Interview mit Basti Reichl von DEADLOCK

 

 

Für Außenstehende recht überraschend habt ihr euer ehemaliges Label Lifeforce Records nach "Bizarro World" verlassen, wobei ihr auch gleich noch die Merch-Firma mit gewechselt habt bzw. euer Deal mit Impericon ebenfalls ausgelaufen ist. Warum war es auch geschäftlich Zeit für eine Luftveränderung bei Deadlock, nachdem sich bekanntlich auch euer Line-Up in den letzten Jahren mehrfach verändert hat.

 

Die Veränderungen neben dem Labelwechsel die du ansprichst waren ein über zwei Jahre hinweg verlaufender Prozess, welcher bandintern einvernehmlich und individuell nachvollziehbar war. Angefangen von neuen, bandinternen Strukturen haben wir uns entschlossen, das Management zu wechseln, eine neue Booking-Agentur zu engagieren, neue Netzwerke zu erschließen etc.. In diesem Zuge ist auch ein Labelwechsel in Betracht gezogen worden, um Deadlock auf das bestmögliche Fundament zu stellen. Wir haben uns mit Stefan von Lifeforce, dem wir sehr viel zu verdanken haben, auf eine Trennung geeinigt und den Wechsel zu Napalm Records perfekt gemacht. Napalm waren seit langem an einer Zusammenarbeit interessiert und konnten im Zuge der Verhandlungen die beste Perspektive bieten. Auch auf menschlicher und professioneller Basis haben wir sofort gespürt, dass wir dort gut aufgehoben sind. Und dass in den Bergen Österreichs die Luftqualität gut ist, sollte ja hinlänglich bekannt sein, hehe.

 

Es kommt mir so vor, als hättet ihr bei "The Arsonist" die Produktion diesmal etwas anders gestaltet. Die Platte klingt immer noch fett, aber es scheint nicht mehr so eine Soundwand wie bei früheren Alben zu sein. Nichtsdestotrotz ist die Scheibe voller Details, obwohl ihr wohl die Zahl der Tonspuren insgesamt zurückgefahren zu haben scheint. Stimmst du dieser Einschätzung meines Laiengehörs zu? Falls ja: Könnte bei euch eine ähnliche Erkenntnis eingesetzt haben wie bei euren Kumpels Heaven Shall Burn? Die haben bei "Veto" nämlich einen ähnlichen Weg eingeschlagen.

 

Unser Ziel war es, eine sehr saubere, moderne Produktion zu kreieren, welche laut klingt aber dennoch lieber 1 dB zu wenig als zu viel gelimited ist. Möglicherweise fehlt dem einen oder anderen etwas der „Dreck“ für das Gefühl der Soundwand. Es ist aber auch hier immer eine Frage des Geschmacks und der Herangehensweise.


Interessant deine Frage nach den Spuren. Grundsätzlich haben wir nicht großartig zurückgefahren, eher gezielter arrangiert. Wir haben zusammen mit unserem Produzenten Benny Richter (Caliban, Moonspell) versucht, die Kompositionen harmonisch sauber aufzubauen und Sounds und Effekte richtig zu platzieren. Leittöne, Akkordfolgen, Flächensynths, Modi, Tonartwechsel etc. sind durchdacht und songdienlich arrangiert.  Möglicherweise entsteht hier der Eindruck, dass wir weniger Sounds bzw. Effektspuren verwendet haben. Wenn ich mir „My Pain“ oder „Hurt“ ansehe, dann haben wir wirklich nicht mit Spuren gegeizt, haha.

 

Bemerkenswert an "The Arsonist" finde ich neben der Hitdichte auch die klangliche Vielfalt. Bei "The final Storm" trifft grimmige Härte auf sakrale Chöre, "My Pain" wird fast komplett von einem gefälligen Beat getragen, während "Dead City Sleepers" und "I'm gone" recht typische Deadlock-Gassenhauer sind. Dennoch klingt das Album stimmig und alles passt am Ende doch zusammen, selbst wenn ihr euch diesmal noch mehr getraut habt als in der Vergangenheit. Wart ihr nicht selbst ein wenig überrascht was ihr alles anstellen konntet? Am Ende klingen die Sachen nämlich trotzdem doch irgendwie immer nach Deadlock.

 

Danke für diese Einschätzung Markus. Wer Deadlock und mich wirklich kennt, weiß, dass wir für die Sprengung von Genre-Grenzen stehen. Wir halten der „toleranten“ Szene genüsslich den musikalischen Spiegel vor und versuchen Dinge wie Egos, Ermächtigungstriebe, Hass und Oberflächlichkeit rauszukitzeln und zu entlarven. Der Mensch erliegt der Lust, das Scheitern zu sehen, abzuwerten, sich über andere zu stellen, neuen Dingen erst einmal skeptisch und mit Ablehnung zu begegnen. Es ist eine Art Befreiungskampf. Wobei ich den Dialog dem Kampf vorziehe. Sagen wir, es ist ein Befreiungsdialog, hehe. Solange wir mit unseren „Experimenten“ diese Reibung erzeugen ist alles gut.  Ich hoffe, dass in hundert Jahren davon gesprochen wird, dass wir mutig und entschlossen waren „dem Neuen“ den Weg zu bereiten. Wenn das nicht pathetisch war, was dann?! Haha! Dass sich am Ende alles nach Deadlock anhört, ist für uns weniger überraschend. Die Gesänge tragen einen immer durch ein Album. Außerdem haben wir auch immer das ganze Album und dessen Gesamtwirkung im Blick.

 

Lass uns noch kurz beim Thema Experimente bleiben: Ihr traut euch diesmal wieder einiges und wisst natürlich ganz genau, dass das nicht bei jedem uneingeschränkt gut ankommen wird. Das ist für Deadlock keinesfalls neu, zieht sich aber wie ein roter Faden durch "The Arsonist", wenn auch teilweise sehr clever im Song "versteckt". Das war zu Zeiten von "Manifesto" noch anders, man erinnere sich an das Techno-Intro und den Song "Deathrace", der in der Hälfte von Melodic Death komplett zur Rap-Nummer kippt. Haben Deadlock anno 2013 mehr Mut, aber auch noch mehr Fingerspitzengefühl was derartige Aktionen angeht?

 

Du hast die Frage praktisch selbst beantwortet, hehe. Auf dem Album haben wir mit einer sehr tiefen und düsteren Gitarrenstimmung gearbeitet, um dem „The Arsonist“ Thema das musikalische Fundament zu geben. Es sollte schwermütig und verstörend wirken. Das alleine reicht schon aus, die ersten Hater zu generieren.

Neue Elemente wie melodische Männerchöre, eingebaute Discobeats ("My Pain"), Moshparts etc. sind auch besser zu integrieren in die Songs als Rap und Techno. Es war auch tatsächlich das Ziel, alles harmonischer einzubetten. Fingerspitzengefühl ist auch eine meiner großen Stärken, haha.

 

Ein kleines Highlight in der Vorlaufzeit von "The Arsonist" war für mich euer Bild vom Fotoshooting, auf dem zu sehen ist, dass ihr Sabine auf einem Stapel Telefonbücher positioniert habt, damit der Größenunterschied zum Rest von euch nicht mehr so groß ausfällt. Außerdem habt ihr sie - die bekanntlich den geringsten Metal-Background bei euch hat - noch in ein stilechtes Slayer-Shirt gepackt. Operation "Pimp my Frontfau"?

 

Ich kenne Sabines Kleiderschrank leider nicht so gut wie ich gerne würde, aber zumindest weiß ich, dass er unaufgeräumt ist und zwei Slayer-Designs darin vergraben waren, haha. Als wir die Klamotten für das aktuelle Shooting zusammengestellt haben, war es ihr Vorschlag, hier ein bisschen mit den Klischees zu spielen. Sabines Stimme ist zwar groß, ihre Körpergröße aber irgendwie nicht, hehe. Deswegen hat unser Fotograf kurzerhand ein stattliches Podest aus dem Ärmel gezaubert.
 


 


Nachdem ihr zuvor schon "Temple of Love" von den Sisters of Mercy gecovert habt, kann man sich jetzt anhören, wie ihr euch an der Regenbogen-Hymne "Smalltown Boy" versucht. Wusstest du eigentlich, dass es sich dabei gewissermaßen um ein "Standardstück" im Hause Napalm Records zu handeln scheint? Mir fallen nämlich aus dem Stehgreif mindestens zwei Labelmates von euch ein, die den Song ebenfalls gecovert haben, nämlich Atrocity für "Werk 80 II" und erst vor ein paar Monaten Delain für ihre Compilation "Interlude". Das Stück scheint eine magische Anziehungskraft auf Napalm-Künstler auszuüben, oder?

 

Für uns lag es nahe, auch auf dem neuen Album wieder einen genrefremden Song zu covern, auch wenn die Bronski Beat-Nummer schon des Öfteren von unseren neuen  Labelmates und anderen Bands durch den Wolf gedreht wurde. Wenn man als melodische Band mit poppigen Refrains und cleanen Gesängen arbeitet, zudem noch eine Sängerin hat, wird man ja von einigen U17-Puristen und Szene-Polizisten auch mal schnell als untrue oder „schwul“ bezeichnet – warum also nicht eine Gay-Hymne covern, um damit noch mal Öl ins Trueness-Feuer zu gießen.

 

 

Als Bonustracks enthält die Erstauflage von "The Arsonist" wie schon beim Vorgänger zwei Remixe, die eure ursprünglichen Songs komplett auf links ziehen und in Electro/House-Versionen umwandeln. Hand auf's Herz: Wie viele Fans werden damit wirklich etwas anfangen können? Oder bin ich komplett auf dem Holzweg und die entsprechenden Bonusnummern auf "Bizarro World" kamen sensationell an? Kann ja auch sein, haha.

 

Auch das fällt für mich unter die Kategorie „Reibung“. Ich gehe davon aus, dass die meisten Fans damit wenig anfangen können. Es ist eine Art Tradition, und wir selbst finden es immer wieder spannend, wie andere Künstler aus genrefremden Gefilden unsere Songs neu interpretieren. Auf der Japanversion und dem exklusiven ITunes Release befinden sich dieses Mal neue, weitere Bonustracks. Akustikversionen von „I’m Gone“ bzw. „Dead City Sleepers“, ohne Beats oder Elektro-Kram. Mal sehen was die Puristen und Hater dazu sagen;-)

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de

 

 

Link: www.deadlock-official.com