Interview
mit Martin Powell von CRADLE OF FILTH / 04.2005
Markus: Wie haben die Fans im Rahmen eurer Tour auf das
neue Material und die neue Live-Show reagiert?
Martin / COF : Wir hatten zu Beginn zwei wirklich heiße
Shows in Griechenland. Das war wirklich klasse. Aber ansonsten kann ich dazu
nicht so viel sagen, da ich kaum ins Publikum sehe. Ich konzentriere mich bei
unseren Shows primär auf das Geschehen auf der Bühne. Aber natürlich freuen
wir uns die neuen Songs endlich auch live spielen zu können.
M: Wie sehen eure Pläne für die Zeit nach der Tour
aus? Ihr werdet sicher nach den Arbeiten an „Nymphetamine“ und eurem
Tourstress erst mal ein wenig verschnaufen wollen. Wie geht es dann weiter?
Werdet ihr euch Nebenprojekten widmen?
COF: Nein, wir werden nach einer kurzen Pause mit den
Arbeiten am neuen Album beginnen. Oder besser gesagt haben wir damit sogar schon
angefangen. Aber es ist schwierig auf Tour Songs zu schreiben. Wir geben auf
jeden Fall wieder unser Bestes.
M: Bisher seid ihr für keines der bekannten Open Airs
bestätigt worden. Werdet ihr überhaupt auf einem Festival zu sehen sein?
COF: Nein. Wir werden die Sommerzeit im Studio
verbringen, das wird stressig genug. Daher werden wir dieses Jahr keine
Festivals spielen.
M: Ihr wart ja auch schon mit der Ozzfest Tour unterwegs
durch die USA. Dort seid ihr absolute Exoten, denn Bands wie Cradle of Filth
gibt es dort so gut wie gar nicht. Wie waren die Reaktion und welche Eindrücke
habt ihr mitgebracht?
COF: Na ja, dort ist es wirklich ein sehr geringer Teil
der Bevölkerung, der etwas mit unserer Musik anfangen kann. Aber Amerika ist
auch ein riesiges Land und bei allen Shows waren viele Fans dabei. Diese Tour
dauerte über zehn Wochen und als es vorbei war ging bei uns nichts mehr. Wir
waren total fertig nach dieser Monstertour. Es war aber wirklich interessant die
Reaktionen zu sehen, weil die Leute so etwas wie uns noch nie zuvor gesehen
hatten.
M: Hattet ihr im Rahmen der Shows oder bei der Einreise
eigentlich auch mal Probleme mit der Staatsmacht? Satyricon mussten sich ja
letztes Jahr einen Aushilfsdrumer suchen nachdem ihrem festen Schlagwerker die
Einreise verweigert wurde.
COF: Oh, ich weiß auf welche Geschichte du dich
bezeihst... Nein, also wir hatten alle ein Visum für diese Zeit und es gab auch
sonst keine Probleme. Wir sind alle gute Jungs und Mädels. Das Problem im Fall
von Satyricon war, dass sie vereinzelt schon straffällig geworden sind, was bei
uns nicht der Fall ist. Aufgrund dieser Einträge wurde die Einreise verweigert.
Das Problem haben übrigens nicht wenige europäische Bands, die in den Staaten
spielen wollen.
M: Die Amerikaner sind ja ziemlich paranoid was diese
Sache angeht. Da ist fast jeder Ausländer ein potentieller Terrorist *lacht*
COF: *lacht* Na klar, das ist ja auch so! Wir fahren nur
dort hin um uns in die Luft zu sprengen.
M: Glaubst du, dass sich eine nennenswerte Szene für
CoF und ähnliche Bands in den USA bilden kann? Würdest du sagen, dass ihr dort
irgendwann einen relevanten Markt vorfinden könnt?
COF: Also unsere Verkaufszahlen sind in den USA
innerhalb der letzten Jahren schon
angestiegen. Aber das liegt in erster Linie daran, dass wir dort verstärkt
getourt sind – auch mit der Ozzfest Tour, wie du schon richtig angemerkt hast.
Wir haben viel Zeit dafür investiert und somit können wir zumindest für uns
einen wachsenden Markt vermelden. Wie die Entwicklung jedoch für die gesamte
Szene aussieht, darüber kann ich mir kein Urteil bilden. Es ist schon möglich,
dass dort irgendwann mal eine Szene heranwächst, aber das wird sicher nicht
leicht werden. Denn in der momentanen Situation haben Bands wie Cradle of Filth
absolut keine Chance im amerikanischen Radio oder im TV Programm gespielt zu
werden.
M: Nach „Damnation and a Day“ habt ihr das
Major-Label Sony wieder verlassen und euch wieder für ein etwas kleineres Label
– Roadrunner Records – entschieden. Was war für euch ausschlaggebend den
Giganten der Branche wieder den Rücken zu zudrehen?
COF: Also Roadrunner ist immer noch ein ziemlich großes
Label, keine Frage. Aber wir haben einfach festgestellt, dass gerade Roadrunner
unseren Markt viel besser kennt als es der riesige Konzern Sony tut. Für eine
Metalband ist es meiner Meinung nach mit das Beste was einem passieren kann wenn
man bei Roadrunner Records unterkommt. Diese Leute kennen ihre Zielgruppe und
wissen auch wie man die Fans erreicht. Dort kann man als ambitionierter Künstler
auch besser für sich und seine Platten werben. Bei Sony waren wir nur ein
kleiner Fisch, ein Glied in einer endlos langen Kette. In diesem Meer aus Künstler
ist es nahezu unmöglich eine größere Beachtung zu finden. Ich meine es war
eine fantastische Sache für uns mit einem großen Orchester zu arbeiten. Aber
als es dann darum ging unsere Musik und uns selbst zu promoten kamen wir einfach
zu kurz. Da hat Sony es versäumt richtig mit uns zu arbeiten.
M: Also habt ihr Roadrunner in erster Linie aufgrund
ihrer ausgeprägten, spezialisierten Stellung ausgewählt?
COF: Ganz genau! Dort arbeiten wirklich gute Leute, die
wissen wie sie dir helfen können und wie du voran kommen kannst.
M: Und sie haben ein ausgeprägtes Netzwerk. Nicht nur
in Europa sondern auch auf anderen Kontinenten wie eben Amerika.
COF: Exakt. In meinen Augen sind sie das beste Label,
mit dem wir bisher zusammen gearbeitet haben. Ich hoffe dass die Zusammenarbeit
noch lang anhalten wird.
M: Ihr wurdet jüngst sogar für einen Grammy nominiert.
Glaubst du eine Band, die eine extreme Art von Musik spielt hat bei einer
solchen Verleihung überhaupt eine Chance einen Preis mit nach Hause zu nehmen?
COF: Also ich denke, dass es uns andere Bands noch
gleich tun werden. Es ist doch schon eine tolle Sache, dass eine Band wie Cradle
of Filth überhaupt nominiert wird. Das zeigt, dass unsere Art von Musik
wahrgenommen wird und die Leute in den USA merken, dass wir ernst nehmen was wir
tun. Schau dir Slipknot an. Die gehen in den Staaten hoch in die Charts, somit
sind Fernehen und Radio quasi gezwungen sie zu spielen.
M: Bands wie Cradle of Filth und Dimmu Borgir sind so
etwas wie „die Popstars“ unter den Black Metal Bands. Was macht deiner
Meinung nach dem Unterschied zwischen euch und der Masse an anderen Bands? Es
muss ja schließlich einen Grund dafür geben, ass ihr merklich beliebter seid
und wesentlich mehr Platten verkauft.
COF: Also ich würde uns gar nicht mehr als
Black-Metal-Formation sehen. Unsere Wurzeln liegen zwar im Black Metal, aber
heute sind wir keine reine Black Metal Band mehr. Aber um zu deiner Frage zu
komme: Cradle of Filth und zum Beispiel Dimmu Borgir haben verschiedene
Entwicklungen durchlaufen. Ich glaube einer der Hauptgründe ist, dass es uns
und Dimmu schon etwas länger gibt und diese Bands deshalb mehr Platten
verkaufen.
M: Aber das allein kann doch eigentlich nicht der Grund
sein. Was denkst du: Wie wichtig ist es zusätzlich einen Frontmann, eine Persönlichkeit
wie Dani im Rampenlicht zu haben?
COF: Sehr wichtig, da geben ich dir Recht. Jede
erfolgreiche Band braucht eine Hauptfigur, welche die Leute auf eine Band
aufmerksam macht. Wir haben das Glück einen Frontmann zu haben, der sich nicht
scheut seine Meinung zu sagen und auch mal eine unkonventionelle oder verrückte
Aktion zu bringen.
M: Dani hat den Ruf eine „Diva“ zu sein. Würdest du
dem zustimmen?
COF: Nein, eigentlich nicht. Er ist einfach nur
authentisch und sagt, wie bereits erwähnt, einfach seine Meinung. Er hat meiner
Meinung nach keine Eigenschaften, die eine Diva ausmachen. Er ist in meinen
Augen ein umgänglicher Typ.
M: Also sind diese Vorwürfe nur aus der Luft gegriffene
Geschichten?
COF: Klar. Um jede Band gibt es solche Geschichten. Das
sind alles Hirngespinste von Leuten, die dir irgendeine Sachen nicht gönnen
oder die dich aus einem anderen Grund nicht mögen.
M: Lass uns über euer letztes Video sprechen. Ihr habt
euch bekanntlich die Gothic Metal Queen Liv Kristine ins Boot geholt für die
weiblichen Gesangspassagen. Warum habt ihr gerade sie ausgewählt?
COF: Wir haben es vorher mit unserer Live-Sängerin
versucht, aber wir waren mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Sie hat eine tolle
Stimme, aber wir wollten einfach eine Stimme, die anders klingt. Leider hatten
wir dann sehr wenig Zeit und wir haben bei verschiedene Personen angefragt,
unter anderem auch bei Amanda Palmer (Sängerin der Dresden Dolls, Anm. d.
Autors), die dann auch eine Version einsang. Aber auch das hat uns nicht so
richtig gefallen, auch wenn sie eine tolle, punkige Stimme mit
Wiedererkennungswert hat. Also haben wir Liv und Alex (Krull - Atrocity /
Leaves’ Eyes, Ehemann von Liv Kristine, Anm. d. Autors) angerufen und ihnen
den Song geschickt. Sie hat dann den Song eingesungen und als wir uns die
fertige Aufnahme angehört haben merkten wir sofort, dass ihre Stimme perfekt
passt und fantastisch in dem Song zur Geltung kommt. Wir haben uns sehr gefreut,
dass sie dann auch die Zeit für das Video hatte.
M: Als die Szene mit dem von der Decke hängenden
Mikrofon gefilmt wurde hat Dani auf einer großen Kiste gestanden, richtig?
COF: Ja, woher weißt du das? Das Mikrofon hing sehr
sehr hoch und Dani wäre sonst niemals dran gekommen. *lacht*
M: War das auch der Hauptgrund für ihn diesen
Hellraiser-Mantel zu tragen?
COF: Auch, aber in erster Linie hatte es einen optischen
Grund. Es sollte ein wenig wie eine Schlange aussehen und das ist ziemlich gut
gelungen. Schau es dir an, solch lange Beine hat niemand *lacht*
M: Hast du eigentlich von diesem Fan gehört, der in
England kürzlich verhaftet wurde, weil er ein CoF Shirt mit dem Aufdruck
„Jesus is a Cunt“ getragen hat? Er wollte nur Zigaretten kaufen und wurde
dann am Kiosk verhaftet.
COF: Nein, diesmal nicht. Aber ich weiß, dass es so was
in der Vergangenheit schon mehrfach gab – meist mit dem selben Shirt *grinst*.
Die Gesetze in Großbritannien sind ziemlich streng und trotz Meinungsfreiheit
usw. kannst du dir nicht überall alles erlauben. Ich meine, ich würde in
manchen unserer Shirts auch nicht auf die Straße gehen. Du weißt ja nicht wie
man in England auf der Straße angeschaut wird, wenn man solche Sprüche auf dem
Hemd trägt *lacht* . Aber so was bringt dich auch in die Presse und schlechte
Presse ist besser als keine Presse. Dann halten uns die normalen Leute zwar für
dämonisch oder satanistisch, aber damit können wir leben. Auf jeden Fall kümmern
wir uns einen Dreck um so was wenn wir Videos drehen oder Shirts und
Plattencover gestalten. Und überhaupt das Wort „Cunt“ – warum regen die
Leute sich darüber so auf? Das ist ein normales Wort, dass sogar im Wörterbuch
zu finden ist.
M: Macht ihr eigentlich eure T-Shirt Artworks und die
Motive für eure Platten immer noch selbst?
COF: Na klar. Dani und Paul (Gitarrist von CoF, Anm. d. Autors) setzen sich
da immer zusammen und kümmern sich um diese Sachen. Bisher sind alle unsere
T-Shirt-Motive von den beiden. Wir haben solche Sachen lieber in der eigenen
Hand, denn wir wollen selbst entscheiden wie unsere Sachen gestaltet werden.
M: Lass uns noch mal kurz auf die USA zu sprechen
kommen. Wie wurde eigentlich damals der Vorfall mit Dimebag Darrell an euch
heran getragen? Sein Tod hat sicherlich auch bei euch Spuren hinterlassen.
COF : Wir waren zu dem Zeitpunkt gerade in den USA
mitten in einem Auftritt. Das war einfach... *längere Sprachpause, Martin sucht
merklich nach Worten* Es hat uns schockiert, wie ein Blitz getroffen. Das hatte
absolut nichts mit Musik zu tun, der Typ, der Dimebag erschossen hat war einfach
ein gestörtes Individuum. Ich meine, jeden Tag sterben weltweit Menschen, aber
es ist nicht an der Tagesordnung dass es Menschen trifft, die wir kennen und schätzen.
M : Es wurden anschließend Rufe laut, dass solche
Psychopathen „ein Produkt der amerikanischen Gesellschaft“ seien. Würdest
du dem zustimmen?
COF : *entschieden* Nein. Solche Leute gibt es auf der
ganzen Welt. Ich bin sicher, dass es in jedem Land irgendwo solche Irren gibt.
Der Unterschied ist für mich nur, dass dieser labile Typ in den Besitz einer
Waffe gelangt ist. Das wäre in vielen anderen Ländern wahrscheinlich nicht
passiert.
M : Glaubst du, dass es den anderen Bands der Szene erst
einmal schwer fallen wird vor amerikanischem Publikum wie gewohnt aufzutreten?
Glaubst du es wird bei manchen Künstlern Probleme diese Sache aus dem
Hinterkopf zu bekommen?
COF : Also wir haben schon ein paar Tage gebraucht um
das zu verdauen und zu verstehen was da überhaupt passiert ist. So etwas setzt
einem natürlich zu, keine Frage. Aber wenn du als Musiker solche Sachen nicht
aus dem Kopf bekommst, dann kannst du deinen Job an den Nagel hängen. Es muss
einfach auch irgendwie weitergehen. In Amerika wurden jetzt die Sicherheitsmaßnahmen
verstärkt, es wird gezielter kontrolliert. Das halte ich für eine gute Sachen,
gerade in einem Land, das Schusswaffen so leicht zugänglich macht wie die USA
es tun.
M : Somit trägt der Gesetzgeber für dich in gewisser
Weise auch eine Mitschuld? Oder waren die Kontrollen vielleicht einfach viel zu
lasch?
COF : Ein paar Wochen bevor Dime erschossen wurde hatten
wir einen Vorfall bei einem unserer Konzerte, der tendenziell in eine ähnliche
Richtung geht. Damals ist ein Kerl bei unserer Show aufgetaucht, der während
unsers Auftritts auf einmal unserem Merch-Verkäufer eine Pistole vor das
Gesicht gehalten hat. Er wollte nur das Geld haben und unser Mann hat natürlich
sofort getan was das Beste für ihn war. Danach hat sich der Typ sofort aus dem
Staub gemacht. Mit solchen Sachen rechnest du einfach nicht und das haben die
Ordner auch nicht getan.
Interview und Ausarbeitung : Markus Rutten – www.sounds2move.de
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