Interview mit Garry Jennings von CATHEDRAL

 

 

Garry, ich habe Interviews mit Lee Dorrian gelesen, in denen er Cathedral als „einen Kampf, den wir nicht mehr kämpfen wollen“ bezeichnet hat. Was genau hat er damit gemeint? Habt ihr einfach die Nase voll davon, viel harte Arbeit darauf zu verwenden, eine Band am Laufen zu halten, mit der ihr im Endeffekt nicht mal annähernd euren Lebensunterhalt bestreiten könnt?

 

Es gibt vielfältige Gründe dafür, dass wir die Band zu Grabe getragen haben. Was du aufgeführt hast, war einer dieser Gründe, aber ich glaube auch, dass wir nach 23 Jahren alles erreicht haben was wir wollten und sogar noch ein bisschen mehr. Nicht viele Bands halten sich über viele Jahre, schon gar keine 23. Musikalisch gesehen, gab es für uns eigentlich auch nichts mehr zu erreichen, denn wir sind der Meinung, mit Cathedral alles gesagt zu haben. Jedes unserer Alben war anders als seine Vorgänger, außer vielleicht "The Carnival Bizarre" und "Supernatural Birth Machine", die sich doch ziemlich ähnlich sind. Aber wenn man sich mal vor Augen führt wie viele Formationen alle paar Jahre neue Alben veröffentlichen, die am Ende doch alle irgendwie immer das gleiche bieten, fragt man sich schon, was das soll und ob das wirklich die Erfüllung ist. Darum haben wir auch versucht, jedes Cathedral-Album unterschiedlich zu gestalten und uns nicht zu wiederholen. Sicherlich gibt es auch andere Gründe für das Ende unserer gemeinsamen Karriere, wie etwa was Lee sagte, nämlich dass wir keine Lust mehr auf diesen Kampf haben und es ehrlich gesagt auch irgendwann am nötigen Enthusiasmus fehlt, wenn du in die Mitvierziger kommst. Aber ich glaube das ist verständlich, wir haben einfach nicht mehr den gleichen Drive, den wir mit Anfang 20 hatten.


Euer letztes Album ist unbestritten ein würdiges finales Kapitel für Cathedral und hat bisher wirklich sehr positives Feedback sowohl von der Presse als auch von den Fans erhalten. Aber was wäre passiert, wenn ihr immer und immer weiter an "The last Spire" geschraubt hättet und ihr - aus welchen Gründen auch immer - einfach nicht zufrieden gewesen wärt mit dem Ergebnis? Sicherlich hättet ihr keine Lust gehabt mit einem nur passablen Album abzudanken, denn eine einflussreiche Gruppe wie Cathedral muss sich zweifelsfrei mit einem Highlight verabschieden, hehe. Was wäre also gewesen, wenn "The last Spire" euren eigenen hohen Standards nicht gerecht geworden wäre? Hättet ihr dann einfach immer weiter gemacht, bis ihr endlich zufrieden seid - egal wie lange es möglicherweise gedauert hätte?

 

Ich weiß worauf du hinaus willst, und ja wir hätten natürlich so lange weiter gemacht wie es nötig gewesen wäre. Zum Glück hatten wir den Luxus, die Platte auf Rise Above zu veröffentlichen (der Plattenfirma von Frontmann Lee Dorrian - MR), daher mussten wir uns nicht an irgendeine Deadline halten. Wir haben die Platte letztes Jahr während der Sommerolympiade aufgenommen und hatten sie etwa im November fertig. Von daher war es schon so, dass wir so lange daran gearbeitet haben, bis wir auch wirklich hundertprozentig zufrieden waren. Das meiste haben wir am Wochenende aufgenommen, so konnten wir uns die Aufnahmen über die Woche noch einmal anhören und sie falls nötig noch ändern oder überarbeiten. Viel Anlass für Änderungen gab es aber nicht, daher sind viele Gitarren- und Bassspuren gleich mit dem ersten Take auf dem Album gelandet. Der Einzige, der einen strafferen Zeitplan hatte, ist unser Bassist Scott Carlson, denn er lebt in Los Angeles und musste seine Parts deshalb natürlich in der Zeit fertig stellen, in der er bei uns in England war.

 

Viele Hörer haben den Eindruck, dass "The last Spire" gewissermaßen all das zusammenbringt, was Cathedral in den vergangen zwei Dekaden gemacht haben. Es scheint eine Art Zusammenfassung all dessen zu sein wofür ihr über die Jahre gestanden habt.

 

Der Fokus lag vor allem darauf, unser letztes Album so heavy und mürrisch wie möglich zu machen. Einige Leute vergleichen es auch mit unserem Debüt "Forest of Equilibrium", und von der Attitüde her ist das nicht einmal weit her geholt. Trotzdem liegen über 20 Jahre zwischen den Aufnahmen, daher ist es unmöglich auch den Vibe von damals zu rekonstruieren. Unser letztes Album sollte sehr fokussiert ausfallen was seine Ausrichtung betrifft, es sollte sehr doomig werden, aber wir haben auch ein paar kleine Merkwürdigkeiten mit in den Topf geworfen und haben damit genau das Resultat erhalten, das uns vorschwebte. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich stolz und glücklich bin, dass wir unser musikalisches Vermächtnis mit diesem Album abschließen.

 

Stichwort Vermächtnis: Was glaubst du wie man sich in einigen Jahren an Cathedral erinnern wird und woran die Leute als erstes denken werden, wenn sie euren Namen hören?

 

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Was ich auf jeden Fall sagen kann ist, dass wir zu der Zeit als wir noch aktiv waren nicht die Wertschätzung erhalten haben, die uns zugestanden hätte. Viele Leute wussten wer wir waren und haben unseren Namen vielleicht immer mal wieder in Magazinen oder im Billing eines Festivals gesehen. Aber weil wir eine Doom Metal Band sind und keine Death, Power oder True Metal Band haben sie uns möglicherweise ignoriert - zumindest so lange bis sie sich doch mal irgendwo etwas von uns angehört haben und schockiert feststellen mussten, dass wir doch eine ganz gute Band sind, hehe. Vielleicht gibt es in 20 Jahren ja eine total angesagte Band, die sich auf uns beruft und einen unserer Songs covert, sodass die Leute noch mal auf uns aufmerksam werden und uns nach all den Jahren für sich entdecken. Das fände ich schön. Kann gut sein, dass wir eine dieser Bands sind, die die Leute zu aktiven Zeiten nicht verstanden haben, die sich einem dafür aber Jahre später erschließt. Wer weiß...

 

Es ist eine obligatorische Frage, aber was waren für dich die besten und die schlimmsten Momente deiner Karriere mit Cathedral? 

Das Schlimmste war als wir unmittelbar vor Weihnachten 1994 herausgefunden haben, dass wir unseren Plattenvertrag mit Sony verloren haben. Natürlich war uns klar, dass wir unseren Deal irgendwann verlieren könnten und so eine Partnerschaft nicht ewig halten kann, wir sind ja nicht naiv. Aber wir hatten zwei gute Mitstreiter in der Band, zum einen Scott und zum anderen einen Kerl namens Dave Hornyak, die beide in den USA leben. Wir hatten gerade die Demos für "The Carnival Bizzare" aufgenommen, und kurz bevor die beiden zurück nach Hause geflogen sind war das letzte was Lee und ich zu ihnen sagten "Wir sehen uns dann nächstes Jahr, um das Album aufzunehmen". Postwendend wurden wir von der Plattenfirma fallen gelassen, was es uns unmöglich machte Dave und Scott in der Band zu behalten, da wir es uns ohne Label finanziell einfach nicht leisten konnten. Also waren plötzlich nur noch Lee und ich in der Band. Na dann fröhliche Weihnachten... Danke Sony. Haha!

 

Zum Glück sind aber auch noch sehr viele großartige Sachen passiert über die Jahre. Wir haben gemeinsam mit Black Sabbath auf der Bühne gestanden, Tony Iommi hat sogar auf unserem Song "Upopian Blast" vom "Carnival"-Album Gitarre gespielt. Wir haben mit Trouble getourt, mit Motörhead und wir haben Phil Cope von Witchfinder General getroffen. Das sind alles absolute Highlights unserer Karriere.

 

Dennoch sind Cathedral jetzt Geschichte. Wie sieht deine Gefühlswelt diesbezüglich aus: Ist das eher Erleichterung oder Wehmut, die sich bei dir breit macht?

 

Ganz ehrlich: Es ist beides. Die Band war für so lange Zeit ein riesiger Bestandteil meines Lebens, deshalb werde ich natürlich schon gewisse Dinge absolut vermissen. Andererseits ist auch Erleichterung dabei, denn wir müssen nicht mehr auf Tour gehen und wochenlang von zu Hause weg sein. Alles was damit zu tun hat, Bestandteil einer Band zu sein hat Vor- und Nachteile, das ist bei uns genauso wie bei allen anderen auch.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de

 

 

Link: www.cathedralcoven.com 


Fotos:  Ester Segarra