Interview mit Hizumi und Karyu von D'ESPAIRS RAY

 

 

Als ich mich an diesem Samstag, den 18. November 2006 zwecks Interview ins z7 begab, war mir von vornherein klar, dass mich was ganz Besonderes erwarten würde. Bekommt man doch nicht jeden Tag die Chance, ein Face to Face Gespräch mit einer Japanischen Visual Key Band wie D'espairs Ray zu führen, da solche Bands bekanntlich nicht alle Tage in unseren Breitengraden unterwegs sind. Schon bevor ich vor dem z7 angekommen war, kamen mir die ersten weiblichen und vornehmlich minderjährigen Fans entgegen, die allesamt schon ganz hyperaktiv und nervös wegen dem bevorstehenden Konzert waren. Vor der Halle selber hatte sich auch schon eine stattliche Anzahl an D'espairs Ray Fans versammelt und das, obwohl der Einlass erst in ca. 3 Stunden beginnen sollte. Nachdem ich mich in den Backstagebereich des z7 durchgekämpft hatte, schallten mir auch schon die ersten Japanischen Sprachfetzen entgegen und zeigten mir, dass ich auf dem richtigen Weg war. Wenig später saßen mir Sänger Hizumi, der stilecht mit Mundschutz zum Interview erschien und Gitarrist Karyu, der dank seiner Kleidung eher an einen alternativen Musiker als an ein Mitglied einer Visual Key Band erinnerte, gegenüber. Da beide kein Englisch sprechen, gesellte sich zusätzlich noch eine Dolmetscherin zur Gesprächsrunde, womit einem munteren Frage und Antwort-Austausch nichts mehr im Wege stand.

 

 

Ein Trend namens Visual Key?

 

Kurz nach 19 Uhr öffneten sich die Tore des z7, durch die zahlreiche Fans in die Halle strömten. Als ich dann endlich auch die Halle betrat offenbarte sich mir ein Kaleidoskop an Fans, wie es bunter und unterscherschiedlicher wohl nicht sein konnte. Da waren sowohl „normale“ Fans, die gewohnt in schwarz gekleideten Gothic-Anhänger, wie auch langhaarige Metalheads anzutreffen, während die Visual Key-Jünger mit ihrem teils extravaganten und teils abgedrehten Kleidungsstil dazu einen kontrastreichen Gegenpart bildeten. Damit wurde mir persönlich auf einen Schlag verdeutlicht, dass Visual Key mehr und mehr nicht nur eine Randgruppe sondern auch ein breiteres Publikum anspricht. Was aber nichts daran ändert, dass Visual Key sich immer noch vielen Anfeindungen und Vorurteilen ausgesetzt sieht. Wobei dies laut Karyu nicht nur bei uns in Europa der Fall ist:

„In Japan verhält es sich nicht anders, auch dort behaupten die Liebhaber anderer Musikrichtungen, dass Visual Key keine wirklich ernstzunehmende Musik sei. Aber obwohl Visual Key von vielen Leuten schon so oft kritisiert wurde, existiert diese Musikrichtung immer noch und expandiert im Moment sogar weltweit. Im Grunde sollte doch jeder Musiker das Recht haben, sich sowohl musikalisch als auch stilmäßig frei und ungezwungen ausdrücken zu können, ohne sich deswegen einer andauernden Kritik aussetzen zu müssen.“

Im selben Atemzug doppelte der schlaksige Gitarrist im ca. 3 Stunden vorher geführten Gespräch  nach, um den vorhanden oder auch nicht vorhandenen Unterschied zwischen Japanischen und Europäischen Visual Key Fans zum Thema zu machen: „Als wir das erste Mal in Europa spielten schien es uns, dass die Fans noch verrückter sind als sie es ohnehin in Japan schon sind. Natürlich haben uns diese euphorischen Reaktionen sehr geschmeichelt, aber dennoch waren wir davon sehr überrascht. Was aber auch daran liegt, dass sich die Japanischen Fans ein wenig verändert haben. Doch unterdessen hat sich das Ganze eingependelt, es besteht kein allzu großer Unterschied mehr zwischen Europäischen und Japanischen Fans.“ Genau das fiel mir an diesem Abend auch auf, die Grenze zwischen Japanischen und Europäischen Fans verläuft unterdessen sozusagen fließend. Man konnte teilweise beim besten Willen nicht mehr unterscheiden, ob man nun einen Fan mit asiatischer oder europäischer Herkunft vor sich hatte. Aber auch in Sachen Hysterie und Gekreische sollte an diesem Abend locker Nippon-Niveau erreicht werden, wie ich später herausfinden sollte.

 

In den Zwängen eines Korsetts

 

Nachdem der Support Limbogott mit einer überzeugenden und mitreißenden Show das Publikum zum Ausrasten gebracht hatte, war es Zeit für die Band des Abends, die von den anwesenden Fans aufs Sehnlichste herbeigesehnt wurde. Mit dem Erscheinen von D'espairs Ray brachen dann alle Dämme der Vernunft und es wurde an allen Ecken und Enden gekreischt, gejubelt, gehüpft und noch viel mehr gekreischt. Wobei D'espairs Ray solche Reaktionen beileibe nicht für selbstverständlich nehmen, was im Interview von Karyu ganz deutlich zum Ausdruck gebracht wurde: „Durch die verschiedenen CD-Rezensionen, die wir erhalten bzw. gelesen haben wussten wir natürlich schon, dass die Leute unser Album mögen. Dennoch sind wir immer wieder überrascht - ja fast schon geschockt - wenn wir auf einem Konzert die euphorischen Reaktionen der Fans mitbekommen.“ Ob D'espairs Ray auch an diesem Abend von den überbrodelten Fanreaktionen überrascht oder gar geschockt waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedoch kann ich an dieser Stelle bezeugen, dass die Japaner eine gleichwohl furiose wie auch energiegeladene Show ablieferten. Wobei natürlich vor allem Songs vom bisher einzigen Full Length Album „[Coll:set]“ zum Zuge kamen, dessen Betitelung durchaus einer tieferen Bedeutung entspringt: „Der Albumtitel bedeutet im Grunde soviel wie Korsett“, erklärte mir der zurückhaltende Sänger Hizumi:

„Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass sich heutzutage viele Leute eingeengt und fast schon gefangen fühlen. So als ob sie ein Korsett anhätten, deren Schnüre sie aber versuchen zu zerschneiden und zu öffnen, um dadurch endlich frei zu sein. Auf der anderen Seite kann aber genau dieses Verhalten dafür sorgen, dass das Korsett sich noch enger zieht und man noch weniger Freiheiten hat als zuvor.“ Diese Thematik zieht sich dementsprechend auch wie ein roter Faden durchs ganze Album, oder um es mit den Worten von Hizumi auf den Punkt zu bringen: „Die meisten Songs auf unserem Album fokussieren sich alle auf die Thematik, dass jeder die Möglichkeit haben sollte sein Leben frei zu leben. Es fängt damit an, dass jeder auf seine Art gefangen ist, wobei auch die Entwicklung aufgezeigt wird, die daraus entsteht.“

 

Eine Frage der Sprache

 

Der ungeübte Visual Key Hörer wird an diesem gelungenen Konzertabend sicherlich zwei Dinge bemerkt haben. Nämlich, dass die anwesenden Fans die Japanischen Ansagen von Hizumi teilweise sehr gut verstanden und, dass die Songtexte in Stücken wie z.B. „Dears“, „In Vain“, „Grudge“ oder auch „Forbidden“,  sich in einem Japanischen und Englischen Sprachgewand präsentierten. Wer nun aber denkt, dass es sich dabei um eine Trenderscheinung „Made in Japan“ handelt, der hat falsch gedacht: „Es ist nicht so, dass es im Moment in Japan ein Trend ist zwei Sprachen zu vermischen, sondern das wird schon lange so gemacht“, erläuterte Karyu diese Eigenart der Vermischung der Sprachen, wobei im Falle von D'espairs Ray aus zweierlei Gründen darauf zurückgegriffen wird: „Es klingt einfach ab und zu besser wenn man was in Englisch anstatt in Japanisch singt, weil es eher zur Melodie und zum Tempo des Songs passt. Auch ist es beim Songschreiben oft sehr schwierig, gewisse Sachen auf Japanisch zu schreiben da man im Japanischen oft drei verschiedene Charakter (Japanische Schriftzeichen) braucht, um eine Sache auszudrücken. Im Englischen benötigt man dafür nur ein Wort, was es natürlich um einiges einfacher macht.“ Jedoch achten die von den weiblichen Fans vergötterten D'espairs Ray nicht nur auf einen dementsprechenden Rhythmus ihrer Songs, sondern wie Karyu mir verriet auch darauf, dass sie inhaltlich was zu bieten haben: „Natürlich sind für uns die Songtexte sehr wichtig, auch dass sie einen Inhalt oder eine Botschaft haben ist für uns von Bedeutung. Aber nicht nur die Songtexte sollen dem Hörer einen Inhalt vermitteln, sondern auch die Musik. Wir sind darum bemüht, unsere Musik gleichwertig wie die Songtexte zu gestalten, umso die Inhalte besser vermitteln zu können.“

 

 

Ein Traum

 

Für viele der anwesenden Fans, die nicht nur aus der Schweiz sondern auch aus dem nahen Deutschland und Frankreich ins z7 gepilgert waren, ging an diesem Abend sicherlich ein Traum in Erfüllung. Wurden sie doch von ihren Lieblingen D'espairs Ray mit einem extrem starken und auch hoch motivierten Auftritt verwöhnt, bei dem vor allem Frontmann Hizumi alle Register zog und mit seinem ganzen Gebaren die Publikumsstimmung immer wieder von neuem anheizte. Somit gestaltete sich der 95-minütige Auftritt von D'espairs Ray als äußerst kurzweilig und er verging schon fast wie im Fluge, auch wenn dieser Abend für gewisse Fans am liebsten nie ein Ende gefunden hätte. Doch alles Schöne hat mal ein Ende und so auch der Auftritt von D'espairs Ray, die sich artig vom begeisterten Publikum verabschiedeten und sich danach sichtlich erledigt von der Bühne zurückzogen. Ähnlich erledigt waren D'espairs Ray wohl auch, als sie ein paar Monate zuvor auf dem Wacken Open Air gespielt hatten. Wobei dieses Erlebnis auf die Band einen durchaus nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat: „Es war für uns alle wirklich sehr aufregend und interessant in Wacken zu spielen, weil es uns neu inspiriert und auch neue Perspektiven aufgezeigt hat. Durch das Festival haben wir auch einen neuen Traum gefunden, der es wert ist geträumt zu werden und uns auch ein neues Ziel gezeigt hat.“ Leider wollte Karyu auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht preisgeben, um was für einen Traum es sich dabei handelt: „Wenn ich nun verraten würde was das für ein Traum ist, dann wäre es nicht mehr interessant. Wenn die Fans uns jedoch weiterhin so toll unterstützen und uns auf unserem Weg begleiten, dann werden sie es bald herausfinden was für einen Traum wir träumen.“ In diesem Sinne kann wohl nur noch festgehalten werden, dass es auch in Zukunft in Sachen D'espairs Ray bzw. Visual Key spannend bleiben wird.

 

Nando Rohner - www.sounds2move.de

 

 

Link: www.despairsray.jp