Eisheilig hat immer mehr als eine Seite von uns wieder gespiegelt. Jeder Song sollte den Gesang bekommen, den er von seiner Stimmung und seinem Text her verdient.

 

 

Mal von dem Song „Geh durchs Feuer“ abgesehen bekommt man auf „Auf dem Weg in deine Welt“ kein rollendes oder anders ausgedrückt, kein an Rammstein angelehntes R zu hören. Würdest du sagen, dass dieses von Rammstein populär gemachtes Stilmittel der rollenden Rs überholt ist?

 

Ich denke die Qualitäten von Rammstein sind weitaus größer als das man sie auf die Aussprache eines Buchstaben reduzieren sollte. Rammstein veröffentlichen sehr gute Alben und haben vor allem textlich und musikalisch Maßstäbe gesetzt. Abgesehen davon wird in jeder deutschen Schiller oder Goethe Aufführung das R gerollt. Insofern ist diese Aussprache auch kein Rammstein Trademark, sondern einfach eine Möglichkeit, die einem die deutsche Sprache bietet.

 

Mal ehrlich, freut es dich auf eine Art, dass im Zusammenhang mit dem neuen Album in den CD-Rezensionen mal kein Vergleich und kein Brückschlag zu Bands wie Rammstein gezogen werden kann?

 

Es kümmert mich ehrlich gesagt nicht. Jeder Kritiker zieht Vergleiche um dem Leser die Einordnung der Platte zu erleichtern, und das ist ja auch teilweise ganz ok. Gefährlich wird es erst wenn Kritiker ihrer Verantwortung nicht nachkommen und sich die CDs, sei es aus Zeitmangel oder Unlust, nicht richtig anhören, und sich dann einfacher Vergleiche bedienen um überhaupt etwas zu schreiben. Ich halte schon allein den Versuch für vermessen, in einem Monat mehr als 10 Platten bewerten zu können.

 

Bleiben wir noch kurz beim Song „Geh durchs Feuer“. Dieser letzte Track ist meiner Meinung nach der einzige Song auf dem Album, der an eure vergangene Art zu musizieren erinnert. Ist das Absicht, so eine Art Abbitte an die alten Fans, oder wie ist es dazu gekommen, dass „Geh durchs Feuer“ so geworden ist?

 

Deine Frage legt nahe dass wir uns mit dem neuen Album nicht so sicher gewesen wären und so eine Art „Entschuldigungs“-Song hätten aufnehmen müssen. Dem ist ganz und gar nicht so. „Geh durch Feuer“ funktioniert einfach und das ist der Maßstab an dem sich ein Song messen lassen muss.

 

Lass uns nun noch über die Songtexte sprechen. Auch in dieser Hinsicht habt ihr euch sozusagen um 180 Grad gewandelt. So herrscht keine düstere Schwere und es gibt auch keine Texte, die mit religiösen Symbolen gespickt sind, sondern vielmehr eine positive Grundbotschaft, das Gefühl, dass nach jeder dunklen Stunde ein Licht der Hoffnung auf einen wartet. Ist es eure Absicht, dem Hörer mit diesem Album sozusagen die schöne und kraftspendende Seite des Lebens aufzuzeigen?

 

Immer nur religiöse und Metaphern reiche Texte zu veröffentlichen, wäre auf Dauer sicher sehr unbefriedigend für uns gewesen. Außerdem findet man auch auf unseren beiden ersten Alben Texte mit sehr direkter Ansprache wie z.B. Tanz mit mir. Es war uns wichtig dem Hörer ein Gefühl von Vertrauen und Kraft zu vermitteln.

 

Was meinst du, wie werden die neuen Kompositionen in der Live-Situation im Zusammenspiel mit den Alten funktionieren? Wird der Wechsel zwischen den düsteren und metaphergeschwängerten und den positiven und luftigen Songs nicht vielleicht gar radikal ausfallen?

 

Ich weiß, dass wir genügend starke Songs aufgenommen haben um eine gutes und harmonisches Liveset zu spielen. Außerdem wüsste ich nicht warum eine Nummer wie „Sturm“ nicht mit „Steht auf“ funktionieren sollte. Außerdem hängt die Auswahl der Livesongs oft sehr stark von der Spielzeit ab, die man als Band zu Verfügung hat.

 

Letzte Frage: Gab es mal eine Band, die du gerne gehört hast und die sich so radikal weiterentwickelt hat, dass du dich von ihr abgewendet hast?

 

Nein, es gibt Bands wie Paradise Lost, die ich bewundere weil Sie den Mut hatten, ihren eigenen Weg zu gehen und originelle Platten zu veröffentlichen, ganz egal was die Presse von ihnen dachte. Solchen Bands ist es zu verdanken, dass in der heutigen Rockmusik überhaupt noch Fortschritt herrscht. Dann gibt es noch die Bands die seit Jahren den gleichen Stiefel spielen und mich nur noch damit langweilen.

 

Nando Rohner - www.sounds2move.de

 

Link: www.eisheilig.de