Interview mit Sebastian Reichl von DEADLOCK

 

 

Obwohl sowohl „Manifesto“ als auch „Bizarro World“ mit starken Songs punkten, scheint das neue Album in mancherlei Hinsicht zielgerichteter, nüchterner zu wirken. Das fängt bei dem eher stilvoll-schlichten Coverartwork im Vergleich zum „Staffelläufer im Schlamm“ vom Vorgänger an, und hört beim auf eure Stärken konzentrierten Songwriting ohne eine Provokation im Sinne von „Deathrace“ (Stichwort Rap) oder dem letzten Techno-Intro auf. Ist „Bizarro World“ fokussierter und weniger auf Konfrontationskurs als das letzte Album?

 

Hey Markus, du hast absolut recht. Wir haben vor dem Album einige Brainstormings abgehalten und dort versucht ein stimmiges musikalisches Konzept zu entwickeln. Wir wollten auf der einen Seite unsere Stärken der Vorgängeralben ausbauen und auf der anderen Seite die typischen Szene-Spitzen besser in die Songs integrieren. Damit ist es vordergründig womöglich weniger auf Konfrontation aus aber spätestens nach den zwei Remixen auf der Special Edition werden die Puristen und die Musikpolizei wieder Alarm schlagen. Wie du weißt ist das aber ein essentieller Bestandteil eines Deadlock Albums. Ohne "Hater" kein richtiges DL Album. Wir lassen uns aber den Spaß nicht verderben. Keine Angst, hehe.

 

Auch textlich präsentieren sich Deadlock anno 2011 weniger angriffslustig als vor ca. zwei Jahren, womit ich in keiner Weise belanglos oder beliebig meine. „Manifesto“ war regelrecht anklagend, hoch ambitioniert und als klares Statement formuliert. Lasst ihr es thematisch diesmal bewusst etwas ruhiger – man könnte sagen mehr aus der Beobachterposition - angehen, damit euch die Leute vielleicht keinen Weltverbessererstempel aufdrücken können?

 

Auch hier ist es so, dass wir inhaltlich in jedem Song unseren Frust über diese bizarre Welt Ausdruck verleihen möchten. Es ist ein höchst politisches und systemkritisches Album geworden. Es ist zum Teil unfassbar, was man uns Menschen mit einer ungeheueren Dreistigkeit täglich vorsetzt. Der rote Faden der sich durch alle Lyrics zieht ist die Idee einer bizarren Welt in der alles Gute schlecht, alles Schöne hässlich, alles Erstrebenswerte belanglos und umgekehrt ist. Wir haben dann aber festgestellt, dass dieser Planet sich immer mehr in diesen verrückten Ort zu verwandeln scheint. Ich sage nur Monetarismus, Infektionsdogma, Hochmut, Religion usw. … Jeder sollte sich kritisch mit Mehrheitsmeinungen und Fakten auseinandersetzen und Dinge hinterfragen. Wenn man so will ist das eine Message, die wir transportieren möchten. Jeder sollte wieder ein mündiger Bürger sein. Aber auch hier ermächtigen wir uns keines Missionierungsauftrages.

 

Zwei eurer neuen Songs tragen die Namen „Earthlings“ und „Alienation“. Darf man daraus schließen, dass ihr euch diesmal auch ein bisschen dem Thema außerirdisches Leben gewidmet habt, ihr quasi eure Area 51-Songs abgeliefert habt? Peter Tägtgren wäre zumindest stolz auf euch ;-)

 

Ja der gute Peter... womöglich wäre er stolz, hehe. Der Querverweis in Richtung Area 51 ist wohl aber nicht ganz zutreffend. "Alienation" bezieht sich auf die Entfremdung des Menschen in Bezug auf sich und den Planeten. "Earthlings" handelt dann doch von einer fiktiven Spezies die uns Menschen beobachtet und feststellen muss, dass hier Wahnsinnige am Werk sind. Einen bestimmten Bezug auf dieses militärische Sperrgebiet im südlichen Nevada gibt es aber nicht, haha.

 

Im Voraus habe ich mir schon leise Hoffnungen gemacht, dass ihr wieder mit einer gelungenen Ballade zum Ausklang aufwartet und so ist es jetzt mit „Paranoia Extravaganza“ auch gekommen. Diese ruhigen, irgendwie versöhnlichen Balladen am Ende eurer Alben sind mittlerweile zu einer lieb gewonnenen Tradition geworden, oder?
 

Es ist tatsächlich so, dass wir im Songwritingprozess immer wieder auf diese ruhigen Nummern stoßen. Dieses mal war das in Zusammenarbeit mit einem befreundeten, grandiosen Pianisten der ganz in der nähe unseres HQ's lebt und schon seit längerem mit Sabine in regen musikalischen Kontakt steht. Das diese Songs immer zum Abschluss unserer Album verwendet werden, liegt eigentlich immer daran, dass sie dort am besten ihre Kraft entfalten können.

 

Würdet ihr euch auch zutrauen mal eine komplette EP, möglicherweise als Bonus zu einem Album, in einem solch ruhigen Stil an den Start zu bringen oder wäre das dann zu viel des Guten und es wäre zu befürchten, dass das den Balladen das Besondere nehmen könnte?

 

Ich kann mir das nicht wirklich vorstellen. Nur Piano-Balladen wären tatsächlich zu viel des Guten. Es geht ja immer darum aus all den verschiedenen Stilmitteln ein stimmiges Ganzes zu kreieren. Klaviersongs bieten sich an wenn man wie schon erwähnt einen versöhnlichen Ausklang schaffen oder das Tempo innerhalb eines Albums drosseln möchte. Für mich ist der Zusammenhang der einzelnen Songs auch sehr entscheidend ob ein Album gut ist oder nicht. Eine ganze EP nur mit Piano-Tracks würde es den Szene-Sheriffs auch zu einfach machen, hehe.

 

Schon bald wird es eine kleine Release-Tour anlässlich von „Bizarro World“ geben. Was habt ihr euch für diese Abende vorgenommen, was erwartet die Fans und warum muss man unbedingt dabei sein?

 

Auf der Tour gibt es die absolute, wahrhaftige Hingabe von uns Musikern. Wir wollen feiern mit den Leuten, die uns diese musikalische Reise über die Jahre überhaupt ermöglicht haben. Wir werden eine "Hitparade" der letzten vier Alben abbrennen und auch insgesamt 7 neue Songs zum Besten geben. Es soll eine große Party werden und es sind alle eingeladen.

 

Wenn man „Htrea“ - das invertierte Wort „Earth“ und einen eurer Songtitel - mal durch Google rauschen lässt, taucht dort weit oben auch eine Modellachterbahn namens „Bizarro: Escape from Htrea“ auf, die von einem Bastler aus einem Lego-ähnlichen System gebaut wurde. Damit habt ihr sicher nichts zu tun, ist aber meiner Meinung nach ein interessanter Zufall oder?

 

Haha! Das ist ja cool! Aber explizit mit dieser Achterbahn hat das Ganze nix zu tun. Es ist aber wirklich so, dass als Namensgeber diese DC Comics herhalten mussten auch wenn unsere Herangehensweise keine Adaption dieser sequenziellen Bilderkunst ist. Wie vorher schon erklärt zieht sich "nur" die Idee dieser quasi farbnegativen Welt wie ein roter Faden durch das lyrische Konzept! Dafür war das Recording, Songwriting und alles was dazu gehört wie immer eine Achterbahnfahrt, hehe.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.xdeadlockx.com