Interview mit Charlotte Wessels und Martijn Westerholt von DELAIN

 

 

Martijn, diesmal habt ihr euch dazu entschlossen ein Bandfoto für das Frontcover eures Albums zu verwenden anstelle eines klassischen Artworks. Was genau ist euer Denkansatz hinter diesem Schritt? Meine Vermutung wäre, dass ihr damit deutlich machen wollt, dass Delain inzwischen ein richtige Band sind und nicht wie anfangs geplant ein reines Studioprojekt.

 

M: Damit liegst du goldrichtig. Wir wollen den Leuten deutlich machen, dass wir eine Band sind und zudem auch zeigen, dass wir viel und gern live spielen. Zusätzlich wurden die neuen Stücke deutlich live-orientierter geschrieben, weil man mit einer Konzertsituation im Hinterkopf eine ganz andere Sichtweise hat.

 

Heißt das im Umkehrschluss, dass einige der Songs von „Lucidity“ nicht optimal oder nur schwierig umzusetzen sind bzw. waren?

 

M: Das vielleicht nicht unbedingt, aber wir haben doch einige Midtempo-Nummern auf dem ersten Album gehabt und ich habe das Gefühl, dass die schnelleren Songs uns live einfach besser zu Gesicht stehen und dass sie besser funktionieren, was man auch an den Reaktionen der Fans sieht. Natürlich können wir alle Songs live spielen und es macht auch sehr viel Spaß genau das zu tun. Trotzdem ist es aber zumindest für mich offensichtlich, dass nicht jede Nummer für die Bühne geschrieben wurde. Es war einfach noch Luft nach oben.

 

Ist diese Erkenntnis bezüglich der schnelleren Stücke auch der Grund dafür, dass es noch einmal eine Änderung in der Tracklist von „April Rain“ gab? Denn aus der regulären Version ist die Ballade „Come Closer“ verschwunden und durch ein Stück namens „Lost“ ersetzt worden, welches wohlmöglich deutlich flotter zu Sache geht, das ich allerdings noch nicht zu hören bekommen habe. Mir kam es nämlich so vor, als hätte die erste Konstellation von „April Rain“ ruhig noch 1-2 schnellere Nummern vertragen können.

 

M: Hahaha, du kennst uns aber gut! „Come closer“ geht in eine ähnliche Richtung wie etwa „See me in Shadow“ und wir mögen das Stück zwar sehr, aber „April Rain“ sollte auch die richtige Balance haben und da hat „Come Closer“ einfach nicht mehr gepasst. Da ging es uns genau wie dir, denn wir wollten die Platte letztlich insgesamt härter haben, weshalb wir diesen Tausch noch einmal vorgenommen haben. „Lost“ ist zwar nicht so schnell wie „Go away“, aber dennoch deutlich schneller als „Come Closer“, haha.

 

Charlotte, für dich ist es das zweite Mal, dass du auf einem eurer Cover zu sehen bist. Zuvor gab es die „See me in Shadow“ Single, wo allerdings nur ein Teil deines Gesichts zu sehen war, doch diesmal bist du fast komplett auf dem Cover gelandet. Was war das für ein Gefühl als du die fertige Version erstmalig zu sehen bekommen hast?

 

C: Das war schon sehr seltsam und ehrlich gesagt auch nicht wirklich meine Idee, haha. Das Artwork sollte dieses Bandgefühl vermitteln, weshalb natürlich auch die Bandmitglieder drauf mussten und auf einmal hatte ich den Entwurf vor der Nase. Aber ich bin insgesamt glücklich mit dem Ergebnis, ich denke da wurde gute Arbeit geleistet. Bei Roadrunner Holland haben sie das Motiv sogar riesengroß als Werbebanner drucken lassen und dort im Büro hängen. Als ich zum ersten Mal dort rein kam und direkt vor mir selbst stand war das schon ein sehr fremdartiges Gefühl. Letztlich ist es aber auch eine Ehre für mich, selbst wenn ich es gern etwas anders gehabt hätte, denn dieses absolute und fast allein im Rampenlicht stehen entspricht normalerweise überhaupt nicht meinem Naturell. Die Produktion war jedenfalls sehr anspruchsvoll, denn wir mussten mit Wind, spritzendem Wasser, Nebel und Lichteffekten arbeiten. Drama pur, aber ich mag es, hehe.

 

Wie schätzt du deine Gesangsleistung auf „April Rain“ ein? Ich denke man kann deutlich hören wo du dich seit eurem Debüt verbessern konntest.

 

C: Ich bin sehr zufrieden mit dem Gesang und ich denke auch die Gesangslinien und Backing Vocals, die ich zum Teil gemeinsam mit unserem Produzenten ausgearbeitet habe, sind gut geworden. Eigentlich hatte ich auch vor zwischendurch Gesangsstunden zu nehmen, aber das hat zeitlich leider nicht geklappt. Daher denke ich dass die Verbesserungen im Bezug auf den Gesang vor allem auf die vielen Konzerte zurückzuführen sind, die wir in den letzten 2 Jahren gespielt haben. Bei „Lucidity“ habe ich zwar auch mein Bestes gegeben, aber da es meine erste professionelle Produktion war bin ich glaube ich hin und wieder ein bisschen auf Nummer sicher gegangen. Bei „April Rain“ war ich etwas selbstbewusster und habe mehr riskiert.

 

Dein Gesangspartner Ronald scheint sich ebenfalls deutlich verbessert zu haben.

 

C: Ja, das stimmt. Wir konnten während der Shows regelmäßig feststellen, dass er ein wirklich guter Sänger ist und wollten deshalb auch sehen was auf dem Album in dieser Richtung möglich ist. Und wenn wir jemanden haben, der die ganzen männlichen Parts übernehmen kann, warum sollten wir dann jemanden von außen dazu holen? Es freut mich sehr, dass er sich ebenfalls verbessern konnte und dass dies den Leuten anscheinend auch aufzufallen scheint.

 

Stichwort „dazu holen“: Im Unterschied zu „Lucidity“ gibt es diesmal nur einen Gastbeitrag, welcher von Marco Hietala (Nightwish, Tarot - MR) stammt. Er war bekanntlich auch bereits auf eurem ersten Album zu hören und taucht jetzt erneut bei euch auf. Warum habt ihr euch erneut Marco ins Boot geholt und nicht für jemand anderen oder neues entschieden?

 

M: Als wir mit den Arbeiten begonnen haben war uns bereits klar, dass wir wieder einen Gastbeitrag dabei haben wollen. Allerdings ging die Arbeit für uns als Band so schnell und reibungslos von der Hand, dass rein musikalisch eigentlich gar keine Gäste mehr nötig gewesen wären. Zusätzlich erfordert eine Kooperation auch immer eine genaue Planung, weil man Rücksicht auf den Zeitplan der anderen nehmen muss, was im Endeffekt natürlich auch viel Zeit kostet. Wir hatten ohnehin schon lang warten müssen, bis das zweite Album fertig war, deshalb kam es für uns nicht in Frage aufgrund externer Beiträge noch zusätzlich Zeit zu verlieren. Ungeachtet dessen wollten wir auch noch einmal deutlich machen, dass wir absolut nicht auf Gäste angewiesen sein, da wir meiner Meinung nach als Band schon selbst stark genug sind. Trotzdem werden wir diese vereinzelten Beiträge anderer Musiker beibehalten, weil so eine Kooperation auch immer sehr erfrischend ist und neue Elemente und Überraschungen mit sich bringt. Wir hatten zwar anfangs noch Zweifel ob es gut ist Marco noch einmal dazu zu holen und haben das auch mit ihm diskutiert, doch letztlich haben wir uns gefragt „Warum eigentlich nicht?“. Ich mag seine Stimme sehr und seine Beiträge zu „Lucidity“ waren einfach großartig. Außerdem war der Song „Control the Storm“, der dafür vorgesehen war einfach perfekt für ihn und Charlotte. Da zudem kaum jemand so viel Erfahrung darin hat sich den Gesang mit einer Sängerin zu teilen, ging die Sache am Ende auch sehr schnell in vielleicht drei Stunden über die Bühne und wir sind froh, dass wir diesen Schritt getan haben.

 

Hast du die Texte wieder im Alleingang übernommen, Charlotte?

 

Ja. Quasi alle Texte stammen von mir, außer dass Ronald einen Grunt-Part beigesteuert hat und bei zwei anderen Songs mal 2-3 Worte von jemand anderem eingebracht wurden, hehe. Ach und der Chorus von „Stay Forever“ ist ebenfalls zum Teil von Ronald. Er hatte die Gesangsmelodie, aber keinen Text dazu und hat ihn dann im Prinzip mit irgendwelchen wahllos ausgesuchten Worten vorgesungen und diese eine markante Stelle mit „Stay Forever“ ausgefüllt. Daraufhin meinte ich zu ihm: „Du kannst vergessen, dass ich das verändere! Dafür ist es einfach zu gut!“, haha. Inhaltlich haben ich zwar hier und da die Ideen anderer aufgegriffen, aber unterm Strich stammen 95% der Texte aus meiner Feder.

 

Welches sind aktuell eure Lieblingsstücke von „April Rain“? In meiner Gunst ist aktuell „Go Away“ ziemlich weit vorn.

 

M: Bei mir ist das im Moment „Virtue and Vice“, weil mir die Atmosphäre sehr gut gefällt. Es ist nicht besonders hart, erschafft aber eine eigene Stimmung. Ich finde auch die Gesangslinie großartig und bin sicher, dass der Titel auch live gut funktionieren wird.

 

C: Aktuell ist das bei mir „On the Other Side“, weil der Song sozusagen mein Baby ist, hehe. Anfangs waren sich die anderen echt nicht sicher ob wir das Stück mit auf das Album nehmen sollen und ich habe regelrecht darum gebangt, ob er es schafft. Mir liegt das Lied einfach persönlich am Herzen, weshalb ich sehr glücklich bin, dass es jetzt auch auf „April Rain“ zu finden ist.

 

Ende 2007 habt ihr eine spezielle Show in eurer Heimatstadt Zwolle gespielt, die in Bild und Ton festgehalten wurde. Gibt es schon Pläne dafür, was mit dem entsprechenden Material geschehen wird?

 

M: Wir haben seit einiger Zeit zwei fertig abgemischte Songs davon, die wir irgendwo verwenden können und wohl auch werden. Es steht zum Beispiel eine Extended Edition von „April Rain“ zur Debatte und es wird wohl auch eine zweite Single geben, wofür besagte Live-Versionen von „The Gathering“ und „Silhouette of a Dancer“ prädestiniert wären. Darüber hinaus haben wir auch noch das angesprochene „Come Closer“ für solche Zwecke und es existiert auch noch eine alternative Version von „No Compliance“, welche nicht von Sharon (den Adel, Within Temptation Sängerin - MR) sondern von Charlotte gesungen wird. Für die Zukunft könnte ich mir aber irgendwann auch vorstellen die von dir angesprochenen Mitschnitte in einem gesonderten Rahmen zu veröffentlichen, aber das steht aktuell nicht zur Debatte.

 

Schon seit eurem Debüt „Lucidity“ konntet ihr viele Konzerte spielen, seid in mehreren Ländern als Headliner unterwegs gewesen und habt zudem haufenweise Festivals gespielt. Wie wichtig ist es für euch als Band, dass ihr mit Roadrunner eine große, einflussreiche Firma hinter euch wissen könnt?

 

C: Das ist sehr wichtig allein schon aufgrund der Türen, die sie uns durch ihre Beziehungen öffnen können. Es ist wirklich sehr gut für uns als Band hier unter Vertrag zu sein. Auch Konzerte sind natürlich immens wichtig, nicht nur als Headliner sondern auch als Support. Denn dort wird man mit einem Publikum konfrontiert, das einen vielleicht noch überhaupt nicht kennt. Die Tour im Dezember mit Subway to Sally ist dafür ein perfektes Beispiel, denn sie machen vollkommen andere Musik als wir es tun. Dennoch haben wir ein paar meiner Meinung nach sehr gute Shows gespielt, zum Beispiel in Dresden und Potsdam. Solche Tourneen sind eine gute Gelegenheit um an seinen Auftritten zu arbeiten, denn man kann auf frische Eindrücke direkt am nächsten Tag reagieren und Dinge ggf. verbessern. Dort konnten wir auch ein paar ganz neue Songs prima ausprobieren, weil die meisten Zuschauer nicht mal unsere alten kennen, von daher hat es für sie ohnehin keinen Unterschied gemacht, haha.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.delain.nl