Interview mit Devon Graves von DEADSOUL TRIBE

Zufall oder Absicht, aber alle eure bisherigen Alben wurden in einem Abstand von einem Jahr veröffentlicht, nur “A Lullaby for the Devil” nicht. Was ist der Grund dafür, dass ihr diesmal zwei Jahre gebraucht habt?

Nun, genau genommen waren es immer 1 ½ Jahre die zwischen den Alben lagen. Wie auch immer, der Grund wieso wir für “A Lullaby for the Devil” zwei Jahr benötigt haben war, weil ich dazwischen zwei separate Demos für zwei verschiedene Bands und zusätzlich zwei andere Alben aufgenommen habe. So war ich unter anderem mit der Aufnahme und dem Mix des Debütalbums von Dial, der Band von Ex- Pain of Salvation Sänger Kris Gildenlöw und seiner Frau Liselotte Hegt, beschäftigt. Liselotte wird man übrigens auch bald auf dem neuen Ayreon Album hören können, womit ihr hoffentlich auch die Aufmerksamkeit zuteil werden wird, die sie verdient. Dann habe ich noch das neue Album von ReVision aufgenommen und produziert, der Mix dieses Albums wird übrigens in einem deutschen Studio gemacht. Du siehst also, das alles hat einiges an Zeit gekostet. Auch habe ich mir mit dem Mix von “A Lullaby for the Devil” Zeit gelassen, da ich dieses Mal keinen Zeitdruck verspürt habe. Ich habe mir die Freiheit genommen, solange an diesem Album zu arbeiten, wie ich es selber wollte, um es schlussendlich so perfekt wie möglich zu machen.

Von meinem Standpunkt aus gesehen war euer letztes Album “The Dead World“ lange nicht so komplex wie  “A Lullaby for the Devil”.  Würdest du sagen, dass “A Lullaby for the Devil” komplexer und progressiver ist als “The Dead World“?

Ich würde sagen, das ist eine faire Analyse von dir.

Deadsoul Tribe ist eine jener Bands, die sich konstant und von Album zu Album weiterentwickelt. Ist es deine gezielte Absicht, dass ihr euch so fortlaufend verändert oder ist es eher die viel zitierte natürliche Evolution, die von dir nicht gezielt gesteuert wird?

Alle unsere Alben haben sich grundsätzlich auf eine natürlich Art und Weise in diese musikalische Richtung entwickelt, die ich selber als "Tribal Metal" definiere. Mit A Lullaby for the Devil” habe ich mich jedoch bewusst davon wegbewegt, um etwas Neues in unsere Musik einzubringen. Ich wollte sowohl für den Hörer wie auch für mich selbst etwas richtig Aufregendes erschaffen.

Was du auch geschafft hast. Doch was kommt zuerst in deiner kreativen Arbeit, die Songtexte oder die Musik? Ist eine dieser beiden Komponenten vielleicht für dich wichtiger als die andere, oder sind für dich beide gleich wichtig?

Die Musik kommt immer zuerst, da die Songtexte immer erst im letzten Stadium der Aufnahmen dazu stoßen. Es braucht halt seine Zeit bis der richtige Songtext gefunden ist, der so auch zur Musik und deren Vibe passt. Beide Elemente, die Musik wie auch die Songtexte, sind für mich jedoch gleichwertig wichtig.

 

Steckt hinter "A Lullaby for the Devil” eigentlich eine Art von Konzept bzw. kannst du erläutern, was dich zu den Songs inspiriert hat?

Ich werde nie ein Konzeptalbum machen, und ich werde auch nicht den Sinn hinter den Songs erklären, da die Aussagen der einzelnen Songs eigentlich sehr klar verständlich sein sollten.

Vor ein paar Jahren hast du einen Part auf dem Ayreon Album “The Human Equation” gesungen. Was denkst du rückblickend über dieses Album, magst du es noch?

Ich bin wirklich sehr stolz darauf, dass ich an diesem Album mitgewirkt habe und mit so vielen begabten Sänger und Sängerinnen wie auch Musikern zusammenarbeiten konnte. Diese Erfahrung war wirklich großartig. Es ist aber auch schon eine Weile her, dass ich mir “The Human Equation” zuletzt angehört habe.

“Psychosphere“, der Opener von “A Lullaby for the Devil”, ist aufgrund seiner aggressiven und vor allem fast schon psychotischen Machart nicht unbedingt ein typischer Deadsoul Tribe Song. Ist es nicht irgendwie ein Risiko, das Album mit solch einem untypischen Song zu eröffnen? Oder hast du dich gerade deshalb für diesen Song entschieden?

Ich selber hatte nur wenig mit der Anordnung der Songs zu tun, da sich dafür hauptsächlich Thomas Waber von InsideOut verantwortlich zeichnete. Und es war auch seine Idee, dass das Album mit “Psychosphere“ eröffnet werden sollte, wobei ich dieser Entscheidung gerne zugestimmt habe. Ich kann mir jedoch durchaus vorstellen, dass dieser Song sicherlich gewisse Leute, wie z.B. die Mutter meine Frau oder deren klassisch angehauchter Freundeskreis, davon abhalten wird sich weitere Songs des Albums anzuhören. Aber im Bezug auf Leute, die Metal hören sehe ich in dieser Hinsicht kein nennenswertes Risiko.

Ich bin ehrlich gesagt ein absoluter Fan deiner emotional packenden Art zu singen. Nehmen wir z.B. den Song “Lost in You“, der mir regelmäßig eine Gänsehaut beschert. Doch wie schaut es bei dir selbst aus? Lösen die Songs bei dir irgendwelche emotionalen Reaktionen aus oder hast du in dieser Hinsicht keinen Bezug zu deinen Songs?

Also, ich bin auf einer emotionalen Ebene vollkommen mit meinen Songs verbunden. Das ist auch der Grund dafür, dass es manchmal für mich regelrecht zuviel wird und ich deswegen auch nicht weitersingen kann. “Lost in You“ ist dafür ein gutes Beispiel. Es gibt gewisse Momente in diesem Song, die für mich sehr schwer zu singen sind ohne dabei weinend zusammenzubrechen. So was ist für mich jedoch ein wunderbares Gefühl.

Das Covermotiv von “A Lullaby for the Devil” kann man wohl als eine Art versteckte Hommage an Ian Anderson (Jethro Tull) deuten, da die zusehende Figur mit ihre Flöte eine für ihn typische Pose einnimmt.  Hattest du die Idee für diese Covermotiv?

Die Idee ist tatsächlich von mir. Ich wollte genau solch ein Covermotiv, wobei ich - obwohl ich ein großer Fan von Ian Anderson bin - es nicht geplant hatte solch eine Referenz an seine Person zu machen. Vielmehr ist der auf einem Bein stehende Flötenspieler von einem alten Bild beeinflusst. Schaut man sich nämlich die Bilder des Hindu Gottes Krishna an, wie er auf seiner Flöte spielt, dann wird man sehen, dass er ebenfalls auf einem Bein steht. Und ich habe dieses Motiv deshalb ausgesucht, da ich damit die „Verteufelung“ von Kunst und Musik symbolisieren möchte.

Ist es für dich vorstellbar, dass du je einmal einen Song von Jethro Tull covern wirst? Und wenn ja, für welchen würdest du dich entscheiden?

Ich würde mich wohl für “Sweet Dreams“ oder “Aqualung“ entscheiden. Wobei im Anbetracht dessen ich wohl am besten ein Tributalbum mit Coversongs all meiner Idole machen würde.

Lass uns noch ein wenig über die heutige Musikszene sprechen. Mir scheint es so, dass in ihr schon seit längerem ein Trend vorherrscht, bei dem das kommerzielle Denken über dem Kreativen steht. Wie siehst du das?

Innerhalb der Popszene, da habe ich diesen von dir erwähnten Trend ausgemacht. Seit 1980 scheint es mir nämlich, dass die Popmusik mehr und mehr jeglichen Hauch von Geschmack und Individualität vermissen lässt.

Letzte Frage. Gibt es eine Band, die du unseren Lesern besonders ans Herz legen möchtest; in die man unbedingt mal reinhören sollte?

Klar: OSI.

Nando Rohner – www.sounds2move.de

Kommentar: "A Lullaby for the Devil" von DEADSOUL TRIBE

Nach "The Dead Word" war selbst dem bekennenden Fan klar, dass sich die Magie des Deadsoul-Tribe Songwritings in seiner für die ersten vier Alben typischen Art mit einem weiteren Longplayer desselben Schlages völlig aufgerieben hätte. Denn auch wenn kein Teil der DST-Discographie als schlecht bezeichnet werden kann, hatte sich der Zauber des von Devon Graves als "Tribal Metal" bezeichneten Stils seit dem famosen Zweitwerk "A Murder Of Crows" doch stark verwässert. Mit "A Lullaby For The Devil" ist der sympathische Multi-Instrumentalist daher genau in die richtige Richtung gegangen: Die große stilistische Offenheit des neuen Werks sorgt für frische Impulse, ohne dass man glauben muss, es mit einer ganz neuen Band zu tun zu haben. Denn Graves hat zwar einige kompositorische Zwänge geopfert, aber keinesfalls die Emotionalität seiner Lieder. Und so fühlt man sich angesichts von mit ausdrucksstarker Stimme vorgetragenen Songs wie "Lost In You" oder "A Stairway To Nowhere" einmal mehr so, als habe der Meister einem persönlich in den Schädel geschaut und das dort Vorgefundene vertont, während die eher härteren, energiegeladenen Songs der Marke "Further Down" mich schon ungeduldig auf deren Live-Umsetzung warten lassen.

 

 

Link: www.deadsoultribe.com