Interview mit Basti Reichl von DEADLOCK

 


Gibt Auskunft über "The Re-Arrival": Sebastian Reichl (links).

 

Für "The Re-Arrival" kehrt ihr zu eurem ehemaligen Label Lifeforce zurück. Nostalgie, Freundschaftsdienst oder Vertragspflicht? Hehe!

 

Irgendwie alles zusammen, hehe. Wir mussten laut Vertrag noch ein Album bei Lifeforce liefern. Der Deal war damals, dass wir nach dem ersten Release auf Napalm eine Art „Best-of“ bei unseren alten Weggefährten hinterherschieben. Natürlich wollten wir keine normale, lieblose  Compilation mit schlechtem Artwork für einen Wucherpreis anbieten. Es sollte eine Platte für unsere Fans und uns selbst werden, alle Mitglieder der Lifeforce-Ära beinhalten und ein schöner Abschluss dieser Zeit werden. Ich kann behaupten, dass wir das zu 95 Prozent geschafft haben.

 

Typisch Deadlock hat es eine schnöde, schnell zusammengeschusterte Best-of Scheibe für euch tatsächlich nicht getan. Warum tut man sich diesen Aufwand an, wenn man im Grunde auch die "übliche" Sammlung mit ein paar zusätzlichen Perlen an den Start bringen kann? Sicher auch eine Frage der Eitelkeit, um sich im bestmöglichen Licht zu präsentieren, oder?

 

Auf jeden Fall. Best-of Alben sind ja ein heikles Thema, da kann man eigentlich nur alles falsch machen. Deshalb war uns allen klar, dass wir die Fans, alte Bandmembers und alte Weggefährten so gut wie möglich abholen müssen. Uns war aber auch klar, dass die Platte wie aus einem Guss klingen soll. Man muss die CD in einem Stück im gleichen Sound durchhören und genießen können. Das war mir sehr wichtig. Ich habe nächtelang alte Recording-Spuren gesucht, sortiert und aufbereitet, um unseren Mixing-Leuten Eike (Freese, Dark Age - MR) und Ali (Dietz, Heaven Shall Burn - MR) alle Songs in gleicher Weise an die Hand geben zu können.

Als wir uns entschieden haben, alle Songs neu mixen zu lassen war für uns auch klar, dass wir zum Teil Gesangsparts von Joe (Prem, bis 2011 Sänger bei Deadlock - MR) mit der Stimme unseres jetzigen Sängers John mischen oder mit Johns Vocals austauschen oder ganz anders arrangieren etc… Wir wollten damit eine stimmige Mischung aus Alt und Neu kreieren, um auch das neue Line-Up in voller Güte darzustellen.
 

Wie wichtig war es euch, gerade die älteren Stücke noch einmal neu einzuspielen und auf den Stand der Zeit zu bringen? Wolltet ihr zeigen wie Deadlock 2014 klingen, auch angesichts doch einiger Besetzungswechsel über die letzten Jahre?

 

Es war uns sehr wichtig. Ehrlich gesagt sind wirklich neu „nur“ die Drums und der Bass. Das mussten wir aus mixing-technischen Gründen so machen. Die Änderungen an den Gitarren oder den Keys sind nur marginal. Auch die „alten“ Vocals von Joe und Sabine haben wir größtenteils so gelassen. Für den Hörer ist es ja sehr wichtig, dass die gewohnten Phrasierungen etc. gleich bleiben. Ich hätte selber auch keinen Bock, eine neu eingespielte Version meines Lieblingsliedes zu hören, bei der der Gesang zwar genauso objektiv gut wäre aber anders und ungewohnt phrasiert und performed wird. Der Gesamt-Sound ist da natürlich deutlicher verändert worden. Auch durch den neuen Mix werden einige Details generell anders und besser hörbar. Der einzige Song, der wirklich von Grund auf neu eingespielt und umarrangiert wurde, ist „Awakenend by Sirens 2014“. Die "Earth.Revolt" hatten wir damals noch nicht in meinem Slaughter’s Palace Studio eingespielt, sondern in den altehrwürdigen Winter Recording, später Gaia Studios - an dieser Stelle liebe Grüße an Denis, Flori und die gesamte WR-Crew. Deshalb konnten wir hier keine alten Spuren verwenden.

Wie auch schon erwähnt, war es mir sehr wichtig, bei einem neuen Mix auch die neuen Bandkollegen zu integrieren. Für mich als letztes Gründungsmitglied und Songwriter der Band von Tag 1 an, war es immer hart wenn meine Freunde aus den verschiedensten Gründen die Band verlassen haben. Ich lebe seit 17 Jahren in einem Tunnel was das arbeiten an neuen Songs angeht und hatte oft kein Verständnis für die Geschehnisse außerhalb des Songwriting-Prozesses. Früher konnte ich das alles nicht verstehen und habe damit oft sehr stark gehadert. Jetzt sehe ich das als notwendige Erfahrungen in meinem Leben, welche mich zu diesem Punkt hier geführt haben. Ich will Musik machen mit Menschen, die mich zu 100 Prozent unterstützen, und ich denke es sollte jedem klar sein, dass diese auch auf einem Best-Of Album zu hören sein sollen.
 

Sicher war die Arbeit an "The Re-Arrival" ein regelrechter Ritt durch eure Geschichte. Ihr habt euch dann dazu entschlossen, die Songs neu zu interpretieren, den "alten Kamellen" also noch mal einen frischen Kick zu verpassen. Läuft man dabei nicht auch Gefahr, bei den Fans auf Ablehnung zu stoßen - nach dem Motto "Never touch the classics"? Oder haben Deadlock-Fans eh von Haus aus ein so dickes Fell, dass ihr sowieso die gern zitierte Narrenfreiheit genießt?
 

Es war ein zutiefst emotionaler Ritt. Ich spiele mein halbes Leben in dieser Band. Alle Songs sind seit jeher hauptsächlich von mir geschrieben worden. Die Arbeit, die da drin steckt, kann man gar nicht beschreiben. Auch nicht die ganzen Höhen und Tiefen, die man durchläuft. Das ging von dem Gefühl, einen tollen Song geschrieben zu haben, bis zu Momenten, in denen man die Nacht durchgemacht hat, kurz vor der Deadline der Mixing-Spuren alleine und einsam im Studio saß und noch wichtige Details anderer Bandkollegen aufnehmen musste. Das ging natürlich nicht spurlos an mir vorbei. Trotzdem bin ich sehr stolz auf „The Re-Arrival“ und kann jetzt entspannt und mit voller Freude diese Platte hören und mit einem Lächeln auf die Vergangenheit blicken.

Wie gesagt wurden gar nicht so viele Dinge wirklich neu aufgenommen, sondern nur im Mix verändert. Somit hoffen wir, dass wir den Fans eine Platte ihrer und unserer Lieblingssongs schenken, welche man in einem Stück und aus einem Guss hören kann. Und ein dickes Fell hatte eigentlich nur der Gert (Gitarrist zwischen 2004 und 2013 - MR) auf der Brust, haha.

 

 

Bezogen auf die Stücke aus euren frühen Jahren: Soll "The Re-Arrival" auch ein Stück weit verdeutlichen, dass ihr aus manchen vermeintlichen Fehlern der Vergangenheit gelernt habt? Und um noch in eine andere Richtung zu gehen: Gab es auch Songs, an die ihr euch gar nicht mehr heran getraut habt? Wo ihr euch gedacht habt "da ist auch mit einer neuen Produktion nicht mehr viel zu retten", hehe. Die Leichen im Keller, die man genau dort auch belassen sollte, wenn man so will.

 

So haben wir das gar nicht gesehen. Es gibt vielleicht Songs, die ich aus Gründen der Qualität nicht mehr gemacht hätte. Aber wir sind ja bekannt dafür, dass wir immer ein paar Überraschungen auf Lager haben, hehe. Das Demo von 1998 könnte man aber durchaus als „Leichen im Keller“ bezeichnen, haha. Da geht es ja um den Charme der frühen Aufnahmen, das Nachvollziehen der Bandgeschichte usw. Wir sind da mit maximal offenen Herzen rangegangen. Was die Fehler der Vergangenheit angeht sehe ich das jetzt auch nicht mehr so engstirnig. Ich selbst mache in vielerlei Hinsicht Fehler und wurde und werde da auch immer sorgfältig darauf hingewiesen. Das ist so auch völlig in Ordnung und das passiert ja in den besten Familien, hehe. Ich bin jetzt bereit in einer Welt zu Leben, in der Fehler verzeihbar sind und möchte das auch so vorleben.

 

In vielerlei Hinsicht sind diese Neueinspielungen auch für euch selbst eine gute Sache. Man denke da beispielsweise an eine Nummer wie das bereits erwähnte "Awakened by Sirens", die ihr nun doch schon ein paar Jahre mit euch herum tragt und die schon lange Teil eures Live-Sets ist. Durch die unüberhörbar neu gestaltete Version kommt ihr sozusagen ein bisschen aus dem Trott heraus die immer gleiche Nummer zu spielen, selbst wenn es eigentlich immer noch der gleiche Song ist. Spielte dieser Umstand für euch eine Rolle bei den Überlegungen zur Umsetzung eurer Werkschau?

 

Eher weniger. Bei „Awakened by Sirens 2014“ mussten wir ja aus Mangel an alten Recording-Spuren komplett neu ran. Bei dem Song war es mir deswegen wichtig, dass wir eine Art Remix oder gewissermaßen einen neuen Song bauen. Wir wollen unsere Fans nicht zu einer Entscheidung drängen, ob die alte oder neue Version besser ist. Das ist nicht unsere Überlegung. Es gibt jetzt vielmehr zwei Versionen, die man beide mögen und in sein Herz schließen kann. Der Gospel-Part am Ende ist natürlich der „Manifesto Rap-Part“ von „The Re-Arrival“, hehe. (Basti spielt hier auf den Song "Deathrace" an, der sich bei einem Break von Melodic Death Metal schlagartig zu einer Rap-Nummer samt Gast-Hip Hop Crew verwandelt - MR). Das es dafür maximalen Hass, Häme und Gegenwind geben kann, war uns klar und spiegelt ja womöglich die eigenen Unzulänglichkeiten wieder. Wir sehen uns da auch in der therapeutischen Pflicht, haha. Und was den Trott der alten Songs angeht: Ich kann „Code of Honor“ noch 20 Jahre performen ohne dass es mir dabei langweilig wird. Im Gegenteil ich liebe diese alten Songs. Sie sind mein halbes Leben und bedeuten mir sehr viel.

 

"Htrae" von "Bizarro World" ist eines der neuesten Stücke, die ihr überarbeitet habt. Kann es sein, dass ihr hier vor allem die Abmischung noch einmal runderneuert habt? Mir kommt es nämlich so vor als wäre die Nummer jetzt etwas aufgeräumter, ohne an Wucht verloren zu haben. Vor allem aber scheint mir Sabines Gesang dominanter, vielleicht aber auch einfach nur lauter abgemischt zu sein. Im Direktvergleich habe ich den Eindruck, als hätte sie in der Originalversion ganz schön gegen die Wall of Sound ansingen müssen, was mir damals - ohne den Vergleich mit der "Version 2014" zu haben - ehrlich gesagt so deutlich nicht aufgefallen ist.

Das ist absolut richtig. An dem Song sind tatsächlich nur Johns Gesangsparts wirklich neu. Ich fand den Mix anno 2011 auch schon sehr gut und es gab da eigentlich auch keine großen Dinge die man besser machen konnte. Aufgeräumter trifft es wohl ganz gut und auch wir finden, dass der Song nochmal fetter klingt. Ich hoffe, dass wir ihn bald live spielen können. Für mich war der Song ein Highlight auf „Bizarro World“, der leider aus verschiedenen Gründen zu wenig Beachtung fand.


Im Gegensatz dazu scheint "To where the Skies are blue" 1:1 übernommen worden zu sein. Für Freunde der Feinheiten: Wo liegen da die Unterschiede zwischen beiden Versionen? 

 

Da hast du mal wieder absolut recht, hehe - der Track ist wirklich nur geremixed.

 

Als absolutes Bonbon enthält "The Re-Arrival" drei neue bzw. bisher unveröffentlichte Stücke. Wie neu sind diese Songs effektiv? Habt ihr sozusagen Material abgezweigt, das eigentlich für euer nächstes Studioalbum gedacht war? Oder habt ihr Überbleibsel einer vorherigen Aufnahme-Session überarbeitet?

 

Das waren vor allem Überbleibsel aus ganz alten Rohaufnahmen. Natürlich arbeitet man diese Riff-Ideen etc. noch einmal komplett durch, vor allem wenn man mit einem Alexander Dietz und Eike O. Freese in der Produktion sitzt. Bei „The arsenic River“ zum Beispiel waren das alles alte Riffs bis auf den Chorus selbst. Irgendwann, als ich die Riff-Ideen mal wieder durchhörte, dachte ich mir warum nicht die VI – IV – I Verbindung des Pre-Chorus von C-Moll nach C-Dur auflösen und im Chorus die VI – IV – I Verbindung dann in Dur folgen zu lassen. Quasi die Kadenz zu lassen aber in Dur. Somit war es wie das gesamte Album eigentlich „fast“ nicht neu, hehe.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de

 

 

Link: www.deadlock-official.com