Interview mit Ricky Dürst von CATARACT

 

 

Bevor wir über euer neues Album sprechen, lasst uns zuerst eine Blick zurück werfen und die vergangenen 10 Jahre ein wenig Revue passieren lassen.

Als ihr vor 10 Jahren mit Cataract angefangen habt, war die Band bekanntlich nur als Projekt und nicht als vollwertige Band geplant. Hättet ihr euch rückblickend je vorstellen können, dass aus dem Projekt Cataract das wird, was die Band heute ist, nämlich eine populäre und angesagte Band?

 

Ricky: Der Projektstatus war sehr schnell verflogen. Wir hatten es als Projekt angedacht, weil Simon und ich bei Damage ID nicht richtig Gas geben konnten (wir waren von Mine anderes gewohnt) und Greg spielte bei Cease nicht die Musik, die er gerne spielen wollte. Also taten wir uns zusammen und guckten mal ob die Chemie stimmt – die Frage war nach dem ersten Jam schon beantwortet. Wir haben Damage ID beerdigt, Greg gab seinen Ausstieg bei Cease bekannt und ab dann waren Cataract als Band da. Dass wir es aber so weit bringen würden, hatten wir uns nicht wirklich gedacht. Wir wollten einfach schnelle, metallische Musik machen und das tun wir immer noch.

 

Der Erfolg hat sich bei euch erst im Ausland und dann erst in eurem eigenen Heimatland, der Schweiz, eingestellt. War das für euch nicht manchmal in gewisser Weise „deprimierend“, dass ihr z.B. in Deutschland populärer wart als in der Heimat oder wie seid ihr damals mit dieser Situation umgegangen?

 

Nun ja, es stellt sich natürlich die Frage warum und wieso das so war. Ich bin selbst einfach nicht der Typ, der mit jedem einen auf Kumpel macht um unterm Strich dann gut da zu stehen und ich denke, das gilt für die ganze Band. Wir wollen das machen, was uns Spaß macht und nicht krampfhaft bei jedem einen auf Lieb-Kind machen, damit uns alle mögen weil wir ja so flotte und lustige Jungs sind. Es war nicht wirklich deprimierend, wir mussten halt damit leben, dass wir in der Schweiz nicht "in" waren, dass wir bei einigen Exponenten der Szene nicht gut da standen und deswegen zurückstecken mussten. Wir hatten dennoch eine erstklassige Zeit mit klasse Shows und die Leute, die zu uns gehalten haben, können sich nun mit uns freuen – denn wir sind immer noch da, besser den je und die Großmäuler sind verschwunden. Seit wir "groß" sind, brauchen wir uns nicht mehr darum zu kümmern, ob wir nun auf ne Hardcore Show passen oder nicht.

 

 

Als ihr mit Cataract angefangen habt, dienten euch sicherlich gewisse Bands als Vorbilder. Sind jene Bands auch heute noch für euch Vorbilder oder habt ihr euch von diesen Vorbildern losgelöst? Vielleicht weil ihr euch unterdessen musikalisch gleichwertig einstuft oder vielleicht auch neuen Vorbildern zugewandt habt?

 

Für uns stand seinerzeit im Mittelpunkt, einfach die Mucke zu machen, die wir privat auch gehört haben und die wir uns vornehmlich live reingezogen haben. Natürlich gab es eine Vielzahl an Bands, die wir bewundert haben, aber dass wir uns eine davon rausgenommen haben und dachten "so möchten wir´s auch machen" war nicht der Fall. Ich denke da hat jeder von uns seine eigenen persönlichen Vorbilder gehabt.

 

Ist es euch in eurer 10-jährigen Bandgeschichte je passiert, dass eine andere Band euch als direktes Vorbild, als direkter Einfluss für ihre Musik benannt hat? Und wenn ja: Wie geht ihr mit solch eine Vorbildfunktion für eine andere Bands um, fühlt ihr euch dadurch geschmeichelt oder gar einem gewissen Druck ausgeliefert?

 

Das hat es schon viel gegeben, interessanterweise schon recht früh, also noch bevor wir bei Metal Blade gelandet sind. Es war allerdings meistens nicht auf die Musik ausgerichtet sondern eher auf die Art und Weise, wie wir Dinge angegangen sind und wie wir uns etabliert haben. Es war zumindest für mich immer sehr schmeichelnd, da ich nach wie vor überzeugt davon bin, dass wir den richtigen Weg gehen und gegangen sind. Ich hoffe ich rede nun nicht von einer Traumwelt wenn ich sage, dass wir auf dem Boden geblieben sind, uns immer noch ganz normal verhalten und eigentlich immer noch die gleichen Typen sind, die wir vor zehn Jahren waren. Wir gehen immer noch zu Shows, hängen irgendwo rum, besaufen uns, blamieren uns und vor allem können wir über uns selbst lachen – wer unsern Auftritt bei der Schweizer Version von "Familienduell" gesehen hat, wird mir da beipflichten, hehe!

 

 

Euer aktuelles und fünftes Album habt ihr schlicht und einfach nur mit „Cataract“ betitelt. Soll der Albumtitel den Beginn einer neuen Cataract-Ära verdeutlichen oder warum diese Titelwahl?

 

So kann man es stehen lassen. Bandintern ist es für uns wie ein Neustart, vergleichbar sowohl mit dem ersten Release überhaupt als auch dem ersten Release auf Metal Blade, das war für uns eine komplett neue Welt. Mit "Cataract" hat sich für uns viel geändert. Wir haben ein neues Line-up, eine neue Atmosphäre und auch viel neuen Schwung. Und dies wollten wir mit der Selbstbetitelung verdeutlichen.

 

Musikalisch erweist sich „Cataract“ durchaus als euer bisher progressivstes und Melodieverliebtestes Album. Doch wie kam es dazu, dass „Cataract“ im Vergleich zu seinen Vorgängeralben so progressiv ausgefallen ist? War das eine bewusst angesteuerte Weiterentwicklung von euch oder ergab sich das eher ungewollt während des Songwriting-Prozesses?

 

Es hat sich während des Songwritings ergeben. Wir hatten mit "Great Days of Vengeance" auch schon ein sehr progressives Album, damals aber noch auf LifeForce, einem Underground Label. Dort hatten wir schon einiges an Experimenten drauf, die Scheibe litt aber unter dem Sound und einigen anderen Fehlentscheidungen, welche die Qualität der Songs leider sekundär erscheinen lässt. Für "Triumph" haben wir den Sound zusammengestrichen und ein offensives, nach vorne losgehendes Album aufgenommen – entsprechend wurde die Stilvielfalt darauf zusammengestutzt. Auf "Kingdom" haben wir die Elemente mehr oder weniger beibehalten und das wollten wir nun auf jeden Fall aufbrechen. Gerade weil wir uns durch die Wechsel neu ausrichten konnten, war unsere erste Entscheidung – fertig mit Songs nach Schema. Jeder Song sollte sich frei entwickeln können. Hatte er am Ende keine Thrash- oder Moshparts drin, haben wir das so gelassen und nicht versucht, den Song auf Teufel komm raus in irgendeine Richtung zu biegen. Und ich denke das war die richtige Entscheidung.

 

Aufgrund eurer Wahl des Albumtitels findet man auf „Cataract“ keinen Titeltrack vor. Wenn du nun einen der insgesamt 10 Songs von  „Cataract“ auswählen könntest, welcher Song wäre für dich sozusagen der Titeltrack – im Sinne eines repräsentativen Aushängeschildes - und wieso wäre er das?

 

Das ist wieder mal ne äußerst einfache Frage für mich, da ich mich garantiert nicht entscheiden kann, haha. Natürlich kommt als erstes "Separation of Life and Time" in Frage, da dies der Opener ist und wie ich meine sehr viel von dem ankündigt, was auf den folgenden Tracks noch weiter ausgearbeitet und verfeinert wird. Mein Favorit wäre aber "Snake Skin", da er vom Aufbau ein typisches Cataract-Brett ist, aber mit einem absolut untypischen, hohen old school metal Riff startet. Er repräsentiert einerseits das, womit wir uns etablieren konnten und andererseits beinhaltet er viele neue Nuancen, die wir in Zukunft noch weiter ausbauen werden. Als Joker würde ich noch das Instrumental "Tonight we dine in Hell" nehmen, weil wir da endlich wieder nen richtigen Blastbeat drin haben.

 

Was hat euch bei den Songs beeinflusst? Gibt es auf „Cataract“ vielleicht sogar so etwas Ähnliches wie einen thematischen roten Faden innerhalb der Lyrics? Oder steht jeder Song für sich selbst?

 

Jeder Song steht für sich selbst; die Texte basieren nach wie vor auf Dingen, die unserem Sänger sauer aufstoßen und über die er sich auslassen möchte. Ein richtiges lyrisches Konzept, das sich über das Album erstreckt, hatten wir noch nie.

 

Das Instrumental “Tonight We Dine In Hell” hat was von einem vertonten Horrorfilm.  Wer von euch hatte die Idee für dieses Instrumental?

 

Wir wollten schon auf "Kingdom" ein solches Stück aufnehmen, aber damals hat es sich nicht ergeben, respektive der Song, den wir hatten, war uns nicht gut genug. Das Stück basiert übrigens locker auf dem Film "300" - daher stammt auch der Titel – und soll in etwa die Story wiedergeben. Es beginnt mit einem Massaker und endet wieder in einem, wobei der runtergewürgte, zerstückelte Schluss symbolisch für das Finale dieses Films steht. Wir wollten einen Track schreiben, der von Melancholie und Schwerfälligkeit getragen wird; gleichwohl sollte er aber als voller Song dastehen und nicht als reines Intermezzo – ganz in der Tradition wie es Metallica, Flotsam & Jetsam oder Agent Steel früher gemacht haben.

 

 

2007 hat Gitarrist Simon Füllemann, der ja auch eines der Gründungsmitglieder von Cataract ist, die Band verlassen und wurde durch Tom Kuzmic ersetzt. Wart ihr, als Simon euch verlassen hat, schon mit dem Songwriting für das neue Album beschäftigt? Und in wie fern hat sich Tom am Songwriting zu „Cataract“ beteiligt?

 

Nein, wir hatten da noch nicht einen Song fertig. Wir wollten eigentlich schon lange damit loslegen, aber Simon hatte es immer wieder rausgeschoben – Anfang 2007 wussten wir dann warum. Wir hätten einfach loslegen sollen, denn mit der ewigen Warterei haben wir im Endeffekt nur Zeit verschwendet. Es ging dann erst nach Toms Einstieg richtig los mit komponieren und er hat sich entsprechend eingeklinkt wo immer er konnte. Ein Song (Breeze of the Kings) stammt so ziemlich 100% aus seiner Feder, zu allen anderen hat er einfach was beigetragen, Riffs, Breaks, Solos... Für die nächste Scheibe werden wir die Zusammenarbeit noch verstärken und ich bin richtig gespannt was dabei rauskommt!

 

Der Limited Edition von „Cataract“ liegt als Bonus eine CD mit Cover-Versionen bei, auf der ihr unter anderem Songs von Slayer, den Ramones und Sepultura covert. Habt ihr diese Cover-Songs speziell für die Bonus-CD aufgenommen oder handelt es sich vielmehr um Cover-Songs, die sich halt über die Jahre hinweg angesammelt haben?

 

Aufgenommen haben wir alle zusammen in einer Punkrock Session bei unserem Live Mischer Martin, haben auch mehr oder weniger alles live eingespielt. Die Cover selbst haben wir teilweise früher schon mal gespielt, einige haben wir aber speziell für diese Bonus CD eingeübt – so z.B. Slayer, Mötley Crüe, Pantera und Warzone! Im Vordergrund stand natürlich was Wertiges für die spezial Edition zu schaffen, und da wir unser 10 Jähriges feiern bot sich eine Sammlung an Covers an von Bands, die uns in dieser Zeit begleitet haben. Wir wollten natürlich auch unseren Spaß dabei haben und haben noch ein paar Kumpels in Studio geschleppt… und wer die Vale Tudo jungs kennt, weiß dass da unter einem bestimmten  Promille-Pegel gar nix geht. Es war also sehr kurzweilig, vor allem das einsingen der Chöre – wobei leider die etwas experimenteller ausgefallenen Opfer der Zensur wurden.

 

Wenn man einen Blick auf eure Discografie wirft, entdeckt man 5 Alben, 2 EPs und eine Single, aber kein Live-Album, geschweige denn eine Live-DVD. Wie kommt es, dass ihr in den ganzen 10 Jahren kein Live-Album aufgenommen habt, und bestehen vielleicht nun irgendwelche Pläne für ein Live-Album bzw. vielleicht sogar eine Live-DVD zum Jubiläum?

 

Nun, ich denke wir spielen genug live, damit man uns immer wieder mal angucken kann. Aber ganz ehrlich, den Gedanken haben wir uns schlichtweg noch nicht gemacht. Ich meine wir sind schon ein Jahrzehnt unterwegs, aber dass es deswegen ein Live Album braucht… ich weiß nicht. Ich empfinde es schwierig, die Atmosphäre einzufangen; das einzige Live Album, das ich mir anhöre, ist Maiden's "Live after Death". Vermutlich bin ich einfach kein Freund davon. Wir haben aber vor ein paar unserer künftigen Shows aufzuzeichnen, was wir mit dem Bildmaterial dann machen werden ist aber nicht definiert.

 

Abschließend, gibt es noch etwas, das ihr einer jungen Band auf den Weg geben wollt, die es euch gleichtun möchte und sich in der Szene hocharbeiten möchte, um auch auf den Bühnen dieser Welt zu rocken?

 

Glaubt an euch selbst und unterwerft euch keinem Image. Die Versuchung ist groß, da der schnelle Erfolg winkt, aber wenn ihr alles auf die Karte setzt und es in die Schlüpfer geht, ist nachher nix mehr zu wollen. Ihr müsst euch gewissermaßen entscheiden, ob ihr primär Musik machen wollt oder primär Erfolg haben wollt.

 

 

Nando Rohner – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.cataract.cc